6. Die Wut
Wut kann Befreiung sein. Manche Frauen unterdrücken
Schmerz und Zorn. Dann wendet sich der Zorn nach innen
und äussert sich in körperlichen Symptomen, in
depressiven Selbstmordgedanken etc. mit Lähmung des
Lebens und der Kreativität als Folge. Andere lassen ihre
Wut heraus, überfahren Menschen mit ihrer Wut. Aus ihrer
Verletzung heraus verletzen sie andere, in diffuser
Weise, formlos, explosiv.
Die Energie aus der Wut setzt bei richtigem Einsatz ihr
Potential als Frauen frei. Die Wut kann als zentrale
Kraft für die Erlösung des Vaters und die Verwandlung
des Weiblichen wirken.
Viele Frauen haben aber Angst vor ihrer eigenen Wut und
unterdrücken sie, denn wenn der Vater sich selbst vor
Wut verzehrt, bleibt die ungelöste Wut des Vaters auf
der Tochter sitzen, so z.B. Wutausbrüche des Vaters, Wut
in passiver, zurückgenommener Art, in starr
kontrollierter Art. So blockieren sich die Frauen ihre
eigenes Potential und die Befreiung bleibt aus.
Der Vater zerstört durch Zorn
oder Passivität das Gleichgewicht der Tochter und
produziert in der Tochter die stille Wut
Der Vater hat durch grenzenlosen Zorn oder durch kalte
Passivität der Tochter die Ordnung, die Stabilität und
die vertrauensvolle Beziehung zur Welt zerstört. Oft
ist auch das Verhältnis zur Sexualität und zu den
schöpferischen Kräften bedroht. Die männliche Seite
und die durch Sexualität freigelegten Energien sind
der Tochter dann suspekt und oft gelähmt.
Frauen haben aus Angst vor dem eigenen Zorn die
Tendenz, die eigene Wut zu verschleiern. Dieses
Verschleiern von Wut kennt viele Arten der
Kompensation:
-- Alkohol: Wut kann im Suff herauskommen, aber nicht
bewusst
-- Fresssucht: ist eine Art, seiner eigenen Meinung
"Gewicht" zu verleihen
-- Leiden unter Hypochondrie: Erleben von körperlicher
Schwäche und Krankheiten, die in Wirklichkeit
angestaute Energie überdecken (Kopfschmerzen,
Rückenschmerzen, Magengeschwüre, Kolitis
[Dickdarmentzündung] und andere Magenbeschwerden.
Häufig verschwinden diese Leiden, wenn die Wut
akzeptiert wird
-- Depression
-- Angstzustände: verdecken oft einen Zorn, in dem man
vor Hilflosigkeit zittert
-- Selbstmordgedanken: können einen mörderischen, nach
innen gewandten Zorn verschleiern
-- sich erpresst fühlen, ohne erpresst zu
werden: Dahinter versteckt sich der Zorn auf andere
-- viele Frauen verschleiern ihre Wut mit sexueller
Verführung
-- viele Frauen verschleiern ihre Wut mit
Zurückweisung von allen Beziehungen
-- manche Frauen sind Provokateure, lassen andere
Menschen ihre eigene Wut ausagieren
-- manche Frauen haben verbitterte, zynische Haltung,
distanzieren sich völlig von Männern, wollen so den
Männern ihre Abhängigkeit von ihnen heimzahlen. Folge:
Oft kommt es zu zwanghaftem einkaufen und Geldausgeben
-- Besessenheit von Schuldgefühlen: verschleiert
ebenfalls Wut, so schränkt sich die Betroffene
unentwegt selber ein
-- die intellektuelle Art, Zorn zu verschleiern: "über
alles Bescheid wissen", und damit andere
einschüchtern, oder: einen kritischen Angriff starten,
der emotional nicht wirklich trifft, aber die andere
Person hilflos macht
-- Märtyrertum
-- Askese
-- puritanisches Arbeitsethos
-- stolz auf eigenes Pflichtgefühl und
Verantwortungsbewusstsein
-- Haltung: "Ich bin eben so,
wie ich bin", die Betroffene hat Angst vor dem Risiko,
sich verletzlich zu zeigen.
[Die Autorin Leonard vergisst völlig, dass ein Staat
aber ohne Disziplin nicht funktionieren kann, und dass
ohne gewisse revolutionäre Impulse in der Gesellschaft
gar kein Fortschritt möglich ist. Es ist nicht jeder
revolutionäre oder märtyrerische Impuls negativ zu
sehen!].
Kein Verarbeiten von Zorn bei
der Puella: lieber die völlige Hilflosigkeit
Die Puella hat Angst vor einer
feurigen, wütenden Selbstbehauptung. Folge: Die
Puellas versuchen immer, den anderen zu beschwichtigen
und sich anzupassen. Sie verbergen ihre Wut unter
einem gefälligen Auftreten. Am Ende fühlen sie sich
von ihrem Selbst entfremdet und betrogen, treten ihre
Energie an andere ab. Sie verlieren ihre seelische
Mitte und haben das Gefühl der Schwäche und
Hilflosigkeit.
Kein Verarbeiten von Zorn bei Amazonen: Der
Zorn bleibt unter dem Panzer
Die Amazone unterdrückt den Zorn bei
äusserlich starker Erscheinung. Sie errichtet eine
Mauer zwischen dem Selbst und den anderen. Der Zorn
wird unter den Amazonenpanzer geschoben. Dabei
entsteht keine positive Kraft, denn der Panzer ist im
Weg.
Das Wutpotentials richtet sich gegen den
Partner
Wenn das grosse Wutpotential aus
einer negativen Vaterbeziehung stammt, richtet sich
diese Wut folglich auch gegen die Liebhaber. Es ist
die nicht integrierte Wut aus der Kindheit. Somit ist
die Amazone nicht imstande, mit kleinen Problemen in
der Partnerschaft positiv umzugehen, weil die Wut
dominiert (Trinken, Wutanfälle, Depressionen). Es
folgen unbewusste Angriffe auf den Partner,
unbarmherziges Kritisieren, was jede Möglichkeit der
Liebe zerstört.
aber:
-- hinter der Wut stehen oft Tränen
-- unterhalb des Zorns liegen Verwundbarkeit und die
Möglichkeit der Zärtlichkeit und Intimität.
Wut über den Vater
Hat die Betroffene die Wut des Vaters
als Ablehnung und Verlassenwerden erlebt, dann werden
manchmal die Tränen und die Zärtlichkeit zusammen mit
der Wut verschleiert.
Wenn die Betroffene also lernen kann, sich zu ihrer
Wut in ein Verhältnis zu setzen, so kann das ihre
zärtliche Seite und die Möglichkeit einer intimen
Beziehung öffnen.
Wenn die Betroffenen ihren Zorn zum Ausdruck bringen
können, dann öffnen sich die Frauen auch sexuell mehr.
Das Loslassen im Zorn führt zu einer tiefen
Liebeserfahrung.
Wut über die Mutter
Wenn die Mutter Wut in der Familie
zerstreut, ist der Vater meist mitbetroffen. Fall der
Tochter René:
Der Vater hat dann gewöhnlich Angst vor der eigenen
Wut, stellt sich der Wut der Mutter nicht entgegen,
ist nett und entgegenkommend zu den Kindern. Das gute
Verhältnis zwischen Vater und Kindern steigert die Wut
der Mutter, Eifersucht.
Die Kinder sind in der Klemme. Die Tochter versucht
wie der Vater, gefällig zu sein, kann es der Mutter
aber nie recht machen. Wenn die Tochter ins
Teenageralter kommt, dreht die Mutter durch vor
Eifersucht, flüchtet in Alkohol, Selbstmordversuche,
Nervenzusammenbruch. Der Vater setzt dem Verhalten der
Mutter keine Grenzen. René sucht sich Ersatzmütter,
entwickelt Anpassungsfähigkeit, entgegenkommen,
Verantwortungsbewusstsein [als leidende, stille
Amazone].
René hat ihre erste Heirat
mit einem "ewigen Jüngling", nie Streit, aber Mangel an
Tiefe. Dann Bindung mit einem praktischen Typ, der aber
Tadel bei Misslingen austeilt, viele Kämpfe, kann weder
mit seinem noch mit ihrem Zorn umgehen. Es folgen
Analyse und Therapie.
René muss lernen, sich zur Wehr zu setzen. Aber Kämpfe
machen ihr insgeheim Angst, denn sie befürchtet, wie
ihre Mutter zu werden, denn es gab ja sonst kein
Vorbild. Einziges Vorbild ist die Mutter, die die ganze
Familie tyrannisiert hat, mit ihrer primitiven Wut. René
muss mit der Angst umgehen lernen, so wie die Mutter zu
werden, ohne es zu werden. Sie muss neues
Selbstvertrauen aufbauen. Sie muss lernen, sich selbst
und anderen Grenzen zu setzen, sagen lernen: "Nein, da
kann ich nicht." Um Grenzen zu setzen, muss sie sich
selbst aber einen Wert geben, sich für ein besseres
Schicksal einsetzen, quasi gegen "Gott" wüten, um das
Bewusstsein auf eine höhere Ebene zu heben.
Bewältigen der
Wut über die Eltern-Psychosen und deren Umwandlung
in schöpferische Energie
Der Prozess läuft in mindestens zwei Stufen ab:
1. Herauslassen der Wut
2. Verwandlung dieser Kraft in schöpferische Energie.
1. Herauslassen der Wut
Gefühlsausbrüche beherrschen lernen
als Akt der Selbstbehauptung - Grenzen setzen -
Erfahren der vollen Kraft ihrer eigenen Macht und
Stärke.
Literaturbeispiel: Märchen: "Froschkönig"
Die Prinzessin wirft den Frosch an die Wand. Damit
haben sich die weiblichen Gefühle durchgesetzt. Der
Frosch verwandelt sich in einen Prinzen und wird ihr
Geliebter.
Also: Erst durch das Herauslassen und die Bewältigung
der Wut ergibt sich auch die Möglichkeit einer intimen
Beziehung.
2. Verwandlung der Kraft der Wut in
schöpferische Energie
Literaturbeispiel: Mythos von "Amor und
Psyche"
Der Mythos gibt den Hinweis zum
Zugang zur Wut und deren Umwandlung:
-- die Beziehung zwischen Psyche und Eros geht
verloren
-- Psyche versucht, die Beziehung wieder zu gewinnen
und muss die Aufgaben von der eifersüchtigen Mutter
von Eros erfüllen, eine davon: Ein goldenes Vlies von
wilden Widdern bringen
-- Psyche meint, sie kann die Aufgabe nie erfüllen,
will sich im Fluss ertränken
-- da hilft eine melodische Stimme aus dem Schilfrohr
und sagt, es gebe einen Weg, sie solle warten , bis
die Wildheit der Widder am Abend vorbei sei, dann:
"Schüttle das Laub des benachbarten Haines auf, und du
wirst das wollige Gold finden, das überall an den
gebogenen Zweigen hängt."
Das Rezept ist also ein geduldiges Warten, um Zugang
zu der mörderischen Energie zu bekommen, so dass eine
indirekte Näherung möglich wird. Das direkte
Konfrontieren mit der Wut würde nur Tod und Zerstörung
bringen.
Die zerstörerische Wut einer Frau
ist durch so tiefe Wunden so
explosiv, dass sie alle Beziehungen zerschlägt.
Wurzeln einer solchen Wut sind die Gefühle des
Verlassenseins, des Verrats und der Zurückweisung. Die
Wut kann auf die Beziehung zum Vater zurückgehen und
in gegenwärtigen Beziehungen sich immer wiederholen.
Mit
der Wut vermischen sich
Eifersucht und Rachsucht. Diese Kombination zerstört
jede Beziehung, zerstört auch die Fähigkeit, sich selbst
zu lieben.
Literaturbeispiel (extrem):
Griechische Tragödie: "Medea"
Medea wird vom Geliebten Jason
verraten, so dass Medea aus Rache ihre eigenen Kinder
tötet, um Jasons Selbstwertgefühl zu schaden.
Deutung:
Hysterische Ausbrüche, Selbstmorddrohungen und
Selbstmordversuche. So wird die Beziehung zerstört.
Der Zugang zur Umwandlung der Wut in
schöpferische Energie
(Fortsetzung von Amor und Psyche)
Für den Zugang zur Umwandlung der Wut
in schöpferische Energie gibt es nur eins: Warten auf
den Moment, das Vlies zu erlangen, ohne durch ihre
rasende Energie zerstört zu werden. Die Betroffene
gewinnt so Zugang zu ihrer schöpferischen, "goldenen
Energie". Voraussetzungen, um diese schöpferische
Energie zu erreichen:
-- Geduld
-- Wissen
-- man muss warten, bis die rechte Zeit gekommen ist
-- man muss die richtige Zeit erkennen.
Von Wut besessen und zu unrechter Zeit den Zugang
vollzogen bewirkt eine Explosion: Die Energie ist dann
gewöhnlich vergeudet, hat oft die gegenteilige Wirkung
Die Betroffene muss den Sinn der Wut erkennen und soll
die verschiedenen Element der Wut differenzieren.
Dadurch kommt ein Klärungsprozess zustande, welcher
Teil der Wut ist der Frau selber, welcher Teil ist der
Zorn auf den Vater etc. Psyches erste Aufgabe ist,
einen Haufen Samenkörner sortieren. Die Ameisen helfen
ihr dabei, ist bildlich gesehen diese Aufgabe: die
Differenzierung der Wut. Es ist eine wichtige und
grosse Aufgabe.
Wenn keine Differenzierung der Wut erfolgt, so endet
man wie die Danaiden in der griechischen Sage, [wie
wenn man ein Fass ohne Boden füllen soll].
Literaturbeispiel: Griechische Sage: "Die
Danaiden"
Die Danaiden sind 50 Töchter. Der Vater gibt unwillig
die Einwilligung zur Heirat. Jede bekommt in der
Hochzeitsnacht ein Schwert umgebunden, um im Auftrag
des Vaters in der Hochzeitsnacht den Gatten zu
erschlagen. Er lässt damit seine eigene Wut über die
Töchter an den Gatten aus.
49 Töchter ermorden ihre Männer, sie alle landen in
der Hölle, müssen bodenlose Schalen mit Wasser füllen.
Die 50. Tochter verhilft ihrem Mann aus Mitleid zur
Flucht. Die Tochter wird nicht in die Hölle verbannt.
Deutung:
Die Töchter, die die Gatten ermorden, werden zu einem
höllischen, vergeblichen Dasein verdammt und erleiden
den Abbruch der Beziehungen zur ganzen Welt. [Sie
haben sich vom Vater benutzen lassen, ohne selbständig
zu sein].
Nach der Aufarbeitung der Wut: Ausbilden von
innerem Besitz
Beispiel: die 3. Aufgabe von Psyche:
Psyche soll eine kristallene Schale mit den Wassern
der Quelle der Flüsse der Unterwelt füllen. Die Lage
der Quelle ist aber in der höchsten Spalte eines
Felsengebirges, von Drachen
bewacht. Psyche wird von Stimmen gewarnt, sie könne die
Aufgabe nicht erfüllen. Da kommt Hilfe: Zeus schickt
einen Adler, der nimmt die Schale, füllt sie oben an der
Quelle mit Wasser, erfüllt für die Psyche die Aufgabe.
Symbolik: der Fluss verbindet das Höchste (die
Bergspitze) mit dem Niedrigsten (mit der Unterwelt). Der
Fluss ist die strömende Lebensenergie, verbindet
Bewusstsein mit Unterbewusstsein. Es erfordert aber
Kraft, sich zu erheben und die schöpferischen Energien
gezeigt zu bekommen, ohne auf die negativen
Stimmen zu hören.
Wut in Form von schöpferisch
behaupteter Energie
kann vorkommen in Form von
politischen Taten, von künstlerischen Werken, durch
die Erziehung eines Kindes, durch eine Beziehung, v.a.
durch das eigene Sein, durch die Qualität des eigenen
Lebens.
Zustand nach der Transformation der Wut:
Die Frau wird stark, kann mit ihrer schöpferischen
Energie und weiblicher Weisheit zum Wachstum
beitragen: von sich selbst aus, über andere, über die
Kultur allgemein. die Frau setzt weibliche Stärke und
Geist frei. Nur so kann die verwundete Frau und die
verwundete Vater-Tochter-Beziehung geheilt werden.