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Estés: Tiefenpsychologie für Frauen und Lebensläufe in Märchen

Das Erkennen negativer Lebenssituationen - die Befreiung vom Terror-Mann oder von Terror-Müttern. Märchenbeispiele

12.Kapitel: Das Territorium markieren: Die Grenze des Zorns und der Vergebung

von Michael Palomino (1994 / 2004)

Zusammenfassung aus: Clarissa Pinkola Estés: Die Wolfsfrau. Die Kraft der weiblichen Urinstinkte. Wilhelm Heyne Verlag, München, 1992

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12.Kapitel: Das Territorium markieren: Die Grenze des Zorns und der Vergebung

Literaturbeispiele:
-- Japanische Geschichte: Tsukina Waguma (deutsch: Der Kragen des Bären) - (ein Bärenhaar gibt die Erleuchtung)
-- Geschichte: "Die verdorrten Bäume" (Todschlag im Zorn wegen Wasserverweigerung - es war ein Attentäter, die Bäume schlagen wieder aus)


Der angestaute Zorn gegenüber Männern

Frauen sind bis zum Ende ihrer Tage gegenüber den Männern meist zum Zähneknirschen verurteilt. Es häuft sich Zorn in den Frauen an, der freigesetzt werden muss. Wie soll frau den Zorn loswerden?

[Dasselbe Problem stellt sich aber auch bei Söhnen gegenüber Vätern, bei Männern gegenüber Arbeitgebern etc.].

Unterdrückung anderer lohnt sich nicht. Auch die Umleitung des Zorns auf Unschuldige lohnt sich nicht. Es sammelt sich eine gewaltige Emotion im Bauch an. Der Zorn wirkt wie Giftmüll. Die Betroffenen müssen also geeignete Umgangsformen und Ablagerungsstätten dafür suchen, z.B. Klimmzüge oder mit Bergsteigen?

Literaturbeispiel: japanische Geschichte: Tsukina Waguma (deutsch: Der Kragen des Bären)

Eine junge Frau lebt allein beim Pinienwald. Ihr Mann ist im Krieg. Als der Mann zurückkehrt, ist er böse und verbittert und will das Haus nicht betreten. Er schäft auf dem steinigen Boden, wie er es vom Krieg her gewohnt ist. Die Frau kocht beste Mahlzeiten aus Freude über die Rückkehr, schmückt das Haus. Sie serviert die Speise auf einem geschmückten Tablett im Wald. er Mann tritt das Tablett mit dem Fuss und brüllt: "Lass mich alleine, Frau!"

Die Frau sucht Hilfe bei der Geistheilerin in der Berghöhle am anderen Ende des Dorfes, fragt nach Mitteln gegen den furchtbaren Zorn ihres kriegsverletzten Mannes. Das Mittel für den Mann ist ein schneeweisses Haar vom Kragen des schwarzen Bären. Die Frau muss den Bären in den Bergen finden, geht auf den Berg, singt dabei "Arigato zaischo" ["Danke, du Illusion"], die Begrüssung des Berges. Sie singt Dankeslieder wie "Danke, dass du mich auf deinem grossen Leib klettern lässt", immer und immer wieder. Der Weg wird steiler, mit Disteln, Dornbüschen, Steinspitzen. Ihr Kimono verfängt sich, die Hände sind aufgeschrammt.

In der Dämmerung umkreisen dunkle Vögel die Frau. Die Frau weiss, das sind die Geister der rastlosen Toten, die keine Verwandtschaft auf der Welt besitzen. Die Frau betet für die Ruhelosen und singt: "Lasst mich eine Verwandte sein. Lasst mich es sein, die euch zur letzten Ruhe legt." Die Vögel reagieren. Es kommt Frieden in den Vogelschwarm.

Die Frau klettert weiter, sieht Schnee am Gipfel im Mondlicht glänzen. Sturm, Regen und Schnee lassen die Frau unbeirrt, denn sie ist eine liebende Frau. Der Sturm legt sich und sie singt "Arigato zaischo", um dem Sturm zu danken, dass er sie nicht in den Abgrund gerissen hat.

In der Nacht sucht die Frau Zuflucht in einer Felsspalte. Am Morgen sind Schösslinge im Schnee. Die Frau denkt, der Bär wird kommen und die Schösslinge fressen, und dann könne sie den Spuren im Schnee folgen. die Frau findet die Höhle. Der Bär bäumt sich auf und lässt ein Warngebrüll los. Die Frau hält ihm eine Holzschale mit mitgebrachten Leckerbissen hin. Der Bär wendet sich ab, verschwindet in der Höhle. Die Frau setzt die Futterschale vor dem Eingang ab und nimmt Distanz. Erst jetzt frisst der Bär. Am nächsten Abend legt die Frau wieder eine volle Futterschale hin, nimmt aber ein bisschen weniger Distanz. Der Bär kommt, brüllt, frisst und geht wieder.

Jede Nacht geht das so, bis die Frau den Mut hat, sich neben die Futterschale vor den Eingang der Bärenhöhle zu stellen. Der Bär stürzt heraus, brüllt, will sich auf sie stürzen, da ruft die Frau: "Oh bitte, lieber Bär, hab Einsehen mit mir. Ich bin von weit hergekommen, um dich zu finden und um dein Erbarmen zu bitten." Der Bär lässt seine Pranken vor der Frau auf die rede fallen und sieht in ihr angsterfülltes Gesicht. In den Augen des Bärs sieht die Frau Berglandschaften, Flüsse, Wälder, grüngelbe Meere. Tiefer Friede kommt in die Frau. Sie bittet um ein Haar seines weissen Kragens, um ihren Mann vom Zorn zu heilen. Der Bär denkt nach. Soll er die Frau verschlingen oder den Gefühlen nachgeben, dass sie ihn gefüttert hat? Sie soll das Haar ruckartig auszupfen und dann zu ihrem Volk zurückkehren. Die Frau zupft da Haar aus, der Bär brüllt, die Frau dankt, verbeugt sich immer wieder. Der Bär springt, die Frau flüchtet und ruft immer wieder: "Arigato zaischo". Die Frau dankt den Felsen, dankt den Bäumen und dankt dem Berg.

Die Heilerin in der Berghöhle im Dorf verbrennt das Bärenhaar. Die Heilung ist vollzogen.

Deutung:
Der psychisch verletzte Mann wird geheilt, indem so mit ihm umgegangen wird, wie die Frau den Bären behandelt hat.

Den Umgang mit der Wut lernen

Von der Geschichte um den Bär und seine heilenden Haare existieren viele Versionen. Als heilendes Element kommen Wimpern, Barthaare, Nasenhaare oder Zähne vor, die man ausziehen muss, um deine Heilung zu vollbringen. In China ist es ein Tiber, in Japan der Bär oder ein Fuchs.

Der Umgang mit Wut:
1. Schritt: die beruhigende Heilkraft konsultieren: die Heilerin aufsuchen
2. Schritt: neues psychisches Territorium aufsuchen: den Berg besteigen
3. Schritt: seine eigenen Illusionen durchschauen: Felsvorsprünge usw.
4. Schritt: Zwangsvorstellungen und alte Hassgefühle begraben: die Geister der Toten zur Ruhe legen
5. Schritt: Die Kraft der Nächstenliebe heraufbeschwören: geduldiges Füttern, auf Liebeserwiderung warten
6. Schritt: den ungezähmten Aspekt der Nächstenliebe erkennen: das liebende Verständnis für alles ist nicht harmlos, sondern wild wie der Bär
7. Schritt: Anwenden der Erkenntnis.

Emotion: Die Psyche

Die Frau steht als weiblicher, liebender Teil, dem psychisch kriegsversehrten und wutentbrannten Mann gegenüber.

Positive Emotionen sind eine Form von Licht, ist pure Energie und kann gelenkt werden. Solche Tugenden sind Geduld, Ausdauer, Toleranz für jede Emotion im Menschen. Die positive Lenkung ist die Lenkung auf etwas, was man sonst nicht erkennen würde, um neue Erkenntnis zu gewinnen. Die negative Lenkung ist die Lenkung auf eine Stelle, die schon bekannt ist und die so lange betont wird, bis ein Brandfleck entsteht, wie bei einem Magengeschwür.

Die Selbstheilung erfordert eine lange Tätigkeit, bis der Zorn verfliegt. So wird dann auch eine konzentrierte Tätigkeit in anderen Bereichen möglich.

Die Wut reduziert den Zugang zum kollektiven Unbewussten. In der Folge ist die schöpferische Energie eingeschränkt und zeigt nur immer dieselbe schöpferische Energie.

Der Zorn zersetzt das Vertrauen in das Gute im Universum, vernichtet die Hoffnung, verbrietet Hoffnungslosigkeit, so dass die Wut sich in eine ohnmächtige Wut steigert. Dahinter steht der Schmerz, hinter dem Schmerz stehen die Torturen, die uns zugefügt wurden. Gegen diese

Verletzungen muss die Gesellschaft eine Art psychische Intensivstation entwickeln, um diese gedankenlose Wut zu heilen.

Den Zorn analysieren

Der/die Betroffene soll mit dem Zorn Zwiegespräch führen.

Szene iim Märchen:
Der Zorn spielt die totale Verweigerung, verweigert das geschmückte Tablett mit dem Essen drauf. Die Frau fragt bei der Heilerin um Rat.

Deutung:
Die Frau befragt das weise Selbst, das über dem Ego steht. Das Selbst sieht die Hintergründe für die gewalttätigen Gefühlsaufwallungen. Alles Äusserliche wird durchschaut, ist wie ein "Klarseher". Dieses Selbst ist in jeder Psyche vorhanden.

Die Frau gewinnt durch das Betrachten des Selbst die Übersicht, welche Auswirkungen der Zorn in der Zukunft haben wird und welches Verhalten das zukünftige Selbst stolz und froh machen würde. Wenn keine Analyse erfolgt, baut der Zorn sich Schutzwälle gegen die Aussenwelt auf und der Zorn gärt im Kochtopf und wir mit drin.

Den Zorn in Schritten abbauen

1. Schritt: die Hitze reduzieren: ruhig werden, kühle, klare Distanz gewinnen, eventuell Druck an geeignetem Ort ablassen.

2. Schritt: den Zorn in etwas Konstruktives verwandeln: Dies ist möglich durch den Eintritt in die Geisterwelt der Urinstinkte (wo die Bären sprechen und die Toten auch heute noch lebendig sind).

Szene im Märchen:
Die Frau soll den Berg besteigen und ein Haar aus der Bärenwelt mitbringen.

Deutung:
Es ist der Berg in der Unterwelt der Psyche. Dieser Schritt kann auch im Flachland gemeistert werden. Somit ist jede Suche nach Antworten, Erkenntnissen und Lösungen eine Bergbesteigung, bei der unbekannte, instinktive Steilhänge erklommen und unbewusste Täler durchquert werden müssen.

3. Schritt: Illusionen verlieren: "Arigato zaischo" heisst wörtlich: "Danke, du Illusion". Die Frau ist reif, ihre Illusionen als ihre eigenen Hindernisse zu begreifen und auszuräumen. So ist seelische Entwicklung möglich. Im Buddhismus sind es 7 Schleier, dann wird die Wahrheit enthüllt. In der Praxis werden die ersten Eindrücke von Wut nicht ernst genommen, sondern man soll die Hintergründe erkennen lernen.

4. Schritt: Die Elemente des Zorns erkennen: Der Zorn kommt auf durch Sachen, die nicht erledigt sind. Somit muss man/frau diese nicht bewältigten Sachen angehen, aufgegebene Gedanken und Projekte wieder aufnehmen, im Märchen dargestellt durch die Vögel, die die zum Tod verurteilten Iden, Triebe und Gedanken darstellen. Also: Der Zorn ist das Abfallprodukt von unbegrabenen Geistern, die im Kopf herumspuken. Die Frau erklärt sich als Verwandte dieser Geister, weil ihnen Seelenruhe verschaffen.

5. Schritt: Der Zorn muss mit Nahrung verwöhnt werden: in einer Gruppe, Therapie, Kirche, sonstige Art.

Die Bärennatur

Im Altertum symbolisierte der Bär als Winterschlaftier die Auferstehung. Der Bär wurde mit verschiedenen Jagdgöttinnen assoziiert. Götterfiguren mit bärenhaften Fähigkeiten: In Griechenland Artemis, in der altrömischen Kultur Diana, in den lateinamerikanischen Kulturen existieren zwei Erdgöttinnen "Muerte" und "Hekoteptl". Die Fähigkeiten sind die instinktive Spurensicherung und das "Ausgraben" von verborgenen psychischen Aspekten.
In Japan gilt der Bär als Symbol für Loyalität, Weisheit und Stärke. Bären mit halbmondförmigem, weissem Kragen am Hals sind heilige Tiere, sind direkte Botschafter von Kwan-Yin, der Göttin der Weisheit und der Nächstenliebe.

Der Bär hat Ruhe und Stärke, Grossmut und Zornesgewalt, ist bedrohlich und weise zugleich, zeigt eine brüllende Verteidigung und gleichzeitig eine Sanftmütigkeit, entwickelt gleichzeitig Zutraulichkeit und Einfühlsamkeit. Insgesamt ist der Bär also völlig unberechenbar.

Das Feuer der Transformation - der Erleuchtungsmoment

Szene im Märchen:
Das Haar verbrennt in der Pfanne.

Deutung:
Das Gelernte soll nun in der Praxis angewendet werden. Auf die Trophäe soll man/frau nicht stolz sein. Die Erleuchtung kommt durch diese Erkenntnis, sonst kommt keine Heilung zustande. Alle Erkenntnisse müssen wir praktisch anwenden, mit Elendsgeduld und Freundlichkeit, mit dem richtigen blick. Man sieht die Dinge so, wie sie sind. Vor der Erkenntnis sah man/frau alles noch in seinen Illusionen. Die Energie der Wut kann nun positiv und konstruktiv verwendet werden, weil man/frau sich selbst anders sieht.

Der Restbestand des Zorns

bleibt übrig, kann wieder stimuliert werden durch nur schon ein Wort, einen Blick, einen Tonfall, ein Gefühl, falsch behandelt zu werden, falsch eingeschätzt zu werden, manipuliert zu werden etc. So werden alte Wunden neu entzündet. Dies ist wie der Kampf an drei Fronten gleichzeitig:
1. der Versuch, die äussere Situation zu kontrollieren
2. der Versuch, den Schmerz der alten Wunde zu kontrollieren
3. der Versuch, sich in schmerzfreie Zonen zu flüchten.

Lösung: Das Allein-Sein suchen, Abstand suchen, die Lage überblicken, Verletzungen behandeln, Handeln, die neue Situation verinnerlichen, die Vergangenheit dadurch verblassen lassen.

Gerechter Zorn lässt die Rage entstehen

Menschen nehmen schweigend Verletzungen auf. Dies ist ein Schutzmechanismus, um nicht noch mehr verletzt zu werden, ist kein Zeichen stillschweigender Billigung. Wenn der Zorn bei der Frau eintritt, gerät sie in Rage. Sie hat kein anderes Mittel mehr als das. Der gesamte Körper-Geist-Seelen-Komplex ist verletzt. Literaturbeispiel dazu ist die Geschichte "Die verdorrten Bäume."

Literaturbeispiel: Geschichte: "Die verdorrten Bäume"

Ein junger Mann will den Zorn bändigen. Er wird mit anderen in die Wüste geschickt, kommt an Oasen mit verdorrten Bäumen. Jeder der Gruppe erhält so noch eine Schale trübes Wasser. einer will das Wasser aber nicht. Der junge Mann wird zornig und tötet den Wasserverweigerer und bereut es danach. Da kommt ein anderer junger Mann daher, der froh ist, dass der Wasserverweigerer tot ist, denn es war ein Attentäter. Der junge Mann ist entlastet. Das Wasser wird rein, die Bäume bekommen frisches Laub.

Die verschiedenen Arten des Zorns

Die Betroffenen müssen lernen, den "gerechten Zorn" zum rechten Zeitpunkt zu entfesseln. Sie müssen lernen, ihren Zorn zu beherrschen, z.B., indem gute Taten vollbracht werden, z.B. den Menschen das Wasser reichen.

Einfühlsamkeit: Vorteil - Nachteil

-- feinfühliges spüren von Stimmungsschwankungen
-- Lesen der Körpersprache anderer Menschen wie ein offenes Buch
-- Gedanken lesen an den winzigsten Hinweisen in Tonfall und Gesichtsausdruck.

Es besteht aber dabei die Gefahr der totalen Verletzbarkeit für Grenzübertretungen und Ausbeutung. Es besteht die Gefahr, dass man den Mitmenschen keine Grenzen mehr setzen kann.

Menschen, die andere Menschen schlecht behandeln

haben meist in ihrem eigenen Innern einen Dämon zu bezwingen. Man kann sich von ihnen nur isolieren. Eine unterschwellige Wut bleibt aber erhalten. Es besteht Gefahr, dass diese Wut über Unschuldige abreagiert wird, wenn die Konfrontation mit dem Hauptverursacher nicht stattfindet.

Der Zorn soll zu gegebener Zeit entfesselt werden. Dies ist berechtigt, sonst wir man müde und nicht betroffene Leute wundern oder ärgern sich über die Dauermüdigkeit.

Descanson - den Zorn aufgeben

Bei Frauen ist es um Ende 30 / Anfang 40, den Zorn aufzugeben. Die Bilanz des Lebens ist dann sehr negativ:
-- Jugendträume sind teilweise zerschlagen
-- ein paar Herzen sind zerbrochen
-- ein paar Ehen sind gescheitert
->> das Leben fordert die Rückkehr zur Instinktnatur mit dem Ziel, wieder Wolfskinder zu werden
->> alle Bitterkeit und Verhärtung wird fortgeschwemmt.

Dann soll die Frau den Fluss aktivieren, der allen Zorn fortschwemmt, und für den verlorenen Punkt soll sie ein Descanso setzen, ein Kreuz, wie an einer Strasse für Unfalltote, ein Grab für das, was der Lebenslinie entrissen wurde, für das, was psychisch in ihr gekreuzigt wurde. Die Hoffnungen und Träume sollen begraben werden und Platz für neue Pläne und Träume geschaffen werden.

[Das gilt auch für Männer].

Die Betroffenen sollen ihre Lebenslinie darstellen und dort Kreuze machen, wo Traumata zu verzeichnen sind. So werden die Grenzüberschreitungen und die Traumata erkannt und definiert. Dort, wo ein Trauma vergeben werden kann, soll "vergeben" markiert werden. Diese psychische Kreuzigung ist auch ein Liebesbeweis an das Leid, an die eigene Psyche. Die ruhelosen Geister werden in die Erde gelegt und an Ort fixiert. Allmählich werden dann auch die Ursachen für die Wut und die Ursachenketten erkannt.

Ursache für Nichterkennen der Grenzüberschreitungen: die Erziehung zu falscher Toleranz

Kinder sollen alles ertragen und Schmerz erdulden [Erwachsene auch noch]. Dieser Zwang zu zu viel Toleranz lässt alle instinktiven Gegenreaktion verzögern, eventuell ganz unterdrücken. Dieser Prozess geht über Jahre. Es wird falsche Toleranz antrainiert, die im Kind zu zu viel Nachdenken und zur allgemeinen Hemmung führt. Die instinktive Reaktion wird unterdrückt.


Diese Eingebung wird abtrainiert. Sie muss aber wieder antrainiert werden. Die Elemente Einsicht, Mitgefühl und Entschiedenheit müssen wieder in ein gesundes Verhältnis gebracht werden.

Neue Gewohnheiten erlernen

-- Grenzen setzen lernen, Grossmut behalten
-- nicht kleinlich oder bissig werden
-- solide Standhaftigkeit entwickeln, die Zorn nicht duldet, sondern passend erledigt.

Der Zorn des Kollektivs: positiv umsetzen und neue Lösungen schaffen

-- Zorn ist in ganzen Bevölkerungsschichten vorhanden
-- der Zorn soll die Energie zur Veränderung bewirken, nicht aufgestaut werden
-- die Energie des kollektiven Zorns macht Höchstleistungen möglich für Veränderungen, kann neue Dialoge und neue Verantwortung füreinander schaffen.

Rachegedanken verbrauchen Energie - der verarbeitete Zorn glüht nach

-- Rachegedanken verbrauchen psychische Energie und verzerren die Wahrnehmung
-- ein Rest des Zorns bleibt immer erhalten in der Erinnerung, sogar bei vollständiger Aufarbeitung und Vergebung, die Glut ist noch da
-- diese Glut sollte auch einem periodischen Reinigungsritual unterzogen werden
-- kompensative Leidenschaft und Engagement sind kein Genuss, sondern ein Verteidigungsmechanismus, der immer noch beibehalten wird, obwohl er längst überflüssig geworden ist
-- oder: der Zorn macht depressiv, es kommt zu Energiemangel, zu Müdigkeit und zu defensivem Zynismus, der alle positiven Impulse zerstört, oft kommt es zu einem brütenden Schweigen und zu einem hilflosen Schmoren
-- der Ausweg ist gemäss Estés nur die Vergebung, aber der Zorn ist oft viel stärker.

Die Vergebung

-- ist ein zyklisch wiederholter Akt, nicht ein einmaliger Akt, wie in der "Zivilisation" immer wieder dargestellt
-- die Vergebung besteht nicht aus Verdrängung, sondern ist ein aktiver Prozess
-- gemäss Estés wird eine Frau, die 95% der Verstösse gegen ihre Menschenwürde vergeben kann, schon eine Heilige, bei 75% ist die ein "Normalfall", bei 60% sind die Frauen auch noch gut, bei unter 50% ist noch schwere Arbeit notwendig, oder es ist noch nicht versucht worden
-- ab 50% wird das Leben leichter, und der Rest ergibt sich schrittweise von selbst, so Estés
-- der Anfang des Vergebungsprozesses ist der wichtige Schritt.

Das Naturell bestimmt die Menge an Vergebung

-- manche Menschen sind kaltblütig, können alle Angriffe abprallen lassen [solche Menschen können aber auch kaltblütige Killermenschen sein, wenn sie Fehler machen und nie Kritik zulassen]
-- nicht verzeihen heisst nicht, dass man ein schlechter Mensch ist.

Der Weg zur Vergebung: die 4 Stufen von Estés

-- man muss sich die Rachegelüste und die Verachtung für den Täter eingestehen
-- erst die nackte Wahrheit befreit.

Die 4 Stufen der Vergebung für die Patienten von Estés sind wie eine Bergbesteigung mit Zwischenstufen:


1. Ablassen - die Sache ruhen lassen
schafft eine Erholungspause und das Zulassen anderer, positiver Erlebnisse.

2. Unterlassen - keine Strafmassnahmen einleiten
So wird die Verschlimmerung der Situation vermieden, der Gewaltkreislauf wird gestoppt. Stattdessen soll man lernen, genau zuzuhören.

3. Vergessen - die Erinnerung nicht mehr heraufbeschwören
-- die Erinnerung soll in den Hintergrund treten
-- der Fokus soll auf andere Themen gerichtet werden
-- das Wiederkäuen giftiger Gedanken soll vermieden werden, um neue, frische Dinge zu erfahren.

4. Vergeben - die Schuld vergeben
-- die Bürde stückchenweise fallen lassen
-- das Niederlegen der Waffen bedeutet neue Freiheiten und Seelenstärke woanders entwickeln
-- absolute Isolation gegen neue Angriffe entwickeln [kann eigene, falsche Vorstellungen bestärken!]
-- der Schuldige tut einem nur noch Leid, weil man dessen Manipulationen erkennt, warum er wohl so geworden ist; es entsteht eine emotionslose Duldsamkeit.

[Die emotionslose Duldsamkeit ist m.E. keine Lösung, sondern ein paralleles Leben ohne Kommunikation].

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