Weimar 11.4.2021: Weimar Amtsgericht
mit Urteil vom 8.4.2021 FÜR den absoluten
KINDERSCHUTZ gemäss Paragraph 1666 Absatz 1 und 4
Bundesgesetzbuch BGB:
Gerichtsurteil Weimar: keine Masken, kein Abstand,
keine Tests mehr für Schüler
https://uncutnews.ch/gerichtsurteil-weimar-keine-masken-kein-abstand-keine-tests-mehr-fuer-schueler/
Bei dem Gerichtsverfahren handelt es sich um ein
sogenanntes „Kinderschutzverfahren gem. § 1666 Abs. 1
und 4 BGB“, das eine Mutter für ihre zwei Söhne im
Alter von 14 bzw. 8 Jahren beim Amtsgericht –
Familiengericht – angeregt hatte.Der langjährige F..
Der Wortlaut aus Weimar 8.4.2021: Das
Urteil gegen Maskenzwang, Zwang zu Abstand und gegen
Zwangstests
aus: https://t.me/oliverjanich/58511
Amtsgericht Weimar, Beschluss vom 08.04.2021, Az.: 9 F
148/21
hat das Amtsgericht Weimar durch …
im Wege der einstweiligen Anordnung beschlossen:
I. Den Leitungen und Lehrern der Schulen der Kinder A,
geb. am …, und B, geboren am …, nämlich der
Staatlichen Regelschule X, Weimar, und der Staatlichen
Grundschule Y, Weimar, sowie den Vorgesetzten der
Schulleitungen
wird untersagt, für
diese und alle weiteren an diesen Schulen
unterrichteten Kinder und Schüler folgendes anzuordnen
oder vorzuschreiben:
1. im Unterricht und auf dem Schulgelände
Gesichtsmasken aller Art, insbesondere
Mund-Nasen-Bedeckungen, sog. qualifizierte Masken
(OP-Maske oder FFP2-Maske) oder andere, zu tragen,
2. Mindestabstände untereinander oder zu anderen
Personen einzuhalten, die über das vor dem Jahr 2020
Gekannte hinausgehen,
3. an Schnelltests zur Feststellung des Virus
SARS-CoV-2 teilzunehmen.
II. Den Leitungen und Lehrern der Schulen der Kinder
A, geb. am …, und B, geboren am …, nämlich der
Staatlichen Regelschule X, Weimar, und der Staatlichen
Grundschule Y, Weimar, sowie den Vorgesetzten der
Schulleitungen wird geboten, für diese und alle
weiteren an diesen Schulen unterrichteten Kinder und
Schüler den Präsenzunterricht an der Schule
aufrechtzuerhalten.
III. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird
abgesehen. Die beteiligten Kinder tragen keine Kosten.
Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten
selbst.
IV. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird
angeordnet.
=====
S.2:
Gründe
Gliederung:
A: Tatbestand
I. Einleitung
II. Die für die Kinder in Schulen geltenden
Bestimmungen des Freistaats Thüringen zum Maskenzwang
III. Die konkrete Situation der beteiligten Kinder in
ihren Schulen
IV. Rechtliche Ausführungen der Mutter der beteiligten
Kinder zu den ihren Kindern zustehenden Rechten, auch
aus internationalen Konventionen
V. Rechtliche Hinweise des Gerichts an die Beteiligten
und Beweisbeschluss im parallelen Hauptsacheverfahren
VI. Stellungnahme des Verfahrensbeistands
VII. Stellungnahme der Weiteren Beteiligten
VIII. Gutachten Prof. Dr. med. Ines Kappstein
IX. Gutachten Prof. Dr. Christof Kuhbandner
X. Gutachten Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer
B: Entscheidungsgründe
I. Zulässigkeit der Anregung an das Familiengericht
II. Begründetheit der Anregung an das Familiengericht
1. Allgemeines
2. Der fehlende Nutzen des Maskentragens und des
Einhaltens von Abstandsvorschriften für die Kinder
selbst und Dritte
3. Die Ungeeignetheit von PCR-Tests und Schnelltests
zur Messung des Infektionsgeschehens
4. Die Verletzung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung durch Schnelltests in den Schulen
5. Das Recht der Kinder auf Bildung und
Schulunterricht
6. Ergebnis
A: Tatbestand
=====
S.3
I. Einleitung
Für die im Tenor namentlich genannten Kinder hat deren
Mutter, die mit dem Vater der Kinder gemeinsam
sorgeberechtigt ist, mit Schriftsatz vom 13.03.2021
beim Amtsgericht – Familiengericht – Weimar ein
„Kinderschutzverfahren gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB“
angeregt.
Die Kinder besuchen in Weimar die Staatliche
Regelschule X und die Staatliche Grundschule Y, der
ältere Sohn im Alter von 14 Jahren die achte Klasse,
der jüngere Sohn im Alter von 8 Jahren die dritte
Klasse.
Ihre Mutter macht geltend, dass durch den für ihre
Kinder in deren Schulen geltenden Zwang, eine
Gesichtsmaske zu tragen und untereinander und zu
anderen Personen Mindestabstände einzuhalten, das Wohl
ihrer Kinder gefährdet sei.
Die Kinder würden physisch, psychisch und pädagogisch
geschädigt, ohne dass dem ein Nutzen für die Kinder
oder Dritte gegenüberstehe. Dadurch würden zugleich
zahlreiche Rechte der Kinder und ihrer Eltern aus
Gesetz, Verfassung und internationalen Konventionen
verletzt.
Die Schulleitungen und Lehrer sollten nach § 1666
Absatz 4 BGB durch das Gericht ausdrücklich angewiesen
werden, die entsprechenden Anordnungen aufzuheben.
Soweit diese Anordnungen auf Landesvorschriften wie
etwa Rechtsverordnungen beruhten, könnten sich darauf
die Schulleitungen und andere nicht berufen, da diese
verfassungswidrig seien.
Die Pflicht in Artikel 100 Absatz 1 Grundgesetz, ein
möglicherweise verfassungswidriges Gesetz dem
Bundesverfassungsgericht oder einem
Landesverfassungsgericht vorzulegen, gelte
ausdrücklich nur für förmliche Gesetze des Bundes und
der Länder, nicht aber für materielle Gesetze wie
Rechtsverordnungen. Über deren Vereinbarkeit mit der
Verfassung habe nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (grundlegend BVerfGE 1, 184
((195 ff)) jedes Gericht selbst zu entscheiden, so
auch schon AG Weimar, Urteil vom 11. Januar 2021 – 6
OWi – 523 Js 202518/20 -, juris.
Soweit eine Entscheidung in der Hauptsache kurzfristig
nicht möglich sei, möge das Gericht eine einstweilige
Anordnung nach §§ 49 ff FamFG erlassen.
Das Gericht möge darüber hinaus Maßnahmen ergreifen,
die eine zukünftige Beachtung der Rechtslage durch die
zuständigen staatlichen Stellen sicherstellten.
Dazu solle das Gericht in einem abgetrennten
Verfahrensteil gemäß Artikel 100 Abs. 1 Grundgesetz
die Sache dem Bundesverfassungsgericht mit der Maßgabe
vorlegen, die
=====
S.4
Nichtigkeit des Infektionsschutzgesetzes feststellen
zu lassen, das sonst zukünftig als
Ermächtigungsgrundlage neue Gefährdungen von Kindern
verursachen könnte. Das Bundesverfassungsgericht möge
gebeten werden, diesen abgetrennten Verfahrensteil mit
der Verfassungsbeschwerde des Richters am Landgericht
Dr. Pieter Schleiter vom 31.12.2020, Az.: 1 BvR 21/21,
unter Bezugnahme auf die dortige eingehende Begründung
zu verbinden.
Das Gericht hat daraufhin das hier vorliegende
einstweilige Anordnungsverfahren 9 F 148/21 sowie das
parallele Hauptsacheverfahren 9 F 147/21 eingeleitet
und den Kindern gemäß § 158 FamFG die im Rubrum
genannte Rechtsanwältin als Verfahrensbeistand
bestellt.
II. Die für die Kinder in Schulen geltenden
Bestimmungen des Freistaats Thüringen zum Maskenzwang
Für die Kinder gelten die Bestimmungen der
Allgemeinverfügung vom 31.03.2021 zum Vollzug der
Thüringer Verordnung über die Infektionsschutzregeln
zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus
SARS-CoV-2 in Kindertageseinrichtungen, der weiteren
Jugendhilfe, Schulen und für den Sport
(ThürSARS-CoV-2-KiJuSSp-VO), soweit sie in Nr. 7 das
Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und eine
qualifizierte Gesichtsmaske anordnet, sowie gegen die
von der Allgemeinverfügung zitierten
Rechtsverordnungen.
Die in Rede stehenden Bestimmungen haben insgesamt
folgenden Wortlaut:
1.
Allgemeinverfügung vom 31.03.2021 zum Vollzug der
Thüringer Verordnung über die Infektionsschutzregeln
zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus
SARS-CoV-2 in Kindertageseinrichtungen, der weiteren
Jugendhilfe, Schulen und für den Sport
(ThürSARS-CoV-2-KiJuSSp-VO)
Allgemeinverfügung
Gemäß § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 15 Satz 1 und §
37 Satz 1 der Thüringer Verordnung über die
Infektionsschutzregeln zur Eindämmung der Ausbreitung
des Coronavirus SARSCoV-2 in Kindertageseinrichtungen,
der weiteren Jugendhilfe, Schulen und für den Sport
(ThürSARS-CoV-2-KiJuSSp-VO) vom 13. Februar 2021 und
gemäß § 35 Satz 2 Thüringer
Verwaltungsverfahrensgesetz vom 1. Dezember 2014
(GVBl. S. 685) erlässt das Thüringer Ministerium für
Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) im Benehmen mit dem
Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales,
Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF)
=====
S. 5
für den Freistaat Thüringen
folgende Allgemeinverfügung:
…
Nr. 7.
Nach § 38 Abs. 5 ThürSARS-CoV-2-KiJuSSp-VO werden
Schüler ab dem vollendeten sechsten Lebensjahr und die
Lehrkräfte staatlicher Schulen verpflichtet, innerhalb
des Schulgebäudes eine qualifizierte Gesichtsmaske
nach § 5 Abs. 3 3. ThürSARS-CoV2-SonderEindmaßnVO zu
tragen. Für Schüler der Klassenstufen 1 bis 6 reicht
die Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung nach § 6
Abs. 3 bis 5 2. ThürSARS-CoV-2- IfS-GrundVO aus.
Die Verpflichtung zum Tragen einer qualifizierten
Gesichtsmaske gilt für Schüler ab der Klassenstufe 7
und für die Lehrkräfte aller staatlichen Schulen in
jeder Klassenstufe auch während des Unterrichts.
Die Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler gilt
nicht für den Sportunterricht. In regelmäßigen
Abständen ist eine Pause vom Tragen der Gesichtsmaske
beziehungsweise Mund-Nasen-Bedeckung sicherzustellen,
die im Freien oder während der Lüftungspause erfolgen
soll. Bei der Essenseinnahme entfällt die
Verpflichtung, wobei die Einhaltung eines
Mindestabstands von 1,50 m sicherzustellen ist. Über
weitere Ausnahmen von der Verpflichtung im Einzelfall
entscheidet die Schulleitung nach pflichtgemäßem
Ermessen.
2.
Thüringer Verordnung zur Fortschreibung der
erforderlichen Maßnahmen zur Eindämmung der
Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in
Kindertageseinrichtungen, der weiteren Jugendhilfe,
Schulen und für den Sportbetrieb Vom 13. Februar 2021
Aufgrund des § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes
(IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt
geändert durch Artikel 4a des Gesetzes vom 21.
Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136), in Verbindung mit § 7
Abs. 2 der Thüringer Verordnung zur Regelung von
Zuständigkeiten und zur Übertragung von Ermächtigungen
nach dem Infektionsschutzgesetz (ThürIfSGZustVO) vom
2. März 2016 (GVBl. S. 155), zuletzt geändert durch
Artikel 3 der Verordnung vom 21. September 2020 (GVBl.
S. 501), verordnet das Ministerium für Bildung, Jugend
und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für
Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie
und aufgrund des § 32 Satz 1 in Verbindung mit den §§
28, 28a, 29, 30 Abs. 1 Satz 2 und § 31 IfSG in
Verbindung mit § 7 Abs. 1 ThürIfSGZustVO verordnet das
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen
und Familie:
….
§ 37
=====
S. 6
Veränderte Präsenz für Schüler während der Phase „Gelb
II“
Das Ministerium kann landesweit oder für bestimmte
Regionen Maßnahmen zum erhöhten Infektionsschutz nach
den §§ 38 bis 40 anordnen. Diese Maßnahmen verändern
den Schulbetrieb landesweit oder regional für alle
Schüler und schränken den Anspruch auf Förderung nach
§ 10 Abs. 2 ThürSchulG ein. Die organisatorische
Umsetzung vor Ort obliegt den Schulleitungen im Rahmen
ihrer fachlichen Verantwortung.
§ 38
Organisation des Präsenzunterrichts während der Phase
„Gelb II“
…
(5) Das Ministerium kann nach § 2 Abs. 2 die Pflicht
zum Verwenden einer Mund-NasenBedeckung entsprechend
den Vorgaben des § 6 Abs. 3 bis 5 2.
ThürSARS-CoV-2-IfSGrundVO beziehungsweise einer
qualifizierten Gesichtsmaske im Sinne des § 5 Abs. 3
3. ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO für Schüler ab der
Klassenstufe 7 und für alle Lehrkräfte auf den
Unterricht ausweiten; § 5 Abs. 2 Satz 2 3.
ThürSARS-CoV-2- SonderEindmaßnVO gilt entsprechend. In
regelmäßigen Abständen ist eine Pause von der
Verwendung der Mund-Nasen-Bedeckung beziehungsweise
der qualifizierten Gesichtsmaske sicherzustellen. Über
Ausnahmen von der Verpflichtung nach Satz 1
entscheidet die Schulleitung nach pflichtgemäßem
Ermessen.
3.
Dritte Thüringer Verordnung über außerordentliche
Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften
Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Dritte
Thüringer
SARS-CoV-2-Sondereindämmungsmaßnahmenverordnung -3.
ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO-) vom 12.03.2021
Erster Abschnitt
Anwendungsvorrang
§ 1 Anwendungsvorrang
(1) Ergänzend zu den Bestimmungen der Zweiten
Thüringer SARS-CoV-2-InfektionsschutzGrundverordnung
(2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO) vom 7. Juli 2020
(GVBl. S. 349) in der jeweils geltenden Fassung und
den Bestimmungen der Thüringer Verordnung über die
Infektionsschutzregeln zur Eindämmung der Ausbreitung
des Coronavirus SARS-CoV-2 in
Kindertageseinrichtungen, der weiteren Jugendhilfe,
Schulen und für den Sportbetrieb
(ThürSARSCoV-2-KiJuSSp-VO) vom 13. Februar 2021 in der
jeweils geltenden Fassung gelten jeweils die
Bestimmungen dieser Verordnung.
(2) Bei Abweichungen haben die Bestimmungen dieser
Verordnung Vorrang; insoweit treten die Bestimmungen
der Zweiten Thüringer
SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Grundverordnung
=====
S.7
sowie der Thüringer Verordnung über die
Infektionsschutzregeln zur Eindämmung der Ausbreitung
des Coronavirus SARS-CoV-2 in
Kindertageseinrichtungen, der weiteren Jugendhilfe,
Schulen und für den Sportbetrieb zurück.
(3) Weitergehende Anordnungen und Maßnahmen nach § 13
2. ThürSARS-CoV-2-IfSGrundVO bleiben unberührt. Für
weitergehende Anordnungen nach Satz 1 ist in den
Fällen der §§ 6a und 6b die vorherige Zustimmung der
obersten Gesundheitsbehörde einzuholen.
….
§ 5 Erweiterte Pflicht zur Verwendung einer
Mund-Nasen-Bedeckung, Gesichtsmaske
(1) Ergänzend zu § 6 Abs. 1 und 2 2.
ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO gilt die Verpflichtung zur
Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung auch
1. in allen geschlossenen Räumen, die öffentlich
zugänglich sind oder bei denen Besuchs- und
Kundenverkehr (Publikumsverkehr) besteht,
2. an allen nach Satz 2 festgelegten und
gekennzeichneten Orten mit Publikumsverkehr in
Innenstädten und in der Öffentlichkeit unter freiem
Himmel, an denen sich Personen entweder auf engem Raum
oder nicht nur vorübergehend aufhalten,
3. vor Einzelhandelsgeschäften und auf Parkplätzen,
4. bei Versammlungen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2.
ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO,
5. bei Veranstaltungen und Zusammenkünften zu
religiösen und weltanschaulichen Zwecken nach § 8 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO und
6. bei Veranstaltungen von politischen Parteien nach §
8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2. ThürSARSCoV-2-IfS-GrundVO.
Die zuständigen Behörden nach § 2 Abs. 3
ThürIfSGZustVO legen die Orte nach Satz 1 Nr. 2 fest
und kennzeichnen diese. Regelungen zur Verwendung
einer Mund-Nasen-Bedeckung bleiben für die
Einrichtungen und Angebote nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 bis 4 ThürSARSCoV-2-KiJuSSp-VO den gesonderten
Anordnungen des für Bildung zuständigen Ministeriums
vorbehalten.
(2) Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr haben
anstelle der Mund-Nasen-Bedeckung eine qualifizierte
Gesichtsmaske zu verwenden:
1. bei Veranstaltungen und Zusammenkünften zu
religiösen und weltanschaulichen Zwecken nach § 8 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO,
2. als Fahrgäste sowie als Kontroll- und
Servicepersonal in geschlossenen Fahrzeugen des
öffentlichen Personenverkehrs nach § 6 Abs. 1 2.
ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO,
3. als Kunden in Geschäften und
Dienstleistungsbetrieben mit Publikumsverkehr oder bei
der Inanspruchnahme von Dienstleistungen und Angeboten
mit Publikumsverkehr,
4. während des theoretischen Unterrichts in
geschlossenen Räumen der Fahr- und Flugschulen, der
theoretischen Führer- und Flugscheinprüfung sowie der
praktischen
=====
S.8
Ausbildung und praktischen Führer- und
Flugscheinprüfung in geschlossenen Fahr- und
Flugzeugen der Fahr- und Flugschulen,
5. bei Sitzungen von kommunalen Gremien, Seite 5 von
19 6. als Ärzte oder Therapeuten, jeweils
einschließlich deren Personal, sowie als Patienten in
Arztpraxen, Praxen von Psycho- und Physiotherapeuten
oder sonstigen der medizinischen und therapeutischen
Versorgung dienenden ambulanten Einrichtungen, mit
Ausnahme in Behandlungsräumen, wenn die Art der
Leistung dies nicht zulässt.
Satz 1 gilt für Kinder ab dem vollendeten sechsten bis
zum vollendeten 15. Lebensjahr entsprechend mit der
Maßgabe, dass die Verwendung einer
Mund-Nasen-Bedeckung nach den Vorgaben des § 6 Abs. 4
2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO ausreichend ist. Darüber
hinaus ist jede Person angehalten, insbesondere in
geschlossenen Räumen in Situationen, in denen ein
engerer oder längerer Kontakt zu anderen Personen
unvermeidbar ist, eine qualifizierte
Mund-Nasen-Bedeckung zu verwenden.
„(3) Qualifizierte Gesichtsmasken im Sinne dieser
Verordnung sind:
1. medizinische Gesichtsmasken oder
2. Schutzmasken ohne Ausatemventil mit technisch
höherwertigem Schutzstandard, insbesondere FFP2.
Zulässige qualifizierte Gesichtsmasken nach Satz 1
werden auf der Internetseite des für Gesundheit
zuständigen Ministeriums veröffentlicht.
(4) Im Übrigen bleiben die Verpflichtungen zur
Bereitstellung und Verwendung von medizinischen
Gesichtsmasken oder Atemschutzmasken bei der Arbeit
nach § 4 der SARS-CoV-2- Arbeitsschutzverordnung vom
21. Januar 2021 (BAnz AT 22.01.2021 V1) in der jeweils
geltenden Fassung unberührt.
4.
Zweite Thüringer Verordnung über grundlegende
Infektionsschutzregeln zur Eindämmung der Ausbreitung
des Coronavirus SARS-CoV-2 (Zweite Thüringer
SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Grundverordnung -2.
ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO-) vom 12.03.2021
…
§ 6 Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung
(1) In geschlossenen Fahrzeugen des öffentlichen
Personenverkehrs, insbesondere in Eisenbahnen,
Straßenbahnen und Omnibussen, in Taxen, in Reisebussen
und in sonstigen Beförderungsmitteln mit
Publikumsverkehr sind die Fahrgäste verpflichtet, eine
Mund-Nasen-Bedeckung zu verwenden.
(2) In Geschäften mit Publikumsverkehr sind die Kunden
verpflichtet, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu verwenden.
=====
S.9
(3) Abweichend von den Absätzen 1 und 2 gilt die
Verpflichtung zur Verwendung einer
Mund-Nasen-Bedeckung nicht für:
1. Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres,
2. Personen, denen die Verwendung einer
Mund-Nasen-Bedeckung wegen Behinderung oder aus
gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht möglich
oder unzumutbar ist; dies ist in geeigneter Weise
glaubhaft zu machen,
3. Personenmehrheiten nach § 1 Abs. 2 in Reisebussen
und sonstigen Beförderungsmitteln nach Absatz 1,
sofern sie das Beförderungsmittel ausschließlich für
sich nutzen und kein Publikumsverkehr besteht.
(4) Als Mund-Nasen-Bedeckung können selbst genähte
oder selbst hergestellte Stoffmasken, Schals, Tücher,
Hauben und Kopfmasken sowie sonstige Bedeckungen von
Mund und Nase verwendet werden. Die
Mund-Nasen-Bedeckung soll eng anliegen und gut sitzen.
(5) Das Verbot der Verwendung von
verfassungsfeindlichen Kennzeichen und sonstigen
verbotenen Symbolen, insbesondere nach den §§ 86a und
130 des Strafgesetzbuches und nach den
vereinsrechtlichen Vorschriften, bleibt unberührt.
III. Die konkrete Situation der beteiligten Kinder in
ihren Schulen
Der ältere Sohn, der Beteiligte zu 1), ist
schulpflichtig in Thüringen und besucht im Alter von
14 Jahren die 8. Klasse der Staatlichen Regelschule X
in Weimar. Er fällt damit in den Anwendungsbereich der
Allgemeinverfügung.
Der Verfahrensbeistand trägt vor, der Beteiligte zu 1)
müsse im Schulgebäude und im Klassenraum bis zu seinem
Platz eine Maske tragen, danach dürfe er die Maske
meist absetzen. Auf dem Schulhof müsse auch Maske
getragen werden, wenn der Abstand von 1,50 m nicht
eingehalten werden könne. Die Schüler würden
fortwährend aufgefordert, den ganzen Tag auch im
Unterricht eine qualifizierte Maske zu tragen, obwohl
sie noch keine 15 Jahre alt seien.
In der Woche vom 08.03.2021 bis zum 12.03.2021 habe
sogar im Sportunterricht eine qualifizierte Maske
getragen werden müssen. Nach Aussage des Schulleiters
habe das Kind den ganzen Tag die Maske zu tragen.
Seitdem Maskenpflicht bestehe, gehe der Beteiligte zu
1) nicht mehr gern zur Schule. Er habe starke
Kopfschmerzen und ihm sei oft übel, wenn er Maske
trage. Leichte Infekte, wie Schnupfen, leichter
Husten, nähmen zu, wenn er Maske trage. Diese Infekte
zögen sich zudem länger hin als sonst. Dem Beteiligten
zu 1) sei zwei- bis dreimal in der Woche stark übel,
wenn er Maske trage. Kopfschmerzen habe er meist nach
der Schule und am Ende
=====
S.10
des Unterrichtstages, dann aber so stark, dass er sich
fast übergeben müsse vor Schmerzen.
Der Beteiligte zu 1) habe am 22.03.2021 ein
Maskenattest vorgelegt. Daraufhin sei er von seiner
Lehrerin diskriminiert und beleidigt worden. Er habe
sich in die hintere Ecke des Unterrichtsraumes setzen
müssen und sei nicht mehr mit Namen angeredet worden,
sondern nur noch mit „Du ohne Maske“. Am 23.03.2021
habe daraufhin der Schulleiter die Eltern des
Beteiligten zu 1) angerufen. Er habe ihnen mitgeteilt,
dass das Attest des Beteiligten zu 1) zwar zur
Kenntnis genommen worden sei, ihn aber in der Schule
nicht von der Maskenpflicht befreie. Die Erteilung
einer Maskenbefreiung obliege dem Schulleiter, so der
Schulleiter weiter. Nach Aussage des Schulleiters
könne ein Arzt den Beteiligten zu 1) nicht befreien,
nur dem Schulleiter obliege es, dies zu tun. Nach dem
Schulleiter müssten alle Schüler ab der 7. Klasse eine
sogenannte qualifizierte Maske tragen. Rein
tatsächlich würden aber im Unterricht oft die Masken
nicht getragen, dies seien dann die Maskenpausen.
Der Beteiligte zu 1) müsse auf dem Schulhof in der
Pause eine Maske tragen oder Abstand einhalten, es
dürfe keinen direkten Kontakt geben. Er finde dies
nicht so toll, da das die einzige Zeit sei, in der er
sich mit seinen Mitschülern unterhalten könne.
Eine Gefährdungsbeurteilung erfolge nicht.
Die Lehrer achteten nicht auf eine korrekte Handhabung
der Maske oder das Wechseln bei Durchfeuchtung der
Maske. Die Lehrer erklärten zudem gar nichts zum
Maskentragen.
Der jüngere Sohn, der Beteiligte zu 2), ist
schulpflichtig in Thüringen und besucht im Alter von 8
Jahren die 3. Klasse der Staatlichen Grundschule Y in
Weimar. Er fällt damit in den Anwendungsbereich der
Allgemeinverfügung.
Der Verfahrensbeistand trägt vor, der Beteiligte zu 2)
müsse eine Stoffmaske/einen Schlauchschal im
Schulgebäude und im Klassenraum bis zu seinem Platz
tragen. Auf dem Weg zum Mittagessen und im Essenssaal
müsse ebenfalls eine Maske getragen werden, bis der
Beteiligte zu 2) mit seinem Essen am Tisch sitze.
Dabei werde ihm eine Essenszeit von 15 Minuten
eingeräumt, ein Essen in Ruhe sei ihm nicht gestattet.
In den Horträumen sollten die Kinder auch Maske
tragen, daher gehe die Hortnerin viel raus, um die
Maskenzeiten zu verringern.
Im Unterricht müssten derzeit keine Masken getragen
werden, dies seien die Maskenpausen.
Der Beteiligte zu 2) gehe seit der Pflicht zum Tragen
der Maske nicht mehr gern in die Schule. Er habe
vermehrt Kopfschmerzen, teilweise mit Übelkeit. Zudem
habe der Beteiligte zu 2) oft Bauchschmerzen. Zu
starken Kopfschmerzen und Übelkeit komme es ca. ein-
bis zweimal pro Woche. Bauchschmerzen habe der
Beteiligte zu 2) ca. viermal im Monat, dann
=====
S.11
aber auch mit Erbrechen. Der Beteiligte zu 2) habe
Kopfschmerzen und Unwohlsein in zeitlichem
Zusammenhang mit dem Tragen der Maske, Bauchschmerzen
habe er meist nachts. Er weine im Schlaf und schlafe
sehr unruhig. In der Schule traue sich der Beteiligte
zu 2) nicht, etwas zu sagen, wenn es ihm schlecht
gehe.
Mit der Schulleitung sei nicht über die Probleme
gesprochen worden, weil die Eltern Angst vor
Repressalien ihrem Kind gegenüber hätten und es hätten
schützen wollen.
Eine Gefährdungsbeurteilung erfolge nicht. Die Lehrer
achteten nicht auf eine korrekte Handhabung der Maske
oder das Wechseln bei Durchfeuchtung der Maske. Die
Lehrer erklärten zudem gar nichts zum Maskentragen.
Der Beteiligte zu 2) sei zudem bereits von einer
anderen Lehrerin angeschnauzt worden, er solle keinen
Schlauchschal tragen, sondern eine richtige Maske. Der
Beteiligte zu 2) sei daraufhin derart verstört, dass
er nunmehr ungern in die Schule gehe.
IV. Rechtliche Ausführungen der Mutter der beteiligten
Kinder zu den ihren Kindern zustehenden Rechten, auch
aus internationalen Konventionen
Im Einzelnen führt die Mutter der Kinder aus, Kinder
seien unabhängig von ihrem Alter Träger von
Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit (seelisch,
geistig, psychisch), freie Entfaltung der
Persönlichkeit, Achtung der Menschenwürde, also
gewaltfreie Erziehung u.a., Betreuung und Erziehung
durch ihre Eltern u.a.m.
Eingriffe in diese Grundrechte – gleichgültig ob durch
Privatpersonen oder Amtsträger verursacht - könnten
nicht anders bewertet werden als eine objektive
Gefährdung des „Kindeswohls“ i.S.d. §§ 1666 BGB, 157
FamFG.
Die schulinterne Anordnung des Maskentragens und der
Wahrung räumlicher Distanz zu anderen Personen
verletzten ebenso wie die dafür zugrundeliegende
Eindämmungsverordnung des Freistaates Thüringen
konkret Grundrechte ihrer und anderer Kindern
insbesondere aus
- Art. 1 GG: Achtung der Menschenwürde;
- Art 2 GG: auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
und körperliche Unversehrtheit;
- Art 6 GG: auf Erziehung und Betreuung durch die
Eltern (auch im Hinblick auf Maßnahmen zur
Gesundheitsvorsorge und von Kindern zu tragender
„Gegenstände").
=====
S.12
Darüber hinaus seien Kindesrechte und Schutzansprüche
der Kinder aus internationalen Konventionen konkret
verletzt;
aus der UN-Konvention über die Rechte des Kindes
insbesondere
Art. 3 – Kindeswohl ist bei allen Maßnahmen vorrangig
zu berücksichtigen;
Art 16 – Verbot willkürlicher oder rechtswidriger
Eingriffe in das Privatleben, seiner Familie, seiner
Wohnung;
Art 16 Abs. 2 – auf Rechtsschutz gegen Übergriffe;
Art 19 – auf Schutz vor körperlicher, geistiger
Gewalt;
Art. 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 – Beschulung unter Achtung
der Menschenwürde des Kindes,
Einhaltung konkreter Ziele von Beschulung;
Art 37a - Verbot der Folter, erniedrigender
Behandlung;
Art 37 d – besonderer Rechtsschutz bei
Freiheitsentziehung;
aus dem Übereinkommens gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Strafe vom 10.12.1984 (BGBl. 1990 II S. 246):
Art. 1
(1) Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der
Ausdruck „Folter" jede Handlung, durch die einer
Person vorsätzlich große körperliche oder seelische
Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, ...
Art. 2
(1) Jeder Vertragsstaat trifft wirksame
gesetzgeberische, verwaltungsmäßige, gerichtliche oder
sonstige Maßnahmen, um Folterungen in allen seiner
Hoheitsgewalt unterstehenden Gebieten zu verhindern.
(2) Außergewöhnliche Umstände gleich welcher Art, sei
es Krieg oder Kriegsgefahr, innenpolitische
Instabilität oder ein sonstiger öffentlicher Notstand,
dürfen nicht als Rechtfertigung für Folter geltend
gemacht werden.
(3) Eine von einem Vorgesetzten oder einem Träger
öffentlicher Gewalt erteilte Weisung darf nicht als
Rechtfertigung für Folter geltend gemacht werden.
Art. 4
(1) Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass nach
seinem Strafrecht alle Folterhandlungen als Straftaten
gelten. Das gleiche gilt für versuchte Folterung und
für von irgendeiner Person begangene Handlungen, die
eine Mittäterschaft oder Teilnahme an einer Folterung
darstellen.
(2) Jeder Vertragsstaat bedroht diese Straftaten mit
angemessenen Strafen, welche die Schwere der Tat
berücksichtigen.
=====
S.13
Art. 5
(1) Jeder Vertragsstaat trifft die notwendigen
Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über die in Art. 4
genannten Straftaten in folgenden Fällen zu begründen;
aus der Europäischen Menschenrechtskonvention
Art. 8
(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres
Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer
Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechtes
nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich
vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft
notwendig ist für die nationale oder öffentliche
Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes,
zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von
Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral
oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer;
durch Überschreitung der im Internationalen Pakt über
bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl
1973 II 1553) festgelegten Grenzen:
Art 4
(1) im Falle eines öffentlichen Notstandes, der das
Leben der Nation bedroht und der amtlich verkündet
ist, können die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen,
die ihre Verpflichtungen aus diesem Pakt in dem
Umfang, den die Lage unbedingt erfordert, außer Kraft
setzen, vorausgesetzt, dass diese Maßnahmen ihren
sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht
zuwiderlaufen und keine Diskriminierung allein wegen
der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der
Sprache, der Religion oder der sozialen Herkunft
enthalten.
(2) Aufgrund der vorstehenden Bestimmung dürfen die
Art. 6, 7, 8 (Absätze 1 und 2), 11, 15, 16 und 18
nicht außer Kraft gesetzt werden.
(3) Jeder Vertragsstaat, der das Recht,
Verpflichtungen außer Kraft zu setzen, ausübt, hat den
übrigen Vertragsstaaten durch Vermittlung des
Generalsekretärs der Vereinten Nationen unverzüglich
mitzuteilen, welche Bestimmungen er außer Kraft
gesetzt hat und welche Gründe ihn dazu veranlasst
haben. Auf demselben Wege ist durch eine weitere
Mitteilung der Zeitpunkt anzugeben, in dem eine solche
Maßnahme endet.
Zu den persönlichen Freiheitsrechten vergleiche z B
Art. 9, 12.
Art. 17
=====
S.14
(1) Niemand darf willkürlichen oder rechtswidrigen
Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine
Wohnung und seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen
Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes
ausgesetzt werden.
(2) Jedermann hat Anspruch auf rechtlichen Schutz
gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.
Das Familiengericht sei verpflichtet, von Amts wegen
Maßnahmen zur Beendigung weiterer rechtswidriger
Verletzung dieser dem Kind zu gewährleistenden Rechte
zu treffen.
Ein Eingriff in diese Rechte des Kindes aus
Grundgesetz und internationalen Konventionen könne
unabhängig davon, von wem der Eingriff ausgehe, nicht
anders bewertet werden als eine objektive Gefährdung
des „Kindeswohls“ i.S.d. §§ 1666 BGB, 157 FamFG.
Wenn das Gesetz nicht zuletzt aufgrund Art. 2, 1 und 6
GG in § 1631 Abs. 2 BGB Eltern bestimmte
Erziehungsformen verbiete und dies u.a. in §§ 223 ff,
171 StGB unter Strafe stelle, könne eine gleichartige
Behandlung nicht rechtens sein, nur weil sie durch
oder im Auftrag staatlicher Funktionsträger
vorgenommen werde. Dies werde nicht zuletzt auch durch
die Verschärfung der Strafandrohung bei
Rechtsverletzung durch Amtsträger unterstrichen.
Bedürfe danach jede Einschränkung der besonderen
Rechte des Kindes ob aus Grundgesetz oder
internationalen Konventionen der besonderen
Rechtfertigung, so unterliege sie in jedem einzelnen
Bereich dem verfassungsrechtlichen Gebot der
Verhältnismäßigkeit.
Insofern müsse auch hier gelten, was das
Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof zur
Zulässigkeit einer Trennung eines Kindes von seinen
Eltern ausgeführt hätten:
BVerfG v. 24.3.2014 – 1BvR 160/14 – ZKJ 2014, S. 242
ff:
Es lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit
feststellen, dass die Trennung der Kinder geeignet
ist, die von den Gerichten angenommenen Gefahren zu
beseitigen oder abzumildern. Zwar wäre die Trennung
grundsätzlich geeignet, die nach Ansicht der Gerichte
bei der Mutter für die Kinder bestehenden Gefahren zu
beseitigen. Allerdings ruft die Trennung des Kindes
von den Eltern regelmäßig eigenständige Belastungen
hervor, weil das Kind unter der Trennung selbst dann
leiden kann, wenn sein Wohl bei den Eltern nicht
gesichert war. Eine Maßnahme
=====
S.15
kann nicht ohne weiteres als zur Wahrung des
Kindeswohls geeignet gelten, wenn sie ihrerseits
nachteilige Folgen für das Kindeswohl haben kann.
Solche negativen Folgen einer Trennung des Kindes von
seinen Eltern und einer Fremdunterbringung sind zu
berücksichtigen (vgl....) und müssten durch die
Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen
werden, so dass sich die Situation des Kindes in der
Gesamtbetrachtung verbessern würde (vgl. BGH XII ZB
247/11 v. 26.10.2011)
(S. 244,245)
Aus der BGH-Entscheidung v. 26.10.2011 – Az:12 ZB
247/11= ZKJ 2012, 107 ff:
... An der Eignung fehlt es nicht nur, wenn die
Maßnahme die Gefährdung des Kindeswohls nicht
beseitigen kann. Vielmehr ist die Maßnahme auch dann
ungeeignet, wenn sie mit anderweitigen
Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und
diese durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr
nicht aufgewogen
werden... .....ungeeignet, wenn sie in anderen
Belangen des Kindeswohls wiederum eine
Gefährdungslage schafft und deswegen in der
Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation
des gefährdeten Kindes führt. (ZKJ S. 109)
Nach diesen Grundsätzen sei ein Eingriff nur zulässig,
wenn vor einer Einschränkung der Grundrechte des
Kindes unabhängig von den abzuwendenden Gefahren für
das Kind (oder andere) eine konkrete Abwägung mit den
möglichen Gefährdungen des Kindes erfolgt sei, die
durch die zur Abwehr konkret erfolgten Anordnungen und
ausführende Maßnahmen drohten.
Maßnahmen hätten zu unterbleiben, wenn keine konkreten
Feststellungen vorlägen, aus denen sich ein rechtlich
beachtliches Übergewicht der abzuwendenden Gefahren
ergebe.
Von einer Berechtigung zur Grundrechtseinschränkung
könne danach nicht ausgegangen werden.
Es fehle sowohl an einer nachvollziehbaren
Feststellung bestehender konkreter Gefahren für
höherwertige Rechtsgüter anderer durch Kinder (vgl.
dazu z. B. Reiss, Bhakdi: Corona Fehlalarm? GOLDEGG
2020) als auch an einer konkreten Feststellung der
durch die Maßnahmen selbst für die betroffenen Kinder
zu erwartenden Gefährdungen wie an einer konkreten
Abwägung zwischen beiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Anregung wird auf
den Schriftsatz vom 13.03.2021 verwiesen.
=====
S.16
V. Rechtliche Hinweise des Gerichts an die Beteiligten
und Beweisbeschluss im parallelen Hauptsacheverfahren
Das Gericht hat am 16.03.2021 ausführliche rechtliche
Hinweise erteilt und diese am 25.03.2021 aktualisiert.
Der Freistaat Thüringen sowie die Leitungen der von
den Kindern besuchten Schulen wurden am Verfahren
beteiligt.
Der Freistaat Thüringen und die beteiligten
Schulleitungen wurden mit den rechtlichen Hinweisen
aufgefordert, zu allen in der Anregung zu diesem
Verfahren aufgeworfenen Fragen und darüber hinaus auch
zu den nachfolgend aufgeführten Fragen eingehend
Stellung zu nehmen, die in der aktualisierten Fassung
vom 25.03.2021 folgende Form hatten:
„In der Stellungnahme sollen zu allen Fragen für alle
tatsächlichen Behauptungen die wissenschaftlichen
Evidenzen angegeben und mit der Angabe zugänglicher
Quellen belegt werden.
1. Welche Ziele verfolgt der Freistaat Thüringen mit
den Maßnahmen insbesondere der Maskenpflicht von
Schülern und den für sie geltenden
Abstandsvorschriften genau?
2. Ist der Nutzen dieser Maßnahmen in Bezug auf die
Ausbreitung mit dem Virus SARS-CoV-2 evidenzbasiert
nachgewiesen?
3. Wurden die möglichen physischen Auswirkungen
insbesondere der Maskenpflicht, aber auch der
Abstandsvorschriften für Kinder evidenzbasiert
geprüft, insbesondere auch hinsichtlich des
unterschiedlichen Atemvolumens von Erwachsenen und
Kindern? Zu welchen Ergebnissen aufgrund welcher
Studien und Quellen ist der Freistaat Thüringen dabei
gelangt?
4. Wurden die möglichen psychischen Auswirkungen
insbesondere der Maskenpflicht, aber auch der
Abstandsvorschriften für Kinder evidenzbasiert
geprüft? Wurden dabei die möglichen Folgen aufgrund
von Möglichkeiten zu nur reduzierter Kommunikation,
mögliche Gefahren durch verzerrte Wahrnehmung der
Mimik und von Emotionen und mögliche Gefahren für die
psychosoziale Entwicklung geprüft? Zu welchen
Ergebnissen aufgrund welcher Studien und Quellen ist
der Freistaat Thüringen dabei gelangt?
5. Wurde die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen
hinsichtlich des Nutzens (sowohl für die Schulkinder
selbst als auch für Dritte) gegenüber den möglichen
negativen Auswirkungen für die Schulkinder und Dritte
geprüft und nachvollziehbar bewertet?
6. Wie wird das Infektionsgeschehen mit dem Virus
SARS-CoV-2 ermittelt?
=====
S.17
7. Soweit dazu der RT-q-PCR-Test verwendet wird:
Welcher Test oder welche Tests (Hersteller/Testname)
wird/werden in Thüringen in den Laboren durchgeführt?
Wie sind die Labore akkreditiert, die den Test
durchführen? Welche Testkontrollen werden verwendet?
Wie überwachen die Behörden die Zuverlässigkeit der
Testdurchführung? Werden regelmäßig unabhängige
Ringversuche durchgeführt?
8. Wie viele Genabschnitte und welche wurden und
werden bei dem RT-q-PCR-Test in Thüringen untersucht?
Bis zu welchen Amplifikations-/Verdoppelungsschritten
(ct-Wert) wurde und wird der Test in Thüringen als
„positiv“ bewertet?
9. Ist der RT-q-PCR-Test in der Lage, ein
vermehrungsfähiges und weitergabefähiges Virus
SARS-CoV-2 nachzuweisen?
10. Welche Sensitivität und welche Spezifität weisen
die verwendeten RT-q-PCR-Tests auf? Soweit bekannt,
wurden diese Parameter in der Praxis durch eine
deutsche Institution bisher nur einmal nach für einen
Ringversuch anerkanntem Testdesign ermittelt, nämlich
durch INSTAND, einer Gesellschaft zur Förderung der
Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien e.V.,
die u.a. mit der WHO zusammenarbeitet. Diese kommt in
ihrem 51-seitigen „Kommentar zum Extra Ringversuch
Gruppe 340 Virusgenom-Nachweis-SARS-CoV-2“ von Prof.
Dr. Heinz Zeichhardt, Charité - Universitätsmedizin
Berlin, und Dr. Martin Kammel – in Kooperation mit der
Charité, Universitätsmedizin Berlin, Institut für
Virologie, dem Nationalen Konsiliarlaboratorium für
Coronaviren Prof. Dr. Christian Drosten, Dr. Victor M.
Corman u.a. – vom 2.5.2020, aktualisiert am 3.6.2020,
hinsichtlich der Spezifität des PCR-Tests auf eine
Falsch-positiv-Rate zwischen 1,4 % und 2,2 %; dabei
sind die „Ausreißer“ durch Vertauschungen bereits
herausgerechnet. Wird diese Falsch-positiv-Rate bei
der Berechnung der „Inzidenzen“ berücksichtigt?
(Anmerkung hierzu: Es gibt einen weiteren Ringversuch
von Instand e.V., der im Juni/Juli 2020 begonnen
wurde, dessen Ergebnisse aber nicht öffentlich
zugänglich sind.)
Was bleibt bei Einberechnung dieser
Falsch-positiv-Rate zwischen 1,4 und 2,2 % - dies möge
verbal und rechnerisch dargestellt werden – unter
Annahme realistischer Prävalenzen von den derzeit für
Thüringen gemeldeten „Inzidenzen“ noch übrig?
https://www.instand-ev.de/ringversuche-online/ringversuche-service.html#rvp//340/-2020/
11. Was genau wird unter „Inzidenz“ verstanden? Soweit
gerichtsbekannt, meint dieser Begriff das Auftreten
von Neuerkrankungen in einer (immer wieder getesteten)
definierten Personengruppe in einem definierten
Zeitraum, während nach dem Gericht vorliegenden
Informationen den durchgeführten Testungen tatsächlich
=====
S.18
undefinierte Personengruppen in undefinierten
Zeiträumen zugrunde liegen, womit die sog.
„Inzidenzen“ lediglich schlichte Melderaten wären.
Falls dem so ist: Wie wirkt sich das auf die
Aussagekraft der Testungen hinsichtlich des
Infektionsgeschehens aus?
12. Wird bei der Anwendung des RT-q-PCR-Tests die WHO
Information Notice for IVD Users 2020/05 beachtet?
Danach muss, soweit das Testresultat nicht mit dem
klinischen Befund eines Untersuchten übereinstimmt,
eine neue Probe genommen und eine weitere Untersuchung
vorgenommen sowie Differentialdiagnostik betrieben
werden; nur dann kann nach diesen Vorgaben ein
positiver Test gezählt werden.
https://www.who.int/news/item/20-01-2021-who-information-notice-for-ivd-users-2020-05
13. Wird sichergestellt, dass mehrfach getestete
Personen nicht jedes Mal als neuer „Fall“ gezählt
werden? Wie geschieht dies ggfls.?
14. Wie wirkt sich die zusätzliche Einführung von
Schnelltests auf die Ermittlung des
Infektionsgeschehens aus? Werden die negativ
Getesteten in den Schnelltests ebenfalls zahlenmäßig
erfasst? Wie wird sichergestellt, dass die Kombination
aus positivem Schnelltest und negativem RT-q-PCR-Test
dann nicht als „positiv“ in den Statistiken auftaucht
bzw. bei beiden Tests „positiv“ nur einmal als
„positiv“ gewertet wird (analog zu Frage 13)? Werden
für die Ermittlung einer realistischen Infektionsquote
auch die beim Schnelltest negativ Getesteten
einbezogen?
15. Geht der Weitere Beteiligte davon aus, dass
asymptomatisch positiv Getestete ansteckend sein, also
das Virus SARS-CoV-2 weitergeben können?
Bejahendenfalls wird gebeten, dies zu quantifizieren
und die wissenschaftlichen Belege dafür zu benennen.
Wird dabei auch die am 20.11.2020 publizierte Studie
aus Wuhan, China, mit etwa 10 Millionen Teilnehmern
beachtet? Die Forscher dieser Studie kamen zu dem
Ergebnis, dass die Entdeckungsrate asymptomatischer
positiver Fälle in Wuhan nach der zuvor durchgeführten
Abriegelung mit 0,303/10.000 sehr niedrig war und es
keine Hinweise darauf gibt, dass die identifizierten
asymptomatischen positiven Fälle überhaupt infektiös
waren.
https://www.nature.com/articles/s41467-020-19802-w
16. Geht der Weitere Beteiligte davon aus, dass
präsymptomatisch positiv Getestete ansteckend sein,
also das Virus SARS-CoV-2 weitergeben können?
Bejahendenfalls wird gebeten, dies zu quantifizieren.
17. Wie hoch ist die Infektiosität symptomatisch
positiv Getesteter?
18. Wird derzeit noch bei Testungen nach anderen
Viren, beispielsweise Influenza, gesucht und auch
darauf getestet?“
=====
S.19
Mit Beschluss ebenfalls vom 25.03.2021 im parallelen
Hauptsacheverfahren 9 F 147/21 wurde eine
Beweiserhebung angeordnet. Zu den Beweisfragen hat der
Beschluss folgenden Inhalt:
„Es soll zu den nachfolgend unter I. angeführten
Fragen Beweis erhoben werden durch Einholung
schriftlicher Sachverständigengutachten.
In die Begutachtung sollen ausdrücklich die in den
aktualisierten rechtlichen Hinweisen des Gerichts vom
25.03.2021 aufgeworfenen Fragen mit einbezogen werden.
I. Es soll Beweis erhoben werden über folgende Fragen:
1. Kann das Tragen von Gesichtsmasken
unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 (nennenswert) senken? Dabei
soll zwischen Kindern im Besonderen und Erwachsenen im
Allgemeinen und zwischen asymptomatischen,
präsymptomatischen und symptomatischen Menschen
unterschieden werden.
2. Welche Schäden physischer, psychischer und
pädagogischer Art können durch das Tragen von Masken
insbesondere bei Kindern entstehen?
3. Besteht überhaupt ein Infektionsrisiko, das durch
das Tragen von Gesichtsmasken (oder andere Maßnahmen)
abgesenkt werden könnte?
4. Kann durch die Einhaltung von Abstandsvorschriften
das Infektionsrisiko insbesondere bei Kindern
abgesenkt werden?
5. Bieten Kinder möglicherweise sogar eine
„Schutzfunktion“ vor der Verbreitung mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 in dem Sinne, dass sie die
Verbreitung des Virus eher abbremsen und vor schweren
Covid-19-Erkrankungen eher schützen?
6. Welches methodische Niveau und ggfls. welche
methodischen Mängel weisen existierende Studien zum
Infektionsgeschehen an Schulen und zu der Wirksamkeit
von Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten an
Schulen auf?
7. Welche Aussagekraft zur Erkennbarkeit einer
Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 liefern der
RT-q-PCR-Test und die derzeit verwendeten
Schnelltests?“
=====
S.20
Zu Gutachtern für die Fragen zu I.1. – 6. wurden Frau
Prof. Dr. med. Ines Kappstein und Herr Prof. Dr.
Christof Kuhbandner bestellt. Zur Gutachterin für die
Frage I.7. wurde Frau Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike
Kämmerer bestellt.
Prof. Dr. med. Ines Kappstein, Hygienikerin, ist
Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und
Infektionsepidemiologie sowie Fachärztin für Hygiene
und Umweltmedizin. Ihre Habilitation erfolgte im Fach
Krankenhaushygiene. Von 1998 bis 2006 war sie im
Klinikum rechts der Isar der TU München tätig. Von
2006 bis 2016 war sie Chefärztin der Abteilung
Krankenhaushygiene an den Kliniken Südostbayern AG der
Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land. Seit
2017 betreut sie mehrere Akut-, Fach- und
Reha-Kliniken in selbständiger Tätigkeit.
Prof. Dr. Christof Kuhbandner ist Professor für
Psychologie, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für
Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg
und Experte im Bereich wissenschaftlicher Methoden und
Diagnostik.
Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer vertritt am
Universitätsklinikum Würzburg, Frauenklinik,
insbesondere die Schwerpunkte Humanbiologie,
Immunologie und Zellbiologie.
VI. Stellungnahme des Verfahrensbeistands
Die als Verfahrensbeistand eingesetzte Rechtsanwältin
hat mit Schriftsatz vom 06.04.2021 auf fast 170 Seiten
umfangreich zu allen tatsächlichen und rechtlichen
Fragen eingehend Stellung genommen. Darauf wird wegen
der weiteren Einzelheiten verwiesen.
VII. Stellungnahme der Weiteren Beteiligten
Eine Stellungnahme des Freistaats Thüringen und der
Schulen der Kinder ist innerhalb der gesetzten Frist
im hier vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren
nicht erfolgt.
VIII. Gutachten Prof. Dr. med. Ines Kappstein
Prof. Dr. med. Ines Kappstein, Hygienikerin, ist
Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und
Infektionsepidemiologie sowie Fachärztin für Hygiene
und Umweltmedizin. Ihre Habilitation erfolgte im Fach
Krankenhaushygiene. Von 1998 bis 2006 war sie im
Klinikum rechts der Isar der TU München tätig. Von
2006 bis 2016 war sie Chefärztin der Abteilung
Krankenhaushygiene an den Kliniken Südostbayern AG der
Landkreise Traunstein und
=====
S.21
Berchtesgadener Land. Seit 2017 betreut sie mehrere
Akut-, Fach- und Reha-Kliniken in selbständiger
Tätigkeit.
Die Gutachterin hat ihr Gutachten, das hier
vollständig eingefügt wird, wie folgt erstattet:
Zu den Beweisfragen werde ich Stellung nehmen, soweit
ich sie von meinem fachlichen Hintergrund des
Infektionsschutzes – unter besonderer Berücksichtigung
der Übertragung von Infektionserregern sowie der
Entstehung von Infektionen – behandeln kann. Dies
trifft auf die Fragen 1. und 3., die zusammengefasst
in Teil A., Teil B. und Teil C. des Gutachtens
beantwortet werden, sowie auf die Frage 4. zu.
Die Ziffern [ ] beziehen sich auf die Liste der
Referenzen (in der Reihenfolge, wie sie im Text
erscheinen).
Zum leichteren Verständnis des Gutachtens möchte ich
einige Informationen vorausschicken:
1. Für die Tätigkeit in der Krankenhaushygiene (=
Prävention von Infektionen im Zusammenhang mit der
medizinischen Versorgung von Patienten, sog.
nosokomiale oder krankenhauserworbene Infektionen)
muss man Kenntnisse über die Übertragungswege von
Infektionserregern haben, aus denen sich die im
Einzelfall erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen
(sog. Hygienemaßnahmen) ableiten lassen. Die
Händehygiene (in aller Regel als Händedesinfektion)
spielt dabei die größte Rolle. Masken (als sog.
OP-Maske = chirurgische Maske) sind außerhalb der
OP-Abteilung bisher vergleichsweise selten zum Einsatz
gekommen und dann nur punktuell bei nahen
vis-à-vis-Kontakten bei Patienten mit respiratorischen
Infektionen. FFP-Masken (i.d.R. als FFP2-Masken)
wurden fast ausschließlich bei Betreten des Zimmers
von Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege
eingesetzt (oder auch bei der Bronchoskopie von
Patienten mit Verdacht auf Tuberkulose).
2. Die Übertragungswege von Infektionserregern lassen
sich als kurze Übersicht folgendermaßen darstellen
(weitere Ausführungen dazu folgen im Verlauf des
Gutachtens):
(a) Kontakt. (1) Erregerübertragung durch direkten
Kontakt (= Körperkontakt) einer infizierten mit einer
nicht-infizierten Person. (2) Erregerübertragung durch
indirekten Kontakt über gemeinsam genutzte Gegenstände
oder Oberflächen, mit denen zuvor eine infizierte
Person Kontakt hatte oder die mit infektiösem Material
einer infizierten Person kontaminiert wurden und die
anschließend von einer nicht-infizierten Person
benutzt werden.
Sowohl bei direktem als auch bei indirektem Kontakt
gelangen die Erreger primär meist nur an die Haut der
(noch) nicht-infizierten Kontaktperson, insbesondere
an die Hände. Respiratorische Viren müssen
anschließend an ihre Eintrittspforten im Bereich der
Schleimhäute der oberen Atemwege (Augen, Nase, Mund)
gebracht werden. Dies geschieht in der Regel über
häufige und meist nicht bewusste eigene
Hand-Gesichtskontakte. Vermutlich ist i.d.R. eine
schnelle Abfolge der verschiedenen Schritte
erforderlich, damit es zu einer effektiven Übertragung
infektionstüchtiger Erreger mit nachfolgender
Infektion der Kontaktperson kommen kann. Solche
Kontakte zeichnen das Zusammenleben von Menschen
besonders im privaten, aber auch, wenngleich weniger,
im öffentlichen Bereich aus. Immer dann, wenn mehrere
Menschen auf engem Raum über längere Zeit zusammen
sind (z.B. Pausengespräche unter Kollegen, Feiern),
=====
S.22
müssen direkter und indirekter Kontakt sowie Tröpfchen
(siehe unten) als Übertragungswege in Betracht gezogen
werden.
(b) Tröpfchen. Spezielle Form der Kontaktübertragung
durch Tröpfchen (> 5 μm im Durchmesser)
respiratorischen Sekrets bei nahem vis-à-vis-Kontakt
(< 1 – 2 m) mit einer Dauer von mindestens 15 min
zwischen einer infizierten und einer nicht-infizierten
Person.
Es geht z.B. um Situationen, in denen sich zwei
Personen in einem Abstand von weniger als 1 – 2 m
vis-à-vis = face-to-face oder von (An-)Gesicht zu
(An-)Gesicht gegenüberstehen und miteinander reden.
Dabei ist es prinzipiell möglich, dass die beim
Sprechen von der infizierten Person freigesetzten
respiratorischen Tröpfchen auf die Schleimhäute des
Gesichts der gegenüberstehenden und (noch) nicht
infizierten Person (Auge, Nase, Mund) treffen, dass
also auf diesem Weg die Erreger übertragen werden.
Kontaktübertragung und Tröpfchenübertragung gelten
seit Jahrzehnten vorwiegend auf der Basis
epidemiologischer Untersuchungen als die
entscheidenden Übertragungswege für respiratorische
Erreger.
(c) Luft. Inhalation frei in der Luft schwebender
infektiöser Partikel (< 5 μm im Durchmesser)
Eine Erregerübertragung durch die Luft (aerogene
Übertragung) galt bisher nur bei der Tuberkulose der
Atemwege (Lunge, Kehlkopf) als bedeutsam und ist bei
der Tuberkulose sogar der einzige natürliche
Übertragungsweg, aber auch nur dann, wenn die
infizierte Person eine sog. offene Tuberkulose der
Atemwege hat, wobei es zur Freisetzung der
Tuberkel-Bakterien über die Ausatemluft der
infizierten Person kommt. Die dadurch mit den Erregern
der Tuberkulose kontaminierte Luft des Raumes wird von
gleichzeitig anwesenden Personen inhaliert (oder von
Personen, die den Raum erst betreten, nachdem die
infizierte Person ihn wieder verlassen hat). In der
Luft schwebende Tuberkel-Bakterien können bis in die
Alveolen (= Lungenbläschen) vordringen, und genau dort
müssen diese Erreger hingelangen, um überhaupt eine
Tuberkulose auslösen zu können. Ob aber andere
Personen, die diese Raumluft atmen, den für das
Zustandekommen einer Infektion erforderlichen
Erregerkontakt haben, hängt u.a. von der Größe des
Raumes und damit von seinem Luftvolumen, von der
Belüftung des Raumes und damit von der Verdünnung des
Erregers in der Luft und nicht zuletzt auch von der
Menge des Erregers ab, die die infizierte Person z.B.
beim Husten freisetzt (oder freigesetzt hat) und damit
von der Wahrscheinlichkeit, dass andere Personen bei
der Inhalation in Kontakt mit kontaminierter Luft
kommen.
Genau dieser Übertragungsweg wurde im Frühjahr 2020
schon bald nach Auftreten von Sars-CoV-2 als
bedeutender Übertragungsweg für diesen neuen Erreger
postuliert. Im Verlauf von 2020 ist die Vorstellung
von der sog. Aerosol-Übertragung von SARS-CoV-2 in der
internationalen Fachliteratur wie ebenso in den Medien
– jedoch nicht unterstützt durch entsprechende
Verlautbarungen der internationalen
Gesundheitsbehörden – so dominant geworden, dass nun
schon seit Monaten verschiedene ‚Hygienemaßnahmen‘
gefordert werden (z.B. Luftreinigungsgeräte, Lüften),
um dieses angeblich hohe Risiko zu reduzieren (siehe
Teil C.). Schon in Bezug auf Influenzaviren wurde seit
Jahren darüber diskutiert, ob sie vielleicht auch
durch die Luft übertragbar seien, aber es fand sich
dafür keine Bestätigung. De facto wurden auch bei
Influenza in Krankenhäusern nie Maßnahmen zum Schutz
vor einer Erregerübertragung etabliert, die auf die
Übertragung via Luft abzielten. Dies sahen und sehen
bis heute auch z.B. die Empfehlungen des RKI nicht
vor.
=====
S.23
3. Sehr viele Ergebnisse aus Untersuchungen über die
Effektivität nicht-pharmazeutischer Interventionen zur
Eingrenzung der Pandemie, wie insbesondere Masken in
der Öffentlichkeit, beruhen auf mathematischen
Modellierungen, deren Besonderheiten hier kurz
dargestellt werden sollen:
Mathematische Modellierungen (auch mathematische
Schätzungen genannt) sind von der Wettervorhersage und
der Klimaforschung bekannt, werden aber seit vielen
Jahren auch eingesetzt, um den Verlauf von Epidemien
und den Einfluss verschiedener Präventionsmaßnahmen
vorherzusagen. Sie werden besonders dann genutzt, wenn
es nur wenig aussagefähige Daten aus direkten
Untersuchungen gibt. Bei einem sehr großen Teil aller
Studien zu SARS-CoV-2 (z.B. Effektivität von Masken)
handelt es sich um mathematische Modellierungen, die
nur eine sehr begrenzte Aussagekraft haben, weil ihre
Ergebnisse nicht das ‚wirkliche‘ Leben widerspiegeln,
sondern auf Annahmen beruhen. Von diesen
‚Stellschrauben‘ sind die Ergebnisse abhängig, die
deshalb ein vereinfachtes Bild der Wirklichkeit
wiedergeben. Solche Studien können deshalb immer nur
‚Wenn-Dann-Ergebnisse‘ liefern. Es gibt auf der einen
Seite des Spektrums rein theoretische Modellierungen
und auf der anderen solche, in denen mit so viel
klinisch-epidemiologischen Daten, wie vorhanden sind,
gearbeitet wird. Immer aber hat das Ergebnis nur eine
sehr begrenzte Aussagekraft, und die Qualität der
wissenschaftlichen Evidenz ist bestenfalls mäßig. Die
Ergebnisse solcher Studien im Zusammenhang mit
SARS-CoV-2 werden in ihrer Bedeutung für die
Wirklichkeit allerdings oft weit überschätzt und bei
positivem Ergebnis als Beweis für die Wirksamkeit von
Maßnahmen genommen. Das konnte im Verlauf der Pandemie
wiederholt beobachtet werden, und zwar selbst bei
wissenschaftlich tätigen Ärzten und bei
Bio-Wissenschaftlern.
Beantwortung der Beweisfragen
1. Kann das Tragen von Gesichtsmasken
unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 (nennenswert) senken? Dabei
soll zwischen Kindern im Besonderen und Erwachsenen im
Allgemeinen und zwischen asymptomatischen,
präsymptomatischen und symptomatischen Menschen
unterschieden werden.
3. Besteht überhaupt ein Infektionsrisiko, das durch
das Tragen von Gesichtsmasken (oder andere Maßnahmen)
abgesenkt werden könnte?
A. Masken
Es wird in diesem Abschnitt dargestellt, welche
Fachliteratur für die Effektivität von Masken in der
Öffentlichkeit (z.B. Geschäfte, ÖPNV, Schulen, Büros
u.v.a.m.) angeführt wird, welche veröffentlichten
Untersuchungen es gibt, die gegen diese Effektivität
von Masken sprechen und welche Aussagen zur
Erregerübertragung ausgehend von asymptomatischen,
präsymptomatischen und symptomatischen Personen
möglich sind. Alle Aussagen gelten für Erwachsene,
Jugendliche und Kinder gleichermaßen.
Die ‚Neubewertung‘ des RKI: Womit wurden Masken
begründet?
Hintergrund und Grundlage für die Einführung der
Maskenpflicht überall in Deutschland war die sog.
‚Neubewertung‘ durch das Robert-Koch-Institut (RKI)
[1].
Die ‚Neubewertung‘ des RKI führte dazu, dass Masken
nicht zum Schutz der Träger (= Eigenschutz,
insbesondere wie für das medizinische Personal bei der
Patientenversorgung im Krankenhaus), sondern zum
Schutz der Mit-Menschen (= Fremdschutz; engl. source
control, d.h. zum Schutz anderer Menschen vor der
Erregerquelle) getragen werden sollen,
=====
S.24
dies aber nicht von Personen mit Symptomen einer
oberen Atemwegsinfektionen (Halsschmerzen, Schnupfen,
Husten), sondern von – klinisch – gesunden Menschen
(die Personen mit Symptomen sollen ohnehin zu Hause
bleiben).
Das RKI empfiehlt Masken in der Öffentlichkeit (‚… als
einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen
…‘ [1]), damit der Träger der Maske, der vielleicht
bereits unbemerkt infiziert ist und den Erreger schon
im respiratorischen Sekret ausscheidet, seine
respiratorischen Tröpfchen nicht ungehindert, z.B.
beim Sprechen, freisetzen kann. Die Tröpfchen sollen
durch die Maske zu einem wesentlichen Teil
zurückgehalten werden, um so den Kontakt anderer
Menschen mit dem Erreger zu verhindern.
Alle Menschen sollen also deshalb eine Maske tragen,
damit die (wenigen) Menschen, die bereits infiziert
sind, es aber noch nicht wissen (können), weil sie
noch keine Symptome haben (präsymptomatisch) oder auch
gar keine entwickeln werden (asymptomatisch), alle
anderen Personen, denen sie begegnen, durch ihre Maske
vor einem möglichen Erregerkontakt schützen. Letztlich
sollen dadurch direkt oder indirekt insbesondere die
Menschen geschützt werden, die aufgrund von hohem
Lebensalter und / oder bestimmten chronischen
Krankheiten ein erhöhtes Risiko für eine schwere
Infektion durch SARS-CoV-2 haben, denn für alle
anderen Menschen stellt das Virus bekanntlich keine
Gefahr dar (das gilt nach derzeitigem Kenntnisstand
auch für die neuen Varianten), weil sie entweder, wie
bei einer Influenza typisch, für ein bis zwei Wochen
schwerer erkranken und im Bett liegen müssen (mit z.B.
Fieber, Gliederschmerzen und Husten), aber in den
meisten Fällen doch nur leichte respiratorische
Symptome entwickeln (wie bei einer üblichen sog.
Erkältung) oder sogar überhaupt nicht erkranken.
Über den möglichen Nutzen von Masken zum Schutz der
Mit-Menschen (Fremdschutz) vor klinisch gesunden, aber
bereits infizierten und damit potentiell infektiösen
Menschen entwickelte sich international im Frühjahr
2020 eine Diskussion in der Fachöffentlichkeit
darüber, dass Masken nicht aus Eigenschutz, sondern
aus ‚Altruismus und Solidarität‘ (= Fremdschutz)
getragen werden sollen [2]. Dies führte letztlich zu
der Masken-Empfehlung des RKI, bei der es also um
‚Fremdschutz‘ – und nicht etwa um den Eigenschutz
insbesondere von Personen aus Risikogruppen – geht.
Das galt zumindest bis zum Januar 2021. Dass der
Eigenschutz wegen der neuen Varianten des Virus auch
eine Rolle spiele, wurde erst dann von der Politik
herausgestellt, und damit wurde die Pflicht begründet,
anstelle der Alltagsmasken aus Stoff nun medizinische
Masken (OP-Maske oder FFP2-Makse) zu tragen. Für alle
Personen, die sich beruflich nicht damit beschäftigen
müssen, wie Infektionserreger übertragen werden,
dürften Masken als Schutz vor einem respiratorischen
Virus durchaus plausibel sein, wobei dabei sicher
stets der Eigenschutz-Gedanke führend ist.
Das RKI sagt an keiner Stelle in dem Beitrag über die
‚Neubewertung‘ ausdrücklich, dass es eine
wissenschaftliche Grundlage (im Sinne von
wissenschaftlichen Beweisen oder Belegen = engl.
evidence) für den Gebrauch von Masken in der
Öffentlichkeit gibt [1]. Diese Schlussfolgerung legt
der Text mit seinen mehrdeutigen Formulierungen
lediglich nahe. Der Beitrag des RKI wurde, wie heute
in Fachzeitschriften vielfach üblich, vorab online
publiziert, und zwar schon am 14. April, also
unmittelbar nach Ostern 2020. Somit stand die
Stellungnahme des RKI für die Entscheidung der
Bundesregierung über die Lockerungsmaßnahmen des
ersten Lockdown, die für eine Woche nach Ostern 2020
angekündigt waren, rechtzeitig zur Verfügung. Gedruckt
erschien der Beitrag erst am 7. Mai 2020, also etwa
eine Woche nach Einführung der Maskenpflicht (und
dieses Datum ist – siehe unten – noch von Bedeutung).
Interessant ist, dass der Präsident des RKI am 28.
April
=====
S.25
2020, also am Tag der Maskenpflicht-Entscheidung durch
die Bundesregierung, in einem Interview mit dem
‚Deutschen Ärzteblatt‘ vom ‚geringen Mehrwert‘ von
Masken gesprochen hat, der aber auch nur dann zum
Tragen komme, wenn sie ‚korrekt‘ benutzt würden [3].
Die offizielle Darstellung der Masken-Empfehlung des
RKI in [1] wurde bald etwas modifiziert, denn bereits
sechs Tage nach der Druckversion des Beitrags vom 7.
Mai 2020, äußerte sich das RKI am 13. Mai 2020 unter
der Rubrik ‚Antworten auf häufig gestellte Fragen
(FAQ)‘ zum Fremdschutz durch Masken zurückhaltend:
‚Eine Schutzwirkung ist bisher nicht wissenschaftlich
belegt, sie erscheint aber plausibel.‘
Allerdings blieb es im weiteren Verlauf auch dabei
nicht, denn seit dem 15. Juli ist dort nun zu lesen:
‚Für diesen Fremdschutz durch MNB (=
Mund-Nasen-Bedeckung) gibt es inzwischen erste
wissenschaftliche Hinweise.‘
Diese Darstellung ist weiterhin aktuell, zuletzt in
der Fassung vom 17.02.2021.
Hinweise sind jedoch keine Beweise. Es stellt sich die
Frage: Was sind ‚erste wissenschaftliche Hinweise‘ und
dazu noch: warum ‚inzwischen‘? Die Belege sollten an
sich schon mit der Publikation der Masken-Empfehlung
[1] gegeben worden sein. Ich habe deshalb via E-Mail
vom 19.07.2020 beim RKI nach der dieser Aussage
zugrunde liegenden wissenschaftlichen Literatur
gefragt und bekam als E-Mail vom 21.07.2020 eine
Auflistung von Publikationen, auf die ich im weiteren
Verlauf des Gutachtens eingehen werde.
Im Folgenden möchte ich die Empfehlung des RKI [1]
zunächst anhand der darin zitierten Fachliteratur
bewerten. Anschließend werden die neueren
Publikationen vorgestellt, die also erst nach dem
RKI-Beitrag erschienen sind und von Wissenschaftlern
wie ebenso von den Medien als Belege für die
Effektivität von Masken in der Öffentlichkeit
angeführt wurden. Abschließend sind die Publikationen
zusammengestellt, die keinen Nutzen von Masken
gefunden haben.
Das RKI empfiehlt in seinem Beitrag
‚ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung
(MNB) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum
als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu
schützen und den Infektionsdruck und damit die
Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der
Bevölkerung zu reduzieren‘.
Diese Empfehlung beruhe
‚auf einer Neubewertung aufgrund der zunehmenden
Evidenz, dass ein hoher Anteil (Hervorhebungen für
dieses Gutachten) von Übertragungen unbemerkt erfolgt,
und zwar bereits vor dem Auftreten von
Krankheitssymptomen‘.
Das RKI spricht in seinem Beitrag davon, dass ein
‚hoher Anteil von Übertragungen unbemerkt‘ erfolge,
verweist dafür aber nicht auf eine Quelle. In der
Literaturliste des Beitrags finden sich jedoch zwei
Publikationen, auf die sich das RKI bei seiner Aussage
vermutlich bezogen hat (und im Text wurden vielleicht
nur die Literaturverweise dazu vergessen). Es handelt
sich zum einen um eine mathematische Schätzung, wonach
die präsymptomatische Übertragung sehr hoch, nämlich
zwischen 48% und 77%, gelegen haben soll [4]. Dem
Ergebnis der zweiten Publikation liegt ebenfalls eine
mathematische
=====
S.26
Schätzung mit einer sehr hohen präsymptomatischen
Übertragungsrate von 79% zugrunde [5].
Auf den Internetseiten des RKI heißt es unter FAQ >
Infektionsschutzmaßnahmen > Was ist beim Tragen
einer MNB in der Öffentlichkeit zu beachten?‘ vom 15.
Juli und 21. August dann nicht mehr ‚hoher Anteil‘,
sondern nur noch ‚gewisser Anteil‘, um schließlich in
den FAQ seit dem 7. September (zuletzt in der Fassung
vom 17.02.2021) von einem ‚relevanten Anteil‘ zu
sprechen (Hervorhebungen für dieses Gutachten).
Literaturangaben sind dort nicht vorhanden (und sind
bei den FAQ auch nicht üblich).
Eine Literaturangabe dazu macht das RKI aber in einem
späteren Artikel (online vorab am 23.09.2020) [6]. In
diesem Beitrag mit dem Titel ‚Abwägung der Dauer von
Quarantäne und Isolierung bei COVID-19‘ heißt es:
‚Beispielsweise demonstrierten He et al., dass
präsymptomatische Übertragungen für einen Großteil
(44%) von SARS-CoV-2-Übertragungen verantwortlich
sind, …‘.
In der zitierten Publikation von He et al. wird eine
mathematische Schätzung vorgenommen beruhend auf
Annahmen, wie sich die Viruslast im respiratorischen
Sekret vor Auftreten von Symptomen verteilen könnte
[7]. Zu diesem Artikel wurde am 17. August 2020 (also
gut 5 Wochen vor der online-Publikation des neuen
RKI-Beitrags [6]) eine kritische Stellungnahme
veröffentlicht, auf die seither beim Aufrufen des
Artikels von He et al. direkt vor Beginn des Textes
hingewiesen wird. Darin führen die Autoren Folgendes
aus [8]:
‘In terms of larger COVID-19 studies that calculated
the proportion of presymptomatic versus
post-symptomatic spread, a study examining 468
COVID-19 cases in China found that 12.6% of
transmission occurred prior to symptom onset [Ref].
Likewise, contact tracing studies of 157 locally
acquired cases in Singapore identified 10 cases of
presymptomatic COVID-19 transmission, but this only
accounted for 6.4% of transmission events [Ref].
Although many factors are involved with transmission
efficiency, it appears that asymptomatic /
presymptomatic transmission measured by direct contact
tracing studies [Ref] is lower than that predicted by
COVID-19 transmission models [Ref].’ ([Ref] steht für
die Literaturangaben in dem zitierten Artikel).
Daraus folgt: Bei der Auswertung realer
Kontakt-Szenarien fanden sich deutlich geringere Raten
präsymptomatischer Übertragungen, wie 12,6% (China; im
Juni publiziert [9]) oder 6,4% (Singapur; schon im
April publiziert [10]. Bei den mathematischen
Schätzungen [4, 5, 7], die das RKI in [1, 6] zitiert,
handelt es sich um theoretische Ergebnisse, die im
Vergleich zu Ergebnissen aus der Wirklichkeit deutlich
höher liegen (siehe unten).
Kontakt-Konstellationen aus
Kontakt-Tracing-Untersuchungen auszuwerten, ist mühsam
und langwierig. Es kommt bei der Klärung solcher
Fragen aber gerade darauf an, reale Szenarien
auszuwerten, denn dabei wird dann auch deutlich, um
welche Art von Kontakten es sich gehandelt hat. So
wurde in der Studie aus Singapur ermittelt, dass bei 7
Kontaktauswertungen 3 x (Ehe-)Paare und 1 x ein
Mitglied aus einer Wohngemeinschaft von einer
präsymptomatischen Erregerübertragung betroffen waren,
also Situationen mit engen Dauer-Kontakten, bei den
Paaren sogar mit Schleimhautkontakt [10]. In solchen
Lebenssituationen ist mit präsymptomatischen (wie auch
mit asymptomatischen) Übertragungen zu rechnen (und
dennoch sind sie selten; siehe unten). Anders ist das
bei den üblichen Kontakten im öffentlichen Raum
zwischen Menschen, die sich nicht (so) nahekommen oder
höchstens kurz aneinander vorübergehen oder
hintereinanderstehen.
=====
S.27
Das RKI berücksichtigt bzw. zitiert in seinem Beitrag
[6] weder den kritischen Artikel [8], der dafür Mitte
August lange genug vor der online-vorab-Publikation
des RKI publiziert wurde, noch geht das RKI auf die
sogar noch früher publizierten Untersuchungen aus
China (publiziert im Juni 2020) [9] und / oder
Singapur (publiziert am 1. April 2020) [10] ein, die
in dem kritischen Beitrag [8] zitiert werden. Das RKI
hält sich also nicht an die Regeln der evidence-based
medicine, alle zur Verfügung stehenden Daten aus
wissenschaftlichen Untersuchungen in seine
Überlegungen einzubeziehen. Stattdessen beruft sich
das RKI nur auf eine einzige Untersuchung, die eine
aus einer Modellrechnung theoretisch ermittelte und
sehr hohe Rate präsymptomatischer Übertragungen
erzielt hat. Die aus realen Szenarien bei der
Nachverfolgung von Kontakten ermittelten
Übertragungsraten, die sehr viel niedriger liegen,
werden nicht aufgeführt. Dadurch erscheint das Risiko
einer präsymptomatischen, also ‚unbemerkten‘
Übertragung hoch, und genau das war nach Angabe des
RKI der Anlass für die ‚Neubewertung‘ (‚hoher
Anteil‘). Es ist nach den schon seit Jahrzehnten
etablierten Regeln der (in Deutschland sog.)
Evidenz-basierten Medizin nicht nachvollziehbar, dass
das RKI die kritische Stellungnahme [8] und die darin
zitierten, aber schon Monate zuvor publizierten
Artikel aus China [9] und Singapur [10] nicht erwähnt
und damit auch nicht diskutiert hat.
Dasselbe kann man in einem Mitte September 2020
publiziertem (der Bezeichnung nach systematischen)
Review anderer Autoren beobachten, der im
COVID-19-Steckbrief vom RKI zitiert wird [11]. Es
fehlt dort nicht nur relevante Literatur zu der
fraglichen Thematik (so dass es sich de facto nicht um
einen systematischen Review handelt), die über
wesentlich geringere asymptomatische bzw.
präsymptomatische Übertragungen berichtet, sondern es
werden alle Ergebnisse zusammengenommen dargestellt,
ohne nach epidemiologischem Zusammenhang zu
unterscheiden: Es ist aber ein bedeutender
Unterschied, ob eine Erregerübertragung in Familien
stattfindet, wo enger Körperkontakt und
Schleimhautkontakt die Regel ist, oder im öffentlichen
Raum, wo es zu solchen Kontakten unter den Menschen in
aller Regel gerade eben nicht kommt. Wichtig ist es
also bei solchen Untersuchungen, die jeweiligen
Settings getrennt auszuwerten.
Jedenfalls ist es im wissenschaftlichen Diskurs (und
gerade bei systematischen Reviews) inadäquat, wenn
selektiv zitiert wird, denn eine selektive, und damit
mindestens potentiell Interessen-geleitete Auswahl von
Veröffentlichungen gehört nicht zu den heute
etablierten wissenschaftlichen Prinzipien. Somit fehlt
die Grundlage für die ‚Neubewertung‘ des RKI, weil die
‚unbemerkte Übertragung‘ gerade eben nicht durch
wissenschaftliche Daten belegt ist, und das galt
bereits bei Erscheinen des RKI-Beitrags online im
April 2020 [1]. Allerdings wurde zur selben Zeit
international (z.B. CDC) über das Thema diskutiert, so
dass sich das RKI dieser Strömung sicher auch einfach
angeschlossen hat [12].
Dass nämlich infizierte Personen bereits vor Beginn
der Krankheitssymptome potentiell infektiös sind (und
in der Regel dabei sogar mehr Viren ausscheiden als
während der symptomatischen Phase der Erkrankung), ist
seit langer Zeit von anderen Virusinfektionen bekannt,
deren Erreger ebenfalls über das respiratorische
Sekret ausgeschieden werden (z.B. Influenza, Masern).
Dass dies bei einer Infektion mit dem neuen
Coronavirus auch der Fall ist, war deshalb für die
Fachwelt an sich nichts Neues bzw. zu erwarten. Seit
Mitte Februar wurde noch dazu im Hinblick auf das neue
Coronavirus darüber in der internationalen Literatur
berichtet (Zusammenstellung in [13]). Ebenso gilt dies
auch für alle respiratorischen Infektionen, die
asymptomatisch verlaufen (z.B. bei Influenza in ca.
1/3 der Fälle; siehe RKI-Ratgeber), also auch diese
Personen sind für ihre Umgebung potentiell oder
prinzipiell infektiös.
=====
S.28
Das bedeutet aber in der Realität nur, dass es möglich
ist, jedoch nicht, dass diese Personen zwangsläufig
den jeweiligen Erreger auch verbreiten: Über das
Ausmaß der (‚unbemerkten‘) Erregerverbreitung bei
präsymptomatischer oder asymptomatischer
Virusausscheidung gibt es inzwischen weitere Daten,
die zeigen, dass es sich nur um einen geringen Anteil
handelt (siehe unten).
Eine Wissenschaftlerin der WHO, Dr. Maria van
Kerkhove, äußerte sich bei einem Presse-Briefing der
WHO in Genf schon am 08.06.2020 folgendermaßen [14]:
‘From the data we have, it still seems to be rare that
an asymptomatic person actually transmits onward to a
secondary individual’.
Und weiter:
‘We have a number of reports from countries who are
doing very detailed contact tracing. They’re following
asymptomatic cases. They’re following contacts. And
they’re not finding secondary transmission onward.
It’s very rare‘.
Und dabei handelt es sich um solche
Kontakt-Tracing-Studien, wie oben besprochen. Einen
Tag danach folgte eine gewisse Klarstellung derselben
WHO-Mitarbeiterin [15]:
‚The majority of transmission is from people who have
symptoms and are spreading it through infectious
droplets. But there is a subset of people who don’t
develop symptoms. To truly understand how many people
don’t have symptoms, we don’t actually have that
answer yet’.
Selbst wenn also die WHO-Mitarbeiterin ihre klare
Positionierung vom 08.06.2020 am Folgetag etwas
relativiert, aber nicht revidiert hat, blieb es bei
der Aussage der WHO, dass nämlich die meisten
Übertragungen von Menschen ausgehen, die Symptome
haben, und dass nicht klar sei, wie viele
Übertragungen auf Personen zurückgehen, die (noch)
keine Symptome haben.
Insgesamt ist demnach die Virusausscheidung vor Beginn
der klinischen Erkrankung nichts Neues, sondern hätte
auch beim neuen Coronavirus von Anfang an in die
Überlegungen eingeschlossen werden können. Dargestellt
wurde es vom RKI aber implizit, als sei dies
unvorhersehbar gewesen (‚zunehmende Evidenz‘ [1]), und
wurde von den Medien aufgegriffen, wie so vieles
andere, ohne nachzufragen, wie es sich damit
eigentlich bei anderen Virusinfektionen verhält, was
naheliegend gewesen wäre.
Es ist also schon lange bekannt, dass bei zahlreichen
Virusinfektionen (im Übrigen auch bei
Magen-Darminfektionen, z.B. durch Noroviren, bei denen
die Erregerausscheidung über den Darm erfolgt) die
Infektiosität nicht erst mit Auftreten der klinischen
Symptome beginnt, vielmehr können infizierte Personen
schon am Ende der Inkubationszeit Viren ausscheiden
und dies noch dazu in hoher Zahl, wenn sie also noch
gar nicht ahnen, dass sie eine Infektion haben (und
z.B. am nächsten Tag schon krank sein werden). Für
eine zahlenmäßig ‚relevante‘ (so das RKI seit 7.
September, wie auch immer der Begriff gemeint ist)
Rolle der prä- oder asymptomatischen Personen bei der
Übertragung des neuen Coronavirus gibt es jedoch keine
Belege. Dies liegt sehr wahrscheinlich daran, dass bei
infizierten Personen ohne die klinischen Symptome
einer oberen Atemwegsinfektion, also ohne Husten und
Niesen, eine Erregerübertragung vor allem bei engem
Kontakt stattfindet, also insbesondere bei
Schleimhautkontakt, wie bei Paaren und in Familien,
aber eben in der Regel nicht bei den meist sehr kurzen
Begegnungen von Menschen im öffentlichen Raum wie
ebenso nicht in Schulen. Die Theorie der
Aerosol-Übertragung wird in Teil C. vorgestellt und
diskutiert.
=====
S.29
Als wichtiges Beispiel für Übertragungen ausgehend von
asymptomatischen bzw. präsymptomatischen Personen
wurde im Frühjahr der Ausbruch bei der Firma Webasto
bei München angeführt [16]. Die Autoren der – im New
England Journal of Medicine (NEJM; neben The Lancet
eine der beiden weltweit am meisten angesehenen
medizinischen Fachzeitschriften) sehr prominent, wenn
auch nur als ‚Leserbrief‘ (dafür aber schnell, weil
ohne Peer Review) publizierten – Untersuchung gingen
nämlich davon aus, dass die chinesische Mitarbeiterin
(der sog. Index-Fall oder auch Patient 0), die kurz
zuvor aus Shanghai angereist und bereits infiziert
war, während ihres Aufenthalts in Deutschland keine
Symptome hatte. Dies stellte sich allerdings schon
wenige Tage nach Erscheinen der Publikation als
unzutreffend heraus und wurde Anfang Februar von einem
Wissenschaftsjournalisten öffentlich gemacht [17].
Nach dem Gesundheitszustand der chinesischen
Mitarbeiterin hatten die Autoren nämlich nur die
deutschen Mitarbeiter der Firma vor Ort und nicht sie
selbst befragt. Erst das Bayerische Landesamt für
Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und das
RKI nahmen kurz nach Erscheinen der Publikation direkt
mit ihr Kontakt auf. Bei dem Telefon-Gespräch (mit
chinesischem Dolmetscher) stellte sich heraus, dass
die Mitarbeiterin aus China während ihres Aufenthalts
in Deutschland doch bereits (leicht) symptomatisch war
und gleich zu Beginn einmalig ein Schmerz- und
entzündungshemmendes Mittel (Paracetamol) eingenommen
hat [18]. Diese erste Publikation zu dem Fall musste
deshalb um eine genaue Beschreibung ihres
Gesundheitszustandes während des Aufenthaltes in
Deutschland ergänzt werden. Seither gibt es, wenn man
den Artikel beim NEJM aufruft, zusätzlich ein
entsprechendes Supplement. Der Titel des Artikels ist
gleich geblieben und legt damit nach wie vor eine
‚asymptomatische‘ Übertragung nahe. Auch und gerade
mit diesem, also nur scheinbar asymptomatischen Fall
wurde die Maskenpflicht in Deutschland begründet. In
der wenige Monate später publizierten vollständigen
Beschreibung dieses Ausbruchs war dann nicht mehr die
Rede von einem asymptomatischen Kontakt [19].
Im September 2020 ist ein weiterer Artikel
(systematischer Review mit Metaanalyse als Preprint,
im Dezember als endgültige Publikation) über den
Anteil asymptomatischer Fälle an allen Fällen und über
das Ausmaß der asymptomatischen Übertragung erschienen
[20]. Demzufolge waren asymptomatische Übertragungen
sehr selten (zwischen 0% und 2,2%) und symptomatische
Übertragungen zwar häufiger (zwischen 2,8% und 15,4%),
aber in 4 der 5 Studien mit maximal 5,1% auch selten,
waren somit jedenfalls deutlich weniger häufig, als
man es bei symptomatischen Personen vermuten würde.
Das Relative Risiko asymptomatischer Übertragungen war
bei der Auswertung dieser fünf Studien, die über
sekundäre Infektionen bei asymptomatischen und
symptomatischen Personen berichteten, ausgehend von
asymptomatischen Fällen um 42% geringer als bei
Übertragungen ausgehend von symptomatischen Fällen.
Die Autoren schlussfolgern, dass es unwahrscheinlich
ist, dass asymptomatische Übertragungen ein
bedeutender Treiber bei der Entstehung von Clustern
(zeitliche und lokale Häufungen bzw. Ausbrüche) oder
bei der Übertragung der Infektion in der
Öffentlichkeit seien, und deshalb solle die Bedeutung
asymptomatischer Fälle für die Verbreitung der
Infektion mit Vorsicht betrachtet werden. Die Autoren
kritisieren im Übrigen die unklaren Definitionen
asymptomatischer Fälle in den Studien, die sie
ausgewertet haben. Dies könne nämlich dazu führen,
dass asymptomatische Fälle mit gering symptomatischen
Fällen vermischt werden (siehe oben [16]). Würde das
häufig vorkommen, dann wäre die die Häufigkeit echter
asymptomatischer Fälle deutlich geringer und somit
auch ihr Anteil an Übertragungen.
Ende November 2020 wurde eine Untersuchung aus China
publiziert, die über das Ergebnis eines
PCR-Screening-Programms in ganz Wuhan zwischen 14. Mai
und 1. Juni 2020
=====
S.30
berichtet [21]. Dabei wurden fast 10 Millionen (!)
Menschen untersucht. Neue symptomatische Fälle wurden
nicht gefunden, aber 300 asymptomatische Personen.
Unter den engen Kontaktpersonen dieser
asymptomatischen Personen (N = 1.174) fand sich kein
positiver Fall. Es gab also keinen Hinweis auf
asymptomatische Übertragungen, obwohl jeweils nur enge
Kontaktpersonen untersucht wurden.
Ein systematischer Review mit Metaanalyse über
Corona-Übertragungen in Haushalten erschien im
Dezember 2020 und ergab erwartungsgemäß eine höhere
Übertragungsrate ausgehend von symptomatischen
Index-Fällen (18,0%) als ausgehend von
asymptomatischen Fällen, bei denen die
Übertragungsrate sogar nur 0,7% betrug [22]. Dieses
Ergebnis ist deshalb von besonderem Interesse, weil
(allerdings aus unterschiedlichen Gründen) Einigkeit
darüber herrscht, dass das Risiko für respiratorische
Erregerübertragungen in Innenräumen besonders hoch und
außerhalb von Gebäuden, d.h. an der ‚frischen‘ Luft,
zu vernachlässigen ist, aber dennoch war die
asymptomatische Übertragungsrate in Haushalten äußerst
gering, obwohl man dabei auf relativ engem Raum mit
zahlreichen direkten (auch via Haut- und Schleimhaut)
und indirekten Kontakten zusammenlebt und somit einem
Erregerkontakt an sich kaum entgehen kann, wenn ein
Mitglied des Haushalts infiziert ist. Wenn also die
Erregerübertragung ausgehend von asymptomatischen
Personen eine Rolle spielen sollte, müsste sich das
gerade bei engen, d.h. nahen Haut- und
Schleimhaut-Kontakten in Haushalten (= Innenräume)
zeigen. Wie gering dann aber erst das Risiko sein
muss, dass eine Erregerübertragung ausgehend von
asymptomatischen Personen bei den flüchtigen Kontakten
im öffentlichen Raum stattfindet, ist nie untersucht
worden. Dennoch müssen trotz dieser Datenlage
weiterhin knapp 80 Millionen Menschen in Deutschland
bei zahlreichen Gelegenheiten in der Öffentlichkeit,
sogar außerhalb von geschlossenen Räumen (und das wird
selbst von Aerosol-Physikern für sinnlos gehalten;
siehe Teil C.), Masken tragen.
Im Januar 2021 erschien eine weitere mathematische
Schätzung zu der Frage, wie häufig asymptomatische
Personen das neue Coronavirus übertragen [23]. Die
Autoren kommen auf der Basis ihrer Annahmen zu dem
Ergebnis, dass mindestens 50% aller neuen
SARS-CoV-2-Infektionen auf Kontakten mit
asymptomatischen Personen beruhen, also ein Ergebnis
wie häufig in Modellierungsstudien: hohe
Übertragungsraten, aber keine realen
Kontaktauswertungen.
Ein weiterer Review (sog. ‚living systematic review‘,
d.h. zu dem laufend Updates geplant sind) wurde im
September 2020 eingereicht und im Januar 2021
akzeptiert [24]. Das internationale Autoren-Team
wollte ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit
infizierte Personen mit unterschiedlichem
Symptomstatus für Kontaktpersonen infektiös sind, so
dass es zu sekundären Fällen mit Nachweis von
SARS-CoV-2 kommt. Für die Analyse der Rate an
sekundären Fällen ausgehend von asymptomatischen
Personen konnten 10 Studien ausgewertet werden, wobei
sich insgesamt eine Übertragungsrate von 1% ergab. Bei
symptomatischen Fällen lag die Übertragungsrate
insgesamt bei 6% und bei präsymptomatischen Fällen bei
7%. Auch diese Auswertung von Studien aus dem
wirklichen Leben zeigte wieder, dass ausgehend von
asymptomatischen Personen deutlich weniger sekundäre
Fälle entstehen als von symptomatischen bzw.
präsymptomatischen, die aber auch selten mit
sekundären Fällen assoziiert waren. Die meisten
Übertragungen ließen sich darauf zurückführen, dass
die sekundär betroffenen Fälle mit den Index-Fällen
zusammenlebten oder dass die Erregerübertragungen auf
Gruppen-Aktivitäten, wie gemeinsame Mahlzeiten oder
Brettspiele, zurückgingen, allesamt also wieder
Situationen mit direkten Kontakten, mit indirekten
Kontakten oder mit Tröpfchenkontakt (vis-à-vis < 1
– 2 m).
=====
S.31
Die Wahrscheinlichkeit von Übertragungen hängt
vermutlich auch von der Viruskonzentration im
respiratorischen Sekret ab, wie in einer Studie, die
im Frühjahr 2020 in Spanien durchgeführt wurde,
dargelegt wurde [25]: So lag die Übertragungsrate
zwischen 12% bei einer Konzentration von < 106
RNA-Kopien pro mL und 24% bei ≥ 1010 RNA-Kopien pro mL
im respiratorischen Sekret. Die Dauer bis zum
Auftreten der ersten Symptome verkürzte sich
sukzessive mit zunehmender Viruskonzentration: 7 Tage
bei Personen mit initial < 107 RNA-Kopien pro mL, 6
Tage bei Personen mit Konzentrationen zwischen 1 x 107
und 1 x 109 RNA-Kopien pro mL und 5 Tage bei ≥ 1 x 109
RNA-Kopien pro mL. Ein großer Teil (etwa zwei Drittel)
der in die Studie eingeschlossenen Fälle war nicht mit
sekundären Fällen assoziiert. Übertragungsereignisse
gingen signifikant häufiger von Index-Fällen mit hohen
Viruskonzentrationen im respiratorischen Sekret aus.
Ebenso war die Exposition in einem gemeinsamen
Haushalt mit einem höheren Übertragungsrisiko
verbunden, wobei aber keine Assoziation mit dem
Vorhandensein von Husten beim Index-Fall bestand. Die
Autoren schlussfolgern aus den Ergebnissen ihrer
Untersuchung, dass die Viruskonzentration im
respiratorischen Sekret eine größere Rolle spielt als
das Vorhandensein von typischen respiratorischen
Symptomen wie insbesondere Husten. Einen Zusammenhang
mit dem Gebrauch von Masken im Sinne eines reduzierten
Übertragungsrisikos fanden die Autoren nicht (zu dem
gleichen Ergebnis kamen die Autoren einer anderen
Studie [26]). Aufgrund der aufgezeigten Bedeutung der
Viruskonzentration im respiratorischen Sekret schlagen
die Autoren vor, das Übertragungsrisiko ausgehend von
positiv getesteten Personen mit Hilfe der gemessenen
RNA-Konzentrationen in niedriges bis hohes Risiko
einzuteilen.
Unterstützung bekommen sie dafür in einem begleitenden
Kommentar zu ihrem Artikel [27]. Dort wird ausgeführt,
dass das Vorhandensein von niedrigen
RNA-Konzentrationen im respiratorischen Sekret sowohl
für die positiv getestete Person als auch für deren
Kontakte ein Problem darstellt, weil allen diesen
Personen unnötige Quarantäne-Maßnahmen drohen. Hätte
man nicht nur qualitative Testergebnisse, d.h.
‚positiv‘ (= Virus-RNA-Nachweis) oder ‚negativ‘ (=
kein Virus-RNA-Nachweis), sondern quantitative
Ergebnisse (also jeweils die Anzahl der RNA-Kopien pro
mL respiratorisches Sekret der einzelnen positiv
getesteten Personen), könnte man das Risiko von
Übertragungen im Einzelfall einschätzen – und unnötige
Quarantäne-Maßnahmen in zahlreichen Fällen vermeiden.
Die Angabe der Ct-Werte (Cycling threshold: niedrige
Werte = hohe Viruslast in der Ausgangsprobe) wäre,
obwohl damit nur eine semi-quantitative Angabe der
RNA-Kopien pro mL möglich ist, auf jeden Fall besser
als die rein qualitativen Ergebnisse. Da die Ct-Werte
aber auch von den in den verschiedenen Laboren
vorhandenen, aber durchaus unterschiedlichen
PCR-Geräten (Cycler) und noch dazu von den jeweils
verwendeten Testreagenzien abhängen, können zwar die
Ergebnisse aus demselben Labor miteinander verglichen
werden, diese jedoch nicht mit den Ergebnissen anderer
Labore, solange nicht jedes Labor an Hand von externen
Referenzproben mit definierter Konzentration eine
Eichkurve erstellt, wodurch eine Vergleichbarkeit der
eigenen Laborergebnisse mit den Ergebnissen externer
Labore erst möglich wird. Auch die WHO hat in ihrer
Information vom Januar 2021 darauf hingewiesen, dass
zum einen die Ct-Werte im Befund angegeben werden
sollen und dass zum anderen die Testergebnisse immer
im Zusammenhang mit Anamnese und klinischem Befund
gesehen werden müssen [28].
Dass man seit Auftreten des neuen Coronavirus
zunehmend bei klinisch gesunden Personen PCR-Tests
durchführt, widerspricht im Übrigen einer alten Regel
bei der (serologischen) Diagnostik von Infektionen
(Antikörpernachweise), die man schon im Medizinstudium
lernt, wonach man nämlich nicht ‚Titer‘ behandeln
solle, sondern nur Patienten, d.h. man solle eine
Behandlung davon abhängig machen, ob der Patient
Symptome hat, die mit dem Ergebnis
=====
S.32
der Labor-Untersuchung in Einklang zu bringen sind,
denn Laborergebnisse haben nicht selten für den
individuellen Patienten keine Bedeutung. Dieses
Prinzip wurde bei dem neuen Coronavirus verlassen: es
werden Menschen ohne klinische Symptome untersucht und
bei positiver PCR als ‚infiziert‘ erklärt – und u.a.
in Quarantäne geschickt und das noch dazu mit einem
Test, der PCR, mit der man bekanntlich Spuren von
Nukleinsäure in einer Probe nachweisen kann.
Mit einer PCR wird zudem immer nur das genetische
Material des jeweiligen Virus (bei Coronaviren RNA)
nachgewiesen, indem es solange vermehrt (= kopiert)
wird, bis das PCR-Gerät ein positives Ergebnis
anzeigt: aus dem dabei abgelesenen Ct-Wert kann man
auf die Menge des Virus-Materials in der Ausgangsprobe
schließen. Die Beziehung ist dabei umgekehrt
proportional: niedriger Ct-Wert bedeutet viel Virus in
der Ursprungsprobe und umgekehrt.
Ob aber die RNA aus infektionstüchtigen und somit
replikationsfähigen (= vermehrungsfähigen) Viren
stammt, kann mit der PCR nicht ermittelt werden. Um
die potentielle Infektiosität zu belegen, müsste man
versuchen, aus derselben Probe das Virus in einer
Zellkultur anzuzüchten. Das bedeutet dann aber auch
noch nicht, dass das nachgewiesene Virus auch in der
Lage wäre, bei einer prinzipiell empfänglichen Person
eine Infektion zu verursachen (siehe Teil C.). Wenn
man also im Zusammenhang mit einer PCR von z.B.
‚Virusnachweis‘ spricht, ist das an sich nicht
korrekt: es handelt sich um eine Vereinfachung (man
sagt zwar ‚Virus‘, meint aber nur das genetische
Material).
Resümee zur ‚Neubewertung‘ des RKI
Das RKI gab als Grund für die ‚Neubewertung‘ von
Masken für die Bevölkerung im öffentlichen Raum an
[1], dass es ‚zunehmende Evidenz‘ gebe, dass man schon
vor dem Erscheinen der ersten Symptome infektiös sein
könne, also zu einem Zeitpunkt, wo noch keine Hinweise
dafür vorliegen, dass man infiziert ist. Das ist
jedoch schon lange von anderen Virusinfektionen
bekannt und bedeutet in keinem Fall, dass der Erreger
dann auch tatsächlich übertragen wird, sondern nur,
dass eine Übertragung abhängig von zahlreichen anderen
Faktoren möglich ist. Das RKI stützte sich als Beleg
dafür, dass es sich dabei um ein hohes Risiko sog.
unbemerkter Übertragungen handelt, auf mathematische
Schätzungen, die mit ihren Modellen einen sehr hohen
Anteil solcher Übertragungen errechnet haben. Das RKI
hat aber Ergebnisse aus zuvor (also vor Erscheinen des
RKI-Beitrags) publizierten
Kontakt-Tracing-Untersuchungen, aus denen
realistischere Angaben ermittelt wurden, weggelassen.
Das ist mit den Grundsätzen wissenschaftlichen
Arbeitens nicht vereinbar, und damit berücksichtigt
das RKI nicht den für alle Behörden etc. in § 1 (2)
IfSG formulierten Auftrag, ‚entsprechend dem
jeweiligen Stand der medizinischen und
epidemiologischen Wissenschaft …‘ zu arbeiten.
Bedeutung experimenteller Maskenstudien
Seit es Masken gibt, gibt es Untersuchungen über die
Filtereffektivität verschiedener Maskenmaterialien
(sei es für die normalen medizinischen sog. OP-Masken,
auch chirurgische Masken genannt, oder für
FFP-Atemschutzmasken), und jeder Hersteller muss
diverse Prüfkriterien erfüllen, um die diversen Masken
auf den Markt bringen zu können. Darauf soll hier
nicht näher eingegangen werden, denn es geht bei der
in diesem Gutachten zur Diskussion stehenden
Maskenfrage nicht darum, ob Masken an sich von ihrem
Material her prinzipiell wirksam sind, was also ihre
Filtereffektivität für größere und kleinere bis
kleinste Partikel angeht, sondern ob sie in der
gegebenen epidemiologischen Situation, für
=====
S.33
die Ende April 2020 die Maskenpflicht eingeführt wurde
– nämlich für die normale Bevölkerung im sog.
öffentlichen Raum, wozu bald dann auch Schulen zählten
– einen Nutzen haben. Ein solcher Nutzen, z.B. beim
Einkaufen von Lebensmitteln, beim Suchen nach Kleidung
in einem Modegeschäft oder beim Fahren mit dem ÖPNV,
kann nicht von der jeweiligen Filtereffektivität der
verwendeten Masken abgeleitet werden, sondern – auf
der Basis der möglichen Übertragungswege des Erregers
– nur von den konkreten möglichen Kontaktsituationen
zwischen den Menschen, die neben- bzw.
hintereinanderstehen oder entgegenkommend bzw. von
hinten überholend aneinander vorübergehen, auch wenn
der jeweilige Abstand dabei sehr gering ist (bis hin
zum Gedränge).
Das wichtigste Kriterium zur Beurteilung des damit
verbundenen Infektionsrisikos ist, dass diese Kontakte
jeweils kurz sind, auch wenn der Abstand dabei eng
sein kann, was ja in ‚normalen‘ Zeiten immer wieder
vorkommt. Im epidemiologischen Zusammenhang der
Begegnung von einander unbekannten Menschen im
öffentlichen Raum ist somit ein für eine
Erregerübertragung ausreichender Kontakt mit
respiratorischen Infektionserregern fast immer äußerst
unwahrscheinlich. ‚Fast immer‘ bedeutet hier: solange
nicht jemand einer anderen Person auf kurze Distanz
direkt ins Gesicht hustet (was kaum jemand in der
Öffentlichkeit, anders als vielleicht im privaten
Bereich, jemals erlebt haben wird) oder solange man
nicht ein (längeres) Gespräch, also von mindestens 15
min Dauer, führt und dabei nicht mindestens 1 m
Abstand voneinander hält. Diese Zeitdauer (wie sie
auch das RKI angibt) ist aus epidemiologischen Studien
abgeleitet, in denen man bei der Analyse der
Kontaktsituationen erkannt hat, dass es bei
respiratorischen Infektionen auf einen
vis-à-vis-Kontakt zwischen einer infizierten und einer
nicht-infizierten Person ankommt, der aber auch eine
gewisse und nicht allzu kurze Mindestzeit dauern muss,
damit ein Erregerkontakt überhaupt stattfinden kann.
Ein kurzer Kontakt, selbst wenn man beim Vorbeigehen
den Atem des anderen spüren sollte, ist nicht mit
einem realistischen Risiko einer Erregerübertragung
verbunden. Wenn sich aber im öffentlichen Raum ein
Gesprächskontakt von vermutlich längerer Dauer ergeben
sollte, kann man ganz einfach entsprechend Abstand
halten. Eine Maskenpflicht für alle Menschen braucht
man demnach nicht, um solche potentiellen
Erregerkontakte zu verhindern, und alle anderen
Übertragungsrisiken (‚unbemerkte‘ Übertragung und
‚Aerosol‘-Übertragung) sind nicht durch die
erforderlichen wissenschaftlichen Daten belegt und
bleiben somit Hypothesen – ggf. bis zu entsprechenden
Beweisen.
Insofern stellt sich bei der Beurteilung, ob Masken im
öffentlichen Raum ‚wirksam‘ sind, nicht die Frage,
welche Filtereffektivität professionelle oder
Stoffmasken vermutlich haben, abgesehen davon, dass
man ohnehin nie eine auch nur annähernd genaue Aussage
über (auch selbst genähte) Stoffmasken machen können
wird. Auch die Frage, ob man Stoffmasken zum Schutz
der öffentlichen Gesundheit ‚besser‘ machen kann,
stellt sich nicht [29]. Ebenso ist die Frage, welche
Verbesserung mit der Verwendung von medizinischen
Masken (OP- oder FFP2-Maske), die seit Anfang 2021
beim Einkaufen und im ÖPNV Pflicht sind, verbunden
sein soll, völlig offen, denn es kommt bei der
prinzipiellen Wirksamkeit von Masken (ganz gleich
welcher Art) immer darauf an, wie sie verwendet
werden, d.h. ob sie überhaupt korrekt getragen werden
(siehe Teil B.). So, wie die Bevölkerung jedenfalls
seit einem Jahr Masken trägt (ganz gleich, ob neun
Monate lang die – häufig selbstgenähten – Stoffmasken
oder seit Anfang 2021 medizinische Masken), sind
Masken wirkungslos, weil sie nicht dicht am Gesicht
anliegen und keineswegs immer Mund und Nase bedecken,
und wenn noch nicht einmal Erwachsene mit Masken
gleich welcher Art richtig umgehen können, wie sollen
es dann Kinder schaffen. Masken, die nicht ‚korrekt‘
verwendet werden (wie es der
=====
S.34
Präsident des RKI stets fordert), sind aber durch die
häufigen Hand-Gesichtskontakte auch ein potentielles
Kontaminationsrisiko (siehe Teil B.).
Wenn also festgestellt wird, dass Masken ‚wirken‘,
weil das Material prinzipiell Tröpfchen und Partikel
zurückhalten kann, ist das keine Grundlage dafür, eine
konkrete Wirksamkeit dahingehend zu belegen, dass die
Übertragung des neuen Coronavirus dadurch verhindert
oder mindestens reduziert und der ‚Infektionsdruck und
damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in
der Bevölkerung‘ reduziert werden können [1]. Eine
generelle Maskenpflicht lässt sich mit solchen vagen
Aussichten nicht begründen. Dazu bräuchte man Daten
aus entsprechend aussagefähigen epidemiologischen
Untersuchungen.
Die wissenschaftlichen Grundlagen des RKI
Ob das RKI solche Daten hatte oder ob sie ggf. erst
nach der Veröffentlichung des RKI-Beitrags von anderen
Autoren vorgelegt wurden, und welche Daten überhaupt
als Belege genannt werden, wird nun im Folgenden
dargestellt. Diese Ausführungen sind notwendigerweise
umfangreich, weil ein wesentlicher Teil dieser
Veröffentlichungen von Wissenschaftlern und von den
Medien zitiert wird, um zu belegen, dass die
Effektivität von Masken bewiesen sei. Um aber die
Frage beantworten zu können, ob sich diese
Untersuchungen dafür tatsächlich eignen, muss man sie
eingehend betrachten.
1. Studie aus Hongkong
Viel Gewicht hat das RKI in seinem Beitrag [1] einer
Studie aus Hongkong zugemessen, die im Frühjahr 2020
erschien und seither in der SARS-CoV-2-Literatur
international vielfach zitiert wurde [30]. Deshalb
soll sie hier im Detail vorgestellt werden.
Das RKI hat in seinem Beitrag bei der Darstellung der
Unterschiede von medizinischen Masken
(Mund-Nasen-Schutz = MNS) und FFP-Masken auf eine
‚aktuelle‘ Studie hingewiesen, in der gezeigt werden
konnte,
‚dass auch (ein) MNS zu einer relevanten Reduktion der
Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft
führt (…)‘ [1].
Mit ‚aktueller‘ Studie wurde auf die Studie aus
Hongkong verwiesen. Diese Studie wurde jedoch, wie von
den Autoren in ihrem Artikel angegeben, bereits
zwischen 2013 und 2016 durchgeführt wurde, und war
demnach beim Erscheinen des RKI-Beitrags nicht mehr
aktuell: Die Studie wurde nach Auftreten des neuen
Coronavirus lediglich ‚aktuell‘ publiziert, und das
wusste das RKI demnach.
In dieser Untersuchung wurden medizinische Masken
(professionelle OP-Masken) verwendet. Ausgewählt für
die Studie wurden primär 246 Patienten, die wegen
respiratorischer Symptome unterschiedlicher Ursache in
die Ambulanz einer Klinik in Hongkong kamen. Die
Untersuchung konzentrierte sich letztlich aber nur auf
111 Patienten mit Nachweis von Influenzaviren (N =
43), Rhinoviren (N = 54) oder saisonalen humanen
Coronaviren (N = 17), wobei dreimal zwei der Viren
nachgewiesen wurden (sämtlich RNA-Viren). Die
Patienten wurden gebeten, als Probanden an einer
Untersuchung teilzunehmen, in der das Ausmaß der
Freisetzung von (1) respiratorischen Tröpfchen und (2)
Aerosol mit Virus-RNA in der Ausatemluft untersucht
werden sollte. Der RNA-Nachweis erfolgte mittels
RT-PCR (= Real-Time-Polymerase-Chain-Reaction).
=====
S.35
Randomisiert (= zufällig zugeteilt) bekamen die
Probanden bei der ersten Untersuchung entweder eine
OP-Maske (auf deren korrekten Sitz die Studienleiter
achteten) oder keine Maske, um zu ermitteln, inwieweit
die Maske einen Einfluss auf die Freisetzung der
(jeweiligen) Viren habe, die Virusabgabe in die
Umgebung also reduzieren würde. An sich war geplant,
alle Probanden jeweils einmal mit und einmal ohne
Maske zu untersuchen, jedoch lehnten die meisten (80%)
eine zweite Untersuchung aus Zeitgründen ab: für die
Untersuchung wurde nämlich die Ausatmungsluft während
30 (!) Minuten gesammelt. Die dabei gewonnenen
Partikel wurden in die zwei Fraktionen (1) > 5 μm
(= Tröpfchen) und (2) < 5 μm (= Aerosol-Partikel)
unterteilt. Bei den Ergebnissen muss also
berücksichtigt werden, dass in den beiden Gruppen ‚mit
Maske‘ und ‚ohne Maske‘ in den meisten Fällen nicht
dieselben Probanden untersucht wurden, obwohl dies an
sich die Absicht der Untersucher war.
Ein bemerkenswertes Ergebnis der Untersuchung, das
aber vom RKI nicht aufgegriffen wurde, ist folgendes:
Obwohl alle Teilnehmer eine akute Virusinfektion der
oberen Atemwege hatten (mit Konzentrationen von 107-8
RNA-Kopien pro Probe im Nasensekret und von ca. 104
RNA-Kopien pro Probe im Rachensekret), wurden ohne
Maske nur bei 6 von 23 (mit Infektion durch
Influenzaviren), bei 9 von 32 (mit Infektion durch
Rhinoviren) bzw. bei 3 von 10 (mit Infektion durch
Coronaviren) der genommenen Proben Tröpfchen mit
Nachweis der Virus-RNA gefunden. Virus-RNA-haltige
Aerosol-Partikel wurden unter denselben Bedingungen,
d.h. ebenfalls ohne Maske, nur bei 8 von 23
(Influenzaviren), bei 19 von 34 (Rhinoviren) und bei 4
von 10 (Coronaviren) der Proben nachgewiesen.
Sogar ohne Maske brachten also trotz akuter
Virusinfektion der oberen Atemwege (mit hohen
Viruskonzentrationen im Atemwegssekret) nur wenige
Proben überhaupt einen Virus-RNA-Nachweis. Dieses
Ergebnis zeigt, dass – anders als man gemeinhin
annimmt – eine Person mit akuter Virusinfektion der
oberen Atemwege offenbar nicht notwendigerweise eine
hohe Zahl von Viren freisetzt.
Und mit Maske sahen die Ergebnisse folgendermaßen aus:
Ein Virus-RNA-Nachweis in Tröpfchen konnte bei 1 von
27 (mit Infektion durch Influenzaviren), bei 6 von 27
(mit Infektion durch Rhinoviren) bzw. bei 0 von 11
(mit Infektion durch Coronaviren) der genommenen
Proben geführt werden. In Aerosol-Partikeln war ein
Virus-RNA-Nachweis bei 6 von 27 (Influenzaviren), bei
12 von 32 (Rhinoviren) und bei 0 von 11 (Coronaviren)
der Proben möglich.
Das RKI macht in seinem Beitrag aus diesen
Teil-Ergebnissen eine ‚relevante Reduktion‘ der
Ausscheidung ‚von Atemwegsviren über die
Ausscheidungsluft‘ durch Masken [1]. Dabei gibt das
RKI aber nicht an, wie gering die Viruskonzentrationen
in Tröpfchen und Aerosol-Partikeln auch ohne Maske war
(siehe unten). Herausgegriffen wurde vom RKI zudem nur
das Ergebnis bei Probanden, die mit einem der
saisonalen Coronaviren infiziert waren, als ob damit
gezeigt werden könnte, dass Masken bei Coronaviren und
somit auch bei SARS-CoV-2 ‚wirken‘. Bei den Probanden
mit den Influenza- oder Rhinovirusinfektion zeigten
sich kaum Unterschiede in den Gruppen mit bzw. ohne
Maske.
Das RKI hat dabei auch nicht berücksichtigt, dass eine
derartige Wirkung nur erzielt werden kann, wenn Masken
korrekt angelegt sind, worauf von den Studienleitern
bei jedem einzelnen Probanden geachtet wurde. Niemand
aber steht zur Verfügung, um den (darin völlig
ungeübten) Menschen in der Öffentlichkeit zu zeigen,
wie Masken korrekt getragen werden (müssen), damit sie
prinzipiell wirksam sein könnten. Ob sie aber selbst
dann in dem gegebenen epidemiologischen Kontext (z.B.
Einkaufen, ÖPNV, Schulen, Büros) wirksam wären,
müssten entsprechende Untersuchungen zeigen, die es
jedoch nicht gibt.
=====
S.36
Allerdings sind die Ergebnisse auch noch dadurch
besonders, dass in den Proben, in denen überhaupt
Virus-RNA nachgewiesen wurde (sowohl mit als auch ohne
Maske), die RNA-Konzentration in Tröpfchen und in
Aerosol-Partikeln durchweg extrem niedrig war (meist
nur 100, also 1 RNA-Kopie pro Probe und nur vereinzelt
etwas höhere Werte, die es aber auch bei den Proben
mit Maske gab; die Nachweisgrenze lag bei 0,3
RNA-Kopien pro Probe), so dass durch die Maske
lediglich die wenigen höheren Werte (‚Ausreißer‘)
ausgeglichen werden konnten – sehr niedrige Werte also
angesichts der hohen Werte im respiratorischen Sekret.
In Anbetracht der effizienten Sammeltechnik und der
(langen) Sammeldauer von 30 Minuten schlossen die
Autoren aus ihren Ergebnissen, dass wahrscheinlich ein
längerer enger Kontakt erforderlich sei, damit es
überhaupt zu einer Erregerübertragung kommen kann.
Jedoch stellt sich bei der Betrachtung der Ergebnisse
der Studie aus Hongkong die Frage, welche praktische
Relevanz eine Maske eigentlich haben soll: Wenn
nämlich (1) ein Großteil der infizierten Personen auch
ohne Maske keine Virus-RNA freigesetzt hat und wenn
dann (2) noch dazu bei denjenigen mit
Virus-RNA-Freisetzung trotz hoher Viruskonzentrationen
im Nasen-Rachensekret die RNA-Konzentrationen äußerst
gering sind, spricht insgesamt wenig für einen Nutzen
von Masken. Die Autoren stellen jedoch trotz der
eigenen klaren Analyse fest, dass ihre Ergebnisse
nahelegen, dass Masken (als OP-Maske wie in der Studie
verwendet) von kranken Personen verwendet werden
könnten. Sie sprechen aber auch nur von kranken, also
symptomatischen Personen und keineswegs von jedem
Bürger im öffentlichen Raum.
Um diese Frage, also ob die breite Anwendung von
Masken im öffentlichen Raum, wenn auch nur in
bestimmten Situationen, für jeden Bürger sinnvoll
sind, ging es allerdings auch in dieser Studie nicht –
entgegen dem Eindruck, den man beim Lesen des
RKI-Beitrags gewinnen kann [1]. Die Autoren beurteilen
ihre eigenen Ergebnisse durchaus kritisch (das gehört
allerdings zu den üblichen Regeln in
wissenschaftlichen Artikeln, dass also die Autoren
selbst auf Einschränkungen ihrer Untersuchung oder von
deren Aussagekraft hinweisen müssen, denn keine Studie
kann perfekt sein), und zwar, weil bei einem großen
Anteil der Probanden – unabhängig von der Art ihrer
Virusinfektion – auch ohne Maske keine
Virus-RNA-Freisetzung nachgewiesen werden konnte, und
dies trotz der (langen) Messdauer von 30 Minuten. Ein
weiteres Defizit sehen sie darin, dass nur in
Einzelfällen und nur bei Influenzavirus untersucht
wurde, ob die (in niedriger Konzentration)
freigesetzte Virus-RNA aus intakten Viren stammte und
diese für Zellkulturen infektiös waren.
Fazit aus der Hongkong-Studie
Als Grundlage für die Empfehlung von Masken ist die
Studie nicht geeignet, denn:
Geringe Virusfreisetzung. Obwohl genau dafür als Beleg
im Beitrag des RKI zitiert, liefert die Studie keinen
Hinweis darauf, dass das generelle Tragen von Masken
(ob professionelle OP-Masken oder sog.
Community-Masken) im öffentlichen Raum (z.B.
Geschäfte, ÖPNV, Schulen, Büros) das Risiko einer
Infektion für die Personen reduzieren kann, denen man
währenddessen begegnet – dies allerdings mit
Kontaktzeiten, die im Vergleich zu der Messdauer in
der Studie von 30 min in aller Regel deutlich kürzer
sind. Die Studienergebnissen zeigen hingegen, dass das
Risiko, mit ausgeschiedenen Viren anderer Menschen in
Kontakt zu kommen, selbst wenn sie akut infiziert sind
und entsprechende klinische Symptome haben, noch
einmal sehr viel geringer und wahrscheinlich zu
vernachlässigen ist, wenn man nicht direkt angehustet
wird, eine Situation, die die meisten Menschen in der
Öffentlichkeit kaum je wirklich erlebt haben werden,
auch wenn gerade eine
=====
S.37
solche Situation als Risiko und damit als (eine)
Begründung für Masken angeführt wird. Schließlich ist
es nicht nachvollziehbar, dass das RKI ausgehend von
einer Studie, in der gerade einmal maximal 11
Probanden mit Nachweis saisonaler Coronaviren
untersucht wurden und in der die Studienleiter auch
noch den korrekten Sitz der Masken überprüften bzw.
ggf. korrigierten, davon spricht, dass Masken eine
‚relevante Reduktion‘ der Virus-Freisetzung bewirkten.
Erst dadurch wurde dieses wenig aussagefähige
Teilergebnis der Studie zu einer Begründung dafür
erklärt, dass Masken ‚wirken‘. Wie aber das RKI von
einem Ergebnis ausgehend von nur 11 Probanden (noch
dazu mit akuter respiratorischer Infektion) auf eine
ähnliche Wirkung beim Tragen von Masken durch eine
Bevölkerung von knapp 80 Millionen (ohne Symptome)
schließen kann, soll hier nicht hinterfragt werden.
Kurze Kontakte. Bei Begegnungen im öffentlichen Raum
handelt es sich von der Lebenserfahrung her nur in
wenigen Fällen um enge (< 1 m) und längerdauernde
(≥ 15 min) face-to-face-Kontakte, die sich aber (im
Gegensatz zur Patientenversorgung im Krankenhaus) in
aller Regel nicht über 15 min oder mehr erstrecken.
Meist geht man in der Öffentlichkeit nur kurz
aneinander vorüber (z.B. Gang im Supermarkt) oder
steht hintereinander (z.B. Kasse im Supermarkt) oder
nebeneinander (z.B. ÖPNV). Und selbst wenn die Fahrt
mit dem ÖPNV nicht nur wenige Minuten dauert, kann man
sich erfahrungsgemäß nahezu immer so positionieren,
dass man keinen face-to-face-Kontakt mit anderen
Fahrgästen hat, auch wenn es voll sein sollte (zur
Möglichkeit der Erregerübertragung durch
Aerosol-Partikel siehe Teil C.). Abstand bei
Gesprächen zu wahren, z.B. bei Bankgeschäften oder bei
einer Beratung, z.B. in einem Buchladen, ist immer
möglich – und macht Masken überflüssig.
Abstand. Dass der bei der Tröpfchenübertragung
entscheidende face-to-face-Kontakt im Verlauf der
Pandemie irgendwann quasi ‚verloren‘ gegangen ist (zu
Beginn jedenfalls war beim RKI und in den Medien noch
ständig von mindestens 15-minütigem
face-to-face-Kontakt als Voraussetzung für eine
Erregerübertragung die Rede) und durch einen
Rundum-Abstand von mindestens 1,5 m ersetzt wurde (zur
selben Zeit wie die Einführung der Maskenpflicht), ist
ein wichtiger Faktor für die zahlreichen
Missverständnisse und Fehlinterpretationen (siehe
Beweisfrage 4.): Nicht selten reagieren manche
Menschen ängstlich, wenn jemand von irgendeiner Seite
‚zu nahe‘ kommt. Da die Diskussion über die Rolle von
‚Aerosolen‘ erst später aufkam, konnte das RKI diesen
Aspekt, der sich mit dem geforderten 1,5 m-Abstand und
den ‚Alltagsmasken‘ nicht in Einklang bringen lässt,
in seinem Beitrag noch nicht berücksichtigen [1].
2. Einschätzung der WHO von 2019
Als weitere Quelle hat sich das RKI bei seiner
‚Neubewertung‘ auf die WHO (World Health Organisation)
berufen. Deshalb sollen hier nun deren Darstellungen
zu der Frage folgen, welche Rolle Masken bei der
Eindämmung der Pandemie spielen könnten.
Die WHO hatte 2019 in einem Übersichtsbeitrag zu sog.
nicht-pharmazeutischen Maßnahmen (soll heißen: ohne
Medikamente bzw. Impfung) zur Eindämmung von
epidemischer und pandemischer Influenza
nicht-medizinische Masken nur mit Vorbehalt zum Schutz
der Allgemeinbevölkerung bei schweren Epi- und
Pandemien und chirurgische Masken für symptomatische
Personen bei Kontakt mit anderen Menschen empfohlen
[31]. Gleichzeitig hat die WHO aber festgestellt, dass
es dafür keine wissenschaftliche Belege gebe, d.h.
dass man aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage
nicht wisse, ob diese Maßnahme effektiv sei, um
Erregerübertragungen zu reduzieren, vielmehr beruhe
die potentielle Effektivität auf Plausibilität.
=====
S.38
Wenn eine Maßnahme nur plausibel ist, kann daraus
keine wissenschaftlich begründete Wirksamkeit
abgeleitet werden. Als plausibel kann man etwas
bezeichnen, das für die meisten, die darüber
nachdenken, irgendwie einleuchtend und nachvollziehbar
ist – und deshalb könnte eine plausible Maßnahme
vielleicht wirksam sein. Damit würde eine solche
Theorie Anlass geben können, sie in einer
wissenschaftlichen Untersuchung zu überprüfen. Eine
solche Untersuchung ersetzen kann Plausibilität aber
nicht. Das ist auch für wissenschaftliche Laien
nachvollziehbar, sonst könnte man gleich auf jede
wissenschaftliche Untersuchung verzichten, weil vieles
plausibel ist. Zur Verhängung einer Maskenpflicht für
(fast) die gesamte Bevölkerung in Deutschland kann
Plausibilität nicht ausreichend sein.
Inzwischen sind von der WHO zwei Updates publiziert
worden, die später vorgestellt werden (siehe unten).
3. Einschätzung des ECDC
Das ECDC (European Centre for Disease Prevention and
Control) ist die wissenschaftliche Gesundheitsbehörde
der europäischen Union (EU). Die Empfehlungen des ECDC
haben deshalb für die einzelnen europäischen
Nationalstaaten, aber auch über die EU hinaus
international Bedeutung, und natürlich berücksichtigt
das RKI auch die Verlautbarungen des ECDC.
Das ECDC machte im April 2020 zur potentiellen
Effektivität von Masken gegen die Übertragung des
neuen Coronavirus nur vage Angaben [32] und hat sich
u.a. auf die Stellungnahme der WHO von 2019 berufen
[31]. Es gebe, so das ECDC, begrenzte indirekte Belege
dafür, dass nicht-medizinische Masken (aus
verschiedenen Materialien) die Freisetzung
respiratorischer Tröpfchen in die Umgebung beim Husten
reduzieren können, die verfügbare Datenlage lege aber
nahe, dass nicht-medizinische Masken bei der Kontrolle
der Erregerquelle (‚source control‘ = Fremdschutz)
weniger effektiv seien als medizinische Masken.
Das ECDC sagt aber auch, dass man nicht etwa aus der
Tatsache schließen könne, dass in asiatischen Ländern,
in denen das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit
häufig sei, deshalb die Corona-Infektionsraten in
manchen dieser Länder niedriger seien, und zwar, weil
es dort neben dem Gebrauch von Masken zahlreiche
weitere Maßnahmen gebe, die praktiziert werden, um das
Infektionsrisiko zu reduzieren. Beispielsweise sei in
diesen Ländern das Bewusstsein für die sog.
respiratorische Etikette und für die Händehygiene
stärker ausgeprägt als anderswo.
Der Gebrauch von (nicht-medizinischen) Masken in der
Öffentlichkeit könne in erster Linie als Mittel der
‚source control‘ dienen, solle aber nur als eine
zusätzliche Maßnahme in Betracht gezogen werden,
jedoch nicht als Ersatz für die zentralen
Präventionsmaßnahmen, zu denen u.a. sorgfältige
Händehygiene sowie die Vermeidung von eigenen
Hand-Gesichtskontakten (Augen, Nase, Mund) gehörten.
Das ECDC hat in seiner Veröffentlichung zahlreiche
Argumente für bzw. gegen den Gebrauch von Masken
aufgeführt.
Zusammenfassend sagt das ECDC in der Veröffentlichung
vom April 2020, dass bei der Empfehlung für den
Gebrauch von Masken in der Öffentlichkeit die Lücken
der wissenschaftlichen Datenlage und die möglichen
negativen Auswirkungen sorgfältig in Betracht gezogen
werden müssten. Sie sollen nur als ergänzende Maßnahme
erwogen werden, dürften aber nicht dazu führen, dass
die etablierten Maßnahmen insbesondere der
sorgfältigen Händehygiene und der Vermeidung eigener
Hand-Gesichtskontakte (Augen, Nase, Mund)
beeinträchtigt werden. Also auch hier ist keine Rede
von einer
=====
S.39
wissenschaftlichen Grundlage für den Einsatz von
Masken in der Öffentlichkeit und keine klare
Empfehlung für den Einsatz von Masken in der normalen
Bevölkerung.
Im Februar 2021 hat das ECDC ein erstes Update dazu
veröffentlicht und äußert darin die gleiche
Einschätzung wie im Frühjahr 2020 [33]. Schon im
ersten Satz der Schlüsselbotschaften heißt es:
‚The role of face masks in the control and prevention
of COVID-19 remains an issue of debate.‘
Das ECDC sagt weiter in der Zusammenfassung:
1. Die Belege für die Effektivität medizinischer
Masken in der Bevölkerung zur Prävention von COVID-19
seien mit einem kleinen bis mäßigen protektiven Effekt
vereinbar, es gebe aber immer noch bedeutende
Unsicherheiten über die Größe des Effekts.
2. Bezogen auf nicht-medizinische Masken,
Gesichtsvisiere und FFP2-Masken in der Öffentlichkeit
sei die Effektivität spärlich und mit sehr geringer
Sicherheit verbunden. Es seien hochwertige Studien
erforderlich, um die Relevanz des Gebrauchs von
medizinischen Masken in der COVID-19-Pandemie zu
bewerten.
Letztlich empfiehlt das ECDC dennoch in bestimmten
Situationen das Tragen von Masken in der
Öffentlichkeit, z.B.: wenn es Übertragungen in der
Allgemeinheit gibt und in dieser Situation bei
Aufenthalt in geschlossenen öffentlichen Bereichen
oder auch in Haushalten für symptomatische Personen
und dann ebenfalls für die anderen Personen des
Haushalts.
Das ECDC hält aber auch fest, aufgrund der gegebenen
(also: fehlenden) wissenschaftlichen Belege keine
Empfehlung geben zu können, ob in der Öffentlichkeit
eher medizinische oder nicht-medizinische Masken
verwendet werden sollten.
Weiter heißt es beim ECDC, dass die sehr begrenzte
wissenschaftliche Evidenz in Bezug auf die Verwendung
von FFP2-Masken deren verpflichtenden Gebrauch in der
Öffentlichkeit anstelle anderer Maskentypen nicht
unterstütze. Obwohl nicht zu erwarten sei, dass
FFP2-Masken den anderen Maskentypen unterlegen seien,
sollten die Schwierigkeiten, ihren korrekten Sitz und
Gebrauch in der Öffentlichkeit zu erreichen, wie auch
die potentiellen Nachteile durch erschwertes Atmen in
Betracht gezogen werden.
Weiterhin heißt es wie bereits in dem Report vom April
2020, dass Masken die anderen präventiven Maßnahmen
nicht ersetzen dürften: (1) physischer Abstand, (2)
bei Krankheit zu Hause bleiben, (3) Arbeit via
Telekommunikation, falls möglich, (4) respiratorische
Etikette, (5) sorgfältige Händehygiene, (6) Kontakt
der Hände mit dem Gesicht (Augen, Nase, Mund)
vermeiden.
Und schließlich: Der angemessene Gebrauch von Masken
und die Verbesserung der Compliance mit ihrem
Gebrauch, seien, wenn sie als Präventionsmaßnahme für
die öffentliche Gesundheit empfohlen werden, der
Schlüssel für die Effektivität dieser Maßnahme und
können durch Schulungskampagnen verbessert werden.
4. Empfehlungen der CDC
Als weitere Gesundheitsbehörde von internationaler
Bedeutung führt das RKI die US-amerikanischen CDC
(Centers for Disease Control and Prevention) an,
zitiert dazu aber keine Veröffentlichung. Die CDC
äußern sich ähnlich wie WHO und ECDC, berufen sich
aber zum damaligen Zeitpunkt gar nicht erst auf
wissenschaftliche Belege, außer in Bezug auf die
frühzeitige Erregerausscheidung am Ende der
Inkubationszeit [34]: Auch von dieser Seite gab es
also keine wissenschaftliche Unterstützung des RKI bei
seiner Maskenempfehlung.
=====
S.40
Ein wissenschaftliches Update wurde von den CDC im
November 2020 veröffentlicht, jedoch sind sowohl die
darin enthaltenen Informationen als auch die
wissenschaftliche Basis sehr begrenzt, weil es keine
aussagefähigen Daten für die ‚Reale-Welt-Wirksamkeit‘
gibt [35]. Dennoch aber empfehlen die CDC am Schluss
des Beitrags das Tragen von Masken und gehen sogar so
weit festzustellen, dass die Verwendung von Masken in
der Öffentlichkeit künftige Lockdowns verhindern
könne, insbesondere wenn dies mit anderen
nicht-pharmazeutischen Interventionen, wie Abstand,
Händehygiene und adäquatem Lüften, verbunden werde.
Die CDC empfehlen also ein ‚Bündel‘ von Maßnahmen,
ohne dass die einzelnen Maßnahmen des Bündels in ihrer
Effektivität nachvollziehbar belegt sind, wie es neben
den Masken ebenso für Lüften (siehe Teil C.) und
Abstand (siehe Beweisfrage 4) gilt. Die Bedeutung der
Händehygiene ist sehr wahrscheinlich hoch, obwohl man
auch feststellen muss, dass man sich in der
Öffentlichkeit nie häufig genug die Hände waschen
(oder desinfizieren) kann, damit es effektiv, also
protektiv sein kann, weshalb die Vermeidung eigener
Hand-Gesichtskontakte, wenn man unterwegs ist, als
deutlich wichtiger zu betrachten ist als das Waschen
oder Desinfizieren der Hände.
Wie alle anderen internationalen Gesundheitsbehörden
halten auch die CDC an der Masken-Empfehlung fest,
obwohl einerseits die erforderlichen
wissenschaftlichen Daten fehlen und andererseits
Masken von den nicht darin geübten Bürgern nicht
korrekt verwendet werden (können), so dass sie zum
Kontaminationsrisiko werden (siehe Teil B.).
Angesichts dieser erheblichen Einschränkungen wird
dennoch von den CDC nicht einmal ansatzweise eine
Abwägung der Maßnahme mit ihren potentiellen
Nachteilen für alle Menschen und im Besonderen für
Kinder jeden Alters versucht.
5. Aktualisierter Cochrane-Review
Cochrane-Reviews sind aktuelle (oder ggf.
aktualisierte, wenn die Ursprungsarbeit schon früher
erschien) systematische Übersichtsarbeiten (meist mit
Metaanalyse, d.h. einer statistischen Auswertung
verschiedener Studien zum selben Thema) und sind
deshalb für jeden Autor von Bedeutung, wenn es um die
wissenschaftliche Grundlage einer Fragestellung geht.
Somit zieht das RKI für seine Maskenempfehlung auch
den entsprechenden Cochrane-Review heran.
In einem 2020 aktualisierten Cochrane-Review werden
u.a. Studien zur Effektivität von Masken bei der
Reduktion der Verbreitung respiratorischer Viren
ausgewertet [36, 37]. Als Preprint stand dieser Review
dem RKI für seine Veröffentlichung zur Verfügung [36],
die endgültige Publikation erschien erst Ende 2020
[37]. In den darin ausgewerteten Studien ging es
jedoch nicht um das Tragen von Masken in der
Öffentlichkeit, wie es in Deutschland für alle Bürger
in bestimmten Situationen (Geschäfte, ÖPNV, manchmal
sogar auch im Freien) zur Pflicht gemacht wurde.
Vielmehr wurden Untersuchungen in ganz anderen
Settings ausgewertet, und somit ist es irreführend,
wenn es im Text des RKI-Beitrags, in dem es ja
explizit um den Gebrauch von Masken in der
Öffentlichkeit geht, dazu heißt [1]:
‚In einer Aktualisierung ihres Cochrane Reviews aus
dem Jahre 2003 empfehlen die Autoren, basierend auf
Beobachtungsstudien während des SARS-Ausbruchs, den
Einsatz von Masken ebenfalls in Kombination mit
anderen Maßnahmen‘.
Einbezogen wurde in den aktuellen Review von 2020 z.B.
eine Untersuchung bei einem großen religiösen Treffen
in Australien, bei dem überprüft werden sollte, ob das
Tragen von
=====
S.41
Masken (professionelle chirurgische Masken) bei
Teilnehmern mit respiratorischer Infektion die
Erregerübertragung innerhalb solcher
Massenveranstaltungen mit engem Kontakt (z.B.
Aufenthalt in Zelten) zwischen den Teilnehmern
reduzieren könne.
In eine andere Studie wurden von niedergelassenen
Ärzten in Frankreich bei Hausbesuchen Haushalte
aufgenommen, in denen es Influenzafälle gab. Die
erkrankten Personen sollten eine (professionelle
chirurgische) Maske tragen, die restlichen Mitglieder
des Haushalts nicht. Ermittelt werden sollte die Rate
der Übertragungen auf andere Mitglieder des Haushalts.
Ebenso ging es in einer weiteren Studie aus Australien
um den Effekt von Masken in Haushalten mit erkrankten
Mitgliedern. Daneben gab es weitere Studien, in denen
der Effekt von Händehygiene zusammen mit Masken
untersucht wurde, so z.B. bei zwei Untersuchungen in
Studentenwohnheimen, also in einer gewissermaßen
großen Wohngemeinschaft.
Sämtlich waren es also Studien, die nichts – auch
nicht im weiteren Sinne – mit dem Tragen von Masken in
der Öffentlichkeit (Geschäfte, ÖPNV, Schulen etc.) zu
tun haben. Die meisten der im Cochrane-Review
zitierten Studien wurden darüber hinaus bei
medizinischem Personal durchgeführt und spielen
deshalb bei der Frage, ob Masken in der Öffentlichkeit
einen Sinn haben, keine Rolle.
Zusammenfassende Beurteilung der vom RKI zitierten
wissenschaftlichen Grundlage für die Maskenempfehlung
im öffentlichen Raum
Masken nicht evidence-based. Es gibt aus der im
Beitrag des RKI zitierten Fachliteratur keine
wissenschaftlichen Belege dafür, dass Masken (ganz
gleich welcher Art), die von der normalen Bevölkerung
im öffentlichen Raum (Geschäfte, ÖPNV, Schulen etc.)
getragen werden, die Erregerübertragung bei
respiratorischen Infektionen reduzieren können. Ob es
also möglich ist, damit
‚eine nachhaltige Reduktion der
Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der
Bevölkerung und sinkende Neuerkrankungszahlen zu
erreichen‘,
wie es im RKI-Beitrag heißt, ist unbewiesen, und
ebenso fehlen wissenschaftliche Belege dafür, dass der
zusätzliche Gebrauch von Masken in der Bevölkerung
bewirken könnte, dass sich damit ‚mehrere Komponenten
(…) gegenseitig ergänzen‘ [1].
Denn auch das, also das behauptete Zusammenwirken
verschiedener Maßnahmen (in einem sog. ‚Bündel‘), muss
bewiesen sein und kann nicht einfach nur angenommen
oder für plausibel gehalten werden. Die sog.
AHA-Formel wurde erst später (von einer Werbeagentur –
ähnlich wie in Österreich der
‚Baby-Elefanten‘-Abstand) eingeführt.
An sich folgerichtig heißt es im RKI-Beitrag u.a. sehr
zurückhaltend [1]:
‚Eine teilweise Reduktion dieser unbemerkten
Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen
von MNB könnte (Hervorhebung in diesem Gutachten) auf
Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der
Ausbreitung beitragen‘,
eine Formulierung, die im wissenschaftlichen Diskurs
wegen offensichtlich fehlender Belege für die
folgenschwere Masken-Empfehlung des RKI, nicht adäquat
ist.
Unbemerkte Übertragungen. Das RKI führt keine Belege
für die Aussage am Anfang des Beitrags an, dass es
eine zunehmende Evidenz dafür gebe, ‚dass ein hoher
Anteil von Übertragungen unbemerkt erfolgt‘. Man muss
festhalten: Genau diese angebliche Möglichkeit der
unbemerkten Übertragung war der Grund für die
‚Neubewertung‘ von Masken in der Öffentlichkeit durch
das RKI. Schon damals aber gab es keine Belege dafür.
=====
S.42
Normalerweise entwickelt sich die Wissenschaft, und
die daraus abgeleiteten Maßnahmen orientieren sich an
diesen Entwicklungsschritten. Beim Thema der
unbemerkten Übertragung verharrt aber das RKI bei der
vor nahezu einem Jahr festgelegten, aber schon damals
nicht erschöpfenden Darstellung: Die
wissenschaftlichen Grundlagen wurden im Frühjahr 2020
nicht und werden weiterhin nicht einbezogen.
Epidemiologischer Zusammenhang entscheidend. Zwar
führt das RKI in dem Beitrag an, dass
‚Ausbruchsuntersuchungen und Modellierungsstudien‘
(zeigten), dass ‚die rasche Ausbreitung von SARS-CoV-2
auf einem hohen Anteil von Erkrankungen beruhe, die
initial mit nur leichten Symptomen beginnen, ohne die
Erkrankten in ihrer täglichen Aktivität
einzuschränken. Bereits 1 – 3 Tage vor Auftreten der
Symptome kann es zu einer Ausscheidung von hohen
Virusmengen kommen. Eine teilweise Reduktion dieser
unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen
durch das Tragen von MNB könnte (Hervorhebung für
dieses Gutachten) auf Populationsebene zu einer
weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen.‘
[1].
Doch handelt es sich dabei, wie bereits oben erwähnt,
um bekannte Tatsachen, die nichts mit den angeblich
neuen wissenschaftlichen Belegen für die Wirksamkeit
von Masken im öffentlichen Raum zu tun haben.
Außerdem spiegeln Ausbrüche in umschriebenen Settings,
z.B. in Pflegeheimen oder in Unterkünften für
Asylbewerber bzw. für Mitarbeiter in Schlacht- oder
landwirtschaftlichen Betrieben, eine völlig andere
epidemiologische Situation wider als der Aufenthalt
von Menschen im öffentlichen Raum (sie dürften deshalb
auch nicht mit der Gesamtzahl der jeweils positiv
getesteten Personen in die Berechnung der
Inzidenz-Zahlen aufgenommen werden, sondern es dürfte
von jedem Ausbruch immer nur ein Fall, der sog.
Index-Fall, gezählt werden, aber das ist eine andere
Problematik). Modellierungsstudien können, wie
eingangs dargestellt, keine Erkenntnisse über die zu
erwartende Wirklichkeit liefern [38].
Trotz all dieser offensichtlichen Einschränkungen in
der Aussagefähigkeit der angeführten angeblichen
Belege endet der Beitrag des RKI mit der Aussage [1]:
‚In dem System verschiedener Maßnahmen ist
(Hervorhebung für dieses Gutachten) ein
situationsbedingtes generelles Tragen von MNB (oder
MNS, wenn die Produktionskapazität dies erlaubt) in
der Bevölkerung ein weiterer Baustein, um
Übertragungen zu reduzieren‘.
Das RKI wechselt von ‚kann‘ und ‚könnte‘ zu ‚ist‘
oder: vom Möglichen zum Tatsächlichen – mit
erheblicher Auswirkung. Nachdem sich nämlich das RKI
auf den ersten beiden Seiten nur eher vorsichtig zu
den möglichen positiven Auswirkungen geäußert hat
(‚könnte‘, ‚kann‘), spricht es in diesem letzten Satz
mit ‚ist‘ aber so, als ob das Tragen von Masken
tatsächlich, also durch die Ergebnisse
wissenschaftlicher Untersuchungen bestätigt, ein
solcher Baustein wäre, dies allerdings, ohne dass
dafür eine wissenschaftliche Grundlage angeführt würde
(und könnte).
Diese Formulierung am Ende des Beitrags mag für all
die Leser (z.B. Journalisten) gewählt worden sein, die
nur den letzten Satz (oder Absatz) eines Artikels
lesen, weil dort oft ein (leicht lesbares) kurz
gefasstes Resümee gegeben wird. Bei den Lesern hängen
bleibt damit der Eindruck, dass eine positive Wirkung
der Maskenempfehlung für den öffentlichen Raum eine
‚Tatsache‘ darstellt – was jedoch gerade nicht der
Fall ist, wie gezeigt wurde und anhand später
publizierter Fachliteratur noch weiter gezeigt werden
wird. Für die Politik war
=====
S.43
diese Aussage jedoch essentiell, um die Maskenpflicht
verhängen zu können, weil damit das RKI als die
entscheidende wissenschaftliche Behörde Deutschlands
für die Prävention von Infektionen, der zumindest die
Verwaltungsgerichte in aller Regel eine hohe Bedeutung
zumessen, die entscheidende Begründung der
Maskenpflicht geliefert hat.
Fazit
Zum Zeitpunkt der Publikation des RKI wurden weder vom
RKI noch von der WHO (2019) noch von ECDC oder CDC
wissenschaftliche Daten für eine positive Wirkung von
Masken in der Öffentlichkeit (i.S. einer reduzierten
‚Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der
Bevölkerung‘ [1]) vorgelegt, weil es – und dies gilt
auch noch derzeit, also etwa ein Jahr später (siehe
unten) – solche Daten nicht gibt [1, 31 – 35]. Ebenso
stützt auch das Update des Cochrane-Reviews die
Anwendung von Masken im öffentlichen Raum nicht [36,
37]. Dies wurde bereits durch zwei weitere Reviews der
relevanten Literatur vom April 2020 bestätigt [39,
40]. Dasselbe gilt erst recht für die schon vor
mehreren Jahren durchgeführte Studie aus Hongkong
[30].
Weitere Publikationen zur Effektivität von Masken
Erst im Anschluss an die ‚Neubewertung‘ des RKI [1]
erschienen eine Reihe von Veröffentlichungen, die zum
größeren Teil auch in den Medien aufgegriffen wurden.
Sie werden im Folgenden besprochen.
1. Die Einschätzung der WHO von 2020
In der Empfehlung der WHO vom Juni 2020 heißt es zu
Masken in der Öffentlichkeit (wie bereits in einer
vorangegangenen Empfehlung dazu vom April), dass es
keine wissenschaftlichen Daten gebe, dass das Tragen
von Masken (medizinische Masken bis hin zu sog.
Community-Masken) durch (anscheinend) gesunde
Personen, also Menschen ohne Symptome einer oberen
Atemwegsinfektion, im öffentlichen Setting vor
Infektionen mit respiratorischen Viren, incl. solche
durch das Coronavirus, schützen könne [41]. Die WHO
hat sich mit dieser neuen Empfehlung also ein weiteres
Mal nicht für das generelle Tragen von Masken in der
Öffentlichkeit ausgesprochen, auch wenn dies in den
Medien anders interpretiert wurde.
In der Empfehlung vom Juni 2020 geht die WHO
allerdings (neben dem Gebrauch von Masken im
medizinischen Bereich) erstmals ausführlich auf den
Gebrauch von Masken durch die Bevölkerung im
öffentlichen Raum ein und macht dazu differenzierte
Angaben. Danach solle in bestimmten Situationen des
öffentlichen Lebens das Tragen von Masken gefördert
werden – von der WHO also nicht als ‚Vorschrift‘ oder
‚Pflicht‘ gedacht. Wichtig ist aber, dass die WHO
diese Empfehlung nur gibt für Gebiete (z.B.
Landkreise) mit (1) bekannter oder vermuteter
ausgedehnter Übertragung außerhalb von lokalisierbaren
Ausbrüchen, sozusagen viele Infektionen in der Fläche,
nicht an einzelnen Hotspots, und in einer solchen
epidemiologischen Situation (2) bei Gelegenheiten
(z.B. ÖPNV), in denen Abstandhalten schwierig ist.
Dann könne dies eine zusätzliche Maßnahme und Teil
eines umfassenden Vorgehens sein, um die
Coronavirus-Übertragung zu unterdrücken. Die WHO
stellt aber gleichzeitig fest, dass es dafür keine
direkten wissenschaftlichen Belege gebe (also wie in
der früheren Empfehlung von 2019 [31] handelt es sich
lediglich um Plausibilität) und dass neben möglichen
Vorteilen auch Nachteile bedacht werden müssen.
Ein Update der Veröffentlichung vom Juni 2020 erschien
im Dezember 2020 [42]. Es ist jedoch nicht grundlegend
anders als die Guideline vom Juni. Für die
Normalbevölkerung
=====
S.44
werden ausschließlich nicht-medizinische Masken
empfohlen. Medizinische Masken sollen Personen mit
erhöhtem Risiko für schwere Komplikationen verwenden,
wenn ein Abstand von mindestens 1 m nicht eingehalten
werden kann. Wer für Personen sorgt, bei denen der
Verdacht auf COVID-19 besteht oder bei denen die
Infektion festgestellt worden ist, soll eine
medizinische Maske tragen, solange man im selben
Zimmer ist.
Zu Kindern äußert sich die WHO folgendermaßen:
--- Kinder bis 5 Jahre
sollen keine Maske zum Fremdschutz tragen.
--- Bei Kinder zwischen 6
und 11 Jahren soll die Entscheidung am Risiko
festgemacht werden: Fähigkeit des Kindes, die Maske
korrekt zu verwenden und Verfügbarkeit von Erwachsenen
für die Supervision, lokale soziale und kulturelle
Umgebung, spezielle Settings, wie Haushalte mit
älteren Angehörigen oder Schulen
--- Ab dem Alter von 12
Jahren gelten dieselben Grundsätze wie bei Erwachsenen
--- Spezielle
Entscheidungen sind für immunsupprimierte Kinder, für
Kinder mit cystischer Fibrose oder mit gewissen
anderen Erkrankungen (z.B. Karzinom) erforderlich und
ebenso für Kinder jeden Alters mit
Entwicklungsverzögerungen, Behinderungen oder anderen
spezifischen gesundheitlichen Bedingungen, die das
Tragen von Masken behindern.
Die WHO weist wie das ECDC darauf hin, dass der
Gebrauch von Masken allein, auch wenn sie korrekt
verwendet werden, nicht ausreichend ist, um ein
adäquates Schutzniveau für nicht-infizierte Personen
zu gewährleisten oder die Übertragung ausgehend von
einer infizierten Person (Fremdschutz) zu verhindern.
Händehygiene, physischer Abstand von mindestens 1 m,
respiratorische Etikette, adäquate Belüftung von
geschlossenen Räumen, Testen, Kontaktnachverfolgung,
Quarantäne, Isolation und andere
Infektionsschutzmaßnahmen und
Infektionskontrollmaßnahmen seien, ob Masken benutzt
werden oder nicht, entscheidend, um die
Erregerübertragung von Mensch zu Mensch zu verhindern.
Die WHO gibt sehr eine ausführliche Anleitung dafür,
worauf für den korrekten Gebrauch von Masken zu achten
ist:
--- Händehygiene vor
Anlegen der Maske durchführen (keine Angabe, was genau
damit gemeint ist, d.h. Händewaschen oder
Händedesinfektion)
--- Masken auf Schäden
untersuchen und keine beschädigten Masken verwenden
--- Maske sorgfältig
aufsetzen und darauf achten, dass Nase und Mund
vollständig bedeckt sind, den Nasenbügel und die
Bänder so anpassen, dass Lücken zwischen Gesicht und
Maske minimiert werden. Wenn Ohrbänder verwendet
werden, sicherstellen, dass sie sich nicht
überkreuzen, weil dadurch die Lücke zwischen Gesicht
(Wange) und Maske vergrößert wird.
--- Während die Maske
getragen wird, soll vermieden werden, sie zu berühren.
Wenn sie aber aus Versehen berührt wurde, soll
Händehygiene durchgeführt werden
--- Maske mit angemessener
Technik abnehmen, d.h. nicht die Vorderseite berühren,
sondern stattdessen die Bänder von hinten lösen
--- Maske durch eine neue,
trockene Maske ersetzen, sobald sie feucht geworden
ist
--- Entweder die Maske
wegwerfen oder in einen sauberen,
wiederverschließbaren Plastikbeutel legen, wo sie
bleiben kann, bis sie gewaschen und gesäubert wird.
Die Maske nicht an den Bändeln um Arm oder Handgelenk
tragen oder unter das Kinn bzw. in den Nacken schieben
--- Händehygiene
unmittelbar nach Entsorgung der Maske durchführen
--- Masken zum 1x-maligen
Gebrauch nicht wiederverwenden
--- Einweg-Masken nach
jeder Benutzung korrekt entsorgen
=====
S.45
--- Maske nicht beim
Sprechen abnehmen
--- Maske nicht mit anderen
Personen gemeinsam benutzen
--- Stoffmasken
vorzugsweise bei 60°C mindestens einmal pro Tag
waschen. Wenn es nicht möglich ist, die Maske in
heißem Wasser zu waschen, dann die Maske mit Seife in
kaltem Wasser waschen und anschließend für 1 min in
kochendes Wasser geben
Zur wissenschaftlichen Evidenz bezogen auf den
protektiven Effekt von Masken in der Öffentlichkeit
sagt die WHO:
‚At present there is only limited and inconsistent
scientific evidence to support the effectiveness of
masking healthy people in the community to prevent
infection with respiratory viruses, including
SARS-CoV-2‘
[Ref.: Chou R et al., Living Systematic Review, in
diesem Gutachten Nr. 88 – 93].
Trotz der von der WHO angeführten begrenzten und
widersprüchlichen wissenschaftlichen Evidenz für eine
Effektivität von Masken bei gesunden Menschen in der
Öffentlichkeit, wird die Verwendung von Masken in der
Öffentlichkeit zusätzlich zu allen anderen Maßnahmen
(siehe oben) bei bekannter oder vermuteter Übertragung
in der Bevölkerung oder bei Ausbrüchen geraten. Wenn
Entscheidungsträger den Gebrauch von Masken für die
allgemeine Bevölkerung in Betracht ziehen, sollen sie
ihre Entscheidung auf das gegebene Risiko stützen.
1. Innerhalb von geschlossenen Räumen
(Indoor-Settings)
--- Bei schlechter
Belüftung unabhängig vom physischen Abstand; begrenzte
oder keine Öffnung von Fenstern oder Türen für
natürliche Belüftung; das Belüftungssystem
funktioniert nicht richtig oder kann nicht beurteilt
werden
--- Bei adäquater
Belüftung, wenn der physische Abstand von mindestens 1
m nicht eingehalten werden kann
--- In Haushalten, wenn ein
Besucher da ist, der nicht zum Haushalt gehört und
wenn die Belüftung schlecht ist, begrenzte Öffnung von
Fenstern und Türen für eine natürliche Belüftung oder
wenn das Belüftungssystem nicht richtig funktioniert
unabhängig davon, ober der physische Abstand von
mindestens 1 m eingehalten werden kann
--- In Haushalten mit
adäquater Belüftung, wenn der physische Abstand von
mindestens 1 m nicht eingehalten werden kann
2. Außerhalb von geschlossen Räumen (Outdoor-Settings)
--- Wenn der physische
Abstand von mindestens 1 m nicht eingehalten werden
kann
--- Personen mit erhöhtem
Risiko für schwere Komplikationen bei COVID-19 sollen
in jedem Setting, wo der physische Abstand nicht
eingehalten werden kann, eine medizinische Maske
tragen
3. Bei sportlichen Aktivitäten
--- Personen, die Sport
treiben, sollen dabei keine Maske tragen, weil Masken
die Fähigkeit, leicht zu atmen, beeinträchtigen
--- In Innenräumen soll auf
eine gute Lüftung geachtet werden und zusätzlich auf
sorgfältige desinfizierende Reinigung der Umgebung,
insbesondere von Oberflächen mit häufigem Handkontakt.
Die Entscheidungsträger sollen, wenn Masken für die
Bevölkerung im öffentlichen Raum empfohlen werden,
folgende Punkte berücksichtigen:
--- Der Zweck der Maske
soll klar kommuniziert werden, d.h. wo, wann, wie und
welcher Maskentyp getragen werden soll. Es solle
erklärt werden, was mit Masken erreicht
=====
S.46
werden könne und was nicht. Ferner solle klargestellt
werden, dass die Maske nur ein Teil eines
Maßnahmenpaketes sei zusammen mit Händehygiene,
physischer Distanz u.a., die alle notwendig seien und
sich gegenseitig verstärken sollen.
--- Die Menschen sollen
darüber informiert und darin trainiert werden, wann
und wie Masken sicher verwendet, d.h. angelegt,
getragen, abgelegt, gereinigt und entsorgt werden.
--- Die Umsetzbarkeit des
Gebrauchs, Versorgungs- und Nachschubfragen, soziale
und psychologische Akzeptanz (sowohl des Tragens und
des Nicht-Tragens verschiedener Maskentypen unter
unterschiedlichen Bedingungen) sollen berücksichtigt
werden.
--- Es sollen fortlaufend
wissenschaftliche Daten und Evidenz über die
Effektivität des Maskengebrauchs (incl. verschiedener
Maskentypen oder von anderen Gesichtsbedeckungen wie
Tücher) gesammelt werden.
--- Die Auswirkungen
(positiv, neutral oder negativ) des Maskengebrauchs in
der allgemeinen Bevölkerung sollen ausgewertet werden
(incl. Verhaltens- und Sozialwissenschaft).
Potentielle Vorteile von Masken bei gesunden Menschen
in der Öffentlichkeit
--- Freisetzung
respiratorischer Tröpfchen mit infektiösen
Viruspartikeln reduziert, einschließlich von
infizierten Personen, bevor sie Symptome entwickeln
--- Reduziertes Potential
für Stigmatisierung und größere Akzeptanz des
Maskentragens, um die Infektion von anderen Personen
zu verhindern oder bei Personen, die Patienten mit
COVID-19 in nicht-medizinischen Settings versorgen
--- Die Menschen bekommen
das Gefühl vermittelt, dass sie dazu beitragen können,
die Verbreitung des Virus zu stoppen
--- Förderung
gleichlaufender Verhaltensmuster zur Prävention von
Übertragungen, wie Händehygiene und Vermeidung der
Berührung von Augen, Nase und Mund
--- Prävention der
Übertragung anderer respiratorischer Erkrankungen wie
Tuberkulose und Influenza sowie Reduzierung der
Belastung durch diese Krankheiten während der Pandemie
Potentielle Nachteile von Masken bei gesunden Menschen
in der Öffentlichkeit
--- Kopfschmerzen und
Schwierigkeiten beim Atmen abhängig von der Art der
Maske
--- Entwicklung von
Hautläsionen im Gesicht, nicht-allergische
Kontakt-Dermatitis oder Verschlechterung von Akne bei
häufigem Gebrauch für viele Stunden
--- Schwierigkeit, klar
verständlich zu kommunizieren, insbesondere mit
Personen, die taub oder schwerhörig sind oder von den
Lippen ablesen
--- Unbehagen
--- Falsches Gefühl von
Sicherheit, das möglicherweise dazu führt, dass man
sich weniger an andere entscheidende
Präventionsmaßnahmen hält, wie physischer Abstand und
Händehygiene
--- Schlechte Compliance
mit dem Maskentragen, besonders bei jüngeren Kindern
--- Fragen des
Abfallmanagements, ungeeignete Maskenentsorgung, die
zu vermehrtem Abfall in der Öffentlichkeit und zu
Umweltgefährdungen führt
--- Schäden und
Schwierigkeit beim Maskentragen, insbesondere für
Kinder, bei Personen mit Entwicklungsverzögerungen,
mit geistigen Behinderungen, mit kognitiven
Einschrän-kungen, mit Asthma oder chronischen
respiratorischen oder Atemproblemen, bei Personen, die
Verletzungen im Gesicht oder vor kurzem eine
kieferchirurgische OP hatten bei und Personen, die in
heißen und feuchten Klimazonen leben
=====
S.47
Resümee der WHO-Verlautbarungen
Obwohl die WHO auch in der aktuellsten Stellungnahme
vom Dezember 2020 (im Übrigen wie zuvor im Juni 2020)
ausdrücklich feststellt, dass die wissenschaftlichen
Belege, die für eine Effektivität von Masken in der
Öffentlichkeit bei der Prävention respiratorischer
Infektionen (einschließlich durch SARS-CoV-2)
sprechen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur begrenzt und
noch dazu widersprüchlich sind, spricht sie dennoch
eine Empfehlung für Masken in bestimmten
epidemiologischen Situationen für die normale
Bevölkerung aus.
Bei der Masken-Empfehlung der WHO handelt es sich also
nicht um eine wissenschaftlich begründete Empfehlung.
Ob tatsächlich politisches Lobbying dahinter stand,
muss hier nicht diskutiert werden, aber es muss
festgehalten werden, dass die WHO als
wissenschaftliche Gesundheitsbehörde der UNO für die
gesamte Welt ihre Maskenempfehlung gerade nicht auf
einer wissenschaftlichen Basis getroffen hat. Dies
zeigen die Ergebnisse der in diesem Gutachten
ausgewerteten wissenschaftlichen Fachliteratur:
Danach gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür,
dass Masken, die von gesunden Menschen in der
Öffentlichkeit, z.B. beim Einkaufen, im ÖPNV, in Büros
und Schulen, getragen werden müssen, einen
nachvollziehbaren und quantifizierbaren Beitrag dabei
leisten, die Ausbreitung des neuen Coronavirus auch
nur zu reduzieren.
Die möglichen Vorteile, die die WHO im Zusammenhangmit
dem Tragen von Masken anführt, sind deshalb zum einen
die mehr oder weniger evidente (im deutschen Sinne,
also: offensichtliche) Feststellung, dass dadurch die
Verbreitung virushaltiger respiratorischer Tröpfchen
reduziert werden könne. Zum anderen handelt es sich
bei den angeführten potentiellen Vorteilen lediglich
um mögliche Auswirkungen auf psychologischer Ebene.
Die WHO empfiehlt für die Bevölkerung ausschließlich
nicht-medizinische Masken und nach wie vor nur in
besonderen epidemiologischen Situationen und damit
auch nur in umschriebenen Regionen mit hohen
Infektionszahlen in der Fläche sowie lokal bei
Ausbrüchen, ohne aber einen Anhalt für das Ausmaß der
Fallzahlen zu geben, auf jeden Fall aber nicht als
allgemeine (landesweite) Maskenpflicht, wie es
Deutschland seit dem Frühjahr 2020 erlebt. Als
Grundlage für die generelle Maskenpflicht kann die
WHO-Empfehlung deshalb ebenfalls nicht herangezogen
werden.
2. Lancet-Review
Auch der Anfang Juni 2020 erschienene systematische
Review mit Metaanalyse publiziert im angesehenen
Medizinjournal ‚The Lancet‘ liefert keine Hinweise für
eine Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum [43].
Aber gerade diese Publikation wurde und wird weiterhin
als Beleg angeführt, wenn es darum geht, ob Masken in
der Öffentlichkeit wirksam seien. Für eine solche
Aussage gibt es aber in dem Artikel selbst keine
Grundlage.
Dieser sog. ‚urgent Review‘ war die Grundlage für die
WHO-Empfehlung vom Juni 2020 [41] (und wurde im
Übrigen von der WHO in Auftrag gegeben und gefördert).
Darin geht es – neben physischer Distanz und
Augenschutz – zwar auch um Masken, aber nicht um das
Tragen von Masken im öffentlichen Raum zum
Fremdschutz. In den meisten dort behandelten 44
vergleichenden Studien, die in die Metaanalyse
eingeschlossen werden konnten, geht es vielmehr um
SARS bzw. MERS, in 7 davon um COVID-19, aber – und das
ist hier entscheidend (nicht die Erreger) – in keinem
Fall um eine Untersuchung, die Rückschlüsse auf das
Tragen von Masken im öffentlichen Raum aus Gründen des
Fremdschutzes zuließe.
=====
S.48
Wenn man die Zusammenfassung des ‚Lancet-Review‘ liest
und danach die Abbildung 4 mit der Metaanalyse der
Studien anschaut, in denen das Tragen von Masken
ausgewertet wurde, könnte man auf den ersten Blick
sagen: Masken sind in ihrer Wirksamkeit gut belegt.
Wenn man sich aber nur ein bisschen in die Abbildung
vertieft, sieht man, dass fast alle Einzelstudien im
Krankenhaus-Setting durchgeführt wurden und nur drei
im Non-Healthcare-Setting (alle zu SARS-1) [44 – 46],
dies aber auch nicht wie bei der Maskenpflicht in
Deutschland zum Fremdschutz in der Öffentlichkeit,
sondern zum Eigenschutz in der Familie (1 x) [44] oder
beim Verlassen der Wohnung (1 x) [45]. Als protektive
Faktoren wurden in dieser Studie im Übrigen auch der
Besuch von Bauernmärkten und der Besitz von Haustieren
ermittelt, also Faktoren, die man eher als
risikoerhöhend ansehen könnte oder, anders
ausgedrückt, für deren Schutzwirkung es keine
rationale Erklärung gibt. Daraus kann man schließen,
dass sog. Confounder (Störfaktoren) vorhanden waren,
womit nebenbei auch die anderen Ergebnisse der Studie
in Frage gestellt werden. Die dritte Studie [46]
konnte gar keine Wirkung von Masken zeigen, weil 95%
der Teilnehmer angaben, bei Kontakt mit SARS-Patienten
nie eine Maske getragen zu haben. Wie also diese
Studie überhaupt in die Auswertung der
Maskeneffektivität des Lancet-Reviews aufgenommen
werden konnte, ist unklar. An dieser Stelle soll
nochmals betont werden, dass diese drei Studien die
einzigen des Lancet-Reviews waren, in denen es
überhaupt um das Tragen von Masken bei der normalen
Bevölkerung außerhalb von Krankenhäusern ging. Dieser
Review ist also nicht geeignet für eine Aussage über
die Effektivität von Masken für die Menschen im
öffentlichen Raum.
Alle anderen in den Review eingeschlossenen Studien
kommen aus dem Bereich von medizinischen
Einrichtungen. Man kann aber nicht von der
Patientenversorgung im Krankenhaus, wo das Tragen von
Masken für das Personal in bestimmten Situationen aus
Arbeitsschutzgründen bei engem und längerdauerndem
Patientenkontakt (Eigenschutz = kein Kontakt mit Blut
und Körperflüssigkeiten der Patienten unabhängig
davon, ob ein Infektion bei den Patienten bekannt ist
und, wenn ja, welche) seit eh und je empfohlen wird,
auf eine umgekehrte Wirksamkeit (Fremdschutz) von
Masken bei den flüchtigen Begegnungen im öffentlichen
Raum ausgehen. Bei der Patientenversorgung kommt es
nämlich zu ganz anderen potentiellen Erregerkontakten
als bei der Begegnung von Menschen beim z.B.
Einkaufen, im ÖPNV, in Schulen oder unter Kollegen im
Büro. Medizinisches Personal, das Patienten mit
respiratorischen Infektionen oder anderen potentiell
infektiösen Erregern im Nasen-Rachenraum versorgen
muss, hat zum einen dabei einen engen Kontakt (< 1
m), und zum anderen handelt es sich noch dazu um einen
vis-à-vis-Kontakt, also von Angesicht zu Angesicht.
Hinzu kommt als weiteres wichtiges Kriterium, dass
Kontakte bei der Patientenversorgung typischerweise
länger dauern und wiederholt stattfinden, und so wird
seit vielen Jahren und auch vom RKI eine Dauer von
mindestens 15 min eines solchen engen
vis-à-vis-Kontakts als Voraussetzung für eine mögliche
Erregerexposition des Personals angeführt. Eine solche
Dauer kommt im öffentlichen Raum bei den dort üblichen
kurzen Kontakten nicht vor, schon gar nicht als
vis-à-vis-Kontakt. Will man sich mit jemanden, den man
unterwegs trifft, länger unterhalten, kann man ganz
einfach Abstand wahren, und dann kann es zu keinem
Kontakt mit dem respiratorischen Sekret des Gegenüber
kommen. Genauso geschieht es bei der
Patientenversorgung: Muss man den Patienten nicht mit
engem Kontakt versorgen, sondern will nur etwas mit
ihm besprechen, bleibt man etwas entfernt von seinem
Bett stehen, braucht keine Maske anzulegen und kann
mit ihm ganz normal reden, auch wenn er gerade eine
akute respiratorische Virusinfektion hat.
=====
S.49
Die Menschheit hat auch in den saisonalen
Influenza-Zeiten immer so gelebt, und es stellt sich
die Frage, ob nun bei dem neuen Coronavirus alles
anders sein soll und außerdem: ob nur bei nur bei
diesem Virus oder bei allen anderen respiratorischen
Viren. Dieses neue Virus ist aber auch nicht annähernd
vergleichbar mit einem gefährlichen Erreger wie dem
Pocken- oder Ebolavirus, sondern ist nach aktuellen
Untersuchungen vergleichbar mit einer schwerer
verlaufenden Influenza, wie wir sie in den letzten
Jahren mehrfach erlebt haben (z.B. 2016 / 2017 und
2018 / 2019) [47].
Der ‚Lancet-Review‘ trägt zur Wirksamkeit von Masken
als Fremdschutz in der Öffentlichkeit nichts bei
(ebenso wenig als Eigenschutz), denn auch diese
systematische Übersichtsarbeit hat keine
Untersuchungen zu Tage gefördert, die überhaupt
irgendeine oder sogar eine stützende Aussage zum
Tragen von Masken im öffentlichen Raum aus Gründen des
Fremdschutzes erlauben würden – nichtsdestoweniger
wird diese Publikation in den Medien und von
zahlreichen Medizinern dafür aber angeführt. Das mag
auch daran liegen, dass sich die Autoren in der
Zusammenfassung ihrer Ergebnisse und deren
Beurteilung, wenn das überhaupt gelesen und nicht nur
die Abbildung 4 angeschaut wurde, nicht wirklich klar
und eindeutig ausgedrückt haben. So heißt es dort:
‚Although direct evidence is limited, the optimum use
of face masks, in particular N95 or similar
respirators in health-care settings and 12–16-layer
cotton or surgical masks in the community, could
depend on contextual factors; action is needed at all
levels to address the paucity of better evidence’.
Im Klartext ist also das Resümee der Autoren dieses
Review: Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für
eine Wirksamkeit von Masken in der Öffentlichkeit,
ggf. könnte ihr Einsatz vom epidemiologischen
Zusammenhang abhängig gemacht werden, in jedem Falle
aber gibt es einen Mangel an wissenschaftlicher
Evidenz, und dieser Mangel muss deutlich gemacht
werden.
Die WHO schließt den Einsatz von Masken in der
Öffentlichkeit nicht aus (dies gilt ebenso für Kinder
[48]). Genau dies war schon 2019 die prinzipielle
Aussage der WHO. Gleich geblieben ist auch, dass die
WHO explizit sagt, dass es keine wissenschaftlichen
Belege für das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit
gibt. Bleibt also wieder nur Plausibilität (siehe
oben).
3. Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP)
Die DGP kommt in einer Stellungnahme vom Mai 2020 zur
Auswirkung von Masken auf den Eigen- und Fremdschutz
zu einer positiven Bewertung [49]. Die DGP gibt darin
zum einen eine Übersicht über verschiedene
experimentelle Studien zur theoretischen Wirksamkeit
von Masken. Zitiert werden zum anderen einige
Einzelstudien aus dem Cochrane-Review [36]. Wie dazu
oben ausgeführt, sind darin aber Studien, die eine
Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum zum
Fremdschutz zeigen, nicht eingeschlossen, weil es
solche Untersuchungen nicht gibt. Bei allem also
handelt es sich nicht um Szenarien, die auch nur
andeutungsweise mit dem Zusammentreffen von Menschen
im öffentlichen Raum vergleichbar wären. Die DGP zieht
jedoch am Ende den aus wissenschaftlicher Sicht nicht
nachvollziehbaren Schluss, dass
‚nicht-medizinische, aus Stoffen hergestellten Masken
(…) einen Fremdschutzeffekt (haben)‘.
Diese Schlussfolgerung ist jedoch durch keine der in
der DGP-Stellungnahme zitierten Untersuchungen belegt.
=====
S.50
4. Sog. ‚Jena-Studie‘
In einer erstmals Anfang Juni 2020 publizierten
Modellierungsstudie wird über den Effekt der
Maskenpflicht am Beispiel der Stadt Jena sowie anderer
Städte und Regionen in Deutschland berichtet [50]. Im
August 2020 wurde die Studie leicht modifiziert
nochmals publiziert [51] und erschien zum dritten Mal
in der zweiten, bereits modifizierten Fassung im
Dezember 2020 [52]. Die dritte Publikation wurde im
Juli bei der Zeitschrift eingereicht, also nur kurz
nach Erscheinen der ersten (und kurz vor Erscheinen
der zweiten), wurde im November letztlich angenommen
und im Dezember 2020 publiziert. Von den Medien wurde
sie im Dezember wie eine neue Studie vorgestellt, was
sie aber vom Untersuchungsgegenstand her nicht ist.
Die sog. Jena-Studie wird – neben dem ‚Lancet-Review‘
– in den Medien gerne als klarer Beleg für die
Wirksamkeit von Masken angeführt, im Übrigen auch –
tatsächlich – zusammen mit einer Studie an
Goldhamstern (‚Hamster‘-Studie; siehe unten), also
einer tierexperimentellen Arbeit.
Die Autoren der ‚Jena-Studie‘ sind sämtlich
Makroökonomen, die mit derselben Methodik
(‚synthetische Kontrollmethode‘) Untersuchungen im
Auftrag der Politik durchführen, um die Auswirkungen
politischer Entscheidungen (sog. ‚Reformen‘)
mathematisch zu ‚modellieren‘. In der Untersuchung
wurde die Entwicklung der Corona-Fallzahlen nach
Einführung der Maskenpflicht in Jena mit der in
vergleichbaren Städten (= synthetisches Jena) ohne
Maskenpflicht verglichen. Die Autoren kommen zu dem
Schluss, dass die Maskenpflicht zu einer ca. 40%igen
Reduktion der täglichen Zuwachsrate an
Corona-Infektionen geführt habe.
Unberücksichtigt bleibt in der Studie jedoch der
epidemiologisch entscheidende Aspekt, dass bereits ab
dem 1. März 2020 (also etwa 5 Wochen vor der
Einführung einer Maskenpflicht im öffentlichen Raum in
der Stadt Jena) die Ausbreitungsrate des neuen
Coronavirus zurückging und dass am 10. März der R-Wert
– nach Angaben des RKI – schon unter 1 lag [53, 54].
Ab Ende März gab es in Jena keine relevanten
Infektionszahlen mehr. Daraus folgt, dass die
Einführung der Maskenpflicht (ab 6. April zunächst in
Jena, etwa drei Wochen später dann auch im gesamten
Bundesgebiet) in eine Phase der Corona-Epidemie fiel,
in der es schon zu einem kontinuierlichen und
deutlichen Rückgang der Infektionszahlen gekommen war,
eine Entwicklung, die sich anschließend weiter
fortsetzte. Einen Effekt der Maskenpflicht auf den
Rückgang der Infektionszahlen kann man daraus also
nicht ableiten, weil sich beides überlagert, dies aber
in der Modellierungsstudie nicht berücksichtigt wurde.
Besonders wichtig für die Beurteilung der
‚Jena-Studie‘ ist, dass sich das Infektionsgeschehen
in Jena nach den Daten des RKI noch dazu nur auf
wenige Tage im März konzentriert hat und der
überwiegende Teil vor Mitte März stattfand: Es gab (1)
ca. 3 – 5 positive Fälle Ende Februar, (2) zwischen 43
und 53 positive Fälle am Wochenende um den 7. – 9.
März und (3) zwischen 59 und 73 positive Fälle in der
Zeit vom 11. bis 14. März, (4) anschließend eine
deutlich rückläufige Zahl positiver Fälle an jeweils
einzelnen Tagen vor Ende März und (5) nochmals 3 – 5
positive Fälle Ende März. Der jeweils enge zeitliche
Zusammenhang der Ereignisse (2) und (3) deutet darauf
hin, dass es sich dabei um Ausbruchssituationen
gehandelt hat und nicht um eine sukzessive
Infektionsausbreitung ‚in der Fläche‘. Ende März
jedenfalls war das Infektionsgeschehen in Jena schon
so stark abgeklungen, dass man einen Effekt durch die
Maskenpflicht ab dem 6. April nicht mehr erwarten
konnte, weil es kein dadurch prinzipiell
beeinflussbares Infektionsgeschehen mehr gab.
=====
S.51
Außerdem muss berücksichtigt werden, dass das
Meldedatum der Fälle, das in der Studie verwendet
wurde, keine auch nur annähernd sichere Aussage
zulässt über den Zeitpunkt der Infektion, der sich nur
über das Erkrankungsdatum (= Beginn der klinischen
Symptomatik) genau genug festlegen lässt, wie es das
RKI in seinen Modellierungsstudien praktiziert [54].
Gemäß RKI beträgt nämlich die Zeit zwischen Infektion
und Meldedatum 14 – 21 Tage, und dieser Zeitraum setzt
sich zusammen aus: (1) der Inkubationszeit, (2) dem
Zeitverzug, bis der Patient wegen zunehmender Symptome
zum Arzt geht, (3) der Zeit für die Durchführung des
Tests (incl. Transport ins Labor und Auswertung im
Labor), (4) den administrativen Verzögerungen bei der
Meldung der Testergebnisse an das RKI sowie (5) der
Publikation durch das RKI [55]. Die ‚Jena-Studie‘ geht
jedoch nur von einer Verzögerung von etwa 8 Tagen [50]
bzw. etwa 10 Tagen [51, 52] aus.
Mit anderen Worten: Der in dieser Untersuchung der
Maskenpflicht zugeschriebene Effekt beim Rückgang der
Infektionszahlen wird zum einen überlagert vom
deutlichen Rückgang der positiven Tests, der überall
in Deutschland einige Wochen vor Einführung der
Maskenpflicht in Jena und anderswo begonnen hatte. Zum
anderen muss berücksichtigt werden, dass die jeweils
dem RKI gemeldeten Infektionen 14 – 21 Tage zuvor
entstanden sind, die Maskenpflicht also mindestens in
den ersten 2 – 3 Wochen keinen Einfluss auf die
Infektionszahlen gehabt haben könnte.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Beurteilung
eines Effekts der Maskenpflicht ist, dass in den
gemeldeten Infektionszahlen immer auch Infektionen
verborgen sein können, die aus Ausbruchsgeschehen,
z.B. in Heimen, Krankenhäusern oder
Gemeinschaftsunterkünften, stammen. Institutionelle
Ausbrüche werden aber durch eine Maskenpflicht im
öffentlichen Raum nicht beeinflusst, so dass ein
Rückgang der Infektionszahlen in einem Ort bzw. in
einer Region daran liegen kann, dass zuvor
Ausbruchsgeschehen die Zahl der Infektionsfälle erhöht
haben, danach aber die Fallzahlen durch das Fehlen
weiterer Ausbrüche niedriger waren als vor der
Einführung der Maskenpflicht. Genau das scheint auch
in Jena eine wichtige Rolle gespielt zu haben, wenn
man die Ereignisse (2) und (3), wie oben dargestellt,
in Jena betrachtet: Es handelte sich dabei mit hoher
Wahrscheinlichkeit um zeitlich begrenzte Ausbrüche mit
jeweils hohen Zahlen von Personen mit positiven
Testergebnissen. Ausbrüche z.B. in Institutionen wie
Alten-/Pflegeheimen haben jedoch immer individuelle
Ursachen, die im konkreten epidemiologischen Kontext
zu suchen sind, können aber durch eine Maskenpflicht
beim Einkaufen oder bei der Nutzung des ÖPNV nicht
beeinflusst werden. Ohne Berücksichtigung also, aus
welchem epidemiologischen Zusammenhang die aus den
verschiedenen Orten gemeldeten Infektionszahlen
stammen (d.h. ob Ausbrüche darunter waren oder nicht),
bleibt der Effekt von Masken in der Öffentlichkeit auf
das Auftreten von ‚Neuinfektionen‘ (= positive
Testergebnisse) notgedrungen unklar.
Insgesamt bringt auch diese Modellierungsstudie keine
Ergebnisse, die eine Maskenpflicht stützen würden,
weil neben der Einführung der Maskenpflicht die
aufgeführten möglichen Einflussfaktoren
(wahrscheinliche Ausbrüche) insbesondere aus der Zeit
davor unberücksichtigt blieben. Bei diesen
Einschränkungen der Studie kann leicht ein
Zirkelschluss zustande kommen, weil die Autoren als
Ökonomen nicht über medizinisch-epidemiologischen
Sachverstand verfügen und deshalb wichtige potentielle
Einflussfaktoren, wie die Frage von Ausbrüchen und
ihren möglichen Ursachen, nicht in ihre Überlegungen
einbezogen haben.
Es gibt zahlreiche Beispiele aus anderen Ländern, wo,
wie z.B. in Spanien, trotz strengster Maskenpflicht
zwischen Juli und Ende Oktober 2020 die Fallzahlen der
positiv getesteten Personen extrem anstiegen, während
sie in Schweden ohne Maskenpflicht im selben
=====
S.52
Zeitraum deutlich niedriger waren [55]. Dafür gibt es
weitere Beispiele aus anderen Ländern: trotz
Maskenpflicht stiegen die Zahlen der positiven
Testergebnisse stark an [56, 57]. Man kann aber
ähnliches auch für Deutschland aus den Daten des RKI
sehen (Einführung der Maskenpflicht am 28. April)
(z.B. in den täglichen Situationsberichten). Ebenso
sagte der Leiter der österreichischen AGES (Agentur
für Gesundheit), dass weder die Einführung der
Maskenpflicht noch ihre Aufhebung messbare
Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen in Österreich
gehabt haben [58]. In den letzten zwei Monaten des
Jahres 2020 hat auch in Schweden die Zahl der positiv
getesteten Personen deutlich zugenommen, allerdings
nicht in dem Maße wie in Österreich, wo die
Maskenpflicht fast durchgängig seit dem Frühjahr 2020
gilt [58]. Auch bei all diesen empirischen Daten aus
zahlreichen Ländern können Einflussfaktoren unentdeckt
geblieben sein, aber auffällig ist, dass sich in
keinem der Länder ein Effekt der Maskenpflicht auf die
Fallzahlen zeigte.
5. Mathematische Schätzung: Wuhan, New York und
Italien
Hierbei handelt es sich um eine weitere
Modellierungsstudie, die für Wuhan (China),
hauptsächlich aber für Italien und für New York City
zeigen wollte, dass mit Einführung der Maskenpflicht
in der Öffentlichkeit die Zahl der Neuinfektionen
erheblich zurückging [59]. Diese Studie wurde offenbar
rasch wegen mangelnder statistischer Methoden
kritisiert (und die Zeitschrift wurde aufgefordert,
den Artikel zurückzuziehen, was nicht geschah) [60].
Ein kritischer Leserbrief zu dieser Studie wurde von
der Zeitschrift akzeptiert und publiziert [61].
Aus epidemiologischer Sicht gibt es grundlegende
Einwände gegen diese Studie, durch die ihre Ergebnisse
nicht aussagefähig werden, egal, wie gut man sie ggf.
berechnet haben sollte. Wie in der ‚Jena-Studie‘
nämlich, haben auch diese Autoren (ebenfalls keine
Mediziner bzw. Infektionsepidemiologen, sondern
Chemiker, darunter ein Co-Chemie-Nobelpreisträger von
1995, sowie Physiker bzw. Geologen) übersehen, dass
die Auswirkungen einer Maßnahme nicht sofort, sondern
wegen des Intervalls zwischen dem Zeitpunkt der
Infektion und dem Meldedatum frühestens ca. 2 – 3
Wochen danach erkennbar sein könnten.
Die Autoren meinten zudem nicht nur zu zeigen, dass
die Maskenpflicht den größten Effekt von allen
Maßnahmen hatte, sondern sind darüber hinaus davon
überzeugt, dass sie mit ihrer Studie die
‚Aerosol‘-Übertragung des neuen Coronavirus als
dominanten Übertragungsweg belegt haben. Woraus
konkret sie das schließen, führen sie nicht aus,
möglicherweise aber aus der Tatsache, dass Masken
respiratorische Tröpfchen mechanisch aufhalten und
damit verhindern, dass daraus (also aus den kleineren,
die nicht gleich sedimentieren) Aerosol-Partikel
entstehen, die schwebefähig sind und ggf. Viren
enthalten können. Sie behaupten ferner, dass der
aerogene Übertragungsweg der effizienteste sei, weil
Aerosol-Partikel schon beim normalen Einatmen tief in
die Lunge gelangten, und außerdem, dass dieser
Übertragungsweg typischerweise eine niedrige
‚Infektionsdosis‘ benötige. Außerdem hätten
freischwebende Viren eine große Mobilität und eine
ausreichend lange ‚Überlebenszeit‘ für ihre
Verbreitung.
Allerdings sind das zum einen durchweg unbelegte
Annahmen und keine wissenschaftlichen Beweise und
darüber hinaus Annahmen, die nicht mit den
Erkenntnissen vereinbar sind, in welche anatomischen
Regionen das neue Coronavirus gelangen muss: denn es
vermehrt sich in den oberen Atemwegen und
hauptsächlich in der Nasenschleimhaut, aber nicht in
der Lunge [62] (siehe Teil C.). Ferner war bis dahin
nichts über die sog. ‚Infektionsdosis‘ bekannt (also:
mit wie vielen Erregern muss eine prinzipiell
empfängliche Person in Kontakt kommen, damit eine
Infektion entstehen kann), und somit gab es keine
Hinweise dafür, dass eine
=====
S.53
geringe Viruszahl für eine Infektion ausreicht
(inzwischen ist dazu etwas mehr bekannt; siehe Teil
C.). Schließlich gehören Coronaviren als Viren mit
Lipidhülle zu den gegen Umwelteinflüsse
empfindlichsten Viren, alles in allem keine guten
Voraussetzungen, um auch nur eine etwas längere Zeit
infektionstüchtig ungeschützt in der Luft ‚zu
überleben‘ oder – wissenschaftlicher ausgedrückt:
infektionstüchtig und replikativ (= vermehrungsfähig)
zu bleiben. Die Autoren sind Naturwissenschaftler und
haben sich solche Fragen offenbar nicht gestellt bzw.
als Nicht-Mediziner nicht stellen können.
Auch haben die Autoren z.B. nicht dargestellt, wie
u.a. in dem kritischen Leserbrief ausgeführt [61], (1)
aus welchem epidemiologischen Zusammenhang die
Infektionen stammen, d.h. ob sie im privaten Bereich
oder bei der Patientenversorgung erworben wurden und,
wenn Letzteres, ob das Personal ausreichend
Schutzausrüstung zur Verfügung hatte. Und sie haben
(2) ferner nicht berücksichtigt, dass andere Faktoren
außer der Maskenpflicht auch eine Rolle gespielt haben
können (sog. Confounder), und (3) außerdem ebenfalls
nicht, wie die Masken von der Bevölkerung überhaupt
angenommen wurden, denn selbst bei einer Tragepflicht
kann man nicht davon ausgehen, dass alle Menschen sie
auch verwenden und – ebenfalls wichtig – sie auch
richtig tragen.
6. Mathematisch-theoretische Studie
Bei einer weiteren Arbeit handelt es sich um eine Ende
April 2020 publizierte rein mathematisch-theoretische
Modellierungsstudie [63]. Die Autoren (alles
Mathematiker und Statistiker) drücken sich – ähnlich
wie das RKI in [1] – durchweg eher sehr vorsichtig
aus, was die Effektivität von Masken angeht, behaupten
letztlich aber doch, dass Masken zusammen mit anderen
Interventionen (sog. ‚social distancing‘ und
insbesondere Hygienemaßnahmen) bewirken könnten, dass
die Mortalität und die Belastung des Medizinsystems
abnehmen. Masken seien zwar kein ‚Allheilmittel‘, so
die Autoren, könnten aber einen Synergieeffekt
zusammen mit anderen nicht-pharmazeutischen
Interventionen haben. Sie schreiben weiter, dass
Masken allein, wenn sie nicht sehr effektiv sind und
nahezu von allen benutzt werden, nur einen kleinen
Effekt bei schwereren Epidemien hätten, der jedoch
bezogen auf die absolute Zahl der geretteten Leben
dennoch nicht unbedeutend sei. Der relative Nutzen
eines generellen Maskengebrauchs könnte mit anderen
Maßnahmen für die Öffentlichkeit zusammenwirken.
Masken dürften deshalb nicht als Alternative, sondern
als Ergänzung zu anderen Public-Health-Maßnahmen
betrachtet werden. Sie sagen dann weiter, dass ihre
Simulationen zeigten, dass selbst schwach wirksame
Masken, wenn sie breit eingesetzt werden würden, dabei
helfen könnten, viele Todesfälle zu verhindern. Ihre
theoretischen Ergebnisse legten einen signifikanten –
wenn auch potentiell sehr variablen – Wert selbst bei
Verwendung von Masken mit geringer Effektivität nahe,
wenn sie breit verwendet werden.
Gegen Ende der ‚Diskussion‘ stellen sie fest, dass
ihre ‚theoretischen Ergebnisse‘ mit Vorsicht
interpretiert werden müssen wegen einer Kombination
aus potentiell hohen Raten der Non-Compliance mit dem
Gebrauch von Masken, ferner der Unsicherheit in
Hinsicht auf ihre (intrinsische) Effektivität
(besonders bei selbstgenähten Masken), respiratorische
Tröpfchen und / oder Aerosol-Partikel aufzufangen, und
schließlich wegen des, wie sie wirklich schreiben,
sogar überraschenden Ausmaßes an Unsicherheit, was die
grundlegenden Übertragungsmechanismen bei
respiratorischen Infektionen angehe. Dennoch aber
schließen sie ihren Beitrag mit der Aussage, dass –
trotz Unsicherheit – (1) der potentielle Nutzen, (2)
das Fehlen offensichtlicher Schäden sowie (3) das
Vorsorgeprinzip dazu führe, dass sie nachdrücklich
einen möglichst universellen Gebrauch von Masken in
der Öffentlichkeit empfehlen (und zwar Alltagsmasken,
außer wenn
=====
S.54
medizinische Masken verwendet werden könnten, ohne das
Medizinsystem zu beeinträchtigen). Damit stellen die
Autoren überraschende Behauptungen auf: (1) ohne
Belege wird ein potentieller Nutzen von Masken einfach
angenommen, (2) dass Masken quasi nebenwirkungsfrei
seien, gehört zu den weiteren unbewiesenen Annahmen
und schließlich kann (3) das Vorsorgeprinzip nicht als
Begründung für Maßnahmen, die lediglich auf
Plausibilität beruhen, angeführt werden.
Vorsorge bedeutet i.Ggs.z. Nachsorge, dass man
potentielle Gefahren bzw. Risiken nicht nur vor ihrem
Eintreten erkennt und in ihrer Bedeutung bewertet,
sondern auch schon zu diesem Zeitpunkt – trotz ggf.
unvollständigen Wissens – auf potentielle Risiken
reagiert, damit sie entweder gar nicht eintreten oder,
wenn doch, dann aber nur in abgeschwächter Form. Das
sog. Vorsorgeprinzip (precautionary principle) stammt
primär aus der Umweltpolitik und wurde 1992 auf der
UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de
Janeiro folgendermaßen konkretisiert:
‚Angesichts der Gefahr irreversibler Umweltschäden
soll ein Mangel an vollständiger wissenschaftlicher
Gewissheit nicht als Entschuldigung dafür dienen,
Maßnahmen hinauszuzögern, die in sich selbst
gerechtfertigt sind. …‘.
Die Idee hinter dem Vorsorgeprinzip ist also, dass
auch schon dann mit Maßnahmen zum Schutz vor
potentiellen Risiken begonnen werden solle, wenn noch
nicht genau bekannt ist, worauf genau diese Risken
beruhen und ob sie sich überhaupt und, wenn ja, wie
ausgeprägt verwirklichen werden [64, 65]. Ausgedehnt
wurde das Vorsorgeprinzip auch auf die Gesundheits-
und Sicherheitspolitik. Immer geht es dabei um
‚Fragen über individuelles und soziales Entscheiden
unter Bedingungen des Risikos und der Ungewissheit‘
[64].
Ein Handeln nach dem Vorsorgeprinzip erfordert eine
strenge Nutzen-Risiko-Abwägung, damit nicht die
eingesetzten Mittel bzw. Maßnahmen zur Reduktion bzw.
Eliminierung der potentiell drohenden Gefahr zu einer
Belastung der Gesellschaft führen, die möglicherweise
schädlicher ist als die Verwirklichung der
potentiellen Gefahr. Es dürfen also bei einem
Tätigwerden nach dem Vorsorgeprinzip nicht nur die
negativen Folgen des potentiellen Risikos
berücksichtigt werden, sondern es müssen gleichzeitig
und gleichwertig die möglichen negativen Folgen der
zur Anwendung anstehenden Mittel bzw. Maßnahmen in die
Entscheidung einbezogen werden. Dafür muss eine solide
wissenschaftliche Basis geschaffen sein, aufgrund
derer sowohl Nutzen als auch Risiken des einen wie des
anderen Aspekts bewertet werden können, wenn auch
nicht abschließend.
Nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln, erfordert also
einige Vorarbeit mit Beschreibung des potentiellen
Risikos und so viel wissenschaftlicher Basis wie
möglich, um einen Effekt der angestrebten Maßnahmen
auf das drohende Risiko belegen zu können. Plausible
Überlegungen als Begründung für die gewählten
Maßnahmen reichen nicht, wenn man sein Handeln mit dem
Vorsorgeprinzip begründen will. Genau das trifft zu,
wenn man ohne weitere wissenschaftliche Begründung auf
das Vorsorgeprinzip verweist und das Tragen von Masken
als eine Maßnahme deklariert, die vor der Verbreitung
des Coronavirus schützen kann [63].
Ganz so einfach ist es nicht, sonst könnte man mit
Verweis auf das Vorsorgeprinzip jede Maßnahme
durchsetzen. Die Bundesregierung hat plötzlich Anfang
des Jahres 2021 begonnen, die Corona-Maßnahmen wegen
der neuen Virus-Varianten mit dem Vorsorgeprinzip zu
begründen, nachdem in 2020 davon nicht die Rede war.
Allerdings gab
=====
S.55
es von Seiten der Politik keine weiteren Erklärungen
dazu, als spreche der Begriff ‚Vorsorgeprinzip‘ für
sich und mache jede Begründung überflüssig.
Es sieht bei dieser Modellierungsstudie etwas ähnlich
aus wie beim Beitrag des RKI [1]: Am Schluss steht
eine Aussage, die sich mit den Überlegungen der
Autoren zuvor, dass nämlich die Aussagekraft ihrer
theoretischen Ergebnisse für die Realität völlig offen
ist, nicht in Einklang bringen lässt. Liest man nur
den letzten Absatz der Publikation erfährt man nichts
über die differenzierteren Überlegungen der Autoren.
7. ‚Hamster-Studie‘
In einer tierexperimentellen Studie mit Goldhamstern
sollte untersucht werden, inwieweit chirurgische
Masken den Kontakt mit respiratorischen Tröpfchen
reduzieren könnten [66]. Diese Studie wurde von den
Medien offenbar ernsthaft als Beleg für die
Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum aufgefasst
und soll deshalb hier erwähnt werden.
Ohne ins Detail der Methodik zu gehen, ging man
folgendermaßen vor: Die eine Gruppe bestand aus
künstlich mit dem neuen Coronavirus infizierten
Hamstern, die andere Hamstergruppe war ohne Infektion.
Die jeweiligen Käfige standen dicht beieinander und
wurden entweder durch eine Wand aus dem Material
chirurgischer Masken getrennt oder nicht. Mit dem
Maskenmaterial sollte eine infizierte Person mit
chirurgischer Maske simuliert werden. Es gab also
zwischen den Tieren beider Gruppen keinen direkten
oder indirekten Kontakt, so dass eine
Erregerübertragung, sollte sie stattfinden, durch
Tröpfchen respiratorischen Sekrets oder
Aerosol-Partikel zustande gekommen sein musste. Im
Ergebnis kam es bei Verwendung des chirurgischen
Maskenmaterials zu signifikant weniger
Corona-Infektionen bei den exponierten, also den
primär nicht infizierten Tieren, woraus die
Untersucher auf die Effektivität dieses Schutzes
schlossen.
Es stellt sich aber die Frage, ob man aus dem Ergebnis
einer solchen Tier-Studie auf die Effektivität von
(chirurgischen) Masken beim Menschen schließen kann,
noch dazu, wenn sie von Millionen Menschen in der
Öffentlichkeit getragen werden, denn die beiden
Settings sind ja ganz offensichtlich in keiner Weise
miteinander vergleichbar. In der Öffentlichkeit wurden
2020, als die Studie durchgeführt wurde, auch keine
chirurgischen Masken getragen, sondern alles, was man
mochte, bis hin zu irgendeinem Tuch war erlaubt. Zum
anderen hängt die prinzipielle Effektivität von Masken
nicht nur von deren Material ab, sondern maßgeblich
davon, wie sie getragen werden, d.h. wie gut sie
überall am Gesicht anliegen. Im öffentlichen Raum kann
man leicht sehen, dass es sehr unterschiedliche und in
aller Regel keine auch nur annähernd korrekte
Trageweisen gibt. Selbst wenn also unter den
kontrollierten Bedingungen in der Tierstudie ein
deutlicher Effekt beobachtet wird, bedeutet das nicht,
dass man das Ergebnis auf die Bevölkerung übertragen
könnte. Die Autoren selbst kommen jedoch
überraschenderweise zu dieser Schlussfolgerung – und
deshalb haben auch Journalisten in dieser Weise
berichtet, obwohl auch sie erkennen könnten, dass es
sich um sehr unterschiedliche und nicht miteinander
vergleichbare Bedingungen handelt.
8. RKI: ‚Erste wissenschaftliche Hinweisen‘ für den
Fremdschutz
Das RKI nannte zu der Frage nach dem Hintergrund der
‚ersten wissenschaftlichen Hinweise‘ vom 19.07.2020 in
seiner Antwort vom 21.07.2020 zum einen zwei
experimentelle
=====
S.56
Laborstudien (von 2008 und 2013, die also schon
ziemlich lange bekannt sind), in denen die
prinzipielle Fähigkeit von textilen MNB, Tröpfchen
zurückzuhalten, gezeigt wurde, allerdings bei großem
Einfluss auf die Wirksamkeit durch das verwendete
Material [67, 68]. Für Hinweise auf den
‚infektionspräventiven Effekt auf Populationsebene‘
hat das RKI die drei hier besprochenen
Modellierungsstudien angegeben [50 – 52, 59, 63]
(wobei [50 – 52], wie oben ausgeführt, drei
Publikationen zur selben Untersuchung sind).
Mit experimentellen und Modellierungsstudien wollte
also das RKI (zum Zeitpunkt der Anfrage im Juli 2020)
seine damals neue und bis heute in den FAQ vorhandene
Aussage von den ‚ersten wissenschaftlichen Hinweisen‘
für die Wirkung von Masken als Fremdschutz belegen.
Anfang 2021 wurde eine Anfrage aus der Bevölkerung an
das RKI gemäß Informationsfreiheitsgesetz gestellt.
Das RKI wurde darin gebeten, die wissenschaftlichen
Grundlagen (1) für die Aussage, dass von
asymptomatisch mit SARS-CoV-2 infizierten Personen ein
relevanter Anteil von Übertragungen ausgehe, und (2)
für die Maskenpflicht anzugeben. Das RKI antwortete
mit einer Auflistung von insgesamt 8 Zitaten: 2 zur
asymptomatischen Übertragung und 6 zur Effektivität
von Masken. Davon sind die folgenden Literaturangaben
in diesem Gutachten enthalten. (1) Asymptomatische
Übertragung [11, 23] und (2) Masken-Effektivität [29,
43, 71, 75] (eine weitere experimentelle Studie von
Konda A. et al. zur Filtrationsleistung von
Aerosol-Partikeln durch verschiedene Stoffe ist in der
Übersichtsarbeit [29] enthalten). Eine der
Literaturangaben wurde hier nicht behandelt, weil es
sich um eine Untersuchung aus dem Krankenhausbereich
bei medizinischem Personal handelt (Stoffmasken im
Vergleich zu medizinischen Masken). Alle 6 Zitate zur
Effektivität von Masken hat das RKI offensichtlich vom
BfArM aus dessen Stellungnahme zum Umgang mit Masken
herauskopiert (es sind dieselben Zitierfehler
vorhanden, und auch die Reihenfolge der Zitate
entspricht den Angaben des BfArM). Der Beitrag des
BfArM wird in Teil B. behandelt.
Etwas mehr als ein halbes Jahr nach der Anfrage vom
Juli (siehe oben) zur Effektivität von Masken zum
Fremdschutz zeigt das RKI mit seiner aktuellen
Auskunft, dass es keine wissenschaftlichen Belege für
die Effektivität von Masken für gesunde Menschen in
der Öffentlichkeit zum Fremdschutz gibt sowie dass
ebenso keine wissenschaftlichen Belege dafür vorhanden
sind, dass Erregerübertragungen ausgehend von
asymptomatischen Personen einen relevanten Anteil an
der Verbreitung von SARS-CoV-2 haben.
Zusätzliche Publikationen zum Effekt von Masken
Nachdem bis hierhin Publikationen besprochen wurden,
die insbesondere in den Medien, aber auch von
Wissenschaftlern stets genannt wurden, wenn es um die
angeblich gesicherte Wirksamkeit von Masken in der
Öffentlichkeit ging, und die damit also eine relative
Popularität erreicht haben, sollen im Folgenden
weniger bekannte Veröffentlichungen vorgestellt
werden.
Die Publikationen wurden vorwiegend über die
Literaturlisten anderer Publikationen gefunden, so
z.B. auch die aktuellen der internationalen
Gesundheitsbehörden, um die von den jeweiligen Autoren
angeführten als Beleg ihrer Einschätzungen zitierten
Publikationen auf ihre Aussagefähigkeit zu überprüfen.
Sie werden jeweils in der zeitlichen Reihenfolge, wie
sie bei den Zeitschriften eingereicht bzw. publiziert
wurden (je nach Angabe), kurz besprochen.
=====
S.57
a) Publikationen ‚pro Masken‘
Vorgestellt werden insgesamt 17 Publikationen, die
einen positiven Effekt von Masken feststellen, von
denen es sich bei 10 um mathematische Schätzungen
handelt, also um Modellierungs- bzw.
Simulationsstudien (= ‚Wenn-Dann-Ergebnisse‘).
1. Narrative Übersicht (Leserbrief, und deshalb ohne
Peer-Review = Gutachten von Experten aus dem gleichen
Fachgebiet, eingereicht im April 2020) [69]: Es
handelt sich um eine kleine Literaturübersicht, wobei
die meisten der behandelten Studien aus dem
Klinikbereich stammen, wenn es sich überhaupt um
Maskenuntersuchungen und nicht um andere
Fragestellungen oder um allgemeine Verlautbarungen von
internationalen Gesundheitsbehörden ohne Angabe von
Fachliteratur handelt. Letztlich werden Masken von den
Autoren befürwortet, obwohl sie dafür keine
wissenschaftlichen Daten angeführt haben.
2. Mathematische Schätzung (eingereicht im April 2020)
[70]: In dieser mathematischen Modellierungsstudie
sollte die mögliche Effektivität von Masken in
Kombination mit Lockdown-Perioden auf die
Infektionsdynamik des neuen Coronavirus bestimmt
werden. Die Autoren kommen zu folgenden
Schlussfolgerungen: (1) Die Basisreproduktionszahl R0
kann unter 1 gesenkt werden, wenn in der
Öffentlichkeit immer Masken getragen werden, also
nicht nur bei Zeichen einer respiratorischen
Infektion. (2) Werden Lockdown-Perioden mit 100%iger
Maskenverwendung eingeführt, gibt es keine
Infektionsausbreitung mehr, sekundäre und tertiäre
‚Wellen‘ werden ‚geglättet‘. Damit ist die Epidemie
unter Kontrolle. Dieser Effekt ist auch gegeben, wenn
die verwendeten Masken nur zu 50% darin effektiv
seien, das ausgeatmete Virus aufzuhalten (bei einem
gleichen oder geringeren Effekt während der
Inhalation). (3) Auch ohne Lockdown-Perioden haben
Masken-Träger Vorteile, selbst wenn es nur eine
geringere Masken-Akzeptanz gibt. Die Autoren
schlussfolgern insgesamt, dass Masken in Kombination
mit Abstandhalten oder Lockdown-Perioden ein
akzeptabler Weg sein können, die Corona-Pandemie zu
managen und die ökonomischen Aktivitäten wieder zu
öffnen. Eine ‚Schlüssel-Botschaft‘ ihrer Analyse, um
die breite Annahme von Masken zu unterstützen, sei:
‚Meine Maske schützt Dich, Deine Maske schützt mich‘.
3. Mathematische Schätzung (eingereicht im April 2020)
[71]: Der Beitrag wurde zu einer Zeit bei der
Zeitschrift eingereicht, als Masken vielerorts knapp
und noch nicht einmal für medizinisches Personal oder
Personal in Heimen ausreichend vorhanden waren. Die
Autoren wollten einen Beitrag dazu leisten, die
epidemiologische Bedeutung von Masken in der
Öffentlichkeit zu untersuchen. Nach den darin
durchgeführten Berechnungen können Masken sogar bei
einem nur begrenzten Effekt sowohl Infektionen als
auch Todesfälle reduzieren und können den Gipfel der
Epidemie hinauszögern. Sie kommen zu dem Schluss, dass
Masken gerade bei einem Erreger, der häufig
asymptomatisch vorhanden sei, eine effektive
Interventionsstrategie darstelle. Wichtig sei die
optimale Verteilung von Masken, so dass sie überhaupt
zur Verfügung stehen. Offensichtlich sind die Autoren
bei den Berechnungen von unterschiedlicher
Masken-Effektivität ausgegangen, ohne dass klar wird,
auf welche Wirkungsgrade sie sich gestützt haben und
auf welcher Grundlage sie angenommen wurden. Es
handelt sich also um Berechnungen auf theoretischer
Basis.
4. Narrative Übersicht (Version 1 eingereicht im April
2020, bis Ende Dezember 2020 als Version 4 ohne
abgeschlossenes Peer-Review-Verfahren, endgültig
publiziert im Januar 2021 [72]: ‚Narrativ‘ bedeutet,
es wurde für die Auswertung nicht nach allen
Untersuchungen zu dem Thema gesucht. Diese
Publikation, deren Titel die Wirksamkeit von Masken
nahelegt, wird sehr häufig zitiert, ist aber durch die
selektive
=====
S.58
Literaturauswahl kein ‚evidence review‘, wie es im
Titel heißt. Wissenschaftlich fundierte Rückschlüsse
können daraus nicht gezogen werden.
5. Mathematische Schätzung (eingereicht im Mai 2020)
[73]: Die Autoren heben hervor, dass sie einen anderen
Ansatz verfolgen als die meisten Modellierungsstudien,
die sich hauptsächlich auf die Dynamik der Übertragung
des Virus und auf die resultierende Reproduktionszahl
(R0) konzentrierten. Vielmehr wollten sie die
betroffenen Menschen einschließen, indem sie
verschiedene Personengruppen (z.B. empfängliche,
symptomatische, hospitalisierte) betrachten wollten,
um die optimale Kontrolle der Infektion mit
verschiedenen nicht-pharmazeutischen Maßnahmen
darzustellen. Im Ergebnis waren in ihrem Modell die
folgenden Maßnahmen am wirksamsten: zu Hause bleiben,
Hände waschen, frühzeitige Entdeckung von Fällen
(mittels PCR) und Masken. Die Einführung aller
Strategien zur selben Zeit für mindestens 50 Tage
könne die Zahl neuer Fälle stark reduzieren.
6. Narrative Übersicht (eingereicht im Mai 2020) unter
der Rubrik ‚Viewpoint‘ in dem angesehenen
Wissenschaftsmagazin ‚Science‘ [74]: Wiederholt wurde
auf diese Veröffentlichung als ‚Studie‘ mit Beleg für
die Wirksamkeit der Masken verwiesen. Es handelt es
sich dabei aber nicht um eine Studie, sondern um einen
einfachen Meinungsbeitrag. Es ist eine kleine
Übersichtsarbeit (von 2 ½ Druckseiten), in der
vorwiegend Hypothesen auf- sowie einige Fragen
gestellt und nur wenige Studien (darunter eine
tierexperimentelle mit Goldhamstern; siehe oben)
erwähnt, aber nicht und schon gar nicht erschöpfend
diskutiert werden. Ziel dieser Publikation war
offenbar (das ist im wissenschaftlichen Kontext
legitim), einige Frage anzustoßen, aber die Autoren
versuchen nicht, feststehende Antworten zu geben.
Diese Publikation ist also nicht geeignet, eine
Wirksamkeit von Masken in der Öffentlichkeit zu
belegen.
7. Narrative Übersicht (eingereicht im Mai 2020) [75]:
Die (sehr zahlreichen) Autoren haben eine sehr
begrenzte Literaturübersicht angefertigt, die aber
keine Aussage über die Effektivität von Masken in der
Öffentlichkeit zulässt, da zahlreiche experimentelle
Maskenstudien und Maskenuntersuchungen aus dem
Krankenhausbereich darunter waren. Untersuchungen zum
Tragen von Masken in der Öffentlichkeit waren nicht
dabei, aber es gibt solche Untersuchungen auch nicht.
Die Autoren kommen aber dennoch zu dem Schluss, dass
Masken immer dann, wenn Abstand nicht möglich ist,
getragen werden sollen (z.B. im ÖPNV), weil dadurch
sehr wahrscheinlich die Verbreitung virushaltiger
Tröpfchen und damit die Übertragung von SARS-CoV-2
reduziert werden könne. Ferner sagen die Autoren, dass
es unstrittig sei, dass infizierte Personen schon Tage
vor dem Auftreten von Symptomen den Erreger übertragen
können. Das war Mitte Mai 2020, als der Artikel
eingereicht wurde, zwar die vorherrschende Auffassung,
aber auch schon damals ohne wissenschaftliche Belege,
sondern beruhte auf Annahmen und irreführenden
Publikationen [16], wurde aber bereits damals auch
schon in Frage gestellt bzw. korrigiert [17 – 19].
Dieser Artikel leistet keinen Beitrag dazu, die
Effektivität von Masken für gesunde Menschen in der
Öffentlichkeit zu stützen (wird aber von RKI und BfArM
dafür angeführt; siehe oben).
8. Mathematische Schätzung (Leserbrief, d.h. kein
Peer-Review, eingereicht im Juni 2020) [76]:
Eingeschlossen wurden 42 geographische Regionen auf
sechs Kontinenten. Es sollte geprüft werden, ob es
eine Beziehung gibt zwischen dem in einigen,
insbesondere in asiatischen Ländern häufigen Gebrauch
von Masken im Gegensatz zu anderen, z.B. europäischen
Ländern, wo der Gebrauch von Masken in der Frühphase
der Pandemie (vom 21. Januar bis zum 11. März) nicht
etabliert und auch noch nicht vorgeschrieben war. Die
Frage dieser Untersuchung war, ob der frühzeitige
Gebrauch von Masken in der Corona-Pandemie dabei
geholfen haben könnte, die Pandemie einzudämmen. Das
Ergebnis der Autoren war, dass die Zahl der Fälle in
manchen
=====
S.59
asiatischen Ländern (Masken wurden zeitiger
eingesetzt) niedriger war als in anderen Ländern
(späterer Maskengebrauch). Masken seien danach, so die
Autoren, ein unabhängiger Faktor gewesen, um die
Pandemie zu kontrollieren. Sie kommen dennoch aber nur
zu dem Schluss, dass es angemessen sei anzunehmen,
dass der Gebrauch von Masken die Pandemie abschwächen
könne, weil sie die Freisetzung von Aerosol-Partikeln
und Tröpfchen reduzieren könnten. Sie glauben,
schreiben sie, dass ein breiterer Gebrauch von Masken
der Schlüssel zur Kontrolle der Pandemie sei und dies
unabhängig von Händehygiene, sog. social distancing
und anderen Maßnahmen.
9. Mathematische Schätzung (eingereicht im Juli 2020)
[77]: Bei Angestellten in Geschäften mit regelmäßigem
Kundenkontakt wurde der Gebrauch von Masken
untersucht, der Gebrauch von Masken in der
Öffentlichkeit, wie er in Deutschland Pflicht ist, ist
mit diesem Setting jedoch nicht vergleichbar. Die
Ergebnisse können also nicht auf die Fragestellung der
Effektivität von Masken im öffentlichen Raum für
nahezu jeden Bürger übertragen werden. Außerdem sagen
die Autoren selbst, dass ihre Ergebnisse mit großer
Vorsicht interpretiert werden sollen.
10. Mathematische Schätzung (eingereicht im August
2020) [78]: Basis waren US-Staaten mit und ohne
Maskenpflicht zwischen 8. April und 15. Mai 2020. Die
Compliance mit dem Gebrauch von Masken konnte aber
nicht bestimmt werden, wie die Autoren ausführen, so
dass unklar ist, wie oft überhaupt Masken getragen
wurden (und ob sie korrekt getragen wurden, schon gar
nicht). Außerdem wurden nur die 5 Tage vor der
Verhängung der Maskenpflicht als Referenzperiode
genommen, was bei weitem zu wenig für einen
Vorher-Nachher-Vergleich ist, denn es dauert deutlich
länger, bis sich der Effekt einer neuen Maßnahme
zeigen kann (ca. 10 – 14 Tage). Schon deshalb wäre
also die Untersuchung nicht aussagefähig. Die Autoren
schlussfolgern allerdings auch nur, ihre Ergebnisse
legten nahe, dass eine Maskenpflicht in der
Öffentlichkeit dabei helfen könnte, die Verbreitung
von COVID-19 abzumildern, beurteilen also die
Aussagefähigkeit ihrer Untersuchung entsprechend
zurückhaltend.
11. Mathematische Schätzung (eingereicht im August
2020) [79]: Alle Autoren kommen aus der Augenheilkunde
und haben für ihre Untersuchung die
unterschiedlichsten Länder der Welt eingeschlossen und
miteinander verglichen. In die Studie aufgenommen
wurden Länder wie Afrika, Lateinamerika, Asien und
Osteuropa mit sehr unterschiedlichen Infektionsraten,
Bevölkerungsstrukturen und Klimabedingungen. Wirkungen
aber, die auf regionalen geographischen Beobachtungen
und damit verbundenen Besonderheiten (z.B.
klimatischen) basieren, sind für einen Vergleich mit-
bzw. untereinander ungeeignet. Für diese
Modellierungsstudie gelten die entsprechenden
Einschränkungen: Es gibt verschiedene Ursachen für
Anstiege von Fallzahlen (z.B. Ausbrüche), eine
unterschiedliche Compliance mit Masken, was
retrospektiv nicht überprüfbar ist, und andere
Faktoren (sog. Confounder, also Variablen, die sowohl
Einfluss haben auf das Auftreten von Risikofaktoren
als auch auf das Ergebnis einer Beobachtung), die in
einer solchen Studie nicht erkannt werden können.
12. Mathematische Schätzung (eingereicht im September
2020) [80]: Es wurde die Compliance mit dem Tragen von
Masken in 24 Ländern ausgewertet, um den möglichen
Einfluss auf die Fallzahlen zu bestimmen. Die Autoren
sagen selbst in ihrem Resümee, dass es möglich ist,
dass der geschätzte Rückgang der neuen Fälle nicht auf
das Tragen von Masken, sondern auf andere Variablen
zurückgeht, die in dem Modell nicht berücksichtigt
werden konnten. Im Ergebnis schlussfolgern die Autoren
sehr vorsichtig, dass wegen solcher Störfaktoren und
auch wegen der Variationen bei den Maskentypen sowie
bei ihrem Gebrauch randomisierte kontrollierte Studien
über die Anwendung von Masken im öffentlichen Raum
erforderlich seien, um den wahren Effekt des Tragens
von Masken auf die Abschwächung der Übertragung
respiratorischer Erreger zu bestimmen.
=====
S.60
13. Mathematische Schätzung (Preprint, eingereicht im
September bei ‚Science‘) [81]: Nach Angaben der
Autoren sollte mit dieser Untersuchung die Problematik
mit der Verwendung von Annahmen bei komplexen
mathematischen Modellierungen dadurch vermieden
werden, dass einfach nur die Krankheitsfälle,
Klinikeinweisungen und Todesfälle sowie das jeweilige
Datum gegeneinander aufgetragen wurden. Es wurden
jedoch auch hier mögliche andere (Stör-)Faktoren außer
Acht gelassen und nur die politischen Maßnahmen, wie
Schulschließungen etc., einbezogen. Es ist ferner
nicht angegeben, woher die jeweiligen Fallzahlen
stammen, und man erfährt nicht, in welchem
epidemiologischen Zusammenhang die Fälle sich ereignet
haben, also z.B. in der Öffentlichkeit oder in
Krankenhäusern bzw. Pflegeheimen und, wenn Letzteres,
ob die Mitarbeiter dort adäquate Schutzmaßnahmen, wie
Schutzkleidung, bei der typischerweise engen und
langdauernden Versorgung der Patienten zur Verfügung
hatten, oder welcher Anteil der Fälle aus Ausbrüchen
stammt. Ferner gehen die Autoren davon aus, dass das
Virus für die Bevölkerung neu war, was immunologisch
nicht richtig ist, wie man weiß, da mehr als 80% nur
leicht oder gar nicht erkranken, wir also über eine
Hintergrundimmunität verfügen durch den Kontakt mit
ähnlichen Viren bzw. durch unsere natürliche
Immunität. Ein exponentielles Wachstum gab es
nirgendwo, weil sich solche Infektionen immer in Form
einer Gompertz-Kurve ausbreiten (und exponentielles
Wachstum immer ein natürliches Ende hat, sogar z.B.
Bakterienwachstum in einer Nährlösung). Im Übrigen
handelt es sich bei dieser Arbeit um eine der
zahlreichen Vor-Veröffentlichungen (Preprints: Stand
Anfang Januar 2021), also um die bei der Zeitschrift
eingereichten Manuskripte der Autoren, die noch nicht
durch einen sog. Peer-Review gegangen sind, wodurch
sich noch einiges ändern kann, denn die wenigsten
Manuskripte gehen einfach so durch das
Gutachterverfahren und werden ohne, dass die Autoren
Änderungen vornehmen müssen, publiziert.
14. Systematische Übersicht (Zusammenfassung eines
sog. ‚Rapid Review‘ von Autoren des RKI,
veröffentlicht im September 2020 auf den
Internet-Seiten des RKI) [82]: In dieser Arbeit wurden
insgesamt 27 mathematischen Modellierungsstudien
hinsichtlich der Wirksamkeit nicht-pharmazeutischer
Interventionen bei der Kontrolle der COVID-19-Pandemie
ausgewertet.
Diese Arbeit aus dem RKI ist zum einen noch nicht in
einer Fachzeitschrift publiziert, aber auch das
gesamte Manuskript ist noch nicht als Preprint
veröffentlicht, sondern es gibt nur eine
Zusammenfassung davon auf den Internetseiten des RKI.
Zum anderen werden in dieser Übersicht zahlreiche
Arbeiten als Preprints zitiert, die also ihrerseits
ebenfalls noch nicht unabhängig begutachtet in
Fachzeitschriften erschienen sind. Dennoch schreibt
das RKI unter den Link auf der entsprechenden
Internetseite aber Folgendes (zuletzt eingesehen am
03.04.2021):
‚Im Rahmen eines Rapid Review hat das Robert
Koch-Institut (RKI) in Fachzeitschriften
veröffentlichte Studien zur Wirksamkeit von
nicht-pharmazeutischen Interventionen (NPIs) zur
Eindämmung der …‘ (Hervorhebung für dieses Gutachten).
Das RKI gibt damit vor, dass die behandelten
Untersuchungen bereits in Fachzeitschriften
veröffentlicht seien. Dies trifft jedoch von den 6
Zitaten, in denen u.a. die Effektivität von Masken
untersucht wurde, bei 4 Zitaten nicht zu, weil sie
sich (auch) noch im Preprint-Stadium befinden. Bei
dieser vorläufigen Publikation fehlt außerdem die
Zitierung von Arbeiten, die sich kritisch mit den
Corona-Maßnahmen auseinandersetzen. Darüber hinaus
werden darin insgesamt auffällig viele Preprints
zitiert. Das erkennt man jedoch erst, wenn man in die
Literaturliste schaut. Mit solchen noch nicht
begutachteten und damit auch von den Zeitschriften
noch nicht akzeptierten Manuskripten in einer
Literaturübersicht zu arbeiten, ist nicht
unproblematisch, weil sich bis zur endgültigen
=====
S.61
Publikation durchaus wesentliche Aspekte einer Arbeit
ändern können (wenn die Arbeit überhaupt letztlich zur
Publikation angenommen wird).
In den Medien z.B. wurde bereits auf diese bisher
nicht als Gesamt-Manuskript, also nicht im Detail
überprüfbar zur Verfügung stehende Arbeit in der Weise
Bezug genommen, dass die Empfehlungen des RKI zum
einen auf einer umfassenden Auswertung der jeweils
aktuell zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen
Erkenntnisse beruhten und zum anderen deshalb die
Empfehlung zum Tragen von Masken als Schutzmaßnahme
gegen SARS-CoV-2 durchaus evidenzbasiert sei. Diese
Schlussfolgerungen sind auf der Basis des ‚Rapid
Review‘ aus dem RKI aber weder möglich noch
wissenschaftlich zulässig.
15. Mathematische Schätzung (Zusammenfassung, Autoren
aus dem RKI, veröffentlicht im September 2020 auf den
Internet-Seiten des RKI) [83]: Auch in diesem Beitrag
des RKI wurde selektiv zitiert. Er wurde zwar von der
Zeitschrift ‚Lancet Public Health‘, bei der er
eingereicht wurde, noch nicht unabhängig begutachtet,
ist aber wie [82] ebenfalls auf den RKI-Seiten bereits
in einer Zusammenfassung veröffentlicht. Darin sollen
in einer Modellierungsstudie anhand der öffentlich
zugänglichen Datenbanken die Auswirkungen der jeweils
eingesetzten nicht-pharmazeutischen Maßnahmen zur
Eindämmung der Infektion innerhalb der 37
OECD-Mitgliedsstaaten von Januar – Juli 2020
untersucht werden. Die Autoren kommen zu dem Schluss,
dass Beschränkungen von Zusammenkünften und
Versammlungen am wirksamsten sind. Darüber hinaus
könnten das Tragen von Masken, Schul- und
Arbeitsschließungsvorschriften sowie das Testvolumen
die Anzahl der positiven Fälle eindämmen. In der
Literaturliste fehlen allerdings Publikationen, in
denen die Corona-Maßnahmen kritisch und ohne Einfluss
auf das Infektionsgeschehen beurteilt wurden. Auf
Anfrage beim RKI mit der Bitte um Zusendung des
vollständigen Manuskripts wurde mitgeteilt, dass es
zahlreiche ‚Anregungen aus der Fachöffentlichkeit‘ zu
dem Manuskript gegeben habe, weshalb es überarbeitet
und neu eingereicht werde. Es bleibt abzuwarten, ob
die Literaturliste nach der Überarbeitung
vervollständigt sein wird.
Diese beiden RKI-Publikationen von Pozo-Martin et al.
[82, 83] helfen der Bundesregierung, die getroffenen
Corona-Maßnahmen zu rechtfertigen. Vermutlich deshalb
wurden sie bereits als Kurzfassung auf die RKI-Seiten
gestellt, jedoch ohne die vollständigen Manuskripte
ebenfalls zu veröffentlichen. Leser, die nicht
vertraut sind mit den Publikationsregeln, können die
Problematik, die mit solchen als Zusammenfassung noch
dazu unvollständigen Vor-Veröffentlichungen verbunden
sind, nicht erkennen (so z.B. Journalisten, die sie so
behandeln, als handele es sich um abgeschlossene
Publikationen).
16. Mathematische Schätzung (Preprint, eingereicht im
Oktober 2020) [84]: Alle Autoren stammen aus der
Ökonomie. Untersuchungsgegenstand dieser
mathematischen Schätzung war zum einen der Effekt der
Innenraum-Maskenpflicht in Ontario, der
bevölkerungsreichsten Provinz Kanadas, zwischen März
und Mitte August 2020. Dort wurde die Maskenpflicht in
den insgesamt 34 Regionen über etwa zwei Monate
gestaffelt eingeführt, so dass die Regionen mit
früherer Maskenpflicht mit denen verglichen werden
konnten, bei denen die Maskenpflicht später kam. In
einem zweiten Ansatz wurden für alle 10 Provinzen
Kanadas die Auswirkungen aller nicht-pharmazeutischen
Interventionen (NPI) incl. Masken berechnet. Dabei
wurden die Unterschiede zwischen den Provinzen sowohl
in Bezug auf die Maskenwirksamkeit als auch auf die
Wirksamkeit der anderen NPI analysiert. Die Schätzung
der Unterschiede zwischen den Regionen mit bzw. (noch)
ohne Masken in der Provinz Ontario ergab (schon) zwei
Wochen nach Einführung der Maskenpflicht eine
Reduktion der wöchentlichen neuen positiven
=====
S.62
Coronafälle um 25 – 30%. Auf der Ebene der aller
Provinzen wurde dieses Ergebnis bestätigt und lag mit
36 – 46% sogar noch höher. Dieser zeitliche Abstand
zur Anordnung der Maskenpflicht ist sehr eng, denn
nach etwa zwei Wochen beginnen sich erst die ersten
Effekte einer Maßnahme zu zeigen, wenn es sie denn
geben sollte. Offenbar aber gab es in der Zeit danach
keine weitere Reduktion der positiven Fälle, sonst
hätten die Autoren darüber berichtet, und dadurch wird
das Ergebnis aus epidemiologischer Sicht noch
fragwürdiger. Wie üblich in mathematischen
Modellierungsstudien konnten auch hier – notgedrungen
– mögliche andere (Stör-)Faktoren nicht einbezogen
werden, sondern nur die politischen Maßnahmen, also in
diesem Fall die Maskenpflicht.
17. Narrative Übersicht (erstmals eingereicht im
Oktober, überarbeitete Fassung vom November,
publiziert im Dezember 2020) [85]: Es ist eine
Übersichtsarbeit, die vorwiegend neuere (und nicht
etwa alle) Publikationen zu Masken betrachtet. Deshalb
bezeichnen die Autoren die Arbeit als ‚narrativen
Update‘. Es ist ein Text, der eine Behauptung an die
andere reiht und auch keine neuen Arbeiten aufbieten
kann, weil es keine entsprechenden Untersuchungen
gibt.
b) Publikationen ‚contra Masken‘
Im Folgenden werden 7 Publikationen vorgestellt, die
keinen positiven Effekt von Masken in der
Öffentlichkeit nachgewiesen haben, auch wenn sie
teilweise im Ergebnis die Anwendung von Masken
empfehlen (wiederum in der zeitlichen Reihenfolge, wie
sie – je nach den Angaben in der Publikation –
eingereicht bzw. publiziert wurden).
1. Systematische Übersicht (eingereicht im Mai 2020)
[86]: Ausgewertet wurden 9 randomisierte kontrollierte
Studien, durchgeführt außerhalb von medizinischen
Einrichtungen (Haushalte, Studentenwohnheime). Eine
Wirksamkeit von Masken als alleinige Maßnahme zur
Prävention von Influenza-ähnlichen Erkrankungen
(Influenza-like illness = ILI) fand sich nicht. In 6
dieser Studien wurden jeweils 3 Gruppen verglichen:
(1) Händehygiene allein, (2) Masken und Händehygiene
und (3) keine Maßnahme. Es fand sich eine signifikante
Reduktion von ILI nur beim Gebrauch von Masken
zusammen mit Händehygiene, aber nicht mit Masken
allein. Die Autoren stellen aber fest, dass der genaue
Schutz von Masken über andere Maßnahmen hinaus, wie
Händehygiene, unklar bleibt.
2. Systematische Übersicht mit Metaanalyse (2019 von
der WHO in Auftrag gegeben und gefördert, publiziert
im Mai 2020) [87]: Die Arbeit sollte zur Vorbereitung
auf die Erarbeitung einer Guideline zur Anwendung sog.
nicht-pharmazeutischer Interventionen in der
allgemeinen Bevölkerung bei pandemischer Influenza
dienen. Darin wurden 10 randomisierte kontrollierte
Studien zu Masken ausgewertet, um deren Effekt auf die
Übertragung von laborbestätigten Influenzainfektionen
zu ermitteln. Es ergaben sich keine Belege für eine
Wirksamkeit von Masken bei der Reduktion von
Influenzaübertragungen und zwar weder, wenn sie von
infizierten Personen zum Schutz von Kontaktpersonen
getragen wurden (Fremdschutz), noch wenn sie
nicht-infizierte Personen zu ihrem eigenen Schutz
verwendeten. Die Autoren stellen auch fest, dass der
korrekte Gebrauch von Masken essentiell sei, weil
anderenfalls das Übertragungsrisiko erhöht sein könne.
3. ‚Living Rapid Review‘ (erster Teil im Juni 2020
erschienen) [88]: In der Folge sind insgesamt fünf
Updates publiziert worden (zuletzt im März 2021) [89 –
93]. Geprüft werden soll in dieser kontinuierlich
aktualisierten Übersicht die Effektivität von Masken
bei der Reduktion von respiratorischen
Virusinfektionen, incl. SARS-CoV-2, einerseits im
Rahmen der Patientenversorgung in medizinischen
Einrichtungen und andererseits in der
=====
S.63
Bevölkerung. Dabei fanden sich bisher keine Belege für
die Wirksamkeit von Masken außerhalb des medizinischen
Bereichs.
4. ‚Umbrella Review‘ (erschienen im Juli 2020) [94]:
In dieser Arbeit wurden alle verfügbaren
systematischen Reviews randomisierter kontrollierter
Studien zusammen ausgewertet (in üblichen
systematischen Reviews werden dagegen die
Originalstudien ausgewertet). Untersuchungsgegenstand
war jeweils der Gebrauch von Masken zum Schutz vor
respiratorischen Infektionen bei medizinischem
Personal und normaler Bevölkerung in der
Öffentlichkeit. Es fand sich keine Evidenz für Masken
als Fremdschutz, und auch für die Träger selbst ergab
sich nur möglicherweise eine Reduktion des
Infektionsrisikos (Eigenschutz).
5. Mathematische Schätzung (Preprint, eingereicht im
Oktober 2020) [95]: Es wurden acht verschiedene sog.
nicht-pharmazeutische Maßnahmen (neben dem Tragen von
Masken z.B. Begrenzung von Versammlungen, Schließung
von Geschäften, Schulschließungen) in 41 Ländern auf
ihren Effekt auf die Reduktion des R-Wertes
untersucht. Dabei zeigte sich jedoch, dass beim
Einschluss von Masken in die Auswertung (zusammen mit
den anderen Maßnahmen) keine weitere Reduktion des
R-Wertes resultierte, Masken also keinen Effekt haben.
Im Dezember 2020 wurde die Studie in Science
publiziert, jedoch ist seither die Auswertung der
Masken nicht mehr vorhanden [96]. Der Artikel erklärt
dies nicht. Wenn man also den Preprint nicht gelesen
hat, merkt man nicht, dass die dort an erster Stelle
aufgeführte Maßnahme in der endgültigen Publikation
fehlt. Erwähnt wird am Schluss nur, dass es schwierig
sei, den Effekt von Masken im öffentlichen Raum zu
schätzen, weil durch die anderen in Kraft gesetzten
Maßnahmen nur ein begrenztes öffentliches Leben da
war. Im Preprint hieß es zu Masken [95]:
‘Mandating mask-wearing in various public spaces had
no clear effect, on average, in the countries we
studied. This does not rule out mask-wearing mandates
having a larger effect in other contexts. In our data,
mask-wearing was only mandated when other NPIs had
already reduced public interactions. When most
transmission occurs in private spaces, wearing masks
in public is expected to be less effective. This might
explain why a larger effect was found in studies that
included China and South Korea, where mask-wearing was
introduced earlier. While there is an emerging body of
literature indicating that mask-wearing can be
effective in reducing transmission, the bulk of
evidence comes from healthcare settings. In
non-healthcare settings, risk compensation may play a
larger role, potentially reducing effectiveness. While
our results cast doubt on reports that mask wearing is
the main determinant shaping a country’s epidemic, the
policy still seems promising given all available
evidence, due to its comparatively low economic and
social costs. Its effectiveness may have increased as
other NPIs have been lifted and public interactions
have recommenced.’
6. Randomisierte kontrollierte Studie (durchgeführt in
April und Mai, publiziert im November 2020) [97]: In
Dänemark wurde in dieser Studie untersucht, ob die
Empfehlung, zusätzlich zu den anderen bekannten
Schutzmaßnahmen (Abstandhalten etc.) bei jedem
Verlassen der Wohnung eine chirurgische Maske zu
tragen, das Risiko für eine Infektion mit dem neuen
Coronavirus in einer Bevölkerung mit mäßig hohen
Infektionsraten reduzieren kann. Zur Zeit der Studie
war in Dänemark das Tragen von Masken in der
Öffentlichkeit selten und wurde auch nicht öffentlich
empfohlen. An der Studie teilnehmen konnte, wer
beruflich keine Masken tragen und mindestens drei
Stunden pro Tag außer Haus und unter Menschen gehen
musste. Durch die Randomisierung wurden insgesamt
3.030 Studienteilnehmer der Maskengruppe zugeteilt
=====
S.64
und 2.994 Teilnehmer der Kontrollgruppe. Eine
Infektion mit SARS-CoV-2 konnte durch
Antikörpernachweis, PCR-Test oder Krankenhausdiagnose
festgestellt werden. In der Maskengruppe wurde bei 42
Teilnehmern (1,8 %) eine Infektion durch das neue
Coronavirus festgestellt, in der Kontrollgruppe bei 53
Teilnehmern (2,1 %), der Unterschied war mit 0,3 %
also gering (und nicht statistisch signifikant). Die
Untersuchung zielte auf den Eigenschutz ab und war
demnach – anders als bei der Maskenpflicht in
Deutschland bis zum Januar 2021 – nicht auf den
Fremdschutz ausgerichtet, so dass diese Studie keinen
Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten kann, ob
das Tragen von Masken durch gesunde Menschen einen
Fremdschutzeffekt hat, also ob dadurch andere Menschen
vor einem Erregerkontakt geschützt werden können.
Ebenso wenig aber eignet sich die Studie dafür, den
Eigenschutz durch medizinische Masken zu stützen, auf
den die Politik in Deutschland unter dem Eindruck der
neuen Varianten (‚Mutanten‘) seit Januar ebenfalls
setzt. Auch für diese Entscheidung, dass seither beim
Einkaufen und im ÖPNV OP- oder FFP2-Masken (in Bayern
nur FFP2) verwendet werden müssen, gibt es keine
wissenschaftliche Grundlage.
7. Experimentelle Studie (publiziert im Dezember 2020)
[98]: Von der Deutschen Bahn AG (DB) und dem Deutschen
Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) wurde aus Anlass
der Corona-Pandemie das Projekt ‚Luftqualität in
Schienenfahrzeugen‘ durchgeführt. Dabei sollten mit
einem experimentellen Verfahren in einem stationären
Versuchswagen (Typ ICE 2) die Ausbreitungswege von
Partikeln in der Größenordnung von Aerosol-Partikeln
(simuliert durch die Freisetzung von CO2 als Tracergas
bzw. künstliche Speichelpartikel mit einem Durchmesser
zwischen ca. 3 – 4 μm aus einer Quelle in Kopfhöhe
einer sitzenden Person in den Zugwaggons) untersucht
werden. Die Messungen wurden jeweils ohne und mit
(chirurgischer) Maske durchgeführt. Ergebnis (schon)
ohne Maske war, dass die Ausbreitung vor allem direkt
und unmittelbar an der Quelle stattfindet. Eine
Verbreitung im ganzen Waggon oder eine indirekte über
das Belüftungssystem gab es nicht. Interessant ist (1)
das Ergebnis, dass ein an einem Tisch der
Erregerquelle unmittelbar gegenübersitzender Fahrgast
(also naher face-to-face-Kontakt mit ca. 1 – 2 m
Abstand) nur mit 0,2% der freigesetzten Partikel in
Kontakt kommt, an den Sitzplätzen davor und daneben
auf der anderen Gangseite kamen dagegen nur 0,01% an.
Mit anderen Worten: Selbst für die direkt
gegenübersitzende Person bestünde praktisch kein
Risiko, mit einem freigesetzten Erreger in Kontakt zu
kommen. Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass (2) die
Belüftungsanlage mit einer sehr hohen Luftwechselrate
und außerdem mit einem hohen Frischluftanteil
arbeitet, so dass etwa alle 5 min die gesamte Luft im
Waggon einmal ausgetauscht ist (d.h. 12 Luftwechsel
pro h). Das wiederum bedeutet, dass es für die
Fahrgäste in Anbetracht der ständigen Verdünnung durch
die zugeführte Luft zu keinem relevanten
Erregerkontakt kommen könnte, auch deshalb, weil die
Kontaktzeit viel zu gering ist, um bei der, wie die
Ergebnisse zeigen, geringen Ausbreitung der Partikel
weg von der Erregerquelle zu einer Infektion führen zu
können, wenn es sich um infektiöse Partikeln handeln
würde.
DB und DLR hätten an sich aus ihren Ergebnissen (die
auf die ICE 1/2-Flotte sehr gut, aber auch auf viele
andere Schienenfahrzeugtypen gut übertragbar seien)
schließen müssen, dass Masken in Zügen nicht
erforderlich sind, weil es (1) kaum zu einer
Aerosolausbreitung kommt und (2) durch die
Belüftungsanlage die gesamte Luft des Waggons
innerhalb weniger Minuten ausgetauscht ist, so dass
potentiell infektiöse Partikel in kürzester Zeit
entfernt werden. Das bedeutet, dass die Konzentration
infektiöser Partikel durch den hohen Luftwechsel mit
Frischluftzufuhr ständig und sehr effektiv reduziert
wird, also eine Verdünnung der Partikel in der Luft
des Waggons stattfindet, die das potentielle
Übertragungsrisiko kontinuierlich, sehr rasch und in
hohem
=====
S.65
Maße reduziert. Durch die Maske wird dieses Risiko nur
noch unwesentlich und nur für den unmittelbaren
Sitznachbarn reduziert. Aus diesen Gründen wurde diese
Studie hier entgegen der Interpretation von DB und DLR
in die Gruppe der Contra-Masken-Studien aufgenommen,
weil die Ergebnisse dagegensprechen, dass Masken einen
Effekt im Sinne eines Infektionsschutzes haben. Ob
aber die ‚Aerosol‘-Übertragung, die in der Studie als
gegeben angenommen wurde, bei der Übertragung des
Coronavirus überhaupt eine Rolle spielt, ist die
entscheidende Frage, die in Teil C. diskutiert wird.
Resümee der wissenschaftlichen Grundlage für Masken
Trotz fehlender wissenschaftlicher Evidenz haben in
der ersten Jahreshälfte 2020 sowohl WHO, ECDC, CDC und
RKI – allesamt in der Regel hochgeachtete nationale
und internationale wissenschaftliche
Gesundheitsbehörden – das Tragen von Masken im
öffentlichen Raum mehr oder weniger empfohlen, wenn
auch, wie bei der WHO [41, 42], beschränkt auf
spezielle epidemiologische Situationen, von allen aber
mit deutlichen ‚Warnhinweisen‘ versehen, mit der
Folge, dass sich die Politik auf eben diese, aber ohne
wissenschaftliche Grundlage vorgenommenen
Einschätzungen beruft, die ‚Warnhinweise‘ aber auf die
Notwendigkeit, trotzdem Abstand zu wahren, begrenzt.
Man muss feststellen, dass alle nationalen und
internationalen Gesundheitsbehörden, wenn auch
zurückhaltend, entgegen der wissenschaftlich
etablierten Standards der Evidence-based Medicine eine
Einschätzung zum Tragen von Masken im öffentlichen
Raum mit großer Tragweite abgegeben haben, die
lediglich auf sog. plausiblen Überlegungen beruht, was
jedoch nicht ausreichen kann, um der Politik in einer
solchen Lage, d.h. für den Einsatz bei Millionen von
Menschen, eine wissenschaftliche fundierte
Entscheidungsbasis zu vermitteln. Eine klare
wissenschaftliche Stellungnahme, wie man sie von
diesen Behörden erwarten kann, sieht anders aus.
Nicht überraschend ist es deshalb, dass die seit dem
Frühjahr 2020 publizierte Fachliteratur keine Belege
für das Tragen von Masken durch die Bevölkerung in der
Öffentlichkeit gezeigt hat, auch wenn die Autoren
mathematischer Schätzungen dies behaupten und die
Autoren von Meinungsbeiträgen in z.B. narrativen
Reviews dafür keine Daten vorlegen (können).
Zahlreiche Mediziner verschiedener Fachgebiete und
Wissenschaftler aus anderen Disziplinen verweisen
gerne auf solche ‚positiven‘ Publikationen, und zwar
insbesondere häufig auf Modellierungsstudien, die für
Personen mit nicht besonders fundierten mathematischen
Grundlagen (bei Medizinern nicht ganz selten) ohnehin
nicht nachvollziehbar sind und damit abschreckend
wirken, aber vielleicht gerade dadurch nahelegen, dass
es sich um besonders aussagefähige ‚Wissenschaft‘
handeln müsse.
Die wissenschaftliche Qualität der
Pro-Masken-Publikationen ist (sehr) niedrig, weil es
sich hauptsächlich um mathematische Schätzungen,
narrative Reviews und Meinungsbeiträge handelt, aber
aussagefähige systematische Reviews fehlen. Dagegen
ist die Qualität der Evidenz der
Contra-Masken-Publikationen hoch wegen mehrerer
systematischer Reviews (incl. Metaanalyse).
Was die Häufigkeit seiner Zitierung für eine
Bestätigung der Masken-Wirksamkeit angeht, steht der
sog. ‚Lancet-Review‘ an der Spitze [43],: Geradezu
reflexartig wurde und wird seit seinem Erscheinen
Anfang Juni 2020 diese Publikation von zahllosen
Medizinern als Beleg genannt. Man wähnt sich damit auf
der ganz sicheren Seite, wohl weil diese Zeitschrift
(zusammen mit dem NEJM) zu den beiden hochrangigsten
medizinischen Fachzeitschriften der Welt gehört.
Dadurch gilt für Mediziner als sicher: Was dort
publiziert ist, hat Hand und Fuß, ist durch einen
unerbittlichen Peer-Review auf Herz und Nieren geprüft
und kann
=====
S.66
vertrauensvoll übernommen werden. Diese Einschätzung
ist bei diesem Artikel ganz offensichtlich nicht
angemessen. Noch dazu ist das leicht zu erkennen, und
zwar, ohne dass man wissen muss, wie Metaanalysen
mathematisch funktionieren. Die WHO hatte diesen
‚urgent Review‘ in Auftrag gegeben (und gefördert),
weil sie die Ergebnisse offenbar dringend (deshalb
wohl auch ein ‚urgent‘ Review) für eine neue Bewertung
der Masken-Frage für das neue Coronavirus benötigte.
Bereits 2019 hatte die WHO bezogen auf
Influenza-Pandemien einen ähnlichen Review in Auftrag
gegeben [87]. Da aber Influenza offenbar für
Entscheidungen zum neuen Coronavirus nicht als
ausreichend bzw. aussagefähig betrachtet wurde und
vielleicht auch, weil dieser Review keinen protektiven
Effekt von Masken gezeigt hat, wurde von der WHO ein
‚urgent Review‘ angefordert, in dem ausschließlich
Publikationen zu den drei besonderen, weil
nicht-saisonalen Coronaviren SARS, MERS und SARS-CoV-2
ausgewertet werden sollten (wobei SARS-CoV-2
wahrscheinlich ein saisonales werden wird).
Dafür brauchte die WHO eine Publikation in einem über
jeden Zweifel erhabenen Journal. Je anerkannter eine
Fachzeitschrift, umso leichter werden die Botschaften
der darin publizierten Artikel von der Leserschaft
angenommen und verbreitet. Inwieweit dann aber das
Ergebnis der Literaturrecherche den Erwartungen der
WHO entsprach, ist unbekannt. Man kann es wohlwollend
betrachtet so ausdrücken: Sowohl die Autoren des
Lancet-Review als auch die WHO mit ihrer
Masken-Empfehlung vom 5. Juni 2020 haben zumindest
versucht, sich gewissermaßen mit wissenschaftlichem
Anstand aus der Affäre zu ziehen. Übrig bleibt aber
dennoch, dass sich die WHO wohl dem, wie berichtet
wurde, politischen Druck gefügt hat, allerdings dann
aber doch die klare Aussage macht, dass die
wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität von
Masken getragen von gesunden Menschen in der
Öffentlichkeit fehlt. Der Lancet-Review sagt dies
auch, wenn auch gewissermaßen versteckt.
Die WHO hatte im Herbst 2019 einen Review zu
nicht-pharmazeutischen Maßnahmen incl. Masken in
Auftrag gegeben, der keine Wirksamkeit von Masken
gezeigt hat [87]. Zudem war im Jahr 2017 bereits ein
systematischer Review mit Metaanalyse publiziert
worden, in dem die Effektivität von Händehygiene und
Masken untersucht wurden [99]. Diese Metaanalyse weist
nur für die Händehygiene auf einen signifikanten
protektiven Effekt hin, aber nicht für Masken. Die
darin ausgewerteten Studien aus dem sog.
Community-Setting wurden in Familien mit an Influenza
erkrankten Personen durchgeführt. Und auch der
‚Lancet-Review‘ [43] hat keine Wirksamkeit zeigen
können. Auch die in der Zeit danach veröffentlichten
Untersuchungen oder Meinungsbeiträge konnten keine
Belege für die Effektivität von Masken in der
Öffentlichkeit zeigen (siehe oben). Somit gibt es nach
den wissenschaftlich akzeptierten Kriterien keinen
Anhalt dafür, dass Masken getragen von gesunden
Menschen in der Öffentlichkeit einen positiven
Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben
(möglicherweise aber einen negativen Effekt; siehe
Teil B.)
Dass dennoch in Deutschland die Maskenpflicht verhängt
wurde, ist nicht mit den Anforderungen des IfSG in § 1
(2) in Einklang zu bringen, wonach
Infektionsschutzmaßnahmen evidenzbasiert sein sollten.
Politische Entscheidungen sieht das IfSG nicht vor,
und dennoch werden seit dem ersten Lockdown im März
2020 politische Entscheidungen getroffen, die keine
wissenschaftliche Grundlage haben.
Es ist klar, dass aufgrund des weltweiten Mangels an
professionellen Masken (von denen es im Frühjahr 2020
in Kliniken und Pflegeheimen bei weitem nicht genug
gab, so dass sie für die Nutzung der Bevölkerung in
Deutschland ohnehin nicht in Frage kamen) die
allgemeine Maskenpflicht in Deutschland nur eingeführt
werden konnte mit dem Hinweis, dass selbstgenähte
Masken oder auch nur ein Tuch vor Mund und Nase
ebenfalls ausreichten.
=====
S.67
Über die Qualität von nicht-medizinischen Masken
können naturgemäß keine Aussagen gemacht werden, weil
jeder Bürger verwenden konnte, was er wollte. Schon
deshalb also kann es, wie im Beitrag des RKI
angeführt, dazu keine Daten geben [1]. Transparent
wäre es gewesen, auf das Fehlen von wissenschaftlichen
Daten für den generellen Einsatz von Masken im
öffentlichen Raum ausdrücklich hinzuweisen. Wenigstens
hätte aber im letzten Satz des RKI-Artikels [1], wie
überall zuvor im Text, nur davon gesprochen werden
sollen, dass der Masken ein Baustein sein könnten, um
Übertragungen zu reduzieren, nicht aber, dies als
Tatsache zu formulieren.
Alle Ausweitungen der Maskenpflicht, wie z.B. in
Schulen, in Parlamenten und auf Wanderwegen (z.B. wie
durch die Höllentalklamm im Zugspitzgebiet wegen
Engstellen auf dem Weg), in Fußgängerzonen der
Innenstädte oder auf Parkplätzen vor Geschäften wegen
möglichem Gedränge oder auch in manchen Gemeinden beim
Fahrradfahren innerorts basieren nicht zuletzt auf der
unwissenschaftlich geführten ‚Aerosol‘-Diskussion, die
von Bio-Wissenschaftlern propagiert und von
Aerosol-Physikern wie ebenso von Herstellern
raumlufttechnischer Anlagen (‚Klimaanlagen‘)
aufgegriffen wurde (siehe Teil C.).
Anfang September 2020 beschäftigte sich ein Artikel
(im Politik-Magazin Cicero) mit dem Schicksal der
Schulkinder beim Tragen der Masken [100]. Der Autor
(Sozialwissenschaftler und Bildungsforscher) hält es
für sicher, dass keine Studie, in der Kinder über
Stunden, Tage und Wochen Masken tragen sollten, von
einer Ethikkommission in Deutschland zugelassen worden
wäre. Es haben sich aber sogar Pädiater dafür
ausgesprochen, dass Schulkinder Masken tragen sollen
bzw., ohne Schaden zu nehmen, tragen können, selbst
während des Unterrichts [101]. In einem ‚Offenen
Brief‘ hat dazu ein Pharmazeut Stellung bezogen und
sein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass
die Stellungnahme der pädiatrischen Fachgesellschaften
jegliche wissenschaftliche und ethische Qualität
vermissen lasse [102]. Er stellt die Frage, ob die
Maske nicht eher ein politisches Instrument als eine
sinnvolle medizinische Maßnahme sei und die Verfasser
und Unterzeichner weniger als Mediziner, sondern mehr
als politische Funktionäre einen politischen Auftrag
erfüllten. Dann, so der Autor weiter,
‚wäre es jedoch angemessen, diesen Auftrag transparent
darzustellen und zu erklären, dass das Tragen von
Masken für Kinder politisch gewollt ist und die dabei
möglicherweise bestehenden Risiken in Kauf genommen
werden‘.
Schon einige Monate zuvor hatte dieser Autor einen
Artikel in der Deutschen Apotheker Zeitung
veröffentlicht, in dem er u.a. kritisiert, dass alle
bislang für die Effektivität von Masken wichtigen
Normen außer Kraft gesetzt sind, und nur noch
irgendein Stück Stoff vor Mund und Nase wichtig sei,
ohne dass auf die Filtereffektivität (angesichts
unterschiedlicher Partikelgrößen) geachtet und auf den
richtigen Umgang mit den Masken Wert gelegt werden
müsste oder das tatsächliche Übertragungsrisiko eine
Rolle spielt [103].
Masken wurden als einzige sichtbare Maßnahme seit
Einführung der Tragepflicht von der Politik und den
sie beratenden Wissenschaftlern hochgehalten und meist
streng eingefordert, obwohl sie erkennbar über die
Monate keinen Effekt hatten. Anstatt sie – als
offensichtlich nutzlos, potentiell schädlich und
gerade nicht durch annähernd als wissenschaftlich zu
bezeichnende Daten bestätigt – abzuschaffen, wurde die
Maskenpflicht sukzessive aber noch erweitert bis hin
z.B. zu der irrationalen Tragepflicht im Freien auf
belebten Plätzen oder in Fußgängerzonen (wogegen sich
auch Virologen und Aerosol-Physiker aussprechen), zur
Tragepflicht für Schüler sogar während des gesamten
Unterrichts und der FFP2-Maskenpflicht in Geschäften
und im ÖPNV in Bayern.
=====
S.68
Die Tatsache, dass Schüler nun gezwungen sind,
stundenlang Masken zu tragen, und das teilweise sogar
in der Pause auf dem Schulhof und im Sportunterricht,
ist schon angesichts der völlig fehlenden
medizinischen Evidenz nicht nachvollziehbar. Hinzu
kommt, dass es keine systematischen Untersuchungen
über mögliche schädliche Nebenwirkungen gibt und dass
solche Untersuchungen noch nicht einmal von den
Fachgesellschaften der Kinderärzte gefordert werden.
Dass die Nebenwirkungen keineswegs harmlos oder selten
sind, zeigt eine (bereits im Dezember 2020 als
Preprint und inzwischen endgültig publizierte)
Untersuchung der Universität Witten-Herdecke, in der
vorläufige Ergebnisse aus einem Online-Register, in
das z.B. Eltern, Lehrer oder Ärzte die Beschwerden von
Kindern im Zusammenhang mit Tragen von Masken
eintragen können, vorgestellt werden [104]. Die
Angaben von zu diesem Zeitpunkt (innerhalb 1 Woche
nach Start des Registers) ca. 18.000 teilnehmenden
Eltern über fast 26.000 Kinder umfassten bei einer
durchschnittlichen Tragezeit von 4,5 h pro Tag die
folgenden Beschwerden (mit den jeweiligen prozentualen
Häufigkeiten): Reizbarkeit (60%), Kopfschmerzen (53%),
Konzentrationsschwierigkeiten (50%),
Niedergeschlagenheit (49%), Abneigung gegen Schule
bzw. Kindergarten (44%), Unwohlsein (42%),
Lernschwierigkeiten (38%) und Schläfrigkeit bzw.
Müdigkeit (37%).
S3-Leitlinie der AWMF. Trotz fehlender Bestätigung der
Effektivität von Masken in der Öffentlichkeit aus
wissenschaftlichen Untersuchungen wurde unter
Beteiligung zahlreicher Fachgesellschaften am 1.
Februar 2021 eine S3-Leitlinie der AWMF
veröffentlicht, in der das Tragen von Masken mit dem
Empfehlungsgrad ‚Starke Empfehlung A‘ als
‚evidenzbasierte Empfehlung‘ ausgesprochen wurde,
obwohl die Qualität der Evidenz als ‚niedrig‘
eingestuft wurde [105]. In der Präambel dieser
S3-Leitlinie heißt es u.a.:
‚(…) Ziel dieser Leitlinie ist es, allen Beteiligten
wissenschaftlich fundierte und konsentierte
Handlungsempfehlungen zur Verfügung zu stellen.
Die Leitlinie empfiehlt anpassbare und geeignete
Maßnahmenpakete zur Verminderung des Infektionsrisikos
und zur Ermöglichung eines möglichst sicheren,
geregelten und kontinuierlichen Schulbetriebs in
Pandemiezeiten. (…)
Diese Empfehlungen wurden von einer repräsentativen
Gruppe von Expert*innen aus wissenschaftlichen
Fachgesellschaften, am Schulgeschehen Beteiligten und
Entscheidungsträger*innen nach einer strukturierten
Vorgehensweise erarbeitet. Sie beruhen auf den aktuell
verfügbaren Studien zur Wirksamkeit von Maßnahmen zur
Kontrolle und Prävention der Übertragung von
SARS-CoV-2 in Schulen.
(…)‘
Unter den Anmerkungen heißt es weiter:
‚Standard-Maßnahmenpaket. Für die Prävention und
Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen ist
stets ein Maßnahmenpaket notwendig: Maßnahmen müssen
aufeinander abgestimmt umgesetzt werden, um zu wirken.
Ausgangspunkt ist ein Standard-Maßnahmenpaket, das
sich an den allgemein in der Bevölkerung geltenden
AHA+L-Regeln orientiert und das konkret Abstand,
Hygiene, das Tragen einer angemessenen Maske und
Lüften vorsieht.
(…)‘
‚Evidenzgrundlage. Die Evidenz zu den Wirkungen der
Maßnahmen hinsichtlich einer SARS-CoV-2-Übertragung
wurde mit einem Cochrane Rapid Review systematisch
erhoben [Ref]. Die gewonnenen Erkenntnisse beruhen zu
großen
=====
S.69
auf Modellierungsstudien mit Qualitätsmängeln [Ref].
Für die möglichen Wirkungen von konkreten Maßnahmen
wurden besonders aussagekräftige Einzelstudien aus dem
Cochrane Rapid Review herangezogen [Ref]. Für alle
betrachteten Wirkungen ist die Vertrauenswürdigkeit
der Evidenz sehr niedrig oder niedrig.‘
Die Empfehlung zu ‚Lüften und Reduktion der
Aerosolkonzentration in Unterrichtsräumen‘ zeigt eine
sehr niedrige Evidenz, aber der Empfehlungsgrad ist
wie bei der Maskenempfehlung ‚Starke Empfehlung A‘.
Der in der ‚Präambel‘ formulierte Anspruch an die
wissenschaftliche Grundlage der Leitlinie ist – wie
bei wissenschaftlich begründeten Leitlinien üblich –
hoch. Dazu stehen die konkreten Empfehlungen der
Leitlinie in starkem Kontrast, denn trotz fehlender
aussagekräftiger wissenschaftlicher Belege (Qualität
der Evidenz: ‚sehr niedrig‘ oder ‚niedrig‘) werden
sowohl Masken als auch Lüften mit dem Empfehlungsgrad
‚Starke Empfehlung A‘ bei gleichzeitig hoher
Konsensstärke (100% bei Masken und 93% bei Lüften)
empfohlen. Entgegen der Darstellung in der ‚Präambel‘
handelt es sich bei beiden Empfehlungen nicht um
‚wissenschaftlich fundierte (…)
Handlungsempfehlungen‘, lediglich der Konsensgrad der
Beteiligten war hoch, was aber die fehlende
Wissenschaftlichkeit der empfohlenen Maßnahmen nicht
ausgleichen kann. Sonst wäre man wieder zurück in der
Zeit vor der evidenzbasierten Medizin (etwa Anfang der
1990er Jahre, also vor ca. 30 Jahren), wo die Experten
ihre Meinungen darlegten und darüber dann ggf.
abgestimmt wurde, wenn nicht sowieso Einigkeit
bestand. Wissenschaftliche Grundlagen spielten damals
kaum eine Rolle, sondern es kam auf die ‚Erfahrung‘
der einzelnen Experten und deren Prestige in der
Gruppe der jeweiligen Kollegen an. Allerdings folgt
die S3-Leitlinie fast exakt diesem alten Muster. Der
einzige Unterschied ist, dass die zugrunde liegende
wissenschaftliche Evidenz zur Kenntnis genommen und in
ihrer Aussagekraft eingestuft wurde. Erstaunlich ist,
dass der Empfehlungsgrad davon in keiner Weise
beeinflusst wurde (möglicherweise bei den
Diskussionen, aber nicht beim Ergebnis, und das ist
das einzige, das für eine Leitlinie zählt).
Im Ergebnis ist also die S3-Leitlinie der AWMF nicht
vereinbar mit dem Anspruch an derartige Leitlinien,
sondern stellt vielmehr eine Pervertierung dessen dar,
was eine wissenschaftlich fundierte Leitlinie
ausmacht. Sie ist letztlich eine Irreführung
derjenigen, die sich mit der Bedeutung von
(hochwertigen) Leitlinien (S3) nicht auskennen. Den
Entscheidungen der Politik kommt sie damit sehr
entgegen und ist möglicherweise aufgrund von subjektiv
empfundenem politischem Druck zustande gekommen.
Im Juli 2020 wurde eine Studie der Universität Leipzig
zu kardiopulmonalen Nebenwirkungen durch Masken bei
Erwachsenen veröffentlicht [106]. Die Autoren kommen
danach zu dem Schluss, dass bei gesunden Personen
Atmung, kardiopulmonale Leistungsfähigkeit und
Wohlbefinden beim Tragen von chirurgischen Masken
reduziert seien. Erhebliche Einschränkungen wurden
jedoch diesbezüglich im Zusammenhang mit FFP2-Masken
beobachtet. Diese negativen Effekte müssten gegen den
potentiellen Schutzeffekt von Masken vor der
Virusübertragung abgewogen werden und sollten Einfluss
haben auf medizinische Empfehlungen und politische
Entscheidungen.
Eine weitere Untersuchung (durchgeführt in der ersten
Juni-Hälfte 2020, also innerhalb der ersten ca. sechs
Wochen der bundesdeutschen Maskenpflicht) beschäftigte
sich mit den psychischen, psychosozialen und
psychovegetativen Auswirkungen des Maskentragens
[107]. Die Autorin kommt zu folgendem Schluss: Schon
die Tatsache, dass ca. 60% der (ca. 1.000)
Studienteilnehmer bereits zu diesem frühen Zeitpunkt
der Maskenpflicht unter schweren (psychosozialen)
Folgen litten, z.B. stark reduzierte Teilhabe am Leben
in der Gesellschaft (aufgrund des Bestrebens, das
Maskentragen zu vermeiden), sozialer Rückzug,
=====
S.70
herabgesetzte gesundheitliche Selbstfürsorge (bis hin
zur Vermeidung von Arztterminen) oder die Verstärkung
vorbestandener gesundheitlicher Probleme
(posttraumatische Belastungsstörungen, rezidivierender
Herpes simplex, Migräne), weise darauf hin, dass die
Ergebnisse der Studie dringend eine Prüfung der
Nutzen-Risiko-Relation der Masken-Verordnung
erforderlich machten.
Der Einsatz der Masken durch die Politik als wichtige
Maßnahme zur Eingrenzung der Pandemie und die
Beobachtungen, die man in den Medien bei Politikern
und in der (normalen) Öffentlichkeit zum Umgang mit
den Masken machen kann, zeigen, dass es wohl weder
darum geht, dass Masken in ihrer Wirksamkeit
wissenschaftlich belegt sein müssen, noch darum, dass
man sie so handhabt, dass von ihnen kein
Kontaminationsrisiko ausgeht. Das RKI hätte schon
längst bzw. wiederholt eindringlich darauf hinweisen
können und müssen, was man aus Infektionsschutzgründen
unter korrektem Umgang mit Masken versteht, aber es
gibt nur gelegentlich einen kurzen Hinweis darauf.
Auch dieser Aspekt zeigt, dass es bei der
Maskenpflicht weniger um den behaupteten Nutzen im
Sinne des Infektionsschutzes geht, sondern um ihre
(psycho)soziale Funktion, wie es sehr klar in einer
Publikation aus der Zeit der sog. Spanischen Grippe
ausgedrückt wurde [108]:
‘If doubt arises as to the probable efficacy of
measures which seem so lacking in specificity it must
be remembered that it is better for the public morale
to be doing something than nothing and the general
health will not suffer for the additional care which
is given it.’
Auch heute scheint die Maske die entscheidende
Funktion zu haben, der Bevölkerung zu zeigen, dass die
Regierung etwas tut, um sie vor der vermuteten
Infektionsgefahr zu schützen. Zum anderen soll sie für
die Bevölkerung eine Art Beruhigung der Art
darstellen, dass sie mit dem Tragen der Maske zum
eigenen und zum Wohlergehen der anderen beitragen
kann. Die Maske wird also sowohl von der Politik als
auch von der Bevölkerung, die den Maßnahmen der
Politik vertraut, benötigt, um die geistig-seelische
Verfassung zu stabilisieren – natürlich auch die der
Politiker, die quasi nackt, also ohne ‚Schutzmaßnahme‘
für die Bevölkerung in Zeiten der Pandemie, dastünden,
wenn sie die Maske nicht hätten, und deshalb an ihr
festhalten, obwohl die Erfahrung seit dem Frühjahr
2020 zeigt, dass sie den gewünschten Effekt nicht
haben kann, denn die Zahl der positiv getesteten
Menschen ist unbeeinflusst hoch bzw. stieg und steigt
weiterhin von Zeit zu Zeit sogar noch in ungekannte
Höhen – trotz maximal ausgedehnter Maskenpflicht. Dass
die Maskenpflicht aus psychologischen Gründen und
wegen ihrer symbolischen Bedeutung wichtig sei, haben
bereits im Juli 2020 zur Wiedereinführung der strengen
Maskenpflicht in Österreich unabhängig voneinander
sowohl der Bundeskanzler als auch der
Gesundheitsminister von Österreich in der ZIB 2 im ORF
2 und auf einer Pressekonferenz geäußert [109].
B. Hygiene
Anfang Juni hat die Bundesregierung die AHA-Regeln
veröffentlicht [110]. Das ‚H‘ steht dabei für
‚Hygiene‘, und das bedeutet (1) Husten oder Niesen in
die Armbeuge und (2) häufig und gründlich die Hände
waschen für mindestens 20 – 30 Sekunden. Es fehlt (3)
der korrekte Umgang mit Masken. Bis zur Einführung der
AHA-Regeln waren etwa sechs Wochen nach Verhängung der
Maskenpflicht vergangen, und bis dahin war genügend
bekannt über den unzureichenden und damit potentiell
infektionsgefährdenden Umgang der Bevölkerung mit den
Masken. In diesem Abschnitt werden deshalb die Risiken
aus der Sicht des Infektionsschutzes, die mit dem
verpflichtenden Gebrauch von Masken für fast die
gesamte Bevölkerung verbunden sind, besprochen, wenn
die Politik schon darauf setzt.
=====
S.71
Gebrauch von Masken nicht selbsterklärend
Die Bevölkerung hat nie gelernt, Masken korrekt zu
gebrauchen, und wurde auch nach Verhängung der
Maskenpflicht nicht darin trainiert. Nie hat sich das
RKI dazu, z.B. in Pressekonferenzen, konkret geäußert.
Stets blieb es bei der für die Bevölkerung eher
nichtssagenden Formulierungen, sie müssten ‚korrekt‘
benutzt werden. Anstelle der ständig wiederholten
Aufforderung, zu Hause zu bleiben, hätte man den
Menschen eine kontinuierliche Fortbildung im Umgang
mit Masken bieten und ihnen dabei verdeutlichen
müssen, dass und warum bestimmte Regeln beim Gebrauch
von Masken eingehalten werden müssen. Neben der
fehlenden wissenschaftlichen Basis für die
Maskenpflicht (siehe Teil A.) ist also dieser Aspekt
von Bedeutung: Wenn schon Masken, dann muss der
richtige Umgang eine zentrale Rolle bekommen, damit
nicht durch die Masken selbst das Risiko für die
Verbreitung des Erregers erhöht wird. Es ist schwer
genug, die erforderlichen Regeln dem medizinischen
Personal zu vermitteln bzw. diese Regeln in deren
Köpfen so zu verankern, so dass man als Mitarbeiter im
Bereich der Krankenhaushygiene nicht wiederholt daran
erinnern muss (das muss man aber). Warum das wichtig
ist, soll im Folgenden erklärt werden.
Das RKI weist an zwei Stellen des (kurzen) Artikels,
mit dem Masken in der Öffentlichkeit begründet wurden,
eindringlich auf die Problematik im Zusammenhang mit
der Anwendung von Masken (MNB) hin [1]:
1. … dass ‚der Einsatz von MNB die zentralen
Schutzmaßnahmen, wie die (Selbst-)Isolation
Erkrankter, die Einhaltung der physischen Distanz von
1,5 m, die Hustenregeln und die Händehygiene zum
Schutz vor Ansteckung nicht ersetzen kann. Diese
zentralen Schutzmaßnahmen müssen also weiterhin strikt
eingehalten werden‘.
2. ‚Auch die hygienische Handhabung und die Pflege von
MNB sind zu beachten. Aus diesem Grund ist darauf zu
achten, dass die MNB – insbesondere beim Auf- und
Absetzen – nicht berührt (Hervorhebung für dieses
Gutachten) wird, um eine Kontamination durch die Hände
zu verhindern. Generell geht eine längere Tragedauer
auch mit einer erhöhten Kontaminationsgefahr einher.‘
(hier verweist das RKI auf die Hinweise des BfArM =
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte;
siehe unten [111]).
Selbstverständlich ist der richtige Umgang mit Masken
für die Bevölkerung jedoch nicht. Es ist eher
verwirrend, wenn das RKI schreibt, dass man die Masken
nicht berühren soll, auch nicht – oder sogar
‚insbesondere beim Auf- und Absetzen‘. In dieser Kürze
klingt es nicht nachvollziehbar. Was damit gemeint
ist, wissen nur Fachkundige. Das BfArM macht nähere
Ausführungen dazu (siehe unten). Der Bürger müsste
sich also die wichtigen Informationen aus den
Verlautbarungen verschiedener Bundesoberbehörden
zusammensuchen.
Richtiger Umgang mit Masken wichtig
Die Maskenpflicht gibt es gemäß RKI, das die Pflicht
zur Verwendung von Masken in der Öffentlichkeit durch
seine Publikation erst ermöglicht hat [1], weil jeder
Bürger unerkannt das neue Coronavirus im
Nasenrachenraum tragen kann und weil es so angeblich
zu ‚unbemerkten‘ Übertragungen des Erregers auf
Mit-Menschen bei Begegnungen im öffentlichen Raum
kommen kann (siehe Teil A.). Nahezu alle Menschen in
Deutschland müssen also Masken tragen, weil wir nicht
wissen können, ob wir gerade das Virus im
Nasenrachenraum haben, auch wenn wir keine Symptome
einer oberen Atemwegsinfektion
=====
S.72
haben, und deshalb, d.h. wegen dieses Unwissens, auch
nicht zu Hause bleiben können, um andere Menschen vor
einem Kontakt mit ‚unserem‘ Virus zu schützen. Die
Maske – welchen Typs auch immer, also ursprünglich nur
die sog. Alltagsmaske aus Stoff (MNB), seit Januar
2021 die medizinische Maske als OP- oder FFP2-Maske –
soll verhindern, dass das vielleicht bei uns
vorhandene Virus in die Umgebung abgegeben wird.
Allen Maskentypen ist gemeinsam, dass sie richtig
verwendet werden müssen, um nicht quasi selbst zu
einem Infektionsrisiko zu werden. Denn wenn wir das
Virus unerkannt beherbergen bzw. wenn es sich in
unserer Nasen-Rachenschleimhaut, ohne Symptome zu
verursachen, vermehrt bzw. vermehrt hat, dann sind wir
gemäß der Theorie der ‚unbemerkten‘ Übertragung mit
unserem Nasenrachensekret eine potentielle
Erregerquelle, von der aus es zu einer Verbreitung des
Virus aus unserem Körper auf andere Menschen kommen
könnte. Also kann die Maske, um gerade das zu
verhindern, nicht der einzige Schutz sein, und zwar,
weil der Mensch – warum auch immer – sich sehr häufig
mit den Händen ins Gesicht fasst, wobei es sich um
eine allseits bekannte Tatsache handelt, die jeder
jederzeit an sich selbst und an den Mit-Menschen im
täglichen Leben überprüfen kann [112]. Und wenn man
eine Maske trägt, sind die Hände noch häufiger im
Gesicht, weil die Maske stört. Beispielsweise schwitzt
man darunter, es juckt, die Brille beschlägt, die
Maske wird zurecht gerückt, oder man bekommt nicht gut
genug Luft (das auch schon bei den Alltagsmasken,
nicht nur bei FFP2-Masken). Die Menschen sind also
ständig mit ihren Händen an der Maske, die man aber
gemäß RKI – richtigerweise – nicht berühren soll.
So oder so kann man also selbst oder können die
Mit-Menschen über die meist unbemerkten
Hand-Gesichtskontakte gerade dort in Kontakt mit
Infektionserregern kommen, wo die Erreger
respiratorischer Infektionen hingelangen müssen, um
eine Infektion erzeugen zu können, nämlich an die
Schleimhäute der oberen Atemwege, incl. der Augen
(bzw. wo sie sich befinden, falls man schon infiziert
ist). Seit Jahrzehnten weiß man im Übrigen, dass
respiratorische Viren (ob hüllenlos, wie Rhinoviren,
oder behüllt wie Influenza- und Coronaviren) auch
außerhalb des Körpers für gewisse Zeit (abhängig vom
Ausmaß ihrer Einbettung in Reste von respiratorischem
Sekret) in Zellkulturen anzüchtbar und damit
potentiell infektiös bleiben können [113 – 115].
Weil man sich also bei verschiedenen Gelegenheiten (im
eigenen Haushalt, bei der Arbeit wie auch in der
Öffentlichkeit) nahezu ständig die Hände kontaminieren
kann und unvermeidlich häufige eigene
Hand-Gesichtskontakte hat, gehört Händewaschen nach
Ansicht aller Gesundheitsbehörden der Welt wie ebenso
z.B. nach den Ergebnissen des Cochrane-Review-Updates
[1, 33, 35, 37, 42, 111], zu den anerkanntermaßen
unverzichtbaren Maßnahmen, um die Übertragung
respiratorischer Infektionserreger zu reduzieren.
Gerade das kann man aber nicht, wenn man z.B. beim
Einkaufen unterwegs ist oder den ÖPNV nutzt. Ebenso
steht nicht immer Händedesinfektionsmittel zur
Verfügung.
Händehygiene: Händewaschen
Wenn alle Gesundheitsbehörden der Welt auf die
Bedeutung des Händewaschens hinweisen, ist dabei immer
gründliches Händewaschen mit Wasser und Seife über 20
– 30 sec gemeint. Für die Allgemeinbildung der
Bevölkerung über individuellen Infektionsschutz –
zusätzlich zur Betonung der generellen Notwendigkeit
von häufigem Händewaschen – ist zudem der Hinweis
notwendig, dass man sich mit den Händen möglichst
nicht ins Gesicht fassen soll, solange man die Hände
nicht waschen konnte. Genau das sagen auch die
internationalen Gesundheitsbehörden deutlich, das RKI
sagt es auch, aber seltener und nicht an prominenter
Stelle und auch nicht bei den AHA-Regeln. Allerdings
ist es nicht leicht, man
=====
S.73
kann es aber trainieren: Wenn man weiß, dass es
wichtig ist, kann man sich selbst beobachten und die
eigenen Hand-Gesichtskontakte reduzieren.
Deshalb sollte man bei Informationskampagnen für die
Bevölkerung nicht nur auf die Notwendigkeit von
häufigem Händewaschen hinweisen, sondern ausdrücklich
auch darauf, warum Händewaschen so sinnvoll und
wichtig ist: damit man sich nicht mit kontaminierten
Händen an Augen, Nase und Mund fasst. Dann erst kann
die Aufforderung zum Händewaschen wirklich verstanden
und nicht (so leicht) als lästige Hygieneregel abgetan
werden. Aus diesem Grunde weisen alle
Gesundheitsbehörden der Welt auf die große Bedeutung
der Händehygiene hin, um die Übertragung
respiratorischer Viren durch indirekten Kontakt oder
durch eigene Hand-Gesichtskontakte zu reduzieren
(gleiches gilt im Übrigen für die Prävention
gastrointestinaler Infektionen, deren Erreger, z.B.
Noroviren, ebenfalls über kontaminierte Hände und
nachfolgenden Mundkontakt erworben werden können).
Für die Prävention der Übertragung respiratorischer
Erreger bedeutet das, dass man sich nicht an oder
unter die Maske, fassen soll, weil man dabei seine
Hände kontaminieren und damit über Flächenkontakte
seine Mit-Menschen dem Risiko aussetzen kann, in
Kontakt mit den eigenen Erregern zu geraten und so
eine Infektion zu bekommen, was doch aber gerade durch
die Maske verhindert werden soll.
Händehygiene: Händedesinfektion
Den richtigen Gebrauch von Händedesinfektionsmitteln
muss man lernen, denn Händedesinfektion ist keineswegs
trivial (und wird mit dem medizinischen Personal
wiederholt trainiert, z.B. auch durch Einsatz einer
UV-Lampe, um nach Verwendung eines fluoreszierenden
Händedesinfektionsmittels unter dem UV-Licht sehen zu
können, ob wirklich die gesamte Haut der Hände und
insbesondere die Fingerspritzen incl. Daumen in die
Desinfektion einbezogen wurden). Bei den für die
Händedesinfektion verwendeten Mitteln handelt es sich
um alkoholische Lösungen mit meist 60 – 80 % Alkohol,
die Rückfetter enthalten, damit die Haut nicht zu
trocken wird, denn Alkohol trocknet die Haut sonst aus
(Händewaschen ebenfalls). Sie werden in aller Regel
sehr gut vertragen (Alkohol ist nicht toxisch), aber
es ist trotz Zusatz rückfettender Substanzen eine
ausreichende Hautpflege wichtig, wenn man sich häufig
die Hände desinfizieren muss, wie es bei medizinischem
Personal der Fall ist. Richtig durchgeführt ist
Händedesinfektion wirksamer als Händewaschen
(eliminiert bzw. reduziert mehr potentielle
Infektionserreger in kürzerer Zeit), aber im normalen
Leben ist Händewaschen die Methode der Wahl, während
im medizinischen Bereich bei der Patientenversorgung
(u.a. aus Hautschutzgründen) die Hände nur gewaschen
werden sollen, wenn sie sichtbar verschmutzt sind.
Wenn man in der Öffentlichkeit z.B. beim Einkaufen
unterwegs ist, hat man meist keine Möglichkeit, sich
die Hände zu waschen. Deshalb haben z.B.
Lebensmittelgeschäfte etwa seit dem Frühsommer 2020 an
den Eingängen zu den Geschäften
Händedesinfektionsmittel bereit gestellt, neben
weiteren Desinfektionsmitteln, die für Flächen gedacht
sind (also insbesondere um den Griff des
Einkaufswagens damit abzuwischen), die aber keine
Rückfetter enthalten, wenn sie ebenfalls auf
alkoholischer Basis sind, weil das für diesen
Einsatzzweck nicht erforderlich ist. Verwechseln darf
man deshalb die Händedesinfektionsmittel nicht mit den
Flächendesinfektionsmittel, insbesondere wenn diese
Mittel andere Wirkstoffe enthalten und nicht Alkohol,
denn andere Wirkstoffe dürfen nicht auf der Haut
angewendet werden, weil sie für den Menschen toxisch
sind oder vielleicht ‚nur‘ eine allergisierende
Wirkung haben. Insofern kann schon die Bereitstellung
von
=====
S.74
Desinfektionsmitteln zu fehlerhafter Anwendung durch
die Bevölkerung führen, die den Unterschied zwischen
Hände- und Flächendesinfektionsmitteln nicht kennt
(und normalerweise auch nicht kennen muss). Die
Ablagen, auf denen die Desinfektionsmittel zur
Selbstanwendung angeboten werden, sehen zudem meist
unordentlich aus und vermitteln damit nicht den
Eindruck, dass es bei all dem an sich um Sauberkeit
gehen soll.
Aber einmal angenommen, es wird das richtige Mittel
zur Händedesinfektion verwendet, gibt es eine weitere
Schwierigkeit für die in der Händedesinfektion
ungeübte Bevölkerung: Es reicht nämlich nicht, einfach
irgendeine Menge der Desinfektionslösung zu entnehmen,
sondern es muss eine ausreichende Menge sein, um die
gesamte Haut der Hände damit benetzen zu können. Das
ist je nach Größe der Hand etwas unterschiedlich, in
der Regel sind es etwa 3 mL, die aber selbst für
kleinere Hände erforderlich sind (für größere
entsprechend mehr). Bei dieser Menge hat man eine
Pfütze in der Hohlhand, und das heißt aber auch, dass
eine geringere Menge oder gar nur etwas Sprühnebel
nicht zu einer wirksamen Desinfektion der Hände führen
kann. Diese Pfütze muss man dann – nicht anders als
beim Händewaschen, d.h. im wahrsten Sinne des Wortes
nach dem Prinzip: ‚Eine Hand wäscht die andere‘ – über
beide Hände verteilen, so dass zum einen die gesamte
Haut beider Hände mit dem Mittel benetzt wird. Zum
anderen muss man aber das Mittel auch überall so lange
einreiben, bis die Hände wieder trocken sind. Das
dauert insgesamt 20 – 30 sec, was nur scheinbar kurz
klingt, und dann erst kann man von einer wirksamen
Händedesinfektion sprechen. Das Mittel überall zu
verteilen, muss aber auch ganz bewusst geschehen, denn
es reicht nicht, wenn man nur die Handflächen
aneinander reibt. Vielmehr muss man darauf achten,
dass insbesondere Fingerspitzen und Daumen einbezogen
werden, weil man damit die entscheidenden Kontakte mit
Gegenständen oder Flächen hat. Sicher gehören für eine
effektive Händedesinfektion auch die
Fingerzwischenräume und die Falten der Handinnenfläche
dazu, aber im normalen Leben (wie im Übrigen auch bei
der medizinischen Versorgung von Patienten) hat man
die tatsächlich wichtigen Kontakte mit den
Fingerspitzen (deshalb sind auch lange Fingernägel ein
Hindernis für eine effektive Händedesinfektion, weil
man nicht anders als beim Händewaschen, wenn man keine
Nagelbürste benutzt, mit dem Mittel nicht unter die
Fingernägel kommt). Kontakt mit der flachen Hand oder
den Fingerzwischenräumen hat man sehr viel seltener.
Davon weiß die Bevölkerung nichts (muss sie an sich
auch nicht), aber es wurde ihr eben auch nicht
erklärt. So kann es passieren, dass Personen, die
selbst im Bereich der Medizin arbeiten und von daher
wissen, wie man sich richtig, d.h. wirksam die Hände
desinfiziert, von Mit-Menschen tadelnd angesprochen
werden, sie sollten sich nicht so viel von dem Mittel
nehmen und sich beeilen, denn andere wollten sich
schließlich auch die Hände desinfizieren.
Zusammenfassend kann man sagen, dass mit einiger
Sicherheit die Möglichkeit zur Händedesinfektion nicht
das Waschen der Hände mit Wasser und Seife ersetzen
kann, wo man zumindest einen gewissen mechanischen
Abschwemmeffekt durch das Wasser hat, auch wenn man
vielleicht die Seife nicht wirklich überall über die
Haut der Hände verteilt. Hinzu kommt, dass die Hände,
ganz gleich, was man vorher gemacht hat, also
Händewaschen oder Händedesinfektion, sofort erneut
kontaminiert sind, wenn man wieder an die Maske oder
an andere Gegenstände fasst. Auch das ist der
Bevölkerung nicht bewusst, weil sie es nicht gelernt
hat (und auch nicht lernen musste bzw. muss), dass
nämlich selbst eine regelrechte Händedesinfektion
nicht davor schützt, dass die Hände im nächsten
Moment, d.h. beim nächsten Kontakt mit einem
Gegenstand oder einer Oberfläche, wieder mit
potentiellen Infektionserregern in Kontakt kommen
können, also kontaminiert sind. Das aber lernt
medizinisches Personal. Insofern hilft das vor den
Geschäften bereit gestellte
=====
S.75
Händedesinfektionsmittel nicht, sondern führt nur mehr
zu einer Täuschung und verschafft (noch einmal mehr,
also wie die Masken) ein falsches Gefühl von
Sicherheit.
Nachteile von Masken in Bezug auf die Händehygiene
Alle Gesundheitsbehörden, das BfArM und der
Cochrane-Review geben deutliche Hinweise zum Gebrauch
von Masken bzw. zum erforderlichen Umgang mit Masken
und der dabei unverzichtbaren Händehygiene, damit es
nicht durch ihren Gebrauch zu einer Verbreitung von
SARS-CoV-2 kommt [1, 33, 35, 37, 42, 111].
Kontamination. Masken werden durch den Träger beim
Ausatmen und Sprechen von innen kontaminiert und
können durch Handkontakte und respiratorische
Tröpfchen anderer Personen ebenso von außen
kontaminiert werden. Masken, die im öffentlichen Raum
getragen werden, sollen als ‚Fremdschutz‘ bzw. ‚source
control‘ dienen, so die Theorie, d.h. bei Trägern von
Masken, die (noch) unerkannt infiziert sind, sollen
die beim Sprechen etc. in Töpfchen freigesetzten
Erreger von der Maske aufgefangen werden, damit sie
möglichst nicht (oder zumindest nicht in großer Zahl)
in die Umgebung gelangen.
Bei dieser Annahme ist also die Innenseite der Maske
potentiell (denn man weiß ja nicht, ob man schon
infiziert ist) mit dem Erreger kontaminiert. Das
bedeutet, dass man sich mindestens bei Kontakt mit der
Innenseite der Maske die eigenen Hände mit den aus dem
eigenen Nasen-Rachenraum (NRR) bei (noch) unbemerkter
Infektion freigesetzten Erregern kontaminieren kann,
ähnlich wie es bei einer Berührung der eigenen
Schleimhäute von Augen, Nase oder Mund geschieht. Mit
den so möglicherweise kontaminierten Händen berührt
man dann wiederum auch öffentliche Oberflächen (z.B.
den Griff vom Einkaufswagen oder den Handlauf von
Rolltreppen). Anschließend werden diese Oberflächen
von anderen Personen ebenfalls angefasst, wodurch es
zu einer Verbreitung der Erreger aus dem NRR des
Maskenträgers kommen kann.
Durchfeuchtung. Jede Maske (auch die professionelle
medizinische Maske) wird beim längeren Tragen früher
oder später durch die Ausatemluft durchfeuchtet und
dadurch durchlässig und stellt dann keine Barriere
mehr da. Vielmehr sind die potentiellen
Infektionserreger aus dem NRR (dies können im Übrigen
auch Bakterien sein, wie insbesondere Staphylococcus
aureus, einer der häufigsten Erreger eitriger
Infektionen von z.B. Zufallswunden) bei einer
durchfeuchteten Maske nicht nur auf der Innenseite zu
finden, sondern auch auf der Außenseite.
Darauf weist man als Mitarbeiter in der
Krankenhaushygiene das klinisch tätige Personal hin,
wie das medizinische Personal im Übrigen auch immer
wieder an den korrekten Gebrauch von Masken erinnert
wird, z.B. um sich nicht die Hände mit den
potentiellen Infektionserregern aus dem eigenen NRR zu
kontaminieren, wenn die Maske gegen die Regeln doch um
den Hals hängend getragen wird, um sie später wieder
aufzusetzen.
RKI, ECDC, CDC und WHO betonen mit Nachdruck, dass
äußerst sorgfältige Händehygiene und das Vermeiden von
Hand-Gesichtskontakten essentiell sind und durch den
Gebrauch von Masken in der Öffentlichkeit nicht
vernachlässigt werden dürfen.
Auch das BfArM hat entsprechende Warnungen und
Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Masken (MNB, MNS
bzw. OP-Maske, FFP-Maske) für die Öffentlichkeit
herausgegeben. Ausdrücklich stellte das BfArM noch im
Frühjahr 2020 fest, dass Träger von Community-Masken
sich nicht darauf verlassen können, dass die Masken
sie oder andere vor einer Übertragung des neuen
Coronavirus schützen, da für diese Masken keine
entsprechende Schutzwirkung nachgewiesen wurde. Diese
(korrekte) Darstellung ist seit November 2020
=====
S.76
nicht mehr auf den Internetseiten des BfArM verfügbar.
Stattdessen hieß es dort mit Datum vom 12.11.2020:
‚Unabhängig von normativ definierten
Leistungsnachweisen, wie sie für medizinische
Gesichtsmasken und partikelfiltrierende Halbmasken
gefordert sind, wurde inzwischen auf Basis der
breiten, international gewonnenen Erfahrungen die
Wirksamkeit der Mund-Nasen-Bedeckungen im Sinne eines
allgemeinen Bevölkerungsschutzes in zahlreichen
wissenschaftlichen Publikationen bestätigt (Ref.).
Dabei ist die Schutzwirkung der Masken abhängig von
der Dichtheit und Qualität des verwendeten Materials,
der Anpassung an die Gesichtsform und der Anzahl
Lagen. Fest gewebte Stoffe sind in diesem Zusammenhang
z.B. besser geeignet als leicht gewebte Stoffe. Durch
das richtige Tragen guter ‚Alltagsmasken‘ kann also
nach derzeitigem Erkenntnisstand die Gefährdung durch
erregerhaltige Tröpfchen deutlich gemindert werden.‘
Nachdem aber im Januar 2021 im Bund beschlossen wurde,
dass nur noch medizinische Masken (Mund-Nasen-Schutz =
MNS bzw. OP-Masken oder FFP2) getragen werden dürfen,
wurde der Text entsprechend angepasst und lautet
inzwischen (zuletzt eingesehen: 29.03.2021) [111]:
‚Alltagsmasken erbringen nicht die in den technischen
Normen definierten Leistungsnachweise, wie sie für
medizinische Gesichtsmasken und partikelfiltrierende
Halbmasken gefordert sind. Sie bieten also in der
Regel weniger Schutz als diese regulierten und
geprüften Maskentypen. Das bedeutet aber nicht, dass
sie keine Schutzwirkung haben. International gibt es
zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen, die
die gewonnenen Erfahrungen über die Wirksamkeit der
Mund-Nasen-Bedeckungen im Sinne eines allgemeinen
Bevölkerungsschutzes bestätigen (Ref.). Dabei ist die
Schutzwirkung der Masken abhängig von der Dichtheit
und Qualität des verwendeten Materials, der Anpassung
an die Gesichtsform und der Anzahl der Stoff-Lagen.
Fest gewebte Stoffe sind in diesem Zusammenhang
beispielsweise besser geeignet als leicht gewebte
Stoffe. So kann das richtige Tragen guter
Alltagsmasken also nach derzeitigem Erkenntnisstand
die Gefährdung durch erregerhaltige Tröpfchen deutlich
mindern.‘
(Die angegebenen Referenzen bestätigen die
Effektivität von Masken nicht; siehe oben unter der
Überschrift RKI: ‚Erste wissenschaftliche Hinweise‘
für den Fremdschutz, S. 32 des Gutachtens).
Folgendermaßen hat das BfArM darin die Regeln für den
Gebrauch von Masken formuliert (hier zusammengefasst
für die verschiedenen Maskentypen) [111]:
--- Die Masken sollten nur für den privaten Gebrauch
genutzt werden.
--- Die Tipps zur Hygiene,
wie sie in den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts
(RKI, www.rki.de) und der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BzgA,
www.infektionsschutz.de) stehen, sollten befolgt
werden. Nur so schützen wir uns und andere vor der
Verbreitung des Coronavirus.
--- Auch mit Maske sollte
der vom RKI empfohlene Sicherheitsabstand von
mindestens 1,5 m zu anderen Menschen eingehalten
werden.
--- MNB. Die Maske muss gut
passen und über Mund, Nase und Wangen sitzen. Die
Ränder der Maske sollten eng anliegen, damit möglichst
wenig Luft an der Maske vorbei geatmet wird. Am besten
ist, man probiert verschiedene Maskenformen aus, bis
man eine passende gefunden hat.
=====
S.77
--- MNS. Die Maske muss gut
passen und über Mund, Nase und Wangen sitzen. Die
Ränder der Maske sollten eng anliegen, damit möglichst
wenig Luft an der Maske vorbei eingeatmet wird. Durch
eine Anpassung der Länge der Ohrschlaufen (z.B.
Knoten) kann der Dichtsitz verbessert werden.
--- FFP2. Die Maske muss
gut passen und über Mund, Nase und Wangen sitzen. Die
Ränder der Maske sollten eng anliegen und keine
Luftströme an der Maske vorbei erlauben. Eine
FFP-Maske kann ihre volle Filterleistung nur dann
erbringen, wenn sie dicht sitzt.
--- Bei der ersten
Verwendung sollte getestet werden, ob die Maske
genügend Luft durchlässt, um das normale Atmen
möglichst wenig zu behindern.
--- Eine durchfeuchtete
Maske sollte abgenommen und gewechselt werden.
--- Beim Aufsetzen und
Abnehmen der Maske sollte diese möglichst nur an den
Bändern der Maske angefasst werden.
--- Nach Absetzen der Maske
sollten die Hände unter Einhaltung der allgemeinen
Hygieneregeln gründlich gewaschen werden (mindestens
20 bis 30 Sekunden mit Seife).
--- Die Maske sollte nach
dem Abnehmen in einem Beutel o.ä. luftdicht
verschlossen aufbewahrt oder sofort gewaschen werden.
Die Aufbewahrung sollte nur über möglichst kurze Zeit
erfolgen, um vor allem Schimmelbildung zu vermeiden.
--- MNB. Masken sollten
idealerweise bei hohen Temperaturen gewaschen werden.
Am besten bei 95 °C, mindestens aber bei 60 °C. Keine
Kurzwaschprogramme verwenden und anschließend
vollständig trocknen lassen. Beachten Sie unbedingt
alle weiteren Herstellerangaben, wie z.B. die Anzahl
der Waschungen, die die Maske aushält, ohne ihre
Funktion zu verlieren.
--- MNS / FFP2. Die Masken
sind vom Hersteller als Einwegprodukte vorgesehen. Sie
sollten regelmäßig gewechselt und nach Verwendung
entsorgt werden.
Realität beim Umgang mit Masken in der Öffentlichkeit
Ein korrekter Umgang mit Masken ist beim medizinischen
Personal, wie bereits erwähnt, nicht immer leicht zu
erreichen. Bei der Bevölkerung aber sind alle diese
als unverzichtbar angesehenen Anforderungen auch nicht
im Ansatz zu verwirklichen. So ist beim Einkaufen z.B.
zu beobachten:
--- Die Maske wird häufig
mit den Händen zurechtgerückt.
--- Sie wird oft so
getragen, dass die Nase unbedeckt ist.
--- Sie ist für
Brillenträger besonders problematisch, weil die Brille
beschlägt, denn im Gegensatz zu einem professionellen
chirurgischen MNS fehlt bei der Community-Maske in der
Regel ein leicht biegsamer Bügel, den man gut an die
Anatomie der Nase anpassen kann. Man muss also die
Brille wiederholt abnehmen und aufsetzen und kommt
dabei unvermeidlich mit den Händen an die Außenseite
der Maske.
--- Auch wenn nicht
besonders warmes Wetter herrscht, schwitzt man unter
der Maske und geht von daher auch immer wieder mit den
Händen an die Maske oder sogar darunter.
--- Außerhalb der Läden
wird die Maske häufig nur teilweise abgenommen und
hängt dann mit einer Schlinge über einem Ohr, wird
unter das Kinn geschoben, wird am Handgelenk oder
Unterarm getragen oder sie wird abgenommen und einfach
in die Hand-, Hosen- oder Jackentasche gesteckt.
Ferner kann man beobachten, dass die Maske (manchmal
auch mehrere gleichzeitig), um stets griffbereit für
den nächsten Gebrauch zu sein, im Auto am Rückspiegel
hängt.
Man muss sich allerdings auch fragen, wie man es
unterwegs anders machen soll, selbst wenn man bemüht
ist, seine Hände möglichst nicht an der Maske zu
kontaminieren:
--- Man kann sich nicht die
Hände waschen, wenn man aus dem Auto steigt und vor
Betreten des Ladens die Maske aufsetzen muss, und man
kann sich auch nach
=====
S.78
Verlassen des Ladens, wenn die Maske wieder abgesetzt
wurde, nicht die Hände waschen.
--- Auch Händedesinfektionsmittel stehen nicht immer
zur Verfügung.
Die nächste Frage ist, wie man es kontaminationsfrei
bewerkstelligen soll, die Masken nach jedem Gebrauch
zu versorgen, wenn man in mehrere Geschäfte gehen
muss:
--- Eine Möglichkeit wäre, die Maske nach Verlassen
eines Geschäfts einfach aufzulassen, wie man es bei
manchen Menschen beobachten konnte. Dann könnte man
alle Besorgungen (und die Wege dazwischen, wenn es
Fußwege sind) mit einer einzigen Maske machen. Die
Menschen laufen dann im Freien mit einer Maske herum,
wo sie meist nicht vorgeschrieben ist.
--- Es ist wahrscheinlich, dass das Maskenmaterial
während mehrerer Einkäufe durchfeuchtet.
Im Alltag ist das eine unlösbare Aufgabe, will man zig
Millionen Bürger dazu bringen, diese notwendigen
Vorsichtsmaßnahmen beim Gebrauch von Masken
einzuhalten, wenn das schon beim medizinischen
Personal nicht ganz einfach ist, wo aber mit dem
Hygienefachpersonal (Hygienefachkräfte,
Krankenhaushygieniker) immer Personen vor Ort an den
richtigen Umgang erinnern können: Es ist
wirklichkeitsfremd. Deshalb ist die Masken-Empfehlung
des RKI nicht damit zu rechtfertigen, dass auf die
erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen hingewiesen wird,
und zwar, weil es sich um unerfüllbare Forderungen
handelt, die zwangsläufig und für alle Fachleute
erkennbar nicht umgesetzt werden (können).
Aus einer Maskenpflicht für viele Millionen Bürger in
Deutschland können jeden Tag zig-millionenfache
Kontaminationen resultieren, die zu einem wesentlichen
Teil vermeidbar wären, weil die ohnehin schon häufigen
Hand-Gesichtskontakte der Menschen durch die
Maskenpflicht noch häufiger werden, Händewaschen
unterwegs aber nur ausnahmsweise möglich ist, und für
eine entsprechend häufige Händedesinfektion müsste
jeder Bürger Händedesinfektionsmittel dabei haben.
Dabei besteht das Risiko, dass der – schon
zwangsläufig – unsachgemäße Umgang mit der Maske und
die erhöhte Tendenz, sich selbst ins Gesicht zu
fassen, während man die Maske trägt, tatsächlich das
Risiko einer Erregerverbreitung und damit
Erregerübertragung noch erhöht, ein Risiko, das man
aber gerade durch die Maske reduzieren will. Die
Zunahme der positiven Testergebnisse seit Beginn der
Maskenpflicht kann somit auch auf die Maskenpflicht
selbst zurückgeführt werden.
C. Aerosol-Übertragung
Im Folgenden soll die Frage erörtert werden, ob und
ggf. welche Rolle infektiöse ‚Aerosole‘ bei der
Übertragung des neuen Coronavirus spielen. Die Frage
der Aerosol-Übertragung ist im Zusammenhang mit der
potentiellen Effektivität von Masken und auch unter
dem Aspekt der sog. unbemerkten Übertragung wie ebenso
für die Abstandsforderungen von großer Bedeutung.
Nahezu alle von der Politik eingesetzten
‚Hygienemaßnahmen‘ haben die Aerosol-Übertragung als
Grundlage, auch wenn sie nicht (immer) explizit damit
begründet werden: Es gibt aber für Maßnahmen wie den
Rundum-Abstand oder die FFP2-Maskenpflicht oder das
Lüften keine andere Erklärung. Wie in den folgenden
Betrachtungen dargestellt werden soll, ist die Theorie
der Aerosol-Übertragung medizinisch weder plausibel
noch wissenschaftlich belegt.
=====
S.79
Die zunehmende Bedeutung der Aerosol-Übertragung in
Deutschland
Ein Gemisch schwebefähiger Partikel in Luft bezeichnet
man als Aerosol. Von der Berichterstattung in den
Medien bis zu Fachartikeln wird der Begriff ‚Aerosol‘
jedoch häufig auf die schwebefähigen Partikel
reduziert. Korrekt muss man von Aerosol-Partikeln
reden. Dabei muss es sich nicht um Infektionserreger
handeln, denn alle schwebefähigen Partikel können ein
Aerosol bilden.
Inzwischen halten viele bei SARS-CoV-2 den
Übertragungsweg via Aerosol (also eine Übertragung
durch die Luft oder aerogene Übertragung) für
relevant. Gemäß der aktuellsten Darstellung der
Übertragungswege durch die WHO (vom 01.12.2020) wird
das neue Coronavirus (wie alle anderen
respiratorischen Viren) über (große) Töpfchen
respiratorischen Sekrets und über direkte und
indirekte Kontakte mit respiratorischem Sekret
infizierter Menschen übertragen [42, 116]. Eine
Aerosol-Übertragung außerhalb der medizinischen
Versorgung (wo ggf. Aerosol-produzierende Maßnahmen
angewendet werden, wie z.B. das offene endotracheale
Absaugen intubierter Patienten) könne zwar nicht
ausgeschlossen werden, aber die detaillierte
Untersuchung aller publizierten Cluster, bei denen die
jeweiligen Autoren eine Aerosol-Übertragung postuliert
oder zumindest für wahrscheinlich gehalten haben,
legten nahe, so die WHO, dass eine Übertragung via
sog. große Tröpfchen und / oder kontaminierte
Gegenstände (also Kontakt) die Erregerübertragung
innerhalb dieser Cluster ebenfalls erklären könne
[116].
Auch die anderen internationalen Gesundheitsbehörden
(ECDC, CDC) stimmen darin überein, dass der Erreger
von COVID-19 – wie andere virale respiratorische
Erreger auch – hauptsächlich über große Tröpfchen und
Kontakt übertragen wird [117, 118]. Das RKI legt sich
nicht fest und hält die Aerosolübertragung prinzipiell
für möglich, betont diesen Übertragungsweg aber nicht
[119]. Die Rolle der aerogenen Übertragung bei
SARS-CoV-2 ist also wissenschaftlich mindestens
unklar.
Dennoch wurde schon kurz nach Beginn der Pandemie im
Frühjahr 2020 von unterschiedlichen Wissenschaftlern
(insbesondere von Virologen, bald aber auch von
Aerosol-Physikern) die Aerosol-Übertragung in den
Vordergrund gerückt (dies auch im Hinblick auf die
behauptete asymptomatische / präsymptomatische
Übertragung) und nachfolgend in der Öffentlichkeit
durch die Medien als mindestens ebenso wichtiger
Übertragungsweg wie die Übertragung durch (große)
Tröpfchen (> 5 μm) dargestellt. Mittlerweile wird
eine Übertragung durch Aerosol-Partikel in der Politik
und in der Öffentlichkeit für so wichtig gehalten,
dass die Bundesregierung im September 2020 das
‚Lüften‘ in ihre AHA-Regel aufgenommen hat. Aus
demselben Grund wurde in zahlreichen Kliniken auf
Initiative der jeweiligen Klinikleitungen die
Verwendung von FFP2-Masken für das Personal
verpflichtend gemacht – dies aber, ohne dass das RKI
es empfohlen hätte, denn dort bleibt man – bisher
zumindest – unverändert bei der Empfehlung,
FFP2-Masken nur bei engem Patientenkontakt (=
Forderung des Arbeitsschutzes) und bei sog.
Aerosol-produzierenden Maßnahmen zu verwenden [119].
Selbst wenn aber z.B. die Virus-RNA des neuen
Coronavirus (oder die Nukleinsäure sonstiger
respiratorischer Viren) aus der Luft nachgewiesen
werden konnte, kann daraus nicht der Schluss gezogen
werden, dass es sich um vermehrungsfähige und
infektionstüchtige Viren gehandelt hat [42]. Ebenso
ist die Freisetzung bereits schwebefähiger Tröpfchen
beim Sprechen, Niesen, Husten oder Singen kein Beweis
für eine Übertragung durch Aerosol-Partikel, weil das
Zustandekommen einer Infektion neben (1) der
Abwehrlage der Kontaktpersonen und ggf. vorhandenen
prädisponierenden chronischen Krankheiten, (2) von der
Art und Dauer des Kontaktes, (3) von der Stabilität
des Virus in der
=====
S.80
Luft, (4) von der Menge des Erregers und (5) von der
Zahl der prinzipiell erreichbaren empfänglichen Zellen
(= Zellen mit ACE-2-Rezeptoren) abhängt.
Das Ergebnis der ständigen Erwähnung von ‚Aerosolen‘
ist zum einen, dass Innenräume nun häufig und trotz
Kälte auch nicht nur kurz gelüftet werden sollen, so
dass Schulkinder in der kalten Jahreszeit warm
angezogen im Unterricht sitzen mussten, oder man z.B.
bei einer längeren Zahnarztbehandlung anfängt zu
frieren, weil die Fenster dauergeöffnet sind. Es wird
darüber hinaus ernsthaft daran gedacht (bzw. von
Politikern und Aerosol-Forschern gefordert), teure
Hochleistungs-Luftreinigungsgeräte mit
Schwebstofffiltern (sog. HEPA-Filter der Klasse F 14,
also ein Filtermaterial, das in der Lage ist, auch so
winzige Partikel wie Viren abzuscheiden, die um ein
Vielfaches kleiner sind als Bakterien, für deren
Eliminierung man, z.B. in OP-Sälen, ‚nur‘ Filter der
Klasse F 13 verwendet), z.B. für Schulen oder
Restaurants, anzuschaffen, dies aber ohne eine solide
wissenschaftliche Evidenz. Denn auch die WHO fordert
wissenschaftliche Untersuchungen hoher Qualität, um
die Übertragungswege, die Infektionsdosis und die
Settings zu klären bzw. zu überprüfen, unter denen
Übertragungen mit SARS-CoV-2 vermehrt auftreten [42].
Verhalten von Aerosol-Partikeln in der Luft
Respiratorische Tröpfchen bestehen aus Glykoproteinen
und Salzen in wässriger Lösung, und darin können
Infektionserreger verteilt sein. Potentiell-infektiöse
Aerosole entstehen einerseits außerhalb des Körpers,
wenn der Wassergehalt kleiner respiratorischer
Tröpfchen in der (im Vergleich zu den Atemwegen)
trockenen Umgebungsluft durch Verdunstung reduziert
wird und auf diese Weise schwebefähige Partikel
entstehen [120 – 128]. Solche winzigen Tröpfchen
werden aber auch bereits aus den tiefen Atemwegen
abgeatmet [123, 124]. Wird z.B. beim Husten eine Wolke
größerer und kleinerer Tröpfchen (droplets)
freigesetzt, sedimentieren die großen nah an der
Stelle der Freisetzung, und die kleineren werden durch
Verdunstung schnell zunehmend kleiner und verschwinden
zum Teil komplett, wenn sie keinen Erreger in sich
eingeschlossen hatten, d.h. wenn sie keinen ‚Kern‘
hatten. Man spricht deshalb in der internationalen
infektiologischen Fachliteratur seit Jahrzehnten von
sog. Tröpfchen-Kernen (droplet nuclei =
Aerosol-Partikel). Die initial freigesetzte Wolke
bleibt zudem nicht einfach in der Luft vor der Person
stehen, sondern wird zusätzlich zur Reduktion durch
Sedimentation und Verdunstung auch noch durch die
Luftbewegungen zerteilt, damit durch die Luft
verdünnt, bis einzelne Partikel frei schweben und mit
den Luftbewegungen in der Raumluft verteilt werden.
Größere und damit schwerere Tröpfchen sind kurz nach
der Freisetzung aus der Luft verschwunden, nachdem sie
auf irgendeine Oberfläche sedimentiert sind. Übrig
bleiben die kleineren, die sehr viel langsamer
sedimentieren und dabei meist sehr schnell verdunsten,
also rasch sukzessive kleiner werden, und außerdem die
winzigen Tröpfchen, die in der ausgeatmeten Luft
bereits schwebefähig sind, also bereits als
Aerosol-Partikel aus den (tiefen) Atemwegen abgegeben
werden [123, 124]. Ausmaß und Schnelligkeit der
Verdunstung sind abhängig (1) von der relativen
Luftfeuchtigkeit: je niedriger, umso schneller, (2)
von der Lufttemperatur: je höher, umso schneller, und
nicht zuletzt (3) von ihrer initialen Größe: je
kleiner, umso schneller bis hin zu blitzartig [127].
Beim Husten und Niesen werden besonders viele
Tröpfchen freigesetzt, die noch dazu aufgrund der
Kraft des Hustens oder Niesens quasi in die Luft
geschleudert werden und deshalb größere Entfernungen
(mehrere Meter) zurücklegen können [120, 121]: Die
meisten haben einen Durchmesser von < 100 μm (zum
Vergleich: 1 mm = 1.000 μm). Diese Größe haben ca. 80
– 95% der beim Husten und ca. 99% der beim Niesen
freigesetzten Tröpfchen.
=====
S.81
Beim Husten sind knapp 50% dieser Tröpfchen kleiner
als 4 μm und beim Niesen knapp 20%, und damit sind sie
bereits initial schwebefähig, werden aber auch sofort
durch Verdunstung noch kleiner, bis sie ggf.
verschwunden sind (wenn kein ‚Kern‘ vorhanden war).
Auch die restlichen etwas größeren Tröpfchen trocknen
rasch ein und können dadurch ebenfalls zu
schwebefähigen Partikeln werden, aber wiederum nur
dann, wenn nach der Verdunstung des Wasseranteils
feste Bestandteile übrigbleiben, z.B. Salzkristalle
oder eingetrocknetes Eiweiß, oder wenn das Tröpfchen
als ‚Kern‘ einen Infektionserreger enthielt. Wenn ein
solcher Kern aber nicht vorhanden war, können
folgerichtig aus solchen Tröpfchen nach der
Verdunstung auch keine potentiell infektiösen
Aerosol-Partikel entstehen.
Auch wenn Aerosol-Physiker die Tröpfchen-Wolken, z.B.
beim Husten, oder mit künstlichen Aerosol-Partikeln
eindrucksvoll visualisieren können, sind die meisten
von Menschen freigesetzten Tröpfchen innerhalb
kürzester Zeit aus der Luft verschwunden (durch rasche
Verdunstung und Sedimentation). Nur der Teil der
Tröpfchen kann zu einer Bildung von infektiösen
Aerosol-Partikeln führen, der bei der Freisetzung
einen Kern aus Infektionserregern enthielt, die nach
der Verdunstung als schwebefähige Partikel in der Luft
bleiben.
Aerosol-Physiker betonen auch stets, dass ein Aerosol
prinzipiell stundenlang ‚in der Luft stehen‘ kann,
wenn es nicht durch Luftbewegungen zerteilt und durch
Lüftung – natürliche Belüftung durch Fenster oder
mechanische Belüftung durch raumlufttechnische (RLT-)
Anlagen (sog. Klimaanlagen) – entfernt wird. Dies gilt
prinzipiell auch für Tröpfchen-Kerne, die z.B. nach
einem Hustenstoß entstanden sind. Wenn Tröpfchen-Kerne
aus Infektionserregern bestehen, hängt ihre
potentielle Infektiosität maßgeblich von drei Faktoren
ab (siehe unten): (1) Wie lange können die Erreger
frei in der Luft schwebend infektionstüchtig bleiben?
(2) Können die Erreger an die spezifischen Zielstellen
(genauer: Zellen) in den Atemwegen gelangen, wo sie
ihre Eintrittspforte haben, wo sie also hingelangen
müssen, um die jeweilige Infektion auslösen zu können?
(3) Erreichen genügend Erreger die Zielzellen einer
prinzipiell empfänglichen Person, damit eine Infektion
entstehen kann?
Aerosol-Partikel, die z.B. nach Husten aus dem dabei
freigesetzten respiratorischen Sekret durch
Verdunstung entstanden sind oder als bereits
schwebefähige Partikel freigesetzt werden, enthalten
aber nicht alle den Erreger, der ggf. aus dem
respiratorischen Sekret nachgewiesen werden kann. Das
gilt selbst dann, wenn eine Person eine akute
Infektion der Atemwege hat, also eine entsprechend
hohe Erregerkonzentration im respiratorischen Sekret
aufweist. Man ist demnach z.B. bei einer
Virusinfektion der oberen Atemwege nicht zwangsläufig
eine sog. ‚Virenschleuder‘ (das zeigen z.B. auch die
Ergebnisse der Hongkong-Studie [30]). Ein großer Teil
der freigesetzten größeren und kleineren bis hin zu
winzigen Tröpfchen ist also auch dann nicht infektiös,
wenn man gerade eine akute Erkältung hat, sondern dies
betrifft nur einen kleinen Teil der Tröpfchen aller
Größenordnungen [122, 125].
So wird in einem Artikel dargestellt, dass bei einer
Virus-Konzentration von 7 x 106 Kopien pro mL die
Wahrscheinlichkeit nur 0,01% beträgt, dass ein 1
μm-Tröpfchen (bei seiner Freisetzung mit Wasserhülle
noch 3 μm groß) ein Viruspartikel enthält [129]. Für
ein 50 μm-Tröpfchen sei die Wahrscheinlichkeit vor der
Verdunstung ca. 37%, für ein 10 μm-Tröpfchen aber
schon auf 0,37% reduziert und, dass ein solches
Tröpfchen mehr als ein Virus-Partikel enthält (unter
der Annahme einer homogenen Verteilung im
Nasen-Rachensekret), sei vernachlässigbar [129].
Inzwischen ist es durch die zahllosen Medienberichte
einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass sich
schwebefähige Partikel mit den Luftbewegungen (mit
oder ohne mechanische
=====
S.82
Belüftung, sog. Klimaanlage) über viele Meter in der
Raumluft verteilen können, dass sie dadurch aber auch
massiv verdünnt werden, je weiter sie sich von der
Quelle entfernen, wird meist nicht erwähnt, obwohl
dieser Aspekt entscheidend ist für das
Infektionsrisiko. Auch bei der Maskenpflicht im
Freien, die – unausgesprochen – ebenso wie der
Rundum-Abstand (siehe Beweisfrage 4) auf die
Aerosol-Theorie zurückzuführen ist, wird der Aspekt
der Verdünnung in der Luft, die ja an der Außenluft
sehr effektiv ist, viel zu wenig beachtet, dabei ist
dieser Faktor essentiell und würde zur Beruhigung der
Menschen beitragen, die sich vor dem Virus fürchten.
Es folgt daraus, dass eine Maskenpflicht im Freien, ob
in Fußgängerzonen oder z.B. auf einem Bauernmarkt,
eine irrationale Maßnahme ohne Infektionsschutzeffekt
ist.
Verhalten von Aerosol-Partikeln in den Atemwegen
Da sog. große Tröpfchen (> 5 μm) kurz nach der
Freisetzung sedimentieren, können sie nur bei engem
face-to-face-Kontakt (< 1 – 2 m) und nur
möglicherweise (denn nicht alle landen dort, sondern
z.B. auch nur auf der Haut im Gesicht) die
Schleimhäute von Augen, Nase oder Mund erreichen, d.h.
sie können, wenn überhaupt, nur in die oberen Atemwege
gelangen. Je kleiner Partikel sind, umso weiter
dringen sie bis in die tiefen Atemwege vor. Für
Aerosol-Therapien macht man sich diese Eigenschaften
zunutze [122]: (1) Bei Erkrankungen im Bereich der
Nase werden Partikel von > 5 μm im Durchmesser
verwendet, (2) bei Erkrankungen im Bereich der Trachea
und der großen Bronchien Partikel von 2 – 5 μm und (3)
bei pulmonalen Erkrankungen Partikel von 2 – 0,5 μm,
die bis in die kleinsten Bronchien und Lungenbläschen
(Alveolen) vordringen können. Aus Simulationsmodellen
ist die Depositionsrate für Aerosol-Partikel in den
Atemwegen bekannt [123]: Danach werden Partikel von 1
μm zu 94% in der Lunge deponiert und nur zu 6% in den
oberen Atemwegen einschließlich der Luftröhre
(Trachea). Partikel mit einem Durchmesser von 2,5 μm
werden nur in 4% in der Nase deponiert.
Sehr kleine Aerosol-Partikel können aber nicht nur aus
der Umgebungsluft in die Lunge inhaliert werden,
sondern sie werden dort, also in der Lunge, auch
produziert und ausgeatmet [123]. Mittels Lasertechnik
wurden diese Partikel bei Versuchspersonen vermessen
[124]: Dabei zeigte sich, dass beim ruhigen Atmen
keine Partikel > 5 μm freigesetzt wurden, dass aber
sehr viele kleinste Partikel von etwa 0,4 μm im
Durchmesser ausgeatmet werden, die Lunge also eine Art
‚Aerosol-Generator‘ sei (durch spezielle Atem-Manöver
konnte gezeigt werden, dass diese winzigen Partikel in
der Lunge entstehen und nicht erst in den oberen
Atemwegen).
Daraus kann man schließen, dass diese Aerosol-Partikel
nur dann infektiös sein können, wenn eine Person eine
Pneumonie (= Lungenentzündung) hat, und das ist bei
einer Infektion mit SARS-CoV-2 bekanntlich bei den
meisten Menschen nicht der Fall – und wenn man doch
eine Pneumonie hätte, ist man (1) schwer erkrankt und
kann deshalb (2) keinesfalls unter Menschen gehen
(Restaurant, ÖPNV, Läden etc.). Somit kommt man aus
diesen Gründen auch nicht als Quelle für
Erregerübertragungen im öffentlichen Raum in Frage.
Als entscheidende Voraussetzung dafür, dass es
überhaupt durch die Inhalation von Aerosol-Partikeln
zu einer Infektion kommen könnte, müssen die
freigesetzten Partikel den Erreger enthalten, und dazu
müssen die Partikel am Ort der Infektion entstehen
[128].
In der Raumluft akkumulieren aus
Aerosol-physikalischen Gründen gerade die sehr kleinen
(in der Lunge produzierten) Partikel von etwa 0,4 μm
Größe und können sehr lange in der Luft bleiben,
während die größeren und auch die noch kleineren
verschwinden [124]. Ein
=====
S.83
Partikel dieser Größe könne vermutlich mindestens ein
Viruspartikel aufnehmen, und somit schlussfolgert der
Autor (ein Aerosol-Physiker), dass Personen mit einer
Infektion durch SARS-CoV-2 schon beim Atmen
schwebefähige Partikel freisetzen, die das Virus
enthalten, und dass diese infektiösen Partikel lange
in der Raumluft bleiben – und somit von anderen
Menschen inhaliert werden könnten [124]. Dazu (siehe
oben) müsste eine infizierte Person jedoch eine
Pneumonie haben, denn diese winzigen Partikel werden
in der Lunge gebildet.
Der größte Teil (70%) der eingeatmeten lungengängigen
Partikeln zwischen 0,1 und 0,5 μm wird wieder
ausgeatmet, d.h. nur etwa 30% dieser kleinsten
Partikel wird irgendwo in den tiefen Atemwegen (=
Lunge) deponiert, der größere Teil dringt bei der
Einatmung nur kurz ein, verlässt dann aber die
Atemwege wieder bei der nächsten Ausatmung [123, 124].
Damit respiratorische Viren eine Infektion der
Atemwege verursachen können, müssen infektiöse
Partikel auf den speziellen Zellen der Schleimhaut
landen (impaktieren), wo die Erreger ihre spezifischen
Bindungsstellen finden, also nicht einfach irgendwo in
den Atemwegen auf irgendwelchen Zellen. Bei SARS-CoV-2
sind das in erster Linie die Zellen mit sog.
ACE-2-Rezeptoren, die besonders ausgeprägt an den
Flimmerzellen der Nasenschleimhaut vorhanden sind
[62]. Zellen mit ACE-2-Rezeptoren werden absteigend im
Bereich der tieferen Atemwege sukzessive wesentlich
seltener [125]. Damit also das neue Coronavirus eine
Infektion verursachen kann, muss es die Flimmerzellen
der Nasenschleimhaut erreichen und an die spezifischen
Rezeptoren binden. Bei herabgesetzter Beweglichkeit
der Flimmerzellen (= reduzierte sog. mukoziliare
Clearance, z.B. bei starken Rauchern oder bei Diabetes
mellitus) ist die Dauer verlängert, die die Erreger
dort quasi verharren können, und damit die Chance auf
Bindung an die Rezeptoren erhöht [120].
Typischerweise entwickeln die mit dem neuen
Coronavirus infizierten Patienten primär eine obere
Atemwegsinfektion, wenn sie überhaupt Symptome
entwickeln. Eine Pneumonie, also Infektion der tiefen
Atemwege, entsteht, wenn überhaupt, erst sekundär mit
einer Verzögerung von etwa 7 Tagen nach Beginn der
initialen Symptome in den oberen Atemwegen. Es kommt
also auch bei den Patienten, die im Laufe der
Erkrankung eine Pneumonie entwickeln, nicht bereits
primär zur Erkrankung der Lunge. Dies geschieht
wahrscheinlich erst über Mikroaspirationen (die im
Übrigen auch bei gesunden Menschen im Tiefschlaf
vorkommen), wodurch infektiöses Sekret aus dem
Nasen-Rachenraum in die Lunge gelangt und insbesondere
bei hohem Lebensalter und chronischen Krankheiten dort
sekundär zur Infektion führen kann, wodurch der
Krankheitsverlauf erst schwer und lebensbedrohlich
wird [122].
Das neue Coronavirus muss sich also primär in den
oberen Atemwegen absiedeln, um eine Infektion
verursachen zu können [62] und erzeugt deshalb auch
zunächst immer nur eine obere Atemwegsinfektion und
erst sekundär (nach einer Latenz von etwa einer Woche)
bei Personen mit bestimmten Risikofaktoren durch
Absteigen der Erreger ggf. auch eine Pneumonie. Bei
den meisten Menschen bleibt es bei eher harmlosen
Symptomen der oberen Atemwege mit oder ohne Husten.
Für die Theorie der Aerosol-Übertragung bedeutet dies:
Da Aerosol-Partikel in weit überwiegendem Maße sofort
in die tiefen Atemwege vordringen, eine Infektion dort
aber, wenn sie überhaupt zustande käme, nicht zu den
Symptomen einer oberen Atemwegsinfektion führen kann,
sondern an Ort und Stelle zu einer Pneumonie führen
würde, falls Zellen mit ACE-2-Rezeptoren erreicht
werden (dieser Ablauf der Infektion mit primärer
Pneumonie aber nicht vorkommt), kann die
Aerosol-Übertragung von SARS-CoV-2 aus medizinischer
Sicht de facto keine Rolle spielen.
=====
S.84
Bedeutung von Virus-RNA-Nachweisen aus der Luft
Ob bei respiratorischen Viren der Nachweis von
Virus-Nukleinsäure (bei Coronaviren: RNA) mittels PCR
außerhalb des Körpers, also z.B. aus Luftproben,
bedeutet, dass die gefundene Nukleinsäure aus einem
intakten (und damit prinzipiell infektionstüchtigen)
Viruspartikel stammt, ist mit dem reinen RNA-Nachweis
nicht zu beantworten – und wird eher selten
untersucht, weil es relativ aufwendig ist. Aber auch
die Bestätigung eines intakten (d.h.
vermehrungsfähigen) Virus mittels Zellkultur kann
nicht mit dem Nachweis der Infektiosität dieser Viren
unter normalen Lebensumständen gleichgesetzt werden.
Denn die sog. Beimpfung einer Zellkultur ist ein
Vorgang unter Laborbedingungen, bei dem das Virus
künstlich und in idealer Weise in Kontakt mit seinen
Zielzellen gebracht wird, weil es (1) direkt und (2)
noch dazu in unveränderter Konzentration auf die
Zellen gegeben wird. Bei einem Viruskontakt im
normalen Leben müssen dagegen potentiell infektiöse
Tröpfchen oder Aerosol-Partikel, die eine infizierte
Person freisetzt, erst einmal – quasi ‚selbst‘ – den
Weg zu den Schleimhäuten der oberen Atemwege einer
anderen (und noch dazu) nicht immunen Person finden.
Dort angekommen, wenn das überhaupt zustande kommt,
muss die Zahl der potentiell infektiösen Viren
ausreichend hoch sein, damit mindestens ein Teil von
ihnen es schafft, durch das schützende Atemwegssekret
hindurch an die Oberfläche der Schleimhautzellen zu
gelangen und dort auch noch zu adhärieren, um
anschließend in die Zellen eindringen und sich
vermehren zu können.
Hinzu kommt Folgendes: Coronaviren haben eine
Lipidhülle, gehören damit zu den sog. behüllten Viren
und sind als solche gegen Umwelteinflüsse (z.B.
UV-Licht) empfindlich. Bestimmte Aerosole (ca. 0,4 μm)
können zwar prinzipiell über mehrere Stunden in der
Luft bleiben, aber medizinisch ist vor allem die Frage
wichtig, ob solche Viren in einem Aerosol, also
ungeschützt in der Luft schwebend, überhaupt über eine
längere Zeit infektionstüchtig bleiben können. Der
Nachweis von Virus-RNA ist weder ein Beweis dafür,
dass diese RNA aus (in einer Zellkultur)
vermehrungsfähigen Viren stammt, noch dass sie (was
keineswegs direkt mit der Anzucht in einer Zellkultur
vergleichbar ist) aus für den Menschen
infektionstüchtigen, also intakten Viren stammt [42,
116].
Der Nachweis von Virus-RNA in Luftproben reicht für
eine Bestätigung einer aerogenen Übertragung nicht aus
wie ebenso wenig die Ergebnisse von Untersuchungen, in
denen Aerosole experimentell erzeugt, gezählt und
vermessen werden sowie ihre Verweildauer in
experimentellen Situationen bestimmt wird. Es handelt
sich insgesamt um eine komplexe Fragestellung, die vor
allem infektiologische und epidemiologische Faktoren
betrifft und die verschiedenen Umgebungsbedingungen
(Innenräume, Außenluft) sowie auch
Aerosol-physikalische Besonderheiten (siehe oben)
einschließen muss. So müsste aus infektiologischer
Sicht z.B. geklärt werden, ob infektiöse Aerosole
überhaupt in ausreichender Zahl an den entscheidenden
Stellen in den oberen Atemwegen ‚landen‘, d.h.
adhärieren, können, wo SARS-CoV-2 hingelangen muss,
weil es sich primär in den Epithelzellen der
Nasenschleimhaut, d.h. aber auch: in den oberen
Atemwegen vermehrt [62] – und nicht in den tiefen
Atemwegen, wohin Aerosol-Partikel fast ausschließlich
gelangen.
Zahl der für eine Infektion erforderlichen Erreger
Für das Zustandekommen einer jeden Infektion ist der
Kontakt mit einer gewissen (und häufig unbekannten)
Mindestzahl an Erregern erforderlich, und dieser
Kontakt muss, um für eine Infektion erfolgreich zu
sein, an den Stellen des Körpers stattfinden, an denen
die Erreger eindringen müssen, um sich vermehren zu
können. Dies ist, wie oben bereits
=====
S.85
ausgeführt, beim neuen Coronavirus vor allem die
Nasenschleimhaut [62], in geringerem Maße die
Rachenschleimhaut, aber nicht die Lunge (sonst käme es
auch bei den SARS-CoV-2-Infizierten schon primär zu
einer Pneumonie, was bekanntlich nicht der Fall ist).
Mit welcher Zahl von Coronaviren der Mensch in etwa
Kontakt haben muss, damit es zu einer Infektion kommt,
ist derzeit (noch) nicht genau bekannt, wenngleich aus
einer im Dezember 2020 publizierten Untersuchung
hervorgeht, dass nach einer mathematischen Schätzung
auf der Basis von 39 Übertragungsereignissen eine Zahl
von im Durchschnitt mehr als 1.000 Viruspartikeln von
einer Person zur anderen übertragen werden muss, um
eine Infektion hervorzurufen [130].
Wenn der Erregerkontakt maßgeblich oder wenigstens in
relevantem Maße durch die Luft, also via Inhalation,
stattfinden würde, müsste man von einer relativ hohen
Zahl von Folgeinfektionen (ausgelöst durch eine
infizierte Person) ausgehen, weil ja die Luft alle
Menschen umgibt und ihr niemand entkommen kann [116,
131]. Die Basisreproduktionszahl (R0) von ca. 3 (also
etwa 3 Folgeinfektionen durch einen Infizierten bei
fehlender Immunität der Bevölkerung gegen den Erreger)
wäre dafür aber bei dem neuen Virus gering; man würde
wegen der unvermeidlichen Luft-Exposition aller
Menschen bei einer Erregerübertragung durch die Luft
mit wesentlich mehr Folgefällen rechnen. Allerdings
könnte R0 bei dem neuen Coronavirus auch deshalb so
gering sein, weil die für eine Infektion erforderliche
Zahl von Erregern (sog. ‚Infektionsdosis‘) bei diesem
Virus eher hoch ist, so dass es trotz Übertragung
durch die Luft nur relativ wenige Folgeinfektionen
gibt, weil es selten zu einem Schleimhaut-Kontakt mit
ausreichend hohen Erregerzahlen kommt [131].
Ausbrüche als Beleg für die Übertragung durch
Aerosol-Partikel
Es gab 2020 verschiedene Publikationen über Ausbrüche,
mit denen die Aerosol-Übertragung des neuen
Coronavirus angeblich belegt worden sei, aber bei
allen diesen Ausbrüchen wurde nicht oder nur am Rande
berücksichtigt, dass anstelle der Aerosol-Übertragung
die anderen Übertragungswege via (große) Tröpfchen und
/ oder (direkten und indirekten) Kontakt ebenfalls in
Frage kommen und erst einmal in ihrer Bedeutung
bewertet werden müssten, um der Aerosol-Übertragung
eine bedeutende Rolle zuzuschreiben. In den Medien
wird verbreitet, dass die Kontakt-Übertragung (meist
mit dem unwissenschaftlichen Begriff
‚Schmierinfektion‘ bezeichnet) bei SARS-CoV-2 keine
Rolle spiele. Stattdessen müsste man aber sagen:
Dieser Übertragungsweg wurde nicht untersucht bzw.
nicht ausreichend berücksichtigt, denn es reicht für
eine solche Feststellung nicht, dass das Virus bei
Umgebungsuntersuchungen nicht oder selten gefunden
wurde.
Eine der für Deutschland sicher wichtigsten dieser
Publikationen war die Ausbruchsuntersuchung bei
Tönnies in Nordrheinwestfalen [132]. Die Autoren
führen aus, dass die Ursache des Ausbruchs in den
speziellen Arbeitsbedingungen der Arbeiter in dieser
(und anderen) Fleisch- (sowie Fisch-) verarbeitenden
Fabriken liege, wo bei niedrigen Temperaturen (10°C)
und harter körperlicher Arbeit (mit starker Ausatmung)
einerseits und Klimaanlagen ohne Frischluftzufuhr
andererseits (niedrige Luftaustauschrate und konstante
Re-Zirkulation der Luft in der Arbeitshalle) eine
effiziente Erregerübertragung via Aerosol naheliegend
sei.
Die gemeinsame (enge) Unterbringung der Arbeiter in
ihren Wohnbereichen und Schlafräumen und die gemeinsam
genutzten LKWs – und somit die vielfältigen damit
verbundenen direkten und indirekten
Kontaktmöglichkeiten, incl. des Tröpfchen-Kontaktes –
haben für die Autoren der Studie nach ihren Angaben
keine größere Rolle beim Zustandekommen der
Infektionen gespielt. Als Einschränkungen Ihrer Studie
führen die
=====
S.86
Autoren dann aber an, dass (1) alle Informationen über
die Unterbringung der Arbeiter und die gemeinsame
Nutzung der LKWs vom Unternehmer stammten (und nicht
durch eigene Besichtigung der Wohnbedingungen) und
dass (2) alle Luftuntersuchungen nur qualitativ (d.h.
nur Nachweis der Virus-RNA in Luft), aber nicht
quantitativ (d.h. Zahl der RNA-Kopien pro m³ Luft)
durchgeführt wurden. Schließlich stellen die Autoren
selbst fest, dass ihre Untersuchung nicht als
epidemiologische Studie betrachtet werden solle. Die
maßgebenden Autoren der Studie sind vorwiegend
Virologen und Genetiker, aber keine
bevölkerungsbezogen arbeitenden Epidemiologen, die (in
der Liste der Autoren letztgenannte) sog.
Senior-Autorin ist eine Biologin. Somit handelt es
sich insgesamt also überwiegend um
Bio-Wissenschaftler, nicht um
medizinisch-infektiologisch ausgebildete
Epidemiologen.
Es gab weitere Publikationen über Ausbrüche, die stets
dafür genannt werden, dass mit ihnen die
Aerosol-Übertragung belegt sei, z.B. ein
Restaurant-assoziierter Ausbruch in China [133] und
eine Chorprobe in den USA [134]. Allerdings kann ein
Übertragungsweg mit Ausbruchsuntersuchungen nicht
bewiesen werden, denn es ist immer die wichtige Frage,
ob bei der Untersuchung eines Ausbruchs tatsächlich
alle in Frage kommenden Übertragungswege ausreichend
geprüft wurden (oder retrospektiv bei der Aufarbeitung
der Ereignisse geprüft werden konnten), bevor man zu
dem Schluss gekommen ist, dass die Aerosol-Übertragung
der wahrscheinlichste Übertragungsweg war. Der
Restaurant-assoziierte Ausbruch wurde von den Autoren
auf eine Klimaanlage zurückgeführt, die eine
fehlerhafte Luftführung hatte [133]. Wenn dies als
Ursache für eine Luftübertragung in diesem konkreten
Fall belegt worden wäre, dann wäre allerdings offen,
ob es z.B. in einem Raum ohne Klimaanlage ebenfalls
Übertragungen durch die Luft gegeben hätte, also
könnte man nicht davon sprechen, dass das neue
Coronavirus quasi natürlicherweise über die Luft
übertragen wird, sondern vielleicht nur bei
fehlerhafter Luftführung durch eine Klimaanlage.
Bei dem Bericht über die Chorprobe in den USA [134]
fällt auf, dass 9 der 10 Autoren keine Mediziner,
sondern z.B. (Heizungs-Lüftungs-)Techniker,
Ingenieure, Chemiker waren, nur eine Koautorin war
eine medizinische Mikrobiologin. Publiziert wurde der
Artikel (folgerichtig) in einer technischen
Fachzeitschrift (‚Indoor Air‘) und nicht in einer
medizinischen. Aus den Gutachten der Peer-Reviewer,
die man alle einsehen kann, geht hervor, dass
infektionsepidemiologisch durchaus kritische
Anmerkungen gemacht wurden: So wurden z.B. 3
Chormitglieder bereits 24 h nach der Chorprobe
symptomatisch und 7 weitere innerhalb von 48 h danach
[135]. Das spricht dafür, dass nicht nur der sog.
Index-Fall aus dem Artikel infiziert gewesen sein
könnte, sondern auch bis zu 10 weitere Chorsänger, die
jedoch erst später Symptome entwickelten (und
möglicherweise schon bei der Chorprobe sehr gering
Symptome hatten, die sie aber nicht wahrgenommen haben
oder die ihnen bei der späteren Befragung im Rahmen
der Aufarbeitung des Ausbruchs nicht mehr erinnerlich
waren, ein häufiges Problem bei der Aufklärung von
Ausbrüchen, die immer retrospektiv erfolgen muss).
Eine andere Frage ist, ob es tatsächlich keine
indirekten Kontakte über kontaminierte Gegenstände
gegeben hat, denn immerhin waren die Sänger während
2,5 h zusammen und hatten auch eine gemeinsame Pause.
Aus dem ursprünglichen Bericht der CDC geht zudem
hervor, dass die Sänger einen sehr engen Kontakt
hatten, denn sie saßen nur in einem Abstand von
maximal ca. 15 – 25 cm, so dass auch neben direktem
und indirektem Kontakt ein Kontakt mit großen
Tröpfchen (< 1 – 2 m) möglich erscheint [135]. Dies
wurde aber in der Ausbruchsuntersuchung nicht
entsprechend behandelt [134].
Masken als Schutz vor der Entstehung bzw. Freisetzung
von Aerosolen
=====
S.87
Als sog. Community-Masken, also alles von der
gekauften, einer dem medizinischen Mund-Nasen-Schutz
ähnlichen Maske über die (selbstgenähte) Stoffmaske
bis hin zum Tuch vor Mund und Nase, war von Ende April
2020 (Beginn der Maskenpflicht) bis Ende Januar 2021
alles möglich und ‚erlaubt‘, Hauptsache, irgendetwas
war vor Mund und Nase [103]. Nur bieten solche Masken
und Tücher keinen Schutz vor der Bildung von
Aerosol-Partikeln an der Luft oder von deren
Freisetzung aus den tiefen Atemwegen, sondern können
lediglich die Bildung von Aerosol-Partikeln etwas
reduzieren (aber wie viel, ist unbekannt), indem
nämlich die größeren Tröpfchen durch den Stoff
aufgefangen werden und deshalb nicht mehr an die
Außenluft gelangen, wo sie – je kleiner, umso
schneller – binnen Sekunden zu sog. Tröpfchen-Kernen
eintrocknen können, wenn sie überhaupt einen ‚Kern‘
enthalten (siehe oben).
Keiner kann jedoch sagen, wieviel Zurückhaltung von
Tröpfchen nötig ist, um die Bildung von infektiösen
Aerosol-Partikeln zu verhindern. Auch die Einlassungen
des RKI dazu sind nicht schlüssig, aber im
öffentlichen Diskurs sind Masken in der Öffentlichkeit
‚wirksam‘, weil sie Tröpfchen zurückhalten können. Das
ist jedoch unwissenschaftlich. Was für (große)
Tröpfchen vermutlich zutrifft, gilt jedoch nicht für
die kleineren Tröpfchen und erst recht nicht für
Aerosol-Partikel. Der Mensch gibt normalerweise neben
den größeren Tröpfchen auch Aerosol-Partikel ab (siehe
oben), die aber nicht nur das Maskenmaterial direkt
durchdringen, sondern auch seitlich bzw. oben und
unten entweichen können, also überall dort, wo die
Maske nicht dicht am Gesicht an liegt (aber natürlich
selbst dort, wenn auch nicht so zahlreich). Dies gilt
nicht nur für die sog. Community-Masken (aus Baumwolle
oder anderen Stoffen), sondern auch für den
medizinischen Mund-Nasenschutz (OP-Maske), dessen
Funktion ja auch ‚nur‘ ist, zum einen vor
Tröpfchen-Kontakt zu schützen (d.h. als Personal- oder
Eigenschutz bei der Patientenversorgung mit engem
vis-à-vis-Kontakt zu wirken) oder die Abgabe von
Tröpfchen zu verhindern (d.h. als Schutz der offen
liegenden OP-Wunde vor Tröpfchen aus dem
Nasen-Rachenraum des OP-Teams bei der Operation =
Schutz des Patienten da zu sein).
Wenn also tatsächlich die Aerosolübertragung so
wichtig wäre, wie sie seit Monaten in Deutschland
dargestellt wird, hätten alle Menschen schon längst
Atemschutzmasken tragen müssen, also sog. FFP-Masken
(mindestens FFP2), denn nur diese Masken sind von
ihrem Material und Design her prinzipiell geeignet,
freischwebende Partikel abzuscheiden, so dass sie der
Träger weder inhalieren noch freisetzen kann. Dies
könnte allerdings auch nur dann gelten, wenn solche
Masken korrekt getragen werden, also überall eng an
der Haut anliegen und kein Ausatemventil haben, und
dann ist es schwer dadurch zu atmen, weil das
Maskenmaterial sehr dicht ist. FFP-Masken (fast nur
FFP2, ganz selten auch FFP3) werden im medizinischen
Bereich nur zum Eigenschutz des Personals vor der
Inhalation potentiell in der Luft vorhandener
Infektionserreger getragen (bei der offenen
Tuberkulose der Atemwege) und ggf. von sehr
abwehrgeschwächten Patienten ebenfalls zum Eigenschutz
zum Schutz vor der Inhalation vor den in der Luft
immer vorhandenen Schimmelpilzsporen (für beide
Indikationen können sie Ausatemventile haben).
FFP-Masken werden aber im medizinischen Bereich nie
zum Schutz anderer Personen vor der Ausatmung von
Aerosol-Partikeln getragen, also zum Fremdschutz.
Gerade das wäre jedoch die Indikation für Menschen in
der Öffentlichkeit, weil Masken dort ja aus Gründen
des Fremdschutzes getragen werden sollen (dabei aber
dürften sie keine Ausatemventile haben). Das galt
jedenfalls bis Januar 2021. Seither gibt es die
FFP2-Maskenpflicht in Bayern (und im Bund die Pflicht
zum Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes,
also sog. OP-Maske oder FFP2-Maske).
=====
S.88
Die Fähigkeit von verschiedenen Maskentypen, die
Aerosol-Konzentration in Raumluft zu reduzieren (also
zum Fremdschutz), wurde mehrfach in experimentellen
Studien untersucht. In einer dieser Studien wurde mit
freiwilligen Versuchspersonen gearbeitet, von denen
fast alle (N = 208) eine Labor-bestätigte akute
Influenzainfektion hatten und bei 6 Personen der
Verdacht auf akute COVID-19 bestand [136]. Es wurde
geprüft, ob es einen Unterschied bei medizinischen und
selbstgenähten Baumwollmasken darin gibt, wie viele
Aerosol-Partikel (20 – 1.000 nm) bei Husten und Niesen
freigesetzt werden und somit in der Raumluft messbar
sind. Die Versuchspersonen bekamen eine medizinische
Maske und anschließend eine 3-lagige Baumwollmaske
bzw. gar keine Maske. Je zwei Messungen (während einer
Stunde) von Aerosol-Partikeln im nahen Umfeld der
Versuchspersonen, also jeweils mit einer der Masken
oder ganz ohne Maske, wurden in einem mechanisch
belüfteten (= mit sog. Klimaanlage) Zimmer (bei
geschlossenen Fenstern) und in einem Auto (ebenfalls
mit Klimaanlage) durchgeführt. Ebenfalls wurde die
Aerosol-Konzentration in der Raumluft im Zimmer und im
Auto bestimmt, ohne dass die Versuchspersonen eine der
Masken trugen. Alle Versuchspersonen hatten eine akute
Infektion der oberen Atemwege mit den typischen
Symptomen (Husten, Niesen). Nach den Ergebnissen
dieser Studie gab es keine signifikanten Unterschiede
in der Aerosol-Konzentration zwischen medizinischer
Maske und Baumwollmaske. Das Resümee der Autoren war,
dass Baumwollmasken bei infizierten (d.h.
symptomatischen) Personen ein Ersatz für medizinische
Masken in Räumen mit Klimaanlagen sein könnten (mit
Klimaanlage deshalb, weil die Untersuchungen so
durchgeführt wurden und man deshalb nicht weiß, wie
die Ergebnisse ohne Klimaanlage ausgefallen wären).
In einer weiteren experimentellen Untersuchung fand
sich ein Ergebnis, das eher gegen sog.
Community-Masken spricht, die meist aus Baumwollstoff
sind [137]: Es kam nämlich bei Baumwollmasken (im
Vergleich zu ohne Maske) zu einer vermehrten Abgabe
von (kleinsten) Aerosol-Partikeln (< 0,5 μm), bei
denen es sich um winzige Baumwollfasern handelt. Diese
Baumwollfasern, so die Interpretation der Autoren,
könnten bei einer asymptomatischen oder
präsymptomatischen Infektion des Trägers mit dem Virus
kontaminiert sein und damit die Freisetzung potentiell
kontaminierter Aerosole sogar erhöhen.
Eine andere experimentelle Untersuchung zeigte, dass
alle Maskentypen (chirurgische, FFP2/N95- und
Baumwoll-Masken), zwar einen gewissen Schutz vor der
Übertragung infektiöser Aerosol-Partikel bieten [138].
Allerdings konnte in diesem Simulationsmodell gezeigt
werden, dass selbst bei optimal anliegenden
FFP2-Masken Virus-RNA freigesetzt wurde. Gerade
FFP2-Masken werden auch von medizinischem Personal
selten korrekt getragen, weil diese Masken beim
stundenlangen Tragen (wie es seit Monaten in
zahlreichen Kliniken üblich ist) kaum erträglich sind.
Deshalb kann aus diesen Studienergebnissen abgeleitet
werden, dass die Virus-RNA im realen Leben in Kliniken
und natürlich erst recht, wenn FFP-Masken von darin
ungeübten Personen in der Öffentlichkeit getragen
werden, was über die Zeit immer häufiger geworden ist,
trotz der Masken – und möglicherweise in nicht
unerheblichem Maße – freigesetzt wird. Gerade aber
FFP-Masken suggerieren erhöhte Sicherheit, die sie bei
unzureichender Trageweise aber nicht bieten, d.h. alle
Masken(typen), aber gerade FFP-Masken vermitteln in
besonderem Maße ein trügerisches Gefühl von
Sicherheit, verleiten dadurch zu einer nachlässigen
Trageweise (und im Übrigen zu besonders häufigen
Hand-Gesichtskontakten) und sind somit insgesamt eher
kontraproduktiv als protektiv.
In einem Artikel (ein Meinungsbeitrag) im renommierten
NEJM wurde im September 2020 die Hypothese
aufgestellt, dass dadurch, dass das Tragen von Masken
die Freisetzung von
=====
S.89
Aerosol-Partikeln reduziere, ein eingeschränkter
Kontakt der anderen Menschen mit dem Virus stattfinde,
also ein Kontakt mit niedrigen Viruszahlen [139].
Dadurch könnte es zu milden Verlaufsformen kommen, die
einer Art ‚Impfung‘ gleichkomme. Die Autoren
verwendeten dafür den historischen Begriff der
‚Variolation‘, eine Methode, die lange Zeit in
Ostasien bei Kindern durchgeführt wurde, um gegen die
Pocken zu immunisieren, indem man Sekret aus
Pockenbläschen einer erkrankten Person entnahm und den
‚Impflingen‘ auf die Nasenschleimhaut gab [140].
Die Theorie der Variolation im Zusammenhang mit dem
neuen Coronavirus ist eine Hypothese, wie die Autoren
selbst mehrfach in ihrem Artikel schreiben [139].
Diese Hypothese ist durch nichts belegt. Man kann es
so ausdrücken: die Autoren halten es für denkbar.
Einen irgendwie gearteten wissenschaftlichen
Hintergrund dafür gibt es nicht, denn es gibt noch
nicht einmal Hinweise dafür, dass die durch Masken
möglicherweise geringere Zahl freigesetzter und
potentiell infektiöser Aerosol-Partikel dazu führt,
dass die Schwere der Infektion von Kontakt-Personen
abgemildert wird mit dem Ergebnis, dass die so
angeblich (mild) infizierten Personen danach über eine
protektive Immunität verfügen.
Pflicht zu medizinischen Masken
Im Januar 2021 wurde zunächst in Bayern eine
FFP2-Maskenpflicht für Geschäfte und ÖPNV eingeführt.
Kurz danach wurde im Bund (Bundesregierung und
Ministerpräsidenten) beschlossen, dass beim Einkaufen
und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur
noch medizinische Masken, entweder ein medizinischer
Mund-Nasen-Schutz (MNS bzw. sog. OP-Maske) oder
FFP2-Maske, getragen werden dürfen. Die Begründung
dafür ist medizinisch nicht nachvollziehbar, denn
beide Maskentypen sind für unterschiedliche
Einsatzzwecke konzipiert, sind nun aber durch die
Entscheidung der Politik austauschbar geworden, womit
jede medizinische Grundlage verloren gegangen ist.
Von Ende April 2020 (Beginn der Maskenpflicht) bis
Mitte / Ende Januar 2021 (in Bayern etwas früher als
im Bund) galt die sog. Alltagsmaske aus Stoff (oder
auch nur ein Tuch vor Mund und Nase) als adäquat für
die Umsetzung der Maskenpflicht. Sie sollte als
‚Fremdschutz‘ dienen (siehe oben), um die Freisetzung
größerer Tröpfchen zu verhindern, aus denen kleinere
inhalierbare Aerosol-Partikel entstehen könnten. Etwa
neun Monate also war die Alltagsmaske richtig, weil
sie aus der Sicht der Bundesregierung und des RKI
geeignet war, die sog. unbemerkte Übertragung zu
verhindern oder mindestens so stark einzuschränken,
dass die Tragepflicht für die Politik gerechtfertigt
erschien. Im neuen Jahr 2021 war die Übertragbarkeit
des neuen Virus nicht anders geworden. Es gab
insbesondere keine neuen Erkenntnisse über die
Übertragungswege, denn die Aerosol-Theorie gab es ja
schon fast seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020.
Eine für die Politik entscheidende Änderung kam mit
den zunehmenden Berichten über die Virusmutationen aus
Großbritannien, Südafrika und Brasilien, die angeblich
‚ansteckender‘, also leichter übertragbar, sein sollen
(und es möglicherweise auch tatsächlich sind).
Als Grund für die FFP2-Maskenpflicht wurde in Bayern
genannt, dass es angesichts der Virusmutationen nun
auch auf den ‚Eigenschutz‘ ankäme. Gemeint sein musste
also vom Schutzprinzip der FFP2-Masken der Schutz vor
der Inhalation von Aerosol-Partikeln, während die
FFP2-Maske den ‚Fremdschutz‘ ebenfalls gewährleistet.
Die restlichen Bundesländer können seither also
entscheiden, ob sie auch die FFP2-Maske verpflichtend
machen oder sich auf den medizinischen MNS
beschränken. Die Begründung dafür wurde darauf
beschränkt, dass medizinische Masken ‚besser‘ wirksam
seien. Wofür oder wogegen, wurde nicht klargestellt.
Ein MNS bietet ebenso wenig einen besseren Schutz vor
Inhalation
=====
S.90
von Aerosol-Partikeln als die Alltagsmaske aus Stoff,
kann also einen verbesserten ‚Eigenschutz‘ nicht
gewährleisten, denn der MNS hat andere Funktionen: (1)
kann er als ‚Fremdschutz‘ vor der Freisetzung von
größeren respiratorischen Tröpfchen schützen, ist aber
dafür für die Öffentlichkeit nicht an sich besser
geeignet als bisher die Stoffmasken, zumal er nicht
besser, also ‚korrekt‘, wie das RKI immer sagt,
getragen wird, und (2) kann ein MNS den ‚Eigenschutz‘
vor respiratorischen Tröpfchen einer anderen Person
bei engem face-to-face-Kontakt (< 1 – 2 m)
gewährleisten. Beides kann prinzipiell auch die bisher
übliche Stoffmaske.
Einen medizinischen Sinn der neuen Pflicht, einen MNS
oder eine FFP2-Maske zu tragen, gibt es demnach nicht.
Nach Pressemeldungen unterstützen sowohl das ECDC als
auch die Gesundheitskommissarin der EU die Anwendung
von FFP2-Masken in der Bevölkerung ausdrücklich nicht,
weil sie keinen Mehrwert habe [141].
Lüften als Hygienemaßnahme
In Räume, die von mehreren (z.B. Büros) oder sogar
zahlreichen Menschen (z.B. Klassenräume) genutzt
werden, viel frische Luft zu lassen, ist immer eine
gute Idee, denn wir atmen ständig Kohlendioxid ab und
müssen Sauerstoff einatmen und wir geben Körpergerüche
und Wärme ab, so dass Räume, in denen sich
gleichzeitig und über Stunden mehrere Menschen
aufhalten, wie insbesondere Klassenräume, ohne jeden
Zweifel vom Lüften profitieren. Dass man inzwischen
aber das Lüften von Räumen als eine ‚Hygienemaßnahme‘
betrachtet, ist quasi ein Rückschritt in die Zeit
früherer Jahrhunderte, wo man die Entstehung von
Krankheiten auf ‚krankmachende Luft‘ zurückführte
(Miasmentheorie [142]), weil man noch keine
Infektionserreger kannte. Damals wurden deshalb
Krankenhäuser so gebaut, dass die Bettensäle nicht nur
in der Fläche groß, sondern auch hoch waren, also ein
sehr großes Luftvolumen hatten, und überall waren
große Fenster, über die man die ‚krankmachende‘ Luft
ausleiten und frische Luft einleiten konnte (aber auch
ausgeklügelte Zu- und Abluftkanäle kamen bereits im
18. Jahrhundert zum Einsatz) [143]. Diese Zeiten mit
ihren dem Stand der medizinischen Wissenschaft
entsprechenden Vorstellungen über die Entstehung von
übertragbaren Krankheiten sind aber lange vorbei.
Heute wissen wir viel mehr über die Entstehung von
Infektionen, und es gibt das Prinzip der
evidence-based Medizin.
Resümee: Aerosol-Übertragung und wissenschaftliche
Belege
In der Öffentlichkeit und in den Medien heißt es, die
Aerosol-Übertragung sei inzwischen ‚anerkannt‘, und
selbst die Gesellschaft für Virologie hat das bereits
in ihrer Ad-hoc-Stellungnahme vom 06.08.2020 behauptet
[144]:
‚Eine der wichtigen neuen Erkenntnisse zu SARS-CoV-2,
die bei der Schulöffnung bedacht werden müssen,
betrifft die inzwischen anerkannte Möglichkeit der
Aerosolübertragung, also der Übertragung durch die
Luft, insbesondere in Innenräumen bei unzureichender
Luftzirkulation.‘.
Zu dieser Aussage wird die WHO-Publikation vom Juli
2020 zitiert [116]. Jedoch geht eine solche Aussage
nicht aus dem Text der WHO hervor, denn dort heißt es:
‚Outside of medical facilities, some outbreak reports
related to indoor crowded spaces (Ref) have suggested
the possibility of aerosol transmission, combined with
droplet transmission, for example, during choir
practice (Ref), in restaurants (ref) or in fitness
classes.(Ref) In these events, short-range aerosol
transmission, particularly in
=====
S.91
specific indoor locations, such as crowded and
inadequately ventilated spaces over a prolonged period
of time with infected persons cannot be ruled out.
However, the detailed investigations of these clusters
suggest that droplet and fomite transmission could
also explain human-to-human transmission within these
clusters. Further, the close contact environments of
these clusters may have facilitated transmission from
a small number of cases to many other people (e.g.,
superspreading event), especially if hand hygiene was
not performed and masks were not used when physical
distancing was not maintained.(Ref) (Bei ‘Ref’ sind
jeweils Literaturreferenzen im WHO-Beitrag angegeben)
Davon also, dass die Aerosol-Übertragung eine
anerkannte Möglichkeit der Übertragung des neuen
Coronavirus sei, steht in dem WHO-Beitrag, der sich
ausdrücklich mit der Übertragung des Virus und den
sich daraus ableitenden Präventionsmaßnahmen befasst,
nichts, so dass man annehmen muss, dass die Autoren
der GfV-Stellungnahme den WHO-Beitrag, den sie
zitieren, nicht gelesen haben. Das gilt ebenso für den
WHO-Beitrag vom Dezember 2020 [42].
Dabei müsste an sich auch sofort die Frage aufgeworfen
werden, was eigentlich aus der Abstandsregel werden
soll, wenn die Aerosol-Übertragung tatsächlich eine
wichtige Rolle spielen sollte (siehe Beweisfrage 4).
Würden dann 1,5 m oder 2 m noch ausreichen oder 1 m,
wie von der WHO empfohlen und in Österreich
(‚Babyelefant‘) bis Anfang 2021 (seither 2 m)
vorgeschrieben? Wie viel Abstand bräuchten wir, um uns
vor den Aerosol-Partikeln der Mit-Menschen zu
schützen? Und: Gilt die Aerosoltheorie nur für das
neue Coronavirus oder auch für die anderen
respiratorischen Viren? Wenn man es nämlich konsequent
zu Ende denkt, würde die Aerosoltheorie, also die
Übertragung respiratorischer Infektionserreger durch
die Luft (denn dieser Übertragungsweg könnte nicht nur
für ein einziges respiratorisches Virus gelten bzw.
müsste mindestens für alle Coronaviren Bedeutung
haben), zur Folge haben, dass die Menschheit ihr
Zusammenleben radikal ändern müsste, und deshalb
müsste mit der erforderlichen wissenschaftlichen
Genauigkeit geklärt werden, in welchem Maße, wenn
überhaupt relevant, die Erregerübertragung via Aerosol
beim neuen Coronavirus eine Rolle spielt. Wieso aber
bei SARS-CoV-2 die aerosol-Übertragung wichtig sein
soll, bei den anderen Coronaviren oder
respiratorischen Viren aber nicht, ist biologisch und
medizinisch nicht nachvollziehbar.
Solche Überlegungen erfordern eine differenzierte
Darstellung, die es aber bisher bei der Aerosoltheorie
für das neue Coronavirus nicht gibt. Dabei müsste also
u.a. die Frage behandelt werden, welche Rolle Masken
(siehe oben) und der Abstand (siehe unten) spielen
würden, wenn die aerogene Übertragung ein als relevant
zu betrachtendes Faktum wäre, ob es also bei der Maske
weiter um Fremdschutz ginge oder vielleicht doch der
Eigenschutz in den Vordergrund gestellt werden müsste.
Dafür aber kämen ausschließlich (aber dann auch nur:
korrekt getragene) FFP2-Masken in Frage (was bei
Vollbartträgern im Übrigen nicht möglich ist). Normale
medizinische Masken wären nicht geeignet, um vor der
Inhalation von Aerosolen zu schützen. Im Ergebnis
müssten die Menschen also FFP2-Masken tragen (und am
besten immer, denn respiratorische Viren sind das
ganze Jahr über unterwegs), um andere vor der
Freisetzung der eigenen (= ‚Fremdschutz‘) und sich
selbst vor der Inhalation von Aerosol-Partikeln (=
‚Eigenschutz‘) zu schützen.
All diese entscheidenden Fragen sind bislang gänzlich
ungeklärt (vielleicht weil nicht verstanden wird,
welche Dimension die Aerosoltheorie hat, welche
Konsequenzen sich daraus also ergeben würden) und
werden noch nicht einmal diskutiert. Vor allem die
Medien
=====
S.92
und einflussreiche Wissenschaftler lassen schon lange
keinen Zweifel an der Bedeutung der
Aerosol-Übertragung (so z.B. Christian Drosten im
NDR-Podcast vom 12.05.2020 [145]:
‚Wenn ich das alles zusammenfasse, dann ist mein
Bauchgefühl: Fast die Hälfte der Übertragung ist
Aerosol, fast die andere Hälfte ist Tröpfchen und
vielleicht zehn Prozent der Übertragung ist
Schmierinfektion oder Kontaktinfektion.‘
Erstens hat ‚Bauchgefühl‘ mit Wissenschaft nichts zu
tun, und zweitens wurde die Aerosol-Übertragung auch
durch solche Äußerungen eines in seinem Gebiet
anerkannten Wissenschaftlers zu einer (aber eben nur
scheinbaren) Tatsache gemacht. Ebenso wenig
wissenschaftlich ist seine Einlassung über
‚Mundgeruch‘ und ‚Aerosole‘ [146]:
‚Dieser Mundgeruch, das sind Aerosole. Da sind auch
Gase dabei – das sind nicht nur Dämpfe, nicht nur
kleine Flüssigkeitströpfchen – aber jetzt für unsere
vereinfachte Diskussion reicht es, wenn man sich das
so vorstellt. Können Sie sich vorstellen, dieselbe
Situation, Sie stehen an demselben Kuchenbuffet und
sprechen in derselben Entfernung mit jemandem, aber
beide haben Masken auf. Können Sie sich vorstellen,
dass Sie noch bemerken, dass dieser Gesprächspartner
Mundgeruch hat? (…) Genau, das werden Sie nicht mehr
bemerken. Und dieses „nicht mehr Bemerken“, das können
wir auch übersetzen als „Da werde ich mich eher nicht
mehr so schnell infizieren“. Und das ist etwas, dass
diejenigen, die Zweifel haben an der Wirksamkeit von
Alltagsmasken, sich vielleicht auch als
Alltagsbeispiel mit nach Hause nehmen sollten.‘
Im Gegensatz dazu Informationen zu Mundgeruch aus der
Sicht der Zahnmedizin [147]:
‚Schlechter Atem entsteht durch flüchtige
Schwefelverbindungen (Sulfide), die sich unter die
ausgeatmete Luft mischen. Sie entstehen dadurch, dass
gramnegative anaerobe Bakterien organisches Material,
z.B. Essensrückstände, Eiweiße, in der Mundhöhle
zersetzen. Schwefelwasserstoff ist der bekannteste
Vertreter der Sulfide. Er riecht nach „faulen Eiern“.
Eine weitere Gruppe der Schwefelverbindungen sind die
Methylmercaptane. Sie gelten als die Hauptverursacher
von Mundgeruch. Sie erzeugen einen Geruch nach
faulendem Kohl oder auch einen modrig-ranzigen Geruch.
Riecht der Atem nach Fisch, verfaultem Fleisch oder
Fäkalien, dann sind biogene Amine dafür
verantwortlich. Sie entstehen aus Aminosäuren durch
bakterielle Abspaltung von Kohlendioxid.‘
‚Aerosole‘ haben also nichts mit Mundgeruch zu tun.
Ähnlich wie die WHO (siehe oben und [116]) äußern sich
andere Wissenschaftler [131]: Basierend auf der (im
Vergleich zu Masern mit 12 – 18) recht niedrigen
Basis-Reproduktionszahl von SARS-CoV-2 mit ca. 3
scheinen solche Situationen eher die Ausnahme als die
Regel zu sein. Ferner sei es retrospektiv schwierig,
die potentiellen Interaktionen zwischen den Personen
zu bestimmen, die vor, während und unmittelbar nach
dem Ereignis stattfanden. Die Möglichkeiten für Viren,
sich rasch und weit – aber nicht notwendigerweise über
die Luft, sondern vornehmlich über direkte und
indirekte Kontakte – in Räumlichkeiten mit zahlreichen
Menschen auszubreiten, solle nicht unterschätzt
werden. Experimentelle Untersuchungen mit markierten
Bakteriophagen (= spezielle, nur für Bakterien, aber
nicht für den Menschen pathogene Viren) hätten
gezeigt, dass Viren innerhalb von Stunden von einem
einzigen kontaminierten Türgriff oder den
kontaminierten Händen einer Person auf andere Personen
und Gegenstände übertragen werden können. Auch dies
seien spekulative Überlegungen, die die Möglichkeit
der Übertragung via Aerosole nicht ausschließen
könnten, aber sie seien
=====
S.93
mögliche alternative Erklärungen für das
Zustandekommen solcher Cluster – und müssen deshalb
ebenfalls berücksichtigt werden [131].
Auch die CDC führen an, dass die Epidemiologie von
COVID-19 darauf hinweist, dass die meisten dieser
Infektionen durch engen Kontakt entstehen – und nicht
aerogen [118]:
‘Diseases that are spread efficiently through airborne
transmission tend to have high attack rates because
they can quickly reach and infect many people in a
short period of time. We know that a significant
proportion of SARS-CoV-2 infections (estimated 40 –
45%) occur without symptoms and that infection can be
spread by people showing no symptoms. Thus, were
SARS-CoV-2 spread primarily through airborne
transmission like measles, experts would expect to
have observed considerably more rapid global spread of
infection in early 2020 and higher percentages of
prior infection measured by serosurveys. Available
data indicate that SARS-CoV-2 has spread more like
most other common respiratory viruses, primarily
through respiratory droplet transmission within a
short range (e.g., less than six feet). There is no
evidence of efficient spread (i.e., routine, rapid
spread) to people far away or who enter a space hours
after an infectious person was there.’
Die Übertragung von SARS-CoV-2 via Aerosole bleibt
derzeit eine Hypothese. Diese Aussage steht im
Einklang mit der Einschätzung der WHO und den Aussagen
der CDC [42, 116, 118]. Eine Übertragung durch
Aerosole ist lediglich eine, wie oben dargestellt,
eher unwahrscheinliche Möglichkeit. Daraus lassen sich
also auf annähernd wissenschaftlicher Basis keine
erforderlichen Schutzmaßnahmen ableiten, wie z.B. eine
FFP2-Maskenpflicht oder spezielle
‚Luftreinigungsgeräte‘ oder RLT-Anlagen mit
Schwebstofffiltern oder eben häufiges Lüften. Ebenso
wenig gibt es derzeit hinlängliche Belege aus
sorgfältigen Studien, dass z.B. Chorsingen ein
Übertragungsrisiko durch Aerosole darstellen oder dass
Kontakte zwischen Menschen über weitere Abstände als
1,5 m (WHO: 1 m) durch die beim Sprechen etc.
freigesetzten Aerosol-Partikel ein Infektionsrisiko
sein können. Man kann nicht aus aerosol-physikalischen
Untersuchungen über die Verbreitung von künstlich
erzeugten Aerosolen auf ein Infektionsrisiko
schließen. Ob die Aerosol-Übertragung tatsächlich eine
relevante Rolle bei der Akquisition dieses Erregers
spielen, könnte nur durch sorgfältig geplante
epidemiologische Untersuchungen in verschiedenen
Settings, incl. randomisierter kontrollierter Studien,
gezeigt werden.
Generell kann man zur Frage der aerogenen Übertragung
von Infektionserregern festhalten, dass immer dann,
wenn die Möglichkeit einer Übertragung durch die Luft
erwogen wird, fast regelmäßig ebenso auch die
Übertragung durch große Tröpfchen und / oder durch
direkten oder indirekten Kontakt in Frage kommt.
Dem entspricht, dass kürzlich ein Aerosol-Physiker
(der im Übrigen Übertragungen im Außenbereich für
nahezu ausgeschlossen hält) geäußert hat, dass auch in
Innenräumen das größte Übertragungsrisiko in der Nähe
einer infizierten Person bestehe, weil man sich dann
in der noch unzerteilten Wolke aus Aerosol-Partikeln
befände, die die infizierte Person freisetzt [148].
Aus meiner fachlichen Sicht sehe auch ich das größte
Übertragungsrisiko, wenn man sich in der Nähe einer
infizierten Person befindet, dies jedoch aus anderen
Gründen, nämlich deshalb, weil man so einerseits dem
möglichen Tröpfchenkontakt ausgesetzt ist,
andererseits aber auch viel eher direkte und indirekte
Kontaktmöglichkeiten hat, als wenn man einige Meter
entfernt an einer anderen Stelle im Raum steht.
=====
S.94
Die Aerosol-Theorie hat keine annähernd ausreichende
wissenschaftliche Basis, und es fehlt deshalb ein
Beleg dafür, dass dieser Übertragungsweg für den
natürlichen Ablauf der SARS-CoV-2-Infektion relevant
ist. Gleichzeitig ist diese Theorie überaus schädlich
für das Zusammenleben der Menschen insgesamt und wirkt
sich destruktiv auf die Kontakte zwischen Menschen
jeden Alters aus. Deshalb müssten in entsprechend
geplanten epidemiologischen Untersuchungen direkte und
indirekte Kontakte – via (große) Tröpfchen und / oder
Kontakt (insbesondere Handkontakt) – sicher
ausgeschlossen werden, um eine aerogene Übertragung in
Betracht ziehen zu können.
Zusammenfassende Beurteilung der wissenschaftlichen
Datenlage zu Masken
Eine Effektivität von Masken für gesunde Personen in
der Öffentlichkeit ist nicht durch wissenschaftliche
Evidenz belegt. Ebenso sind ‚Fremdschutz‘ und die
‚unbemerkte Übertragung‘, womit das RKI seine
‚Neubewertung‘ begründet hat, nicht durch
wissenschaftliche Fakten gestützt. Plausibilität,
mathematische Schätzungen und subjektive
Einschätzungen in Meinungsbeiträgen können
bevölkerungsbezogene klinisch-epidemiologische
Untersuchungen nicht ersetzen. Experimentelle
Untersuchungen zur Filterleistung von Masken und
mathematische Schätzungen sind nicht geeignet, eine
Wirksamkeit im wirklichen Leben zu belegen. Die
internationalen Gesundheitsbehörden sprechen sich zwar
für das Tragen von Masken im öffentlichen Raum aus,
sagen aber auch, dass es dafür keine Belege aus
wissenschaftlichen Untersuchungen gibt. Vielmehr
sprechen alle gegenwärtig verfügbaren
wissenschaftlichen Ergebnisse dafür, dass Masken
keinen Effekt auf das Infektionsgeschehen haben.
Durchweg alle Publikationen, die als Beleg für die
Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum angeführt
werden, lassen diese Schlussfolgerung nicht zu.
Jede Maske muss, um prinzipiell wirksam sein zu
können, richtig getragen werden. Masken können zu
einem Kontaminationsrisiko werden, wenn sie angefasst
werden. Sie werden aber von der Bevölkerung zum einen
nicht richtig getragen und zum anderen sehr häufig mit
den Händen berührt. Das ist ebenso bei Politikern zu
beobachten, die im Fernsehen zu sehen sind. Der
Bevölkerung wurde nicht beigebracht, Masken richtig zu
benutzen, es wurde nicht erklärt, wie man sich
unterwegs die Hände waschen soll bzw. wie eine
effektive Händedesinfektion durchgeführt wird. Es
wurde ferner nicht erklärt, warum die Händehygiene
wichtig ist und dass man darauf achten muss, sich mit
den Händen nicht an Augen, Nase und Mund zu fassen.
Die Bevölkerung wurde mit den Masken quasi allein
gelassen.
Die Übertragung von SARS-CoV-2 durch ‚Aerosole‘, also
durch die Luft, ist medizinisch nicht plausibel und
wissenschaftlich unbewiesen. Sie stellt eine Hypothese
dar, die hauptsächlich auf Aerosol-Physiker
zurückgeht, die nachvollziehbarerweise von ihrem
Fachgebiet her medizinische Zusammenhänge nicht
beurteilen können. Die ‚Aerosol‘-Theorie ist für das
menschliche Zusammenleben außerordentlich schädlich
und führt dazu, dass sich Menschen in keinem Innenraum
mehr sicher fühlen können, und manche fürchten sich
sogar außerhalb von Gebäuden vor einer Infektion durch
‚Aerosole‘. Zusammen mit der ‚unbemerkten‘ Übertragung
führt die ‚Aerosol‘-Theorie dazu, dass in jedem
Mit-Menschen ein Infektionsrisiko gesehen werden kann.
Die geänderten Einlassungen der Politik zu Masken,
erst Stoffmasken in 2020, dann seit Anfang 2021
entweder OP-Masken oder FFP2-Masken, lassen jede klare
Linie vermissen. Auch wenn OP-Masken und FFP-Masken
beides medizinische Masken sind, haben sie
unterschiedliche Funktionen und sind deshalb nicht
austauschbar. Entweder hat die Politik,
=====
S.95
die diese Entscheidungen getroffen hat, selbst nicht
verstanden, wozu welcher Maskentyp sich prinzipiell
eignet, oder es kommt ihr darauf nicht an, sondern nur
auf den symbolischen Wert der Maske. Die
Masken-Entscheidungen der Politik sind aus meiner
fachlichen Sicht nicht nachvollziehbar und schonend
ausgedrückt als unplausibel zu bezeichnen.
Kurzer Exkurs zu Masken in Japan
Schon im Frühjahr 2020 wurde in Medienberichten
hierzulande wiederholt darauf verwiesen, dass man in
Japan und anderen asiatischen Ländern schon lange
wisse, welchen Nutzen Masken in der Öffentlichkeit
haben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einige
Informationen darüber geben, warum eigentlich
insbesondere Japaner so häufig Masken tragen und wie
sich das Tragen von Masken dort entwickelt hat. Diese
Frage wurde in zwei Artikeln (lange vor der aktuellen
Corona-Pandemie) ausführlich erörtert [108, 149].
Danach wurden Masken in der Öffentlichkeit in Japan
(wie z.B. auch in den USA) erstmals zur Zeit der
Influenza-Pandemie von 1918 / 1919 eingesetzt. Während
die anderen Länder in den 1920er Jahren dann schnell
wieder von Masken abkamen, hielten sie sich in Japan
in gewissem Maße (aber bei weitem nicht in dem Ausmaß
wie in den letzten 10 – 20 Jahren) über die Jahrzehnte
weiter, aber weniger zum Schutz vor Infektionen,
sondern eher unter dem Aspekt der traditionellen
symbolischen Ordnung von ‚Reinheit‘ und ‚Unreinheit‘
sowie einer Vorstellung von ‚Miasmen‘ (siehe oben
[142]) anstelle von Viren oder anderen
Infektionserregern. In den 1970er Jahren tauchte (als
ein für Japan in dem beobachteten Maße neues
medizinisches Problem) Heuschnupfen auf, der mit
Zedern in Zusammenhang gebracht wurde, die erst nach
dem zweiten Weltkrieg dort angepflanzt worden waren.
Masken wurden daraufhin während der Pollensaison im
Frühjahr getragen. Dann wurde es wieder eher still um
Masken, bis zu den 1990er Jahren, als das Maskentragen
in Japan sukzessive zu einer sozial akzeptierten
allgemeinen Schutzmaßnahme wurde und zwar durch eine
Kombination von Einflüssen durch (massive) Werbung des
führenden Maskenherstellers sowie von
gesellschaftlichem und politischem Druck aufgrund der
zunehmend verbreiteten neoliberalen Ideologie, wonach
u.a. jeder für seinen eigenen Gesundheitsschutz
verantwortlich ist (‚self-healthcare‘). In den 2000er
Jahren kamen mit SARS (2003), Vogelgrippe (2004), MERS
(2006) und Schweinegrippe (2009) mehrere Epidemien
kurz hintereinander, und besonders die Schweinegrippe
förderte wieder den Gebrauch von Masken, so dass der
Verkauf von Masken enorm anstieg. Das Maskentragen
wurde aber auch zu einer gesellschaftlichen Norm,
besonders in Pendlerzügen, so dass diejenigen, die
keine Maske trugen, auffielen. Zudem gilt Niesen und
Husten in der Öffentlichkeit in Japan seit jeher als
unhöflich.
Retrospektiv wird von den Autoren das Jahr 2009 als
eine Art Wendepunkt gesehen: Zum einen hielten Masken
einen gewissen Grad von Angst in der Bevölkerung
aufrecht und zum anderen etablierten sie sich bei den
Menschen als vorderste Schutzfront. Hinzu kam der
angesichts der unsicherer werdenden Arbeitsplätze
wahrscheinlich sehr entscheidende Aspekt, dass
Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern das Tragen von
Masken einfordern konnten und man fortan unter dem
Druck stand, sich zu fügen oder ggf. seine
Arbeitsstelle zu gefährden. Nochmals belebt wurde das
Maskentragen nach der Atomkatastrophe von Fukushima
2011, denn auch zum Schutz vor radioaktiver Strahlung
wurde auf Masken gesetzt. Im Frühjahr 2013 wurde über
Luftverschmutzung berichtet, die aus China kommend den
Südwesten von Japan erreicht habe, und der Bevölkerung
wurde in den Medien geraten, Masken zu tragen, die
mikroskopisch kleine Partikel filtern können (also
FFP-Masken). Alles in allem führte die gesamte
Entwicklung zu einer Konsolidierung von Masken als
Allzweckmittel zum persönlichen Schutz.
=====
S.96
Die Maske (‚safety blanket‘) in Japan sei, so die
Autoren [108, 149], als ein Aspekt einer breit
aufgestellten Art von Risikokultur zu sehen: Sie sei
allerdings eher ein Ritual des Selbstschutzes als eine
selbstlose gemeinschaftlich geübte Praxis und hat
somit mit dem hierzulande für die Maskenpflicht in den
Vordergrund gestellten ‚Fremdschutz‘ nichts zu tun,
und schließlich soll sie offenbar auch nicht etwa nur
dem Schutz vor Infektionserregern dienen, sondern soll
neben dem (noch nachvollziehbaren) Schutz vor
Pollenexposition und Luftverschmutzung sogar den nur
als irrational zu bezeichnenden Schutz vor
radioaktiver Strahlung einschließen.
Schließlich werden Masken von Frauen angeblich auch
deshalb gerne verwendet, um sich nicht schminken zu
müssen, wenn sie aus dem Haus gehen, oder um darunter
Hautunreinheiten verstecken zu können, und von
Männern, wenn sie sich nicht rasieren konnten [150].
Weitere Motive seien, dass man sich hinter der Maske
zurückziehen und damit signalisieren könne, dass man
nicht angesprochen werden möchte, und dass man mit
Maske in der Öffentlichkeit unerkannt bleiben könne.
Für die Maske in Japan (und vermutlich auch in anderen
ostasiatischen Ländern) gibt es also ein Konglomerat
ganz unterschiedlicher Gründe, von denen der
Infektionsschutz nur einer unter mehreren, aber
vielleicht nicht einmal der führende ist.
Beweisfrage 4
Kann durch die Einhaltung von Abstandsvorschriften das
Infektionsrisiko insbesondere bei Kindern abgesenkt
werden?
Das Abstandhalten wird bei den Corona-Regeln der
Regierung besonders hervorgehoben und steht deshalb
wohl auch am Anfang der sog. AHA-Regel (Abstand –
Hygiene – Alltagsmasken bzw. seit Anfang 2021: Alltag
mit Maske). Stets wurde betont, dass es trotz Masken
am wichtigsten sei, den Mindestabstand von 1,5 m zu
anderen Personen einzuhalten. Masken sollen gemäß der
ursprünglichen AHA-Regel auch nur getragen werden,
wenn der Mindestabstand nicht eingehalten werden könne
(inzwischen gibt es diese Einschränkung nicht mehr).
In der Realität aber scheinen die Masken wichtiger zu
sein, weil ihre Anwendung mehr und mehr ausgeweitet
wurde.
Das Abstandsgebot wurde in Deutschland zur selben Zeit
wie die Maskenpflicht eingeführt, also Ende April
2020. Seither gilt es, in der Öffentlichkeit einen
Rundum-Abstand von 1,5 m einzuhalten. Es besteht aber
international keine Einigkeit, wie groß der Abstand zu
anderen Personen sein soll. So spricht die WHO von 1
m, ebenso wie Österreich im Jahr 2020 (‚Babyelefant‘),
seit Anfang 2021 sollen es dort aber nun 2 m sein. Die
CDC sprechen von ‚six feet‘, und das sind etwa 2 m. In
Deutschland gilt also mit 1,5 m eine Art Mittelweg.
Schon die Unterschiedlichkeit dieser Festlegungen
lässt erkennen, dass es dafür keine wissenschaftliche
Grundlage gibt.
Seit Jahrzehnten gibt es die bei der medizinischen
Versorgung von Patienten in Krankenhäusern
praktizierte Regel, bei vis-à-vis-Kontakten einen
Abstand von mindestens 1 m zu halten, sofern das
möglich ist (z.B. wenn es nur etwas zu besprechen
gibt), aber nur dann, wenn der Patient respiratorische
Symptome hat. Muss man ihm aber – wie so häufig bei
der Versorgung stationärer Patienten – näher kommen,
dann sollte das medizinische Personal dafür eine
medizinische Maske (OP-Maske) aufsetzen, um sich vor
dem direkten
=====
S.97
Kontakt mit Tröpfchen respiratorischen Sekrets an den
Schleimhäuten des Gesichts (Augen, Nase, Mund) zu
schützen.
Diese seit langem bekannte Abstandsregel beruht auf
der Übertragung respiratorischer Erreger durch sog.
große Tröpfchen (> 5 μm) aus dem Nasen-Rachenraum
von infizierten Personen, die aufgrund ihres Gewichts
nur eine kurze Strecke durch die Luft fliegen (z.B.
beim Sprechen) und dann zu Boden fallen. Einmal
sedimentiert, stellen sie kein Infektionsrisiko mehr
dar. Bleibt man entsprechend entfernt gegenüber einer
Person mit respiratorischer Infektion stehen, hat man
keinen Kontakt mit den Tröpfchen. Das jedenfalls ist
der Regelfall. Insbesondere bei kräftigem Niesen, aber
auch beim Husten können die Tröpfchen auch über eine
weitere Strecke durch die Luft geschleudert werden.
Wenn dann dort eine andere Person stünde, könnte sie
evtl. von solchen weit fliegenden Tröpfchen an den
Schleimhäuten des Gesichts getroffen werden.
Eine solche Situation, dass man also andere Menschen
auch ohne respiratorische Symptomatik als potentielles
Infektionsrisiko ansehen müsste, wurde vor 2020 bei
den Infektionsschutzmaßnahmen in Krankenhäusern nie
problematisiert, auch nicht in der Influenzasaison,
schließlich husten und niesen Patienten mit
respiratorischen Infektionen nicht ständig. Dass es
angebracht ist, einen gewissen Abstand zu anderen
Personen zu halten, wenn man eine respiratorische
Infektion hat, war auch in der (nicht im medizinischen
Bereich tätigen) Normalbevölkerung bekannt, wenn dann
ausdrücklich zu den Gesprächspartnern gesagt wurde,
dass sie lieber etwas weiter entfernt stehen blieben,
um den anderen nicht mit dem Erreger in Kontakt zu
bringen (und auch die Hand nicht zur Begrüßung reichen
wollten).
Diese Vorsichtsmaßnahmen galten aber immer nur bei
Umgang mit symptomatischen Personen, auch im
Krankenhaus. Nie wurden beispielsweise in der
Influenzasaison nicht-symptomatische Patienten oder
auch die Kollegen einfach nur deshalb, weil gerade
Influenza-Saison war, als potentiell infiziert
betrachtet, und deshalb wurde auch nicht schon
prophylaktisch Abstand gehalten, wenn keine
offensichtliche respiratorische Erkrankung da war.
Dabei gab es in den vergangenen Jahren wiederholt sehr
heftige Influenza-Saisons, in denen die Krankenhäuser
übervoll waren und die Patienten auch auf den Gängen
liegen mussten. Abstand zu halten, war dann nicht mehr
möglich.
Abstandhalten ist eine plausible Maßnahme, wenn man
selbst oder eine Person, mit der man sprechen möchte,
eine respiratorische Infektion hat, auch wenn es sich
aller Wahrscheinlichkeit nach nur um einen banalen
Schnupfen handelt. Unangenehm ist auch ein Schnupfen,
und das möchte man anderen oder eben sich selbst (wenn
der andere die Symptome hat) ersparen und bleibt
deshalb etwas auf Abstand.
Seit etwa einem Jahr aber sollen die Menschen ständig
zueinander Abstand halten, auch wenn keiner
respiratorische Symptome hat. Dies wurde mit der sog.
unbemerkten Übertragung bei asymptomatischer oder
präsymptomatischer Übertragung durch das
SARS-CoV-2-Virus begründet. Dass dieses Risiko in der
Realität – anders als in mathematischen Modellierungen
– kaum eine Rolle spielt, wurde oben in Teil A.
bereits ausgeführt.
Das von der Politik in 2020 eingeführte Gebot, einen
Rundum-Abstand von 1,5 m einzuhalten, hat keine
rationale Grundlage, weil, wenn überhaupt, nur ein
vis-à-vis-Abstand sinnvoll ist. Tröpfchen fliegen nach
vorne, aber nicht zur Seite und nach hinten, diesen
Abstand also auch noch seitlich und nach hinten zu
fordern, kann mit der Tröpfchenübertragung nichts zu
tun haben. Sollte es aber schon um die
‚Aerosol‘-Theorie gegangen sein, wäre ein Abstand von
1,5 m nicht ausreichend. Zum damaligen Zeitpunkt
=====
S.98
war aber in Deutschland die ‚Aerosol‘-Übertragung noch
kein Thema. Vielleicht erschien es der Politik
einfacher vermittelbar, von einem Rundum-Abstand zu
sprechen, als das Abstandsgebot auf vis-à-vis-Kontakte
zu beschränken. Man kann darüber nur Vermutungen
anstellen, denn die Politik hat sich nicht erklärt.
Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen zum
Abstandhalten außerhalb der medizinischen
Patientenversorgung.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
1. Bei vis-à-vis-Kontakten einen Abstand von etwa 1,5
m (1 – 2 m) einzuhalten, wenn eine der beiden Personen
Symptome einer Erkältung hat, kann als eine sinnvolle
Maßnahme bezeichnet werden. Im wissenschaftlichen
Sinne gesichert ist sie allerdings nicht, sondern es
gibt lediglich Anhalt dafür oder kann als plausibel
bezeichnet werden, dass es eine wirksame Maßnahme ist,
um sich vor einem Erregerkontakt durch Tröpfchen
respiratorischen Sekrets zu schützen, wenn die
Kontaktperson Zeichen einer Erkältung hat. Ein
Rundum-Abstand dagegen ist nicht sinnvoll, um sich zu
schützen, wenn die Kontaktperson erkältet ist.
2. Einen Rundum-Abstand oder auch nur einen
vis-à-vis-Abstand von etwa 1,5 m (1 – 2 m) zu
einhalten, wenn keiner der anwesenden Personen Zeichen
einer Erkältung hat, wird durch wissenschaftliche
Daten nicht gestützt. Dadurch wird aber das
Zusammenleben der Menschen und insbesondere der
unbeschwerte Kontakt unter Kindern sehr stark
beeinträchtigt, ohne dass ein Nutzen im Sinne des
Infektionsschutzes erkennbar ist.
3. Nahe Kontakte, also unter 1,5 m (1 – 2 m), unter
Schülern oder zwischen Lehrern und Schülern oder unter
Kollegen bei der Arbeit etc. stellen aber auch selbst
dann kein Risiko dar, wenn einer von beiden
Kontaktpersonen Erkältungszeichen hat, weil die Dauer
solcher Kontakte in der Schule oder auch bei
Erwachsenen irgendwo in der Öffentlichkeit viel zu
kurz ist, damit es zu einer Tröpfchenübertragung
kommen kann. Das zeigen auch Untersuchungen aus
Haushalten, wo trotz des engen Zusammenlebens mit
zahlreichen Haut- und Schleimhautkontakten nur wenige
Mitglieder des Haushalts erkranken, wenn einer eine
respiratorische Infektion hat.
Zusammenfassende Beantwortung der Beweisfragen
Auf der Basis der vorstehenden Darstellungen der
wissenschaftlichen Fachliteratur lassen sich die vom
Gericht gestellten Beweisfragen folgendermaßen
beantworten:
1. Kann das Tragen von Gesichtsmasken
unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 (nennenswert) senken? Dabei
soll zwischen Kindern im Besonderen und Erwachsenen im
Allgemeinen und zwischen asymptomatischen,
präsymptomatischen und symptomatischen Menschen
unterschieden werden.
Es gibt keine Belege dafür, dass Gesichtsmasken
unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko durch
SARS-CoV-2 überhaupt oder sogar nennenswert senken
können. Diese Aussage trifft auf Menschen aller
Altersgruppen zu, also auch auf Kinder und Jugendliche
sowie auf asymptomatische, präsymptomatische und
symptomatische Personen.
Im Gegenteil besteht eher die Möglichkeit, dass durch
die beim Tragen von Masken noch häufigeren
Hand-Gesichtskontakte das Risiko erhöht wird, selbst
mit dem Erreger in Kontakt zu kommen oder Mit-Menschen
damit in Kontakt zu bringen.
3. Besteht überhaupt ein Infektionsrisiko, das durch
das Tragen von Gesichtsmasken (oder andere Maßnahmen)
abgesenkt werden könnte?
=====
S.99
Für die normale Bevölkerung besteht weder im
öffentlichen noch im privaten Bereich ein
Infektionsrisiko, das durch das Tragen von
Gesichtsmasken (oder anderen Maßnahmen) gesenkt werden
könnte.
4. Kann durch die Einhaltung von Abstandsvorschriften
das Infektionsrisiko insbesondere bei Kindern
abgesenkt werden?
Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Einhaltung von
Abstandsvorschriften das Infektionsrisiko senken kann.
Dies gilt für Menschen aller Altersgruppen, also auch
für Kinder und Jugendliche.
Die Gutachterin hat ihrem Gutachten folgende
Literaturliste angefügt:
Gutachten - Literatur
1. Robert-Koch-Institut (RKI). Mund-Nasen-Bedeckung im
öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion
der Übertragungen von COVID-19. Epid Bull 2020; 19:
3-5
2. Cheng KK, Lam TH, Leung CC. Wearing face masks in
the community during the COVID-19 pandemic: altruism
and solidarity. Lancet 2020; 395: DOI:
10.1016/S0140-6736(20)30918-1
3. Deutsches Ärzteblatt. Masken: ‚Geringer Mehrwert‘
laut RKI nur bei richtigem Umgang, 28.04.2020.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112349/Masken-Geringer-Mehrwert-laut-RKI-nur-bei-richtigem-Umgang
4. Ganyani T et al. Estimating the generation interval
for coronavirus disease (COVID-19) based on symptom
onset data, March 2020. Eurosurveillance 2020; 25:
1-8;
https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.17.2000257
5. Li R et al. Substantial undocumented infection
facilitates the rapid dissemination of novel
coronavirus (SARS-CoV-2). Science 2020; 368: 489-493;
https://doi.org/10.1126/science.abb3221
6. Robert-Koch-Institut (RKI). Abwägung der Dauer von
Quarantäne und Isolierung bei COVID-19. Epid Bull
2020; 39; 3-11; https://doi.org/10.25646/7140
7. He et al. Temporal dynamics in viral shedding and
transmissibility of COVID-19. Nature Medicine 2020;
26: 672–675; https://doi.org/10.1038/s41591-020-0869-5
8. Slifka MK und Lao L. Is presymptomatic spread a
major contributor to COVID-19 transmission? Nature
Medicine 2020; 26: 1531-1533;
https://doi.org/10.1038/s41591-020-1046-6
9. Du Z et al. Serial interval of COVID-19 among
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https://www.ndr.de/nachrichten/info/Coronavirus-Update-Die-Podcast-Folgen-als-Skript,podcastcoronavirus102.html
=====
S.108
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https://www.ndr.de/nachrichten/info/Coronavirus-Update-Die-Podcast-Folgen-als-Skript,podcastcoronavirus102.html
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30. November 2020. Broschüre ‚Mundgeruch?‘
https://www.blzk.de/blzk/site.nsf/id/li_im_mundgeruch_maske.html?OpenDocument&Click=
148.
https://www.thepioneer.de/originals/steingarts-morning-briefing/podcasts/ansteckung-im-aussenbereich-nahezu-ausgeschlossen
149. Horii M. Why do the Japanese wear masks?
Electronic journal of contemporary japanese studies,
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https://www.japanesestudies.org.uk/ejcjs/vol14/iss2/horii.html
150.
https://www.japandigest.de/aktuelles/kolumne/mundschutz-in-japan/
IX. Gutachten Prof. Dr. Christof Kuhbandner
Prof. Dr. Christof Kuhbandner ist Professor für
Psychologie, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für
Pädagogische Psychologie an der Universität Regensburg
und Experte im Bereich wissenschaftlicher Methoden und
Diagnostik.
Der Gutachter hat sein Gutachten, das hier vollständig
eingefügt wird, wie folgt erstattet:
Im Folgenden möchte ich als Professor für Psychologie,
Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Pädagogische
Psychologie an der Universität Regensburg und Experte
im Bereich wissenschaftlicher Methoden und Diagnostik
meine fachliche Einschätzung zu den aufgeworfenen
Fragen darstellen. Ich werde dazu auf die einzelnen
Fragen jeweils eingehen und den Stand der Wissenschaft
dazu schildern, mit Verweis auf die zugrundeliegenden
wissenschaftlichen Quellen.
1. Kann das Tragen von Gesichtsmasken
unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 (nennenswert) senken? Dabei
soll zwischen Kindern im Besonderen und Erwachsenen im
Allgemeinen und zwischen asymptomatischen,
präsymptomatischen und symptomatischen Menschen
unterschieden werden.
Zur Beantwortung dieser Frage wird zunächst ein
Bewertungsschema zur Einordnung der Qualität der
Evidenz aus Studien mit unterschiedlichen methodischen
Zugängen dargestellt. Anschließend wird auf die
Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zu
Maßnahmen im Schulbereich, die Empfehlungen in der
S3-Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle
der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ und die
Empfehlungen der WHO zum Maskentragen insbesondere bei
Kindern und die diesen Empfehlungen zugrundeliegenden
wissenschaftlichen Studien eingegangen. Als nächstes
wird der Stand der Wissenschaft hinsichtlich der aus
evidenzbasierter Perspektive qualitativ hochwertigen
Studien zusammengefasst. Dabei wird insbesondere auch
auf die Besonderheiten beim Maskentragen von Kindern
eingegangen. Darauf aufbauend wird dargestellt, in
welchem Ausmaß das Infektionsrisiko mit dem Tragen von
Masken an Schulen reduziert werden kann.
=====
S.109
Abschließend wird aus aktuellem Anlass auf die
beobachtete Zunahme von gemeldeten positiven
SARS-CoV-2-Testergebnissen von Kindern und die
Relevanz der Virusvariante B.1.1.7. eingegangen.
Bewertungsschema zur Einordnung der Qualität der
Evidenz aus Studien
Bei der Untersuchung des Effekts von Masken sind in
der Forschung verschiedene methodische Zugänge
anzutreffen. Bei vielen Studien handelt es sich um
sogenannte Beobachtungsstudien, bei denen
beispielsweise Personen gefragt werden, ob sie Masken
im Alltag tragen oder nicht, und das
Infektionsgeschehen verglichen wird. Das methodische
Problem ist, dass man aus solchen Studien nicht auf
einen kausalen Effekt der Maske schließen kann, weil
sich maskentragende Personen auch ansonsten
hygienetechnisch anders verhalten können.
Beispielsweise ist es sehr wahrscheinlich, dass
maskentragende Personen sich auch häufiger die Hände
waschen, so dass ein beobachteter Effekt anstatt auf
die Maske auch auf ein häufigeres Händewaschen
zurückgehen kann.
Weiterhin gibt es Studien, in welchen der Filtereffekt
der Maske im Labor untersucht wird. Das Problem bei
dieser Art von Studien ist, dass man aus solchen
laborexperimentellen Befunden nicht auf die
Virusausbreitung im echten Leben schließen kann. Der
Grund ist, dass in solchen Studien nur ein einziger
Übertragungsweg experimentell überprüft wird. Im
echten Leben gibt es aber noch weitere
Übertragungswege, auf welche das Tragen einer Maske
womöglich negativ wirkt, so dass in der Gesamtsumme
Masken womöglich sogar negative Effekte auf die
Virusausbreitung haben können, obwohl sich ein
positiver Effekt auf die Übertragung über den
Luftstrom experimentell nachweisen lässt.
Beispielsweise zeigen Studien, dass Masken zwar die
Viruslast in der ausgeatmeten Luft reduzieren, sich
dafür aber mehr Viren auf der Außenseite der Maske
ansammeln [1]. Damit wird mittels einer Maske zwar der
Übertragungsweg über die Luft reduziert, dagegen aber
der Übertragungsweg über ein Berühren der Maske mit
den Händen verstärkt. Aus der Untersuchung eines
einzigen Übertragungsweges im Labor auf die
Virusausbreitung im echten Leben zu schließen, ist aus
der Perspektive der Anwendungsforschung ein bekannter
Fehlschluss, denn in der Praxis zählt das
Zusammenspiel aller Übertragungswege.
Schließlich gibt es noch Studien, in denen versucht
wird, auf der Basis von Modellierungen der
Virusausbreitung in der Bevölkerung den Effekt von der
Verordnung von Maskenpflichten abzuschätzen. Das
Ergebnis von Modellierungsstudien hängt aber
fundamental von den ins Modell eingebauten Parametern
ab. So wird in vielen Modellierungen beispielsweise
ignoriert, dass die Virusausbreitung stark von
saisonalen Effekten beeinflusst wird, was dann
fälschlicherweise einem Effekt von verordneten
Maßnahmen zugeschlagen werden kann [2]. Weiterhin
können manche Parameter nicht aus den empirischen
Daten geschätzt werden, sondern müssen mit bestimmten
theoretischen Vorannahmen festgelegt werden. So
variiert beispielsweise die Zeit zwischen Ansteckung
und Meldung eines Testergebnisses an das
Gesundheitsamt substantiell von Person zu Person, was
in mehreren Modellierungsstudien nicht adäquat
abgebildet wird [3]
Um wirklich wissenschaftlich fundiert den Effekt des
Maskentragens zu untersuchen, sind eigentlich Studien
notwendig, in denen Personen im Lebensalltag zufällig
einer Gruppe mit oder ohne Maske zugeordnet werden und
das Infektionsgeschehen in beiden Gruppen über einen
längeren Zeitraum beobachtet wird (sog. randomisierte
kontrollierte Studien), was als Goldstandard der
Wirksamkeitsforschung angesehen werden kann.
Empfehlungen des RKI zu Maßnahmen im Schulbereich
=====
S.110
Das RKI hat am 12. Oktober eine Empfehlung zu
Präventionsmaßnahmen in Schulen veröffentlicht [4].
Dort wird das Tragen von Alltagsmasken empfohlen, wenn
ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden
kann. In Abhängigkeit von der Inzidenz und der
Klassenstufe wird empfohlen, Masken nicht nur auf dem
Schulgelände, sondern auch im Unterricht zu tragen –
für Grundschulen ab einer 7-Tage-Inzidenz in der
Bevölkerung von 50 pro 100.000 und für weiterführende
Schulen bereits ab einer 7-Tage-Inzidenz in der
Bevölkerung von 35 pro 100.000.
Aus evidenzbasierter Perspektive ist negativ
anzumerken, dass bei diesen Empfehlungen des RKI auf
keinerlei Studien zur Wirksamkeit des Maskentragens
verwiesen wird. Im entsprechenden Papier heißt es
lediglich – ohne dabei auf eine einzige stützende
empirische Studie zu verweisen (S. 3):
„Die anerkannten Infektionsschutzmaßnahmen sind auch
im Kindes- und Jugendalter wirksam, zumindest für
ältere Kinder gut umsetzbar und ein wichtiger Baustein
bei der Bewältigung der Pandemie“.
Weiterhin wird explizit darauf hingewiesen, dass bei
diesen Empfehlungen mögliche Schäden des Maskentragens
bei Kindern völlig außer Acht gelassen wurden. So
schreibt das RKI im entsprechenden Papier explizit (S.
4):
„Psychosoziale und andere Aspekte wie die Vermeidung
von Stigmatisierung sind nicht Teil dieser Empfehlung,
der Fokus liegt auf der Infektionsprävention.“
Aus der Perspektive einer evidenzbasierten Medizin,
bei der es gilt sowohl den Nutzen als auch die Kosten
einer Maßnahme vor dem Hintergrund der existierenden
empirischen Studien abzuwägen, ist dieses Papier des
RKI zu den Empfehlungen von Präventionsmaßnahmen an
Schulen als fragwürdig einzustufen: Der behauptete
Nutzen des Maskentragens bei Kindern wird nicht mit
empirischen Studien belegt, mögliche Schäden wurden
sogar explizit bei der Ausarbeitung der Empfehlungen
ignoriert.
Empfehlungen laut der S3-Leitlinie als
Handlungsempfehlung für Schulen
Anfang Februar wurde eine S3-Leitlinie zu „Maßnahmen
zur Prävention und Kontrolle der
SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
vorgelegt [5]. Die dort formulierten
Handlungsempfehlungen wurden von einer repräsentativen
Gruppe von Expertinnen und Experten der
wissenschaftlichen Fachgesellschaften – federführend
waren die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie, die
Deutsche Gesellschaft für Public Health, die Deutsche
Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin sowie die
Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie –
sowie am Schulgeschehen Beteiligten und
Entscheidungsträgerinnen und -trägern erarbeitet. In
Bezug auf das Tragen von Masken lautet dort die
Empfehlung (S. 5):2.1 Evidenzbasierte Empfehlung
2.2. Evidenzbasierte Empfehlung
Sachgerechtes Tragen von Masken durch Schuler*innen,
Lehrer*innen und weiteres Schulpersonal soll in
Schulen umgesetzt werden.
Qualität der Evidenz: Niedrig ⨁⨁⨀⨀
Empfehlungsgrad: Starke Empfehlung A
Konsensstärke: Starker Konsens (100 %); Ja-Stimmen 24,
Nein-Stimmen 0, Enthaltungen 1
Literatur: Chu et al. (2020); Krishnaratne et al.
(2021); Li et al. (2020)
=====
S.111
2.2 Evidenzbasierte Empfehlung
Ab hohem Infektionsgeschehen soll ein medizinischer
Mund-Nasen-Schutz zum Einsatz kommen.
Qualität der Evidenz: Niedrig ⨁⨁⨀⨀
Empfehlungsgrad: Starke Empfehlung A
Konsensstärke: Konsens (86 %); Ja-Stimmen 18,
Nein-Stimmen 3, Enthaltungen 4
Literatur: Chu et al. (2020); Krishnaratne et al.
(2021); Li et al. (2020)
In Bezug auf die den Empfehlungen zugrundeliegende
Evidenz heißt es in der Leitlinie konkret (S. 6;
Hervorhebungen durch den Verfasser des
Sachverständigengutachtens):
Evidenzgrundlage
--- Die Evidenz zu den Wirkungen der Maßnahme
hinsichtlich einer SARS-CoV-2-Ubertragung wurde mit
einem Cochrane Rapid Review systematisch erhoben [1].
Die gewonnenen Erkenntnisse beruhen zu großen Teilen
auf Modellierungsstudien mit Qualitätsmängeln. Die
Vertrauenswürdigkeit dieser Evidenz ist sehr niedrig
oder niedrig.
--- Indirekte Evidenz zur Übertragung von SARS-CoV-2
bei der Verwendung von Masken in der
Allgemeinbevölkerung weist niedrige
Vertrauenswürdigkeit auf.
--- Gesundheitliche Folgen über COVID-19 hinaus wurden
nicht systematisch gesichtet und beruhen auf
indirekter Evidenz, Einzelstudien und/oder
Expert*innenkonsens.
--- Evidenz zu anderen Kriterien (Akzeptanz,
gesundheitliche Chancengleichheit, soziale und
ökologische Folgen, finanzielle und wirtschaftliche
Folgen, Machbarkeit) wurde nicht gesichtet, d.h. es
wurden keine systematische Suche und Bewertung
wissenschaftlicher Studien durchgeführt. Alle
Einschätzungen zu diesen Kriterien beruhen auf
Expert*innenkonsens. Eine Einschränkung der
Grundrechte durch die Maßnahme wurde beachtet, auch
hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme.
Eine rechtliche Prüfung wurde nicht vorgenommen.
Wie die Hervorhebungen zeigen, ist die
Evidenzgrundlage, auf der die Empfehlungen zum Tragen
von Masken bei Kindern basiert wurden, durchgängig
niedrig bis sehr niedrig, eine systematische Suche und
Bewertung wissenschaftlicher Studien hat zum Teil
nicht stattgefunden. Trotzdem werden anschließend in
Bezug auf den Nutzen folgende Behauptungen aufgestellt
– ohne an dieser Stelle konkrete empirische Belege für
die aufgestellten Behauptungen zu nennen (S. 6):
„Maskentragen reduziert die Übertragung von
SARS-CoV-2. Maskentragen in Schulen verringert als
Teil eines Maßnahmenpakets die Infektionshäufigkeit“.
Kritisch anzumerken ist zudem, dass es sich auch bei
den unter „Literatur“ angeführten Meta-Analysen – Chu
et al. (2020), Krishnaratne et al. (2021) und Li et
al. (2020) – ausschließlich um Meta-Analysen zu
Beobachtungsstudien handelt. So schreiben Li et al.
explizit in der Schlussfolgerung im Abstract:
=====
S.112
„Robust randomized trials are needed in the future to
better provide evidence for these interventions.”
Genauso schreiben Chu et al. bei der Interpretation im
Abstract:
„Robust randomised trials are needed to better inform
the evidence for these interventions.”
Hinzu kommt, dass es sich bei den in den Meta-Analysen
analysierten Studien größtenteils um Studien aus dem
Bereich von Krankenhäusern handelt, welche
hinsichtlich des Infektionsgeschehens nicht einfach
auf den Bereich der Schulen übertragen werden können.
Beispielsweise war nur eine der sechs Studien, welche
in der Meta-Analyse von Li et al. eingeschlossen
wurden, nicht im Krankenhaussetting angesiedelt,
sondern in der normalen Bevölkerung, und in dieser
Studie zeigte sich interessanterweise für Personen
außerhalb von Krankenhäusern kein signifikanter Effekt
des Maskentragens.
In der Tat gibt es inzwischen relativ umfangreiche
Beobachtungsstudien zum Infektionsgeschehen außerhalb
von Krankenhäusern, welche in den erwähnten
Meta-Analysen noch nicht eingeschlossen sind, aber in
eine ähnliche Richtung weisen. So ist kürzlich eine
umfangreiche Studie aus Spanien im Lancet erschienen
[6], in der 282 Infektionscluster in Haushalten
untersucht wurden, hinsichtlich von Faktoren, welche
das Infektionsgeschehen beeinflusst haben. Ein Faktor
war, ob Masken getragen wurden oder nicht. Zwischen
den Gruppen „niemals Maske getragen“ und „immer Maske
getragen“ gab es keinen signifikanten Unterschied im
Infektionsgeschehen, die Autoren schreiben:
„We observed no association of risk of transmission
with reported mask usage by contacts.”
Die Handlungsempfehlungen in der S3-Leitlinie sind
demnach nicht mit überzeugenden wissenschaftlichen
Belegen begründet, wie es bei hochwertigen
S3-Leitlinien eigentlich der Fall sein sollte.
Bemerkenswert ist insbesondere, dass mögliche Schäden
fast vollständig ignoriert werden. Wie weiter oben im
zitierten Abschnitt aus der S3-Leitlinie zur
Evidenzgrundlage ersichtlich, wurden die
gesundheitlichen Folgen des Maskentragens über
COVID-19 hinaus nicht systematisch gesichtet. In Bezug
auf die Einschätzung zum möglichen Schaden durch das
Maskentragen heißt es in der Leitlinie – wohlgemerkt
obwohl die Evidenz nicht systematisch gesichtet wurde
(S. 6):
„Mit Maskentragen gehen geringe gesundheitliche
Nebenwirkungen einher. Es gibt keine Evidenz für
mögliche Schäden durch Tragen einer Maske.“
Insgesamt betrachtet wird die S3-Leitlinie den
eigentlichen Erwartungen an eine solche Leitlinie
hinsichtlich der wissenschaftlichen Qualität nicht
gerecht. Der behauptete Nutzen wird nicht mit
qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Belegen
begründet, sondern beruht auf Studien, welche nur sehr
niedrige bis niedrige Evidenz liefern und von
aktuelleren Studien zudem in Frage gestellt werden. In
Bezug auf den Schaden wird behauptet, dass es keine
Evidenz für mögliche Schäden geben würde, obwohl die
Studienlage gar nicht systematisch gesichtet wurde.
Wie gleich noch genauer beschrieben wird, hätte
diesbezüglich schon allein ein Blick in die offizielle
Empfehlung der WHO gereicht, wo die
=====
S.113
möglichen Schäden zumindest teilweise mit
entsprechenden Referenzen aufgelistet werden.
Insbesondere in Bezug auf den Schaden grenzt die
S3-Leitlinie damit das fast an eine Irreführung der
Nutzer*innen solcher Leitlinien.
Empfehlungen der WHO zum Tragen von Masken
Die allgemeinen Empfehlungen der WHO zum Tragen von
Masken wurden zuletzt am 1. Dezember 2020 aktualisiert
[7]. Dort wird zum einen explizit zwischen den
Settings innerhalb und außerhalb von Krankenhäusern
unterschieden. Zum anderen heißt es dort in Bezug auf
Settings außerhalb von Krankenhäusern explizit (S. 8):
„At present there is only limited and inconsistent
scientific evidence to support the effectiveness of
masking of healthy people in the community to prevent
infection with respiratory viruses, including
SARS-CoV-2.”
Trotz dieser Evidenzlage wird das Tragen von Masken
bei hoher Virusausbreitung empfohlen, wenn ein Abstand
von 1 m nicht eingehalten werden kann. Allerdings wird
explizit auf die zahlreichen möglichen Schäden
verwiesen, mit Verweis auf entsprechende
wissenschaftliche Belege, welche bei Entscheidungen
zum Maskentragen miteinbezogen werden sollten (S. 10;
die angegebenen Referenzen beziehen sich auf die
Nummerierung in der WHO-Empfehlung):
The potential disadvantages of mask use by healthy
people in the general public include:
--- headache and/or breathing difficulties, depending
on type of mask used (55);
--- development of facial skin lesions, irritant
dermatitis or worsening acne, when used frequently for
long hours (58, 59, 127);
--- difficulty with communicating clearly, especially
for persons who are deaf or have poor hearing or use
lip reading (128, 129);
--- discomfort (44, 55, 59)
--- a false sense of security leading to potentially
lower adherence to other critical preventive measures
such as physical distancing and hand hygiene (105);
--- poor compliance with mask wearing, in particular
by young children (111, 130-132);
--- waste management issues; improper mask disposal
leading to increased litter in public places and
environmental hazards (133);
--- disadvantages for or difficulty wearing masks,
especially for children, developmentally challenged
persons, those with mental illness, persons with
cognitive impairment, those with asthma or chronic
respiratory or breathing problems, those who have had
facial trauma or recent oral maxillofacial surgery and
those living in hot and humid environments (55, 130).
Am 21. August 2020 wurde von der WHO auch eine
Empfehlung zum Maskentragen spezifisch für Kinder
veröffentlicht [8]. Auch dort wird explizit auf die
fehlende empirische Evidenz verwiesen. So heißt es (S.
2):
„Evidence on the benefits and harms of children
wearing masks to mitigate transmission of COVID-19 and
other coronaviruses is limited.“
=====
S.114
Weiterhin werden Studien zitiert, welche darauf
hinweisen, dass Masken bei Kindern weniger effektiv
sind als bei Erwachsenen. So heißt es (S. 2):
„One study, conducted under laboratory conditions and
using non-betacoronaviruses, suggested that children
between five and 11 years old were significantly less
protected by mask wearing compared to adults, possibly
related to inferior fit of the mask.”
Hinsichtlich der Empfehlung, ob Kinder Masken tragen
sollten, wird dann explizit darauf hingewiesen, dass
die möglichen Schäden vorrangig Berücksichtigung
finden sollten. So heißt es in den Main Conclusions
(S. 2):
„The benefits of wearing masks in children for
COVID-19 control should be weighed against potential
harm associated with wearing masks, including
feasibility and discomfort, as well as social and
communication concerns.”
Und bei den Overarching Guiding Principles lauten die
ersten beiden Punkte:
--- Do no harm: the best interest, health and
well-being of the child should be prioritized.
--- The guidance should not negatively impact
development and learning outcomes.
Trotzdem wird dann eigentlich überraschenderweise das
Tragen von Masken für Kinder ab sechs Jahren
empfohlen, aber nur wenn (unter anderem) eine höhere
Virusausbreitung in der Bevölkerung und eine höhere
Infektionsgefahr in der entsprechenden Altersgruppe
gegeben ist und mögliche negative Einflüsse auf das
Lernen und die psychosoziale Entwicklung abgewogen
werden.
Zusammenfassend weisen die Empfehlungen der WHO
explizit auf die fehlende qualitativ hochwertige
wissenschaftliche Evidenz zur Wirksamkeit des Tragens
von Masken insgesamt und insbesondere in Bezug auf
Kinder hin. Gleichzeitig werden zahlreiche der
möglichen Schäden genannt, und es wird explizit
empfohlen, bei Kindern mögliche körperliche,
psychische und soziale Schäden zu beachten und
gegebenenfalls zu priorisieren.
Randomisierte kontrollierte Studien zum Effekt der
Maske auf die Virusausbreitung
Wie eingangs erwähnt, sind für eine qualitativ
hochwertige wissenschaftliche Untersuchung des
Effektes von Masken auf die Virusausbreitung
eigentlich randomisierte kontrollierte Studien nötig.
Da solche Studien sehr aufwendig sind, lagen solche
Studien bis vor relativ kurzer Zeit in Bezug auf das
Virus SARS-CoV-2 nicht vor. Allerdings gibt es mehrere
solcher Studien zu den bereits bekannten
respiratorischen Viren. Dort ist die Sachlage relativ
eindeutig: In zwei verschiedenen Meta-Analysen aus dem
Jahr 2020 zu den existierenden randomisierten
kontrollierten Studien lauten die Ergebnisse
übereinstimmend:
--- Cochrane Review vom April 2020 [9]: „Compared to
no masks there was no reduction of influenza-like
illness (ILI) cases (Risk Ratio 0.93, 95%CI 0.83 to
1.05) or influenza (Risk Ratio 0.84, 95%CI 0.61-1.17)
for masks in the general population, nor in healthcare
workers (Risk Ratio 0.37, 95%CI 0.05 to 2.50). There
was no difference between surgical masks and N95
respirators: for ILI (Risk Ratio 0.83, 95%CI 0.63 to
1.08), for influenza (Risk Ratio 1.02, 95%CI 0.73 to
1.43).”
=====
S.115
--- Policy Review des amerikanischen Centers for
Desease Control and Prevention [10]: „We did not find
evidence that surgical-type face masks are effective
in reducing laboratory-confirmed influenza
transmission, either when worn by infected persons
(source control) or by persons in the general
community to reduce their susceptibility“.
Dementsprechend ist es nicht überraschend, dass der
RKI-Vizepräsident Lars Schaade auf einer
Pressekonferenz am 28. Februar 2020 erklärte, dass das
RKI das Tragen von Masken im Alltagsleben ausdrücklich
nicht empfehle. Wortwörtlich stellte er auf Nachfrage
klar [11]:
„Das ist mehrfach untersucht worden: Es gibt einfach
keine wissenschaftliche Evidenz, dass das [das Tragen
von Masken] irgendeinen Sinn hätte.“
Zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie gab es demnach keine
wissenschaftliche Evidenz aus randomisierten
kontrollierten Studien dafür, dass die Ausbreitung
respiratorischer Viren mittels Masken in relevanter
Weise eindämmen könnte. Das wurde inzwischen auch in
der ersten größeren randomisierten kontrollierten
Studie zum Effekt des Maskentragens auf
SARS-CoV-2-Infektionen bestätigt. In einer dänischen
Studie [12] wurden 4.862 Personen zufällig entweder
einer Gruppe zugeteilt, die beim Verlassen des Hauses
für einen Monat hochwertige OP-Masken (Filterrate 98%)
sollte, oder einer Gruppe, welche im selben Zeitraum
keine Masken tragen sollte. Zur Zeit der Studie gab es
keine Maskenpflicht in Dänemark und das Tragen von
Masken war unüblich.
Das Ergebnis war, dass kein signifikanter Unterschied
(p = 0.18) in der Infektionsrate zwischen der
Maskengruppe (Infektionsrate: 1,8%) und der
Kontrollgruppe (Infektionsrate: 2,1%) beobachtet
wurde. Wenn nur die Personen in der Maskengruppe
belassen wurden, welche die Maske wirklich
vorschriftsmäßig getragen haben, dann verschwand der
Effekt des Maskentragens fast vollständig
(Infektionsrate Maskengruppe: 2,0% versus
Infektionsrate Kontrollgruppe: 2,1%, p = 0.82). Die
erste umfangreiche randomisiert kontrollierte Studie
zum Effekt des Maskentragens auf
SARS-CoV-2-Infektionen bestätigt also den in den
bisherigen Studien zu anderen respiratorischen Viren
beobachteten fehlenden Effekt des Maskentragens.
Anzumerken ist, dass in dieser Studie der Effekt des
Maskentragens auf den Selbstschutz untersucht wurde.
In Bezug auf den Fremdschutz – also inwiefern Masken
verhindern, dass eine infizierte Person andere
Personen ansteckt – gibt es bisher keine
randomisierten kontrollierten Studien.
Ende November ist ein Update des bereits erwähnten
Cochrane Reviews erschienen [13], welcher die bis
dahin neu hinzugekommenen Studien einschließt. Das
Ergebnis lautet unverändert:
„The pooled results of randomised trials did not show
a clear reduction in respiratory viral infection with
the use of medical/surgical masks during seasonal
influenza. There were no clear differences between the
use of medical/surgical masks compared with N95/P2
respirators in healthcare workers when used in routine
care to reduce respiratory viral infection. (…) Harms
associated with physical interventions were
underinvestigated.“
Es gibt demnach nach wie vor keine Evidenz aus
randomisierten kontrollierten Studien, dass Masken die
Infektionsausbreitung verhindern könnten. In Bezug auf
das Tragen von
=====
S.116
Baumwollmasken ist es sogar so, dass die einzige
bisher dazu existierende randomisierte kontrollierte
Studie [14] zeigt, dass das Tragen von Baumwollmasken
das Infektionsrisiko nicht nur nicht eindämmt, sondern
sogar deutlich erhöht. In der Studie wurde der Effekt
des Maskentragens an 1.607 Krankenhausmitarbeitern
überprüft, von denen ein Drittel Baumwollmasken und
ein Drittel OP-Masken trug, das restliche Drittel
sollte sich so verhalten, wie sie es üblicherweise tun
(in dieser Bedingung trugen fast alle Personen auch
entweder medizinische Masken oder Baumwollmasken). Die
Autoren fassen die Ergebnisse im Abstract
folgendermaßen zusammen:
„The rates of all infection outcomes were highest in
the cloth mask arm, with the rate of ILI
[Influenza-like Illness] statistically significantly
higher in the cloth mask arm (relative risk (RR) =
13.00, 95% CI 1.69 to 100.07) compared with the
medical mask arm. Cloth masks also had significantly
higher rates of ILI compared with the control arm.“
Das Infektionsrisiko war als in der Gruppe mit
Baumwollmasken stark erhöht. In der Gruppe mit der
medizinischen Maske war das Infektionsrisiko gegenüber
der Kontrollbedingung zwar reduziert. Allerdings ist
das nicht als Hinweis zu werten, dass medizinische
Masken tatsächlich einen Effekt gehabt haben könnten.
In der Kontrollgruppe trugen die Personen nicht keine
Masken, sondern entweder Baumwollmasken oder
medizinische Masken. Deswegen liegt das
Infektionsrisiko in der Kontrollgruppe genau in der
Mitte zwischen Baumwollmasken-Gruppe und
Medizinische-Masken-Gruppe.
Interessanterweise gibt es von denselben Forschern
zwei weitere Studien mit einem sehr ähnlichen Design,
in welchen medizinische Masken mit einer echten
Kontrollbedingung ohne Maske verglichen wurden. Dort
zeigte sich kein Unterschied im Infektionsrisiko
zwischen den Gruppen. Die Autoren ziehen diese
Ergebnisse heran um die Befunde aus der Studie zu den
Baumwollmasken zu interpretieren und schreiben:
„The magnitude of difference between cloth masks and
medical masks in the current study, if explained by
efficacy of medical masks alone, translates to an
efficacy of 92% against ILI, which is possible, but
not consistent with the lack of efficacy in the two
previous RCTs. Further, we found no significant
difference in rates of virus isolation in medical mask
users between the three trials, suggesting that the
results of this study could be interpreted as partly
being explained by a detrimental effect of cloth
masks. This is further supported by the fact that the
rate of virus isolation in the no-mask control group
in the first Chinese RCT was 3.1%, which was not
significantly different to the rates of virus
isolation in the medical mask arms in any of the three
trials including this one.“
Die Autoren schließen also, dass die Befunde
vermutlich so zu interpretieren sind, dass auch
medizinische Masken die Virusausbreitung nicht
reduzieren, Baumwollmasken das Infektionsrisiko aber
zusätzlich noch erhöhen. Konkret lautet die aus der
Studie abgeleitete Hauptschlussfolgerung im Abstract:
„The results caution against the use of cloth masks.“
=====
S.117
Interessant insbesondere in Bezug auf die Frage nach
dem Maskentragen von Kindern ist die Erklärung der
Autoren für das erhöhte Risiko bei Baumwollmasken. Die
Autoren schreiben:
„The physical properties of a cloth mask, reuse, the
frequency and effectiveness of cleaning, and increased
moisture retention, may potentially increase the
infection risk for Health Care Workers. The virus may
survive on the surface of the facemasks, and modelling
studies have quantified the contamination levels of
masks. Self-contamination through repeated use and
improper doffing is possible. For example, a
contaminated cloth mask may transfer pathogen from the
mask to the bare hands of the wearer. We also showed
that filtration was extremely poor (almost 0%) for the
cloth masks. Observations during SARS suggested
double-masking and other practices increased the risk
of infection because of moisture, liquid diffusion and
pathogen retention. These effects may be associated
with cloth masks. “
Die Autoren vermuten demnach, dass Baumwollmasken
schneller durchfeuchten und Viren in der Maske
verbleiben können und sich dadurch bei falscher
Handhabung das Infektionsrisiko erhöhen kann.
Interessanterweise handelt es sich bei den genannten
Problemen – lange Tragedauer, höhere Durchfeuchtung,
langfristiges Nutzen derselben Maske ohne adäquate
Reinigung und problematische Handhabung – um exakt die
Probleme, welche beim Tragen von Masken im Unterricht
bei Schülerinnen und Schülern typischerweise zu
beobachten sind.
Der Faktor der korrekten Handhabung der Masken beim
Tragen
Hier ist anzumerken, dass eine korrekte Handhabung von
Masken generell ausschlaggebend dafür ist, dass Masken
überhaupt eine Wirkung entfalten können. So heißt es
in der erwähnten Empfehlung der WHO zum Tragen von
Masken zur korrekten Handhabung [7]:
WHO provides the following guidance on the correct use
of masks:
--- Perform hand hygiene before putting on the mask.
--- Inspect the mask for
tears or holes, and do not use a damaged mask.
--- Place the mask
carefully, ensuring it covers the mouth and nose,
adjust to the nose bridge and tie it securely to
minimize any gaps between the face and the mask. If
using ear loops, ensure these do not cross over as
this widens the gap between the face and the mask.
--- Avoid touching the mask
while wearing it. If the mask is accidently touched,
perform hand hygiene.
--- Remove the mask using
the appropriate technique. Do not touch the front of
the mask, but rather untie it from behind.
--- Replace the mask as
soon as it becomes damp with a new clean, dry mask.
--- Either discard the mask
or place it in a clean plastic resealable bag where it
is kept until it can be washed and cleaned. Do not
store the mask around the arm or wrist or pull it down
to rest around the chin or neck.
--- Perform hand hygiene
immediately afterward discarding a mask.
--- Do not re-use
single-use mask.
=====
S.118
--- Discard single-use
masks after each use and properly dispose of them
immediately upon removal.
--- Do not remove the mask
to speak.
--- Do not share your mask
with others.
Wie diese Liste eindrücklich klarmacht, stellt das
korrekte Tragen von Masken hohe Anforderungen an die
maskentragende Person. Allein angesichts dessen, dass
Schüler*innen bei einer Maskenpflicht im Unterricht
Masken relativ durchgängig bis zu 10 Stunden pro Tag
tragen müssen (Schulbus, Schulgelände, Vormittags- und
Nachmittagsunterricht) ist eine korrekte Handhabung an
Schulen kaum umzusetzen. Hinzu kommt bei jüngeren
Schüler*innen, dass eine korrekte Handhabung kognitive
Anforderungen stellt, welche bei jüngeren Kindern
entwicklungsbedingt nicht gegeben sind. Da
beispielsweise der Präfrontalkortex bis in etwa zum
Beginn des Jugendalters noch nicht vollständig
ausgereift ist [15], ist das Verhalten von Kindern
stark durch automatisierte Verhaltenstendenzen
gesteuert, welche nur bedingt vom Kind selbst
reguliert werden können. So sind Anforderungen wie das
Nichtberühren der Maske von Kindern kaum umzusetzen.
Damit besteht die Gefahr, dass beim Maskentragen von
Kindern das durch die falsche Handhabung bedingte
erhöhte Infektionsrisiko den laut den randomisierten
kontrollierten Studien geringen bis nicht vorhandenen
Nutzen überwiegt.
Kritisch anzumerken ist aus der Perspektive einer
evidenzbasierten Medizin insbesondere, dass es zum
Effekt des Tragens von Masken an Schulen auf die
Virusausbreitung keinerlei randomisierte kontrollierte
Studien gibt. Angesichts der beschriebenen Sachlage
ist es fraglich, inwiefern es überhaupt vertretbar
sein kann, eine umfassende Maskenpflicht zu verordnen,
ohne dass ein Nutzen wirklich wissenschaftlich
belastbar nachgewiesen ist. Das ist umso mehr der
Fall, als das langanhaltende Tragen von Masken mit
möglichen Schäden auf körperlicher, psychischer und
sozialer Ebene – über eine womöglich sogar verstärkte
Virusausbreitung hinaus – verbunden sein kann (siehe
unten).
Das Ausmaß der Reduktion des Infektionsrisikos mittels
des Tragens von Masken an Schulen
Wichtig ist der Hinweis, dass der Effekt einer
Maßnahme auf die Virusausbreitung in der Bevölkerung
nicht allein von der Wirksamkeit einer Maßnahme
abhängt. Der Effekt einer Maßnahme hängt zusätzlich
davon ab, wie viele Infektionen in dem Setting, in
welchem die Maßnahme eingesetzt wird, überhaupt
verhindert werden können. Gibt es in einem bestimmten
Setting beispielsweise an sich kaum Infektionen, so
kann selbst mit einer hoch wirksamen Maßnahme das
Infektionsgeschehen in der Bevölkerung kaum
beeinflusst werden, weil es kaum Infektionen gibt,
welche durch die Maßnahme verhindert werden können.
Relevant ist dieser Punkt insbesondere dann, wenn mit
einer Maßnahme potentielle Nebenwirkungen verbunden
sind. Man kann das anhand der sogenannten Number
Needed to Treat veranschaulichen – also der Anzahl der
Personen, welcher mit einer Maßnahme behandelt werden
muss, damit ein einziger Krankheitsfall verhindert
wird. Wenn beispielsweise sehr viele Menschen mit
einem Medikament behandelt und unter potentiellen
Nebenwirkungen leiden müssen um bei einem einzigen
Menschen eine Besserung hervorzurufen, ist der Einsatz
des Medikaments als fragwürdig einzustufen.
=====
S.119
In Bezug auf die Frage nach dem Maskentragen an
Schulen ist dieser Punkt deswegen besonders relevant,
weil praktisch alle verfügbaren Daten darauf
hinweisen, dass Infektionen an Schulen vergleichsweise
selten vorkommen. Das ist allein schon deswegen der
Fall, weil umfangreiche Meta-Analysen darauf
hinweisen, dass insbesondere Kinder unter 12 Jahren
sich seltener infizieren und das Virus seltener
weitergeben als Erwachsene [16,17].
Hinzu kommt, dass bereits durch die Maßnahme, dass
Kinder mit Symptomen zu Hause bleiben, die Anzahl
ansteckender Kinder an Schulen deutlich reduziert
wird. Wie umfangreiche Meta-Analysen zeigen, stecken
zum einen asymptomatisch infizierte Personen – also
Personen, die zwar ein positives
SARS-CoV-2-Testergebnis erhalten haben, aber keine
Krankheitssymptome entwickeln – kaum andere Personen
an. So ergab eine Meta-Analyse der Studien zu den
Ansteckungen bei gemeinsam in einem Haushalt lebenden
Personen [17], dass die Wahrscheinlichkeit, sich an
einer asymptotischen Person anzustecken (sekundäre
Befallsrate), nur bei 0,7 Prozent liegt, wobei die
statistische Analyse zeigte, dass der Wert nicht
signifikant von Null verschieden war. Ein
vergleichbarer Befund findet sich in einer weiteren
kürzlich veröffentlichten umfangreichen Meta-Analyse
zu Kontaktnachverfolgungsstudien [18]. Dort lag die
geschätzte sekundäre Befallsrate bei 1,0 Prozent und
war ebenfalls nicht statistisch signifikant von Null
verschieden. Beide Meta-Analysen zeigen sehr klar,
dass asymptomatische Infektionen praktisch keine Rolle
spielen. Von asymptomatisch infizierten Kindern geht
also keine relevante Infektionsgefahr aus.
Bei den infizierten Kindern mit Symptomen ist es so,
dass in etwa maximal zwei Tage vor Beginn der Symptome
eine Ansteckung erfolgen kann [19]. Wenn Kinder mit
Symptomen zu Hause bleiben, gibt es also nur ein
Zeitfenster von zwei Tagen, in dem Symptome
entwickelnde Kinder andere Personen anstecken können,
was das Infektionsrisiko deutlich reduziert.
In der Tat bestätigen zahlreiche Daten, dass es an
Schulen kaum infizierte Kinder bzw. Ansteckungen gibt.
Interessant in Bezug auf das Tragen von Masken sind
hier insbesondere die aktuellen Zahlen aus Österreich,
denn dort wird an Grundschulen keine Maske getragen
und gleichzeitig inzwischen dreimal pro Woche
flächendeckend mit Schnelltests getestet. Damit kann
man die Anzahl der infizierten Schüler*innen relativ
gut abschätzen. In der Woche vom 22.-28. Februar
(aktuellster verfügbarer Datensatz) waren an den
Grundschulen nur 0,08 Prozent der Schnelltests positiv
[20]. Unter der Annahme, dass sich die Anzahl
falsch-positiver und falsch-negativer Ergebnisse in
etwa die Waage halten, würde demnach die
Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Schüler*in binnen
einer Woche eine Infektion auftritt, nur 0,08 Prozent
betragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein infizierter
Schüler*in bei engeren Kontakten ohne Maskentragen an
Schulen eine andere Person ansteckt ist, ebenfalls
sehr klein und liegt laut umfangreichen
Kontakt-Nachverfolgungsstudien in der Größenordnung
von nur in etwa 0,5 Prozent [21,22].
Ausgehend von diesen Zahlen kann beispielshaft anhand
eines Rechenbeispiels illustriert werden, wie groß die
Risikoreduktion ist, die mit dem Tragen von Masken
erreicht werden kann. Das Risiko, dass in einer Klasse
von 25 Kindern im Verlauf einer Woche eine Ansteckung
auftritt beträgt demnach 0,08 Prozent mal 25
(Wahrscheinlichkeit eines infizierten Kindes in einer
Klasse) mal 25 (Anzahl der Kontakte inklusive
Lehrkraft) mal 0,5 Prozent
(Ansteckungswahrscheinlichkeit pro Kontakt) = 0,25
Prozent.
=====
S.120
Diese Zahl würde dem Ansteckungsrisiko entsprechen,
welches man potentiell mit Maßnahmen an Schulen
reduzieren kann. Das Ausmaß der Reduktion hängt von
der Wirksamkeit einer Maßnahme ab. Interpretiert man
die nicht signifikanten Effekte aus den randomisierten
kontrollierten Studien als Nulleffekte, ließe sich mit
dem Maskentragen an Schulen keinerlei Risikoreduktion
erreichen.
Geht man von den nicht signifikanten Effektgrößen im
erwähnten aktuellen Cochrane Review aus (siehe oben),
wonach die Ansteckungswahrscheinlichkeit beim Tragen
von medizinischen Masken maximal in etwa um 10 Prozent
reduziert wird, würde sich das Ansteckungsrisiko auf
der Ebene einer Schulklasse von 0,25 Prozent auf 0,225
Prozent verringern, was einer absoluten
Risikodifferenz von 0,025 Prozent entsprechen würde.
Hochgerechnet auf die Number Needed to Treat müssten
demnach die Schüler*innen in 4.000 Grundschulklassen
für eine Woche eine Maske tragen, um eine einzige
Ansteckung zu verhindern. Das ist eine extrem kleine
Effektstärke und es müssten demnach knapp 100.000
Grundschüler die möglichen Nebenwirkungen des
Maskentragens auf sich nehmen, um eine einzige
Ansteckung pro Woche zu verhindern.
Wenn man annimmt, dass Masken die
Ansteckungswahrscheinlichkeit in der Größenordnung von
80 Prozent verringern würden (Ergebnis der in der
S3-Leitlinie erwähnte Meta-Analyse von Chu et al. zu
Beobachtungsstudien mit niedriger Qualität der
Evidenz, siehe [23]), würde sich das Ansteckungsrisiko
auf der Ebene einer Schulklasse von 0,25 Prozent auf
0,05 Prozent verringern, was einer absoluten
Risikodifferenz von 0,2 Prozent entsprechen würde.
Hochgerechnet auf die Number Needed to Treat müssten
demnach noch immer die Schüler*innen in 500
Grundschulklassen für eine Woche eine Maske tragen und
damit knapp 12.500 Grundschüler*innen die möglichen
Nebenwirkungen auf sich nehmen, um eine einzige
Ansteckung pro Woche zu verhindern.
Um eine solches Verhältnis zu bewerten, ist ein
Beispiel aus dem Bereich der Arzneimittelzulassung
hilfreich. Hier wäre es schwer vorstellbar, ein
Arzneimittel positiv zu bewerten, wenn damit 100.000
(Reduktion der Ansteckungswahrscheinlichkeit durch
Masken um 10 Prozent) oder 12.500 (Reduktion der
Ansteckungswahrscheinlichkeit durch Masken um 80
Prozent) Personen behandelt und unter Nebenwirkungen
leiden müssten, um bei einer einzigen Person einen
positiven Effekt zu erzielen.
Zusammengefasst ist zu schlussfolgern, dass das
erreichbare Ausmaß der Reduktion des Risikos einer
Ansteckung durch das Maskentragen an Schulen sehr
gering ist, weil an Schulen auch ohne Masken sehr
selten Ansteckungen auftreten. Es ist intuitiv
eingängig, dass mit einer absoluten Risikoreduktion
von 0,025 Prozent (Reduktion der
Ansteckungswahrscheinlichkeit durch Masken um 10
Prozent) und auch mit einer absoluten Risikoreduktion
von 0,2 Prozent (Reduktion der
Ansteckungswahrscheinlichkeit durch Masken um 80
Prozent) eine Pandemie nicht in relevanter Weise
bekämpft werden kann. Hinzu kommt, dass diesem
geringen Nutzen zahlreiche mögliche Nebenwirkungen in
Bezug auf das körperliche, psychische und soziale
Wohlergehen von Kindern entgegenstehen, unter denen
zahlreiche Kinder leiden müssten um eine einzige
Ansteckung zu verhindern (siehe unten).
Der aktuell beobachtete Anstieg in den gemeldeten
Infektionen bei Kindern
=====
S.121
Abschließend soll aus aktuellem Anlass noch auf den in
den vorangegangenen Kalenderwochen beobachteten
Anstieg in der Anzahl der gemeldeten positiven
SARS-CoV-2-Testergebnisse bei Kindern und die Relevanz
der neuen Virusvariante B.1.1.7 eingegangen werden.
Vom RKI und in Medien wird dieser Anstieg so
interpretiert, dass die Infektionszahlen unter Kindern
stark steigen würden, was etwas mit der neuen
Virusvariante B.1.1.7 zu tun haben könnte. Beides wird
als Argument dafür benutzt, dass an Schulen
verschärfte Maßnahmen nötig wären.
Allerdings wird hier vom RKI ein gravierender Aspekt
übersehen: In den vorangegangenen Kalenderwochen hat
sich die Anzahl der durchgeführten Corona-Tests
(PCR-Tests) bei den Kindern in etwa vervierfacht
(siehe die vom RKI veröffentlichten Zahlen zur Anzahl
der durchgeführten Tests: [24]). Eine Ausweitung der
Tests geht aber bei einer vorhandenen Dunkelziffer an
zwar infizierten, aber bisher nicht entdeckten
Personen automatisch mit einer erhöhten Anzahl an
gefundenen Infektionen einher, ohne dass sich das
Infektionsgeschehen geändert haben muss. Der vom RKI
vermutete Anstieg der Fallzahlen bei den Kindern
könnte demnach nur darauf zurückgehen, dass sich die
Testanzahl bei den Kindern vervierfacht und man damit
die Dunkelziffer zunehmend aufgedeckt hat.
Betrachtet man den Anteil der erhaltenen positiven
Testergebnisse zeigt sich dagegen, dass bei den 5-14
Jahre alten Kindern keinerlei Anstieg in den
vorangegangenen Kalenderwochen zu erkennen ist.
Stattdessen sinkt der Anteil positiver Testergebnisse
seit mehreren Wochen. Anders als vom RKI vermittelt
und in den Medien verbreitet, ist also – bezogen auf
den Anteil positiver Testergebnisse – anstatt eines
Anstiegs eine Abnahme der Werte zu verzeichnen.
Es gibt eigentlich nur einen einzigen Fall, wann eine
Erhöhung der Anzahl der entdeckten Infektionen bei
gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl der gemachten Tests
auf eine echte Erhöhung der Infektionszahlen hinweist.
Das wäre nur dann der Fall, wenn die Erhöhung der
Testanzahl dadurch getrieben ist, dass man immer mehr
Personen mit corona-spezifischen Symptomen beobachtet,
welche man dann zielgerichtet mit Tests testet. Das
ist aber bei den aktuellen Corona-Testungen bei den
Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Fall.
Darauf weist schon allein die Tatsache hin, dass über
90 Prozent der gemachten Tests bei den Kindern negativ
sind. Die Frage, welche Kinder man testet, scheint
also größtenteils unabhängig davon zu sein, ob Kinder
corona-spezifische Symptome haben oder nicht.
In der Tat wird seit Wochen sehr stark für die
flächendeckende Testung von Kindern an Schulen und
Kindertagesstätten unabhängig von Symptomen geworben.
Durch die zunehmenden Massentests unabhängig von
Symptomen wird zunehmend die Dunkelziffer an zwar
infizierten, aber bisher nicht entdeckten Personen
aufgedeckt, was die Fallzahlen testbedingt steigen
lässt. Gleichzeitig steigt auch allgemein die Anzahl
der PCR-Tests unabhängig von Symptomen. Laut
RKI-Berechnungen [25] beträgt bei Massentestungen mit
Schnelltests unabhängig von Symptomen die
Wahrscheinlichkeit, beim Erhalt eines positiven
Ergebnisses tatsächlich infiziert zu sein, bei einer
Inzidenz von 50 (Testspezifität 80%, Testsensitivität
98%) nur zwei Prozent. Das würde heißen: Auf zwei
echt-positive Schnelltest-Ergebnisse kämen 98
falsch-positive Schnelltest-Ergebnisse, welche man
dann alle mit einem PCR-Test nachtesten müsste.
Hinzu kommt, dass es aktuell eine starke Zunahme von
Atemwegserkrankungen bedingt durch Rhinoviren und das
Coronavirus hCoV insbesondere gibt. Laut des aktuellen
=====
S.122
Influenza-Wochenberichts des RKI [26], hat sich laut
den im Zuge der Grippeüberwachung untersuchten
Sentinelproben die Anzahl der Rhinovirus-bedingten und
hCoV-bedingten Atemwegserkrankungen binnen der letzten
vier Wochen mehr als verdreifacht. Die im selben
Wochenbericht veröffentlichte Graphik zur
Altersabhängigkeit der Virusausbreitungen zeigt, dass
sich insbesondere das Rhinovirus dabei vor allem unter
Kindern und Jugendlichen ausbreitet
Da laut RKI-Vorgaben [27] beim Vorliegen von akuten
respiratorischen Symptomen jeder Schwere auf
SARS-CoV-2 getestet wird, führt die aktuelle Zunahme
an Rhinovirus- und hCoV-bedingten Atemwegserkrankungen
dazu, dass zunehmend mehr Personen auf SARS-CoV-2
getestet werden, obwohl die Mehrzahl der
Atemwegserkrankungen durch ein anderes Virus bedingt
ist. Da wiederum PCR-Testergebnisse noch Wochen und
manchmal sogar Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion
positiv ausfallen können [19], führt diese Rhinovirus-
und hCoV-bedingte Erhöhung der Anzahl der
SARS-CoV-2-Testungen dazu, dass die Dunkelziffer von
eigentlich vergangenen, aber bisher noch nicht
entdeckten Infektionen zunehmend aufgedeckt wird.
Zusammengenommen ist damit aus diagnostischer
Perspektive festzuhalten: Es ist äußerst
unwahrscheinlich, dass die Erhöhung der Testanzahl
durch die Zunahme von corona-spezifischen Symptomen
bei Kindern getrieben ist. Stattdessen geht die
Erhöhung der Testanzahl mit hoher Wahrscheinlichkeit
vor allem auf die beworbenen Massentestungen von
Kindern und die steigende Anzahl an Rhinovirus- und
hCoV-bedingten Atemwegserkrankungen unter Kindern
zurück. Beides führt dazu, dass zunehmend die
Dunkelziffer an zwar mit SARS-CoV-2 infizierten, aber
bisher nicht entdeckten Kindern aufgedeckt wird, was
zu einer Testanzahl-bedingten Erhöhung der
Infektionszahlen führt.
Interessanterweise bestätigen die Ergebnisse aus den
Sentinelproben der Grippeüberwachung, welche durch die
Erhöhung der Testanzahl in der Bevölkerung nicht
verzerrt werden, dass sich das neue Coronavirus
SARS-CoV-2 aktuell nicht stärker ausbreitet als in den
Vorwochen. Wie die Virusnachweise zu den
Sentinelproben zeigen, liegt die Anzahl der in den
Sentinelproben nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektionen
seit der 4. Kalenderwoche auf einem vergleichsweise
geringen Niveau, eine „dritte Welle“ ist hier
praktisch nicht zu erkennen.
Die Relevanz der Virusvariante B.1.1.7
Bei der Argumentation für Maßnahmen in der Schule wird
oft auf das angeblich bei Kindern vorherrschende
höhere Ansteckungsrisiko bei der neuen Mutationen
B.1.1.7 verwiesen. Aktuellere umfangreiche Studien
konnten diese Befürchtung aber nicht bestätigen. So
lautet der Schluss einer sehr umfangreichen Studie aus
England [28]:
„Our findings of no evidence of difference in SGTF
growth rates between children and adults do not
support B.1.1.7 being particularly adapted to transmit
more in children.”
Vergleichbare Befunde gibt es aus einer ähnlich
umfangreichen Studie aus Portugal [29].
Zusammenfassend schreibt die Deutsche Gesellschaft für
Pädiatrische Infektiologie und die Deutsche
Gesellschaft für Krankenhaushygiene in einer
kürzlichen Stellungnahme [30]:“
Anfängliche Medienberichte über eine im Vergleich zu
Erwachsenen erhöhte Ansteckungsgefahr oder
Übertragbarkeit für Kinder haben sich nicht
bestätigt.“
=====
S.123
Hier ist noch ein Hinwies auf eine häufige
statistische Fehlintuition wichtig. Aussagen wie „die
neue Variante ist um 50 Prozent ansteckender“ klingen
intuitiv nach viel. In Wirklichkeit hängt die sich
daraus ergebende Bedrohung aber davon ab, wie hoch die
Ansteckungswahrscheinlichkeit bei der alten
Virusvariante ist: Der Prozentwert sagt ja aus, um
welchen prozentualen Anteil der alten
Ansteckungswahrscheinlichkeit die neue
Ansteckungswahrscheinlichkeit höher ist. Ist die alte
Ansteckungswahrscheinlichkeit klein, so ist die neue
Ansteckungswahrscheinlichkeit bei einer 50-prozentigen
Erhöhung aber nach wie vor immer noch klein.
Ein illustratives Beispiel dazu, welches insbesondere
für die von Kindern ausgehende Ansteckungsgefahr
relevant ist: Laut den erwähnten umfangreichen
Kontaktnachverfolgungsstudien an Schulen beträgt die
Wahrscheinlichkeit, dass ein infiziertes Kind in der
Schule einen Kontakt ansteckt (ohne Masken an den
Schulen) nur in etwa 0,5 Prozent. Bei einer Erhöhung
um 50 Prozent läge die Ansteckungswahrscheinlichkeit
immer noch nur bei 0,75 Prozent. Hochgerechnet auf 100
Kontakte hieße das, dass sich trotz einer um 50
Prozent erhöhten Ansteckungswahrscheinlichkeit noch
immer weniger als eine einzige weitere Person
anstecken würde. Selbst bei einer 50-prozentigen
Erhöhung der Ansteckungswahrscheinlichkeit ist das
Infektionsrisiko an Schulen also nach wie vor sehr
gering, so dass damit eine Verschärfung der Maßnahmen
aus wissenschaftlicher Perspektive nicht begründet
werden kann.
Zusammenfassende Bewertung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es bisher keine
hochwertige wissenschaftliche Evidenz dafür gibt, dass
durch das Tragen von Gesichtsmasken das
Infektionsrisiko nennenswert gesenkt werden kann. Die
Empfehlungen des RKI und der S3-Leitlinie der
Fachgesellschaften beruhen auf Beobachtungsstudien,
Laboruntersuchungen zum Filtereffekt und
Modellierungsstudien, welche nur niedrige und sehr
niedrige Evidenz liefern, weil aus solchen Studien
aufgrund der zugrundeliegenden Methodik keine wirklich
validen Schlüsse auf den Effekt von Masken im Alltag
und an Schulen gezogen werden können. Zudem sind die
Ergebnisse der einzelnen Studien heterogen und neuere
Beobachtungsstudien liefern ebenfalls widersprechende
Befunde.
Die bisher existierenden randomisierten kontrollierten
Studien zum Effekt des Maskentragens lassen keine
Wirksamkeit von Masken erkennen, die beobachteten
Effekte sind durchgängig klein und meta-analytisch
nicht signifikant. Vielmehr weist die bisher einzige
umfangreiche randomisierten kontrollierte Studie zum
Tragen von Baumwollmasken darauf hin, dass
Baumwollmasken das Infektionsrisiko sogar erhöhen
können. Eine Rolle spielt hier vor allem die
Handhabung der Maske, welche sich bei schlechter
Handhabung negativ auf das Infektionsrisiko auswirken
kann. Dieser Punkt ist insbesondere für den Bereich
der Schule interessant, weil Handhabungsprobleme im
Schulsetting und insbesondere bei jüngeren
Schüler*innen kaum vermeidbar sind.
Hinzu kommt, dass das erreichbare Ausmaß der Reduktion
des Ansteckungsrisikos durch das Maskentragen an
Schulen an sich sehr gering ist, weil an Schulen auch
ohne Masken sehr selten Ansteckungen auftreten.
Dementsprechend ist die absolute Risikoreduktion so
gering, dass eine Pandemie damit nicht in relevanter
Weise bekämpft werden kann. Hinzu
=====
S.124
kommt, dass diesem geringen Nutzen zahlreiche mögliche
Nebenwirkungen in Bezug auf das körperliche,
psychische und soziale Wohlergehen von Kindern
entgegenstehen (siehe unten), unter denen zahlreiche
Kinder leiden müssten um eine einzige Ansteckung zu
verhindern.
Die aktuell angeblich steigenden Infektionszahlen bei
Kindern gehen mit hoher Wahrscheinlichkeit in
Wirklichkeit darauf zurück, dass die Testanzahl bei
den Kindern in den vorangegangenen Wochen stark
zugenommen hat. Da das Ansteckungsrisiko an Schulen an
sich sehr klein ist, ist selbst bei einer möglichen
Erhöhung der Ansteckungsrate bei der neuen
Virusvariante B.1.1.7 in der in Studien vermuteten
Größenordnung nicht damit zu rechnen, dass sich an
Schulen die Virusausbreitung nennenswert erhöht.
2. Welche Schäden physischer, psychischer und
pädagogischer Art können durch das Tragen von Masken
insbesondere bei Kindern entstehen?
Zur Beantwortung dieser Frage werden zunächst für
einen Überblick die bereits erwähnte Auflistung zu den
Schäden des Maskentragens aus der offiziellen
Empfehlung der WHO und als Ergänzung die Übersichten
aus zwei Fachpublikation zu den Schäden des
Maskentragens dargestellt. Anschließend werden die
Ergebnisse eines Online-Registers zu den körperlichen
und psychischen Nebenwirkungen des Maskentragens bei
Kindern vorgestellt, welche kürzlich publiziert
wurden. Danach wird noch ausführlicher auf
verschiedene körperliche und psychische Schäden
insbesondere in Bezug auf die Besonderheiten bei
Kindern eingegangen. Abschließend wird noch auf
fragwürdige Plausibilitätsargumente eingegangen, die
des Öfteren angeführt werden.
Überblicksstudien zu den Schäden des Maskentragens
Wie bereits bei der Ausarbeitung zur aufgeworfenen
Frage 1 dargelegt, werden in den am 1. Dezember 2020
aktualisierten Empfehlungen der WHO zum Tragen von
Masken [7] zahlreiche mögliche Schäden genannt mit
Verweis auf entsprechende empirische Belege. Diese
sind in der folgenden Aufzählung noch einmal
dargestellt, die entsprechenden empirischen Belege
sind im Literaturverzeichnis am Ende verlinkt (siehe
WHO-Empfehlung, S. 10):
--- headache and/or breathing difficulties,
depending on type of mask used [31]
--- development of facial
skin lesions, irritant dermatitis or worsening acne,
when used frequently for long hours [32,33,34]
--- difficulty with
communicating clearly, especially for persons who are
deaf or have poor hearing or use lip reading [35,36]
--- discomfort [13,31,33]
--- a false sense of
security leading to potentially lower adherence to
other critical preventive measures such as physical
distancing and hand hygiene [37]
--- disadvantages for or
difficulty wearing masks, especially for children,
developmentally challenged persons, those with mental
illness, persons with cognitive impairment, those with
asthma or chronic respiratory or breathing problems,
those who have had facial trauma or recent oral
maxillofacial surgery and those living in hot and
humid environments [31, 38]
--- waste management
issues; improper mask disposal leading to increased
litter in public places and environmental hazards [39]
=====
S.125
In der peer-reviewed Fachzeitschrift Medical
Hypothesis ist im Januar 2021 ein umfangreicher
Überblicksartikel zum Stand der Wissenschaft zu den
Schäden des Maskentragens auf körperlicher und
psychischer Ebene und des sich daraus ergebenden
Gesundheitskonsequenzen erschienen [40]. Wie die
folgende Überblickstabelle aus dem Artikel zeigt
(siehe Table 1), gibt es zusätzlich Hinweise auf
weitere – insbesondere psychologische – Schäden,
welche in der WHO Empfehlung noch nicht genannt
wurden:
Table 1
Physiological and Psychological Effects of Wearing
Facemask and Their Potential Health Consequences.
Physiological Effects
Psychological Effects
Health Consequences
--- Hypoxemia
--- Hypercapnia
--- Shortness of breath
--- Increase lactate
concentration
--- Decline in pH levels
--- Acidosis
--- Toxicity
--- Inflammation
--- Self-contamination
--- Increase in stress
hormones level (adrenaline, noradrenaline and
cortisol)
--- Increased muscle
tension
--- Immunosuppression
--- Activation of “fight or
flight” stress response
--- Chronic stress
condition
--- Fear
--- Mood disturbances
--- Insomnia
--- Fatigue
--- Compromised cognitive
performance
--- Increased
predisposition for viral and infection illnesses
--- Headaches
--- Anxiety
--- Depression
--- Hypertension
--- Cardiovascular disease
--- Cancer
--- Diabetes
--- Alzheimer disease
--- Exacerbation of
existing conditions and diseases
--- Accelerated aging
process
--- Health deterioration
--- Premature mortality
Im British Medical Journal ist im August 2020 ein
Artikel zu den möglichen psychischen, biologischen und
immunologischen Risiken speziell für Kinder und
Schüler beim langanhaltenden Maskentragen erschienen
[41]. Zusammenfassend heißt es dort (die
entsprechenden empirischen Belege sind im
Literaturverzeichnis am Ende verlinkt):
„Aside from the highly variable protective effects,
WHO mentions several negative aspects of
frequent/long-term use of facemasks, fuelling the
debate as to whether the benefits outweigh the
drawbacks [7].Many people report claustrophobic
experiences and difficulty getting sufficient oxygen
due to the increased resistance to inhaling and
exhaling. This can lead to an increased heart rate,
nausea, dizziness and headaches and several other
symptoms [42,43]. In an inquiry among Belgian students
wearing mouthmasks for one week, 16 % reported
skinproblems and 7 % sinusitis, Also problems with
eyes and headaches and fatigue were frequently
mentioned [44]. Furthermore, face masking can provoke
an increase in stress hormones with a negative impact
on immune resilience in the long term [45]. Facemasks
prevent the mirroring of facial expressions, a process
that facilitates empathetic connections and trust
between pupills and teachers. This potentially leads
to a significant increase in socio-psychological
stress. During childhood and puberty the brain
undergoes sexual and mental maturation through
hormonal epigenetic reprogramming [46-49]. Several
studies show that long-term exposure to
socio-psychological stress leaves neuro-epigenetic
scars that are difficult to cure in young people and
often escalate into mental behavioural problems and a
=====
S.126
weakened immune system [50-54]. A recent study by the
CDC concludes that in young adults (18-24 years), the
level of anxiety and depression has increased by 63%
(!) since the corona crisis. A quarter of them think
about suicide. As a result, the use of antidepressants
has increased by 25% [55]. Several researchers have
shown a relationship between the increase in stress
experiences and the risk of upper respiratory tract
infections and mortality [56-59].“
Die angeführten Überblicksartikel zeigen bereits auf,
wie zahlreich die möglichen Schäden des Maskentragens
sind. Insbesondere fehlen hier sogar noch zum einen
einige weitere mögliche Schäden auf wie die Gefahr der
Diskriminierung von Kindern, die medizinisch bedingt
keine Masken tragen können, oder entwicklungsbezogene
Beeinträchtigungen. Zum anderen kommt noch hinzu, dass
Kinder aufgrund ihrer entwicklungsbezogenen Unreife
anfälliger sind für viele der angeführten
Nebenwirkungen.
Ergebnisse eines Registers zu Nebenwirkungen des
Maskentragens bei Kindern
Einen klaren und eindrücklichen Beleg für die
Bandbreite und zahlenmäßige Größenordnung der
Nebenwirkungen des Tragens von Masken bei Kindern
stellen die Ergebnisse des weltweit ersten Registers
dar, in dem – vergleichbar zur Sammlung von
Nebenwirkungen von Medikamenten durch das
Paul-Ehrlich-Institut – Eltern, Ärzt*innen,
Pädagog*innen und andere ihre Beobachtungen zu den
Nebenwirkungen des Tragens einer Maske bei Kindern und
Jugendlichen eintragen können. Dort werden zum einen
mittels einer Checkliste verschiedene mögliche
Symptome abgefragt (siehe folgende Tabelle aus dem
Artikel), zum anderen können in einem Freitextfeld
weitere Symptome angegeben werden.
Die ersten Ergebnisse wurden kürzlich in der
Fachzeitschrift Monatsschrift Kinderheilkunde
publiziert [60]. Binnen einer Woche nach Start des
Registers hatten bereits 20.353 Personen Eintragungen
vorgenommen, allein die Gruppe der Eltern gab Daten zu
25.930 Kindern ein. Im Artikel werden die Ergebnisse
aus den Elterneinträgen berichtet. Die angegebene
durchschnittliche Tragedauer der Maske lag bei 270 min
am Tag. Insgesamt berichten die Eingebenden zu 68
Prozent, dass Kinder über Beeinträchtigungen durch das
Maskentragen klagen. Beispielsweise litten 13.811 der
Kinder unter Kopfschmerzen, 12.824 unter
Konzentrationsschwierigkeiten, 9.460 unter
Schläfrigkeit, 7.700 unter Kurzatmigkeit, 6.848 unter
Schwindel, 5.365 unter Ohnmachtsanfällen und 4.292
unter Übelkeit. Die folgende Tabelle aus dem Artikel
zeigt die Häufigkeit der Angaben für alle Symptome der
Symptom-Checkliste (siehe Tabelle 3 im Artikel):
Symptome
Gesamt
n (%)
Alter 0 bis 6
n (%)
7 bis 12 Jahre
n (%)
Alter 13 bis 17
n (%)
Kopfschmerzen
13.811 (53,3)
960 (24,0)
7863 (54,6)
4988 (66,4)
Konzentrationsschwierigkeiten
12.824 (49,5)
961 (24,0)
7313 (50,8)
4550 (60,5)
Unwohlsein
10.907 (42,1)
1040 (26,0)
6369 (44,2)
3498 (46,5)
Beeinträchtigung beim Lernen
9845 (38,0)
621 (15,5)
5604 (38,9)
3620 (48,2)
Benommenheit/Müdigkeit
9460 (36,5)
729 (18,2)
5163 (35,8)
3568 (47,5)
=====
S.127
Engegefühl unter der Maske
9232 (35,6)
968 (24,2)
5427 (37,7)
2837 (37,7)
Gefühl der Atemnot
7700 (29,7)
677 (16,9)
4440 (30,8)
2583 (34,4)
Schwindel
6848 (26,4)
427 (10,7)
3814 (26,5)
2607 (34,7)
Trockener Hals
5883 (22,7)
516 (12,9)
3313 (23,0)
2054 (27,3)
Kraftlosigkeit
5365 (20,7)
410 (10,2)
2881 (20,0)
2074 (27,6)
Bewegungsunlust, Spielunlust
4629 (17,9)
456 (11,4)
2824 (19,6)
1349 (17,9)
Jucken in der Nase
4431 (17,1)
513 (12,8)
2550 (17,7)
1368 (18,2)
Übelkeit
4292 (16,6)
310 (7,7)
2544 (17,7)
1438 (19,1)
Schwächegefühl
3820 (14,7)
300 (7,5)
2020 (14,0)
1500 (20,0)
Bauchschmerzen
3492 (13,5)
397 (9,9)
2292 (15,9)
803 (10,7)
Beschleunigte Atmung
3170 (12,2)
417 (10,4)
1796 (12,5)
957 (12,7)
Krankheitsgefühl
2503 (9,7)
205 (5,1)
1328 (9,2)
970 (12,9)
Engegefühl im Brustkorb
2074 (8,0)
161 (4,0)
1122 (7,8)
791 (10,5)
Augenflimmern
2027 (7,8)
149 (3,7)
1047 (7,3)
831 (11,1)
Appetitlosigkeit
1812 (7,0)
182 (4,5)
1099 (7,6)
531 (7,1)
Herzrasen, Herzstolpern Herzstiche
1459 (5,6)
118 (2,9)
766 (5,3)
575 (7,6)
Rauschen in den Ohren
1179 (4,5)
107 (2,7)
632 (4,4)
440 (5,9)
Kurzzeitige
Bewusstseinsbeeinträchtigung/Ohnmachtsanfälle
565 (2,2)
39 (1,0)
274 (1,9)
252 (3,4)
Erbrechen
480 (1,9)
40 (1,0)
296 (2,1)
144 (1,9)
Im Freitextfeld wurden weitere gesundheitliche Schäden
angegeben:
269 Einträge zu verschlechterter Haut, v. a.
vermehrte Pickel, Ausschläge und allergische
Erscheinungen um den Mundbereich bis hin zu
Pilzerkrankungen in und um den Mund
151 Einträge zu Nasenbluten
122 Einträge zu Schulunlust bis hin zu
Schulangst/Schulverweigerung
64 Einträge zu vermehrtem Schwitzen
=====
S.128
--- 52 Einträge zu
Druckstellen und Wunden hinter den Ohren
--- 46 Einträge zu wunden
oder rissigen und z. T. blutigen Lippen
--- 31 Einträge zu
gesteigerten Migräneanfällen in Frequenz und
Ausprägungsgrad
--- 23 Einträge zu
Beeinträchtigungen des Sehens
--- 13 Einträge zu Aphthen
Wie die Autoren anmerken, wurden damit binnen einer
einzigen Woche mehr Kinder und Jugendliche mit
maskenbedingten körperlichen Beschwerden gemeldet, als
bis zum damaligen Zeitpunkt insgesamt Kinder und
Jugendliche mit positiven SARS-CoV-2-Testergebnissen
gemeldet waren.
Über die körperlichen Nebenwirkungen hinaus wurden
auch zahlreiche psychische Nebenwirkungen eingetragen,
welche in der folgenden Tabelle aufgeführt sind (siehe
Tabelle 4 im Artikel):
Psychische
Nebenwirkungen
Gesamt
n (%)
Alter 0 bis 6
n (%)
7 bis 12 Jahre
n (%)
Alter 13 bis 17
n (%)
Das Kind ist häufiger gereizt als sonst
11.364 (60,4)
1041 (40,0)
6566 (62,1)
3757 (66,5)
Das Kind ist weniger fröhlich
9286 (49,3)
959 (36,9)
5640 (53,3)
2687 (47,6)
Das Kind möchte nicht mehr zur Schule/in den
Kindergarten gehen
8280 (44,0)
824 (31,7)
5168 (48,9)
2288 (40,5)
Das Kind ist unruhiger als sonst
5494 (29,2)
773 (29,7)
3515 (33,2)
1206 (21,4)
Das Kind schläft schlechter als sonst
5849 (31,1)
633 (24,3)
3507 (33,2)
1709 (30,3)
Keine weiteren Auffälligkeiten
7103 (27,4)
1400 (35,0)
3834 (26,6)
1869 (24,9)
Das Kind hat neue Ängste entwickelt
4762 (25,3)
713 (27,4)
2935 (27,8)
1114 (19,7)
Das Kind schläft mehr als sonst
4710 (25,0)
319 (12,3)
2183 (20,6)
2208 (39,1)
Das Kind spielt weniger
2912 (15,5)
400 (15,4)
1998 (18,9)
514 (9,1)
Das Kind hat einen größeren Bewegungsdrang als sonst
1615 (8,6)
253 (9,7)
1124 (10,6)
238 (4,2)
In der Freitextangabe wurden die auftretenden Ängste
noch weiter spezifiziert:
--- Neben einer allgemeinen
Zukunftsangst sind die Ängste, selbst mit Maske zu
ersticken sowie vor dem Tod von Angehörigen durch
Corona, am häufigsten vertreten.
--- Hinzu kommt die Angst
vor Stigmatisierung sowohl durch das Tragen als auch
durch das Nichttragen einer Maske im sozialen Umfeld.
--- Viele Eltern berichten
auch von Albträumen und Angststörungen, welche sich
auf maskierte Menschen beziehen, deren Mimik und
Identität für die Kinder nicht erkennbar ist.
=====
S.129
Einschränkend ist zum einen anzumerken, dass die
Einträge nicht umfassend validiert werden konnten. So
schreiben die Autoren zu den Limitationen der Studie:
„Naturgemäß kann ein offen zugängliches Register
niemals alle Eingaben ärztlich gegenvalidieren. Die
Registereinträge steigen täglich im mehrstelligen
Bereich, und zusätzliche Validitätsprüfungen finden
statt, um in absehbarer Zeit weitere belastbarere
Daten zur gesundheitlichen Situation von Kindern in
Deutschland im Hinblick auf das Tragen eines
Mund-Nasen-Schutzes vorlegen zu können.“
Als Argument für die Glaubwürdigkeit der Daten führen
die Autoren an:
„Die Datensätze zeugen in den Freitexteinträgen mit
wenigen Ausnahmen von einer sehr differenzierten
Betrachtungsweise und ergeben im Ganzen ein
ausgewogenes Gesamtbild mit plausiblem Symptomspektrum
und einer gut nachvollziehbaren Beschreibung der
Beeinträchtigungen, die bei Kindern im Zusammenhang
mit der Maske beobachtet werden. Die Beantwortung von
Hunderten eingehender E-Mails durch die
Studieninitiatoren mit Fragenbeantwortung zur Existenz
des Registers, Spezifizierung und Ergänzung der von
Teilnehmenden getätigten Eingaben, ausführlichen
Fallschilderungen und Anregungen für weitere
Forschung, sind ein weiteres Indiz für die hohe
Relevanz des Themas und für die Redlichkeit, mit der
viele Teilnehmer sich der Fragestellung widmen.“
Weiterhin merken die Autoren an, dass sich ein
verzerrtes Berichten im Hinblick auf die
präferenzielle Dokumentation besonders schwer
betroffener Kinder oder den Schutzmaßnahmen
grundsätzlich kritisch gegenüberstehenden Personen
nicht ausschließen lässt.
Insgesamt betrachtet zeigt diese Studie zum weltweit
ersten Register für mögliche Nebenwirkungen des
Maskentragens von Kindern sehr eindrücklich, dass es
eine sehr große Bandbreite an körperlichen und
psychischen Nebenwirkungen gibt. Die zentrale
Schlussfolgerung der Autoren lautet:
„Die Nutzungshäufigkeit und das Symptomspektrum weisen
auf die Wichtigkeit des Themas hin und rufen nach
repräsentativen Surveys, randomisierten kontrollierten
Studien mit verschiedenen Maskensorten und nach einer
Nutzen-Risiko-Abwägung der Maskenpflicht bei der
vulnerablen Gruppe der Kinder.“
Bestätigt werden die beim langanhaltenden Tragen von
Masken von Kindern beschriebenen Beschwerden auch
durch weitere Studien an anderen Personengruppen, die
ebenfalls lange Masken tragen müssen. So gibt es
inzwischen mehrere Studien zu den Beschwerden von
Personen, die im Gesundheitsbereich arbeiten und auch
langanhaltend Masken tragen müssen, wobei hier zu
beachten ist, dass anders als im Schulbereich neben
Masken zum Teil noch weitere Schutzausrüstung getragen
werden muss (z.B. Schutzbrillen, Schutzanzüge). In
einer kürzlich als Preprint publizierten Meta-Analyse
zu den existierenden Studien mit insgesamt 11.746
Teilnehmern zu den körperlichen Nebenwirkungen lautete
das Ergebnis [61]:
“The most frequent adverse events were headache
(55.9%), dry skin (54.4%), dyspnoea (53.4%), pressure
injuries (40.4%), itching (39.8%), hyperhidrosis
(38.5%), and dermatitis (31.0%).”
Die beschriebenen Studien belegen eindrücklich, dass
mit dem Tragen von Masken eine große Bandbreite von
Nebenwirkungen verbunden sein kann. Im Folgenden wird
noch
=====
S.130
ausführlicher auf einige Nebenwirkungen eingegangen,
welche bisher noch nicht erwähnt wurden bzw. in Bezug
auf Kinder mit Besonderheiten verbunden sind.
Physiologische Nebenwirkungen
Studien an Erwachsenen zeigen, dass das Tragen von
Masken Effekte auf physiologischer Ebene nach sich
ziehen kann, insbesondere unter körperlicher
Anstrengung. Bereits nach wenigen Minuten findet sich
in manchen Studien eine etwas höhere CO2-Konzentration
im Blut, ein schnellerer Herzschlag und eine
schnellere Atmung [62,63]. Beim stundenlangen Tragen
von OP-Masken zeigt sich auch ein Abfall der
Sauerstoffsättigung im Blut [64]. Wichtig ist zum
einen anzumerken, dass es auch Studien gibt, in
welchen solche Effekte nicht beobachtet werden [65].
Zum anderen ist es wichtig anzumerken, dass sich die
Werte beim Tragen von Masken bezogen auf die
Durchschnittswerte über die untersuchten Probanden
hinweg in einer Größenordnung bewegen, welche laut den
gängigen Richtlinien keine klinische Relevanz
erreicht.
Allerdings ist zu beachten, dass es bei unerkannten
Vorerkrankungen trotzdem zu extremeren Nebenwirkungen
wie Panik, Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen
kommen kann [66]. Diesbezüglich ist ein wichtiger
methodischer Aspekt bei der Interpretation von Studien
zu möglichen Nebenwirkungen von Masken anzumerken:
Allein aus der Beobachtung, dass es keinen statistisch
signifikanten Unterschied in den durchschnittlichen
physiologischen Werten zwischen den Bedingungen mit
und ohne Maske gibt, kann nicht auf die Nichtexistenz
von Nebenwirkungen geschlossen werden.
Das erste Problem ist, dass im Falle kleiner
Stichproben existierende Mittelwertunterschiede nur
dann statistisch signifikant werden, wenn die
Unterschiede sehr groß sind. In der Medizin können
aber selbst kleine Effekte durchaus relevant sein. Das
zweite Problem ist, dass selbst bei nicht
signifikanten Effekten auf Gruppenebene bei einzelnen
Personen Extremwerte auftreten können, welche für die
betroffenen Personen stark beeinträchtigend sind.
Ein diesbezügliches Negativbeispiel ist eine Studie
einer Forschergruppe um Michael Campos [67], welche
weit in den Medien verbreitet wurde und angeblich
zeigt, dass selbst lungenkranke Menschen keine
physiologischen Effekte des Maskentragens zeigen
würden. Allerdings ist zum einen die untersuchte
Stichprobe sehr klein – in dieser Studie wurden nur 15
gesunde bzw. lungenkranke Personen getestet – so dass
mit dieser Studie statistisch nur extrem große Effekte
entdeckt werden können. Zum anderen traten trotz des
fehlenden signifikanten Effektes auf Gruppenebene bei
einzelnen Personen Extremwerte auf. So heißt in der
Studie für die Gruppe der lungenerkrankten Personen:
„With the 6-minute walk, subjects with severe COPD
decreased oxygenation as expected (with two qualifying
for supplemental oxygen). However, as a group,
subjects with COPD did not exhibit major physiologic
changes in gas exchange measurements after the
6-minute walk test using a surgical mask, particularly
in CO2 retention.”
Bei zwei der lungenkranken Patienten zeigten sich also
doch fundamentalere Nebenwirkungen, nur auf der
Mittelwertsebene zeigt sich im Schnitt über alle
Patienten hinweg kein Effekt. Würde man das
beispielsweise bei der Medikamentenzulassung zur Regel
machen, würde man seltenere Nebenwirkung ab sofort
nicht mehr beachten müssen – was fragwürdig ist.
Zusammenfassend heißt es in einem im Februar 2021
publizierten Mini Review zu den existierenden Studien
[68]:
=====
S.131
“The few existing studies suggested that surgical and
cloth masks did not significantly compromise
ventilation and oxygen supplies in healthy individuals
and may, therefore, be considered as not harmful.
Physical exercise and pre‐existing respiratory
problems may cause hypoxaemia and hypercapnia. As
using face masks could be a long‐term preventive
measure in the COVID‐19 era, further studies are
needed, particularly to explore the impact on
pre‐existing respiratory problems in children and
adults.”
In Bezug auf die möglichen physiologischen Schäden des
Maskentragens bei Kindern ist ein grundlegendes
Problem, dass es bisher zu den Wirkungen bei Kindern
kaum Studien gibt. Das ist insbesondere deswegen
problematisch, weil die beschriebenen Effekte bei
Kindern stärker ausfallen könnten, weil der
Sauerstoffverbrauch bei Kindern höher und die
Atemreserve geringer ist, bei Kindern der prozentuale
Anteil des Totraumvolumens der Maske am
Gesamtatemvolumen größer ist und sich der
Durchströmungswiderstand der Maske aufgrund der
schwächer ausgeprägten Atemmuskulatur stärker
auswirken kann.
Im erwähnten Mini Review wurde im Zuge einer
umfassenden Literaturrecherche eine einzige Studie
entdeckt, in welcher die physiologischen Konsequenzen
des fünfminütigen Tragens von N95-Masken bei 7-14
Jahre alten Kindern untersucht wurde, einmal beim
Lesen und einmal bei leichter körperlicher Belastung
[69]. Es zeigte sich, dass sich die CO2-Konzentration
(end-tidal carcon dioxid und fractional inspired
carbon dioxid) beim Tragen der Maske in beiden Fällen
um bis zu 34 Prozent (leichte körperliche Bewegung)
anstieg, wobei die Werte noch immer keine klinische
Relevanz erreichten.
Das Problem ist allerdings, dass im Zuge der
Maskenpflicht im Unterricht Kinder nicht nur fünf
Minuten Masken tragen, sondern bis zu zehn Stunden
täglich an fünf Tagen pro Woche. Zu solch langen
Tragedauern gibt es keinerlei Studien. Das ist
insbesondere deswegen als höchst problematisch
einzuschätzen, weil es bei der staatlichen Verordnung
von verpflichtenden Maßnahmen für Millionen von Kinder
aus medizinethischer Perspektive eigentlich unbedingt
geboten ist, mögliche Risiken vor der Verordnung der
Maßnahme zu prüfen und evidenzbasiert auszuschließen
bzw. das Risiko zumindest zu quantifizieren.
Munderkrankungen – der sogenannt „Maskenmund“
Das Tragen von Masken kann mit einer Reihe von
Munderkrankungen einhergehen, wie z.B. Karies,
Mundgeruch, Zahnfleischentzündungen und Entzündungen
der Mundregion – hier wurde der Fachausdruck
„Maskenmund“ geprägt [70].
Verformung der Ohrmuschel
Kinder vor der Pubertät haben einen unentwickelten
Ohrknorpel mit geringerem Widerstand gegen Verformung.
Ein längerer Druck durch die elastischen Schleifen der
Maske kann das korrekte Wachstum und die Winkelung des
Außenohrs beeinflussen und den Winkel der äußeren
Ohrmuschel erhöhen [71].
Ansammlung von Viren und Bakterien auf der Maske
Auf den Masken können sich Viren, Bakterien und Pilze
ansammeln, welche immer wieder eingeatmet werden und
Krankheiten verursachen können, wie beispielsweise
Studien zum Tragen von OP-Masken zeigen [72]. Während
ausgeatmete Tröpfchen und Aerosole normalerweise beim
Ausatmen an die Umgebungsluft abgegeben werden und
schnell trocknen, verbleiben diese beim Tragen von
Masken in der Maske, mit dem Effekt, dass sich
Bakterien und Pilze in der ständig feuchten Umgebung
der Maske vermehren können, erneut eingeatmet werden
und den Körper belasten können.
=====
S.132
Mögliche enthaltene Giftstoffe in Masken
Problematische Nebenwirkungen können auch auftreten,
wenn getragene Masken Giftstoffe enthalten. In einem
Artikel in der Frankfurter Rundschau wurden die
Ergebnisse einer Untersuchung des privaten Hamburger
Umweltinstituts (HUI) berichtet [73]. Dort wurden
teilweise erhebliche Mengen an Schadstoffen in den
aktuell verwendeten Masken nachgewiesen, darunter
flüchtige organische Kohlenwasserstoffe und
Formaldehyd. Zudem zeigte sich, dass beim Tragen über
mehrere Stunden und bei Mehrfachnutzung – wie es in
den Schulen der Fall ist – Mikroplastik eingeatmet
wird. Der HUI-Vorsitzende, Professor Michael
Braungart, wird folgendermaßen zitiert:
„In Versuchen haben wir bis zu 2000 Fasern pro Tag
festgestellt, die teils mit der Atemluft in die Lungen
gelangen“.
In einem aktuellen Artikel des Deutschen Allergie- und
Asthmabundes (DAAB) heißt es [74]:
„Der DAAB hat im Laufe der Corona-Pandemie einige
Anfragen zu Gerüchen an Schutzmasken erhalten.
Besonders zu Beginn der Pandemie waren sicherlich auch
vermehrt Produkte auf dem Markt, die Schadstoffe
enthielten. Aber auch jetzt kann dies noch vereinzelt
der Fall sein, wie das Magazin WISO nun aktuell
überprüft hat. Schadstoffe in Masken können durch die
Atmung direkt in die Lunge gelangen“.
Da bei der Zertifizierung von medizinischen Masken nur
die Filterleistung und die Keimbelastung, aber nicht
notwendigerweise das Vorhandensein toxischer
Bestandteile geprüft werden muss (siehe DIN EN 14683,
5.2.7 Zusammenfassung der Leistungsanforderungen),
könnte das in der Tat ein Problem bei manchen
medizinischen Masken darstellen. Sollte es zutreffen,
dass medizinische Masken problematische Inhaltsstoffe
enthalten können, würden Kinder beim Tragen von
medizinischen Masken einem gesundheitlichen Risiko
ausgesetzt. Da die Masken im Unterricht, auf dem
Schulgelände und im Schulbus verpflichtend getragen
werden müssen, wird eine Tragezeit erreicht, bei der
solche Risiken besonders groß wären.
Psychische Nebenwirkungen
Wie bereits anhand der Eintragen im oben beschriebenen
Register zu den Nebenwirkungen des Maskentragens bei
Kindern beschrieben, ist auf psychischer Ebene bei
einer länger andauernden Maskenpflicht an Schulen mit
weitreichenden negativen Effekten hinsichtlich der
Entwicklung und Heranreifung von Kindern zu rechnen.
In einer aktuellen Überblicksarbeit zu den
Nebenwirkungen des Maskentragens auf das emotionale
Erleben und die soziale Kommunikation weist der
Neurowissenschaftler Manfred Spitzer auf die drei
folgende Probleme hin [75]:
Einschränkung der nonverbalen Kommunikation
Durch das Tragen von Masken wird die nonverbale
Kommunikation extrem eingeschränkt, was insbesondere
für kleinere Kinder einer der wichtigsten Kanäle für
das Entstehen einer tragfähigen sozialen Beziehung
darstellt. Weiterhin ist der Gesichtsausdruck eines
der zentralen Signale, über welches wir den eigenen
emotionalen Zustand kommunizieren und den emotionalen
Zustand des Gegenübers erschließen, was einer der
fundamentalen Bausteine der Entwicklung einer hohen
emotionalen und sozialen Kompetenz darstellt. Gerade
Kinder müssen es erst noch lernen, diese Signale in
den Gesichtern anderer zuverlässig zu deuten.
Negative Verzerrung des emotionalen Erlebens
=====
S.133
Hinzu kommt ein weiterer negativer Effekt: Laut
Studien wird Angst und Trauer eher aus den Augen
abgelesen und Freude eher aus er Mundregion. Weiterhin
werden ohne das Signal von der Mundregion emotionale
Gesichtsausdrücke fehlgedeutet. Ein eigentlich
fröhlicher Gesichtsausdruck wird häufig als ein
skeptischer Gesichtsausdruck fehlgedeutet, ein
überraschter Gesichtsausdruck wird oft als Ärger oder
Trauer fehlgedeutet. Das Tragen von Masken könnte also
dazu führen, dass man in den Gesichtern anderer
seltener positive und verstärkt negative Emotionen
wahrnimmt.
Beeinträchtigung der Empathie
Weiterhin wird die Empathie – das Mitfühlen des
emotionalen Zustands des anderen – durch das Tragen
von Masken beeinträchtigt. Wie Studien zeigen, nimmt
man beim miteinander kommunizieren unbewusst den
Gesichtsausdruck des Gegenübers ein und fühlt darüber
den inneren Zustand des anderen mit, was durch das
Tragen einer Maske verhindert wird.
Zusammenfassend schreibt Manfred Spitzer einer seiner
Überblicksarbeit:
„However, covering the lower half of the face reduces
the ability to communicate, interpret, and mimic the
expressions of those with whom we interact. Positive
emotions become less recognizable, and negative
emotions are amplified. Emotional mimicry, contagion,
and emotionality in general are reduced and (thereby)
bonding between teachers and learners, group cohesion,
and learning – of which emotions are a major driver.
The benefits and burdens of face masks in schools
should be seriously considered and made obvious and
clear to teachers and students. The school's specific
situation must also inform any decision regarding face
mask use.“
Interessanterweise werden die erwähnten psychischen
Nebenwirkungen des Maskentragens auch im Bayerischen
Gesetz zur Bildung, Erziehung und Betreuung von
Kindern in Kindergärten, anderen
Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege (BayKiBiG)
aufgegriffen. Dort geht es zwar um Kindergartenkinder,
aber die entsprechenden Inhalte können auch auf das
Grundschulalter übertragen werden. Dort findet sich im
Teil 3 zur Sicherung des Kindswohls folgender Artikel
[76]:
Artikel 9a: Verbot der Gesichtsverhüllung
Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen dürfen
während der Besuchszeit ihr Gesicht nicht verhüllen,
es sei denn, betreuungsbedingte Gründe stehen dem
entgegen. Satz 1 gilt für Tagespflegepersonen
entsprechend.
Auf der offiziellen Seite des Bayerischen
Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales
gibt es dazu eine genauere Auslegung. Dort werden die
verschiedenen pädagogischen Begründungen zum Verbot
der Gesichtsverhüllung genannt [77]:
Auszug aus der Gesetzesbegründung zu Art. 9a BayKiBiG:
Ziel der Kindertageseinrichtungen und
Kindertagespflege ist es u.a., Kooperations- und
Kommunikationsfähigkeit zu vermitteln sowie die Kinder
zur Integration zu befähigen. Gerade im Bereich des
Kleinstkindalters ist es mit Blick auf die Entwicklung
eines Kindes essentiell, dass gute pädagogische Arbeit
geleistet wird. Diese wäre stark gefährdet, wenn sich
das Kind einer betreuenden oder einer anderen in der
Kindertageseinrichtung tätigen Person gegenüber
befinden würde, die ihr Gesicht nicht zu erkennen
gibt.
Die Mimik ist aber wichtig, um die verschiedenen
Möglichkeiten der Ausdrucksformen kennenzulernen und
verstehen zu können. Des Weiteren verhindert ein
verhülltes
=====
S.134
Gesicht insbesondere Kommunikation und Interaktion
zwischen Kindern und Erzieher/in und beeinträchtigt
damit den für die Bildung und Erziehung der Kinder
unabdingbaren Aufbau von Bindung und Beziehung.
Schließlich ist gerade der persönliche und vertraute
Kontakt zwischen Kind und Personal enorm wichtig für
die frühkindliche Bildung.
Es ist mithin erforderlich, dass Beschäftigte in
Kindertageseinrichtungen während der Besuchszeiten
sowie bei Veranstaltungen der Einrichtung ihr Gesicht
(zwischen Kinn und Stirn) nicht verhüllen. (...) Das
Verbot gilt nicht, soweit betreuungsbedingte Gründe
dem entgegenstehen. Betreuungsbedingte Gründe wären
z.B. eine Verkleidung in einem Rollenspiel oder auf
einer Faschingsfeier.
Angesichts dessen, dass die erwähnten negativen
Effekte des Maskentragens auf die Entwicklung von
Kindern im BayKiBiG als so wichtig empfunden werden,
dass dort ein Verbot des Maskentragens gesetzlich
vorgegeben wird, ist es umso überraschender, dass
keine der erwähnten Nebenwirkungen im Rahmen der
aktuellen Verordnung einer Maskenpflicht in der
Grundschule – und auch nicht bei den Erzieherinnen und
Erziehern im Kinderarten – Beachtung findet.
Hinzu kommt noch eine Reihe von weiteren möglichen
psychischen Nebenwirkungen:
Einschränkung der Sprachübertragung
Das Tragen von Masken geht weiterhin mit negativen
Effekten auf die Sprachübertragung einher [78]. Zum
einen werden höhere Frequenzen gedämpft, zum anderen
wird das visuelle Signal von den Lippen vollständig
behindert, was die verbale Kommunikation
beeinträchtigt und mit der Gefahr von
Missverständnissen einhergeht. Besonders
beeinträchtigend wirkt sich das auf das Erlernen einer
neuen Sprache aus, so dass der Fremdsprachenerwerb und
insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund hiervon
betroffen sind.
Gefahr der Diskriminierung
Schließlich gibt es noch negative Nebenwirkungen auf
psychischer Ebene für Kinder, welche aus medizinischen
Gründen keine Maske tragen dürfen. Hier besteht die
Gefahr, dass solche Kinder – begründet mit
hygienetechnischen Argumenten – diskriminiert und aus
dem sozialen Klassenverbund ausgeschlossen werden, mit
negativen Folgen für das psychische und soziale
Wohlbefinden. Mir sind Fälle bekannt, wo Kinder, die
aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können,
den ganzen Schultag über gelbe Armbinden tragen
müssen. In einem anderen Fall ist im Klassenzimmer und
im Pausenhof eine Ecke abgeklebt, in der sich Kinder,
die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen
können, aufhalten müssen. Belegt wird die Gefahr der
Diskriminierung auch dadurch, dass im oben
beschriebenen Register zu den Nebenwirkungen des
Maskentragens bei Kindern als eine der Ängste die
Angst vor Stigmatisierung sowohl durch das Tragen als
auch durch das Nichttragen einer Maske im sozialen
Umfeld genannt wird.
Verstärkt wird die Gefahr einer solchen
Diskriminierung durch fragwürdige Aussagen von
Experten in den Medien. So sagte die
Jugendpsychiaterin Dr. Biskup-Meyer in einem
SZ-Interview zur Maskenpflicht in der Grundschule
[79]:
„Wenn die Lehrer eine Maske tragen und den Schülern
glaubhaft vorgemacht wird, dass dies gerade notwendig
ist, dann sind Grundschulkinder sicher diejenigen, die
sich am bereitwilligsten daran halten. Dazu gehört
auch, dass eine Einheit in der Klasse besteht, weil
alle eine Maske tragen."
=====
S.135
Wird Kindern durch die Lehrkräfte eine Notwendigkeit
des Maskentragens stark vermittelt und entsteht
aufgrund sozialer Dynamiken ein entsprechender
Gruppendruck, ist die Gefahr umso größer, dass manche
Kinder diskriminiert werden.
Hinzu kommt, dass Kinder, welche aus medizinischen
Gründen keine Maske tragen dürfen, dadurch in eine
psychische Lage kommen, welche für das Kind nicht
positiv auflösbar ist. Egal, wie sich das Kind
verhält, ergeben sich negative Konsequenzen: Trägt das
Kind keine Maske, wird es sozial ausgegrenzt, trägt
das Kind die Maske, treten körperliche Leiden ein.
Eine solche Lage kann mit sehr negativen psychischen
Konsequenzen verbunden sein bis hin zur Entwicklung
von psychischen Störungen.
Das Auslösen und Aufrechterhalten von
entwicklungspsychologisch unangemessenen Ängsten
Bezogen auf die Corona-Maßnahmen an Grundschulen kommt
das Problem hinzu, dass mit Maßnahmen wie dem
Maskentragen oder dem Abstandhalten den Kindern
permanent vermittelt wird, dass sowohl von anderen
eine große Gefahr für sie selbst ausgeht, als auch von
ihnen selbst für andere. Damit können Ängste und
Schuldgefühle einhergehen, mit welchen ein Kind
aufgrund seiner entwicklungsbezogenen Unreife nicht
umgehen kann. Ist das der Fall, entwickeln sich
Angststörungen, welche das Kind in seiner Entwicklung
beeinträchtigen.
Länger anhaltende Angst wirkt sich auf verschiedenen
Ebenen der Psyche problematisch aus. Die Gedanken
beginnen beispielsweise um das angstbesetzte Ereignis
zu kreisen, so dass das Kind sich nicht mehr auf
andere Dinge konzentrieren kann. Auf der Ebene der
Motivation wird das vermeidungsbezogene
Verhaltenssystem chronisch aktiviert, was dazu führt,
dass das Kind nicht mehr Dinge anstrebt, welche es
erreichen möchte, sondern die Welt zunehmend durch die
Brille möglicher drohender Ereignisse betrachtet,
welche es vermeiden möchte. Die Konsequenz ist, dass
das Kind in seiner Entwicklung zunehmend stehen bleibt
und sich zunehmend zurückzieht. Im Extremfall kann das
so weit gehen, dass eine Depression entwickelt wird.
Dabei kann es auf der Ebene der Hirnentwicklung zu
„biologischen Narben“ kommen, was sich in einer
lebenslangen erhöhten Vulnerabilität für körperliche
und psychosoziale Belastungssituationen niederschlagen
kann [80].
Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Punkt: Die
Ängste, welche durch die Corona-Maßnahmen an Schulen
ausgelöst werden können, beziehen sich nicht auf einen
Aspekt, welcher für uns Menschen wenig Bedeutung hat.
Bei einer Angst vor Schlangen ist es beispielsweise
so, dass das nicht notwendigerweise stark
beeinträchtigend sein muss, weil Schlangen kein
relevanter Teil unseres menschlichen Lebens sind. Die
Ängste, welche durch die Corona-Maßnahmen an Schulen
ausgelöst werden können, betreffen dagegen einen der
zentralsten Aspekte des menschlichen Lebens: den
Kontakt mit anderen Menschen. Der Mensch ist genuin
ein soziales Wesen, das Bedürfnis nach Nähe und guten
sozialen Beziehungen ist ein menschliches
Grundbedürfnis, genau wie Essen, Trinken oder Schlafen
[81].
Mit den an Schulen ergriffenen Maßnahmen wie
Maskentragen und Abstandhalten werden also soziale
Grundbedürfnisse von Kindern verletzt. Kommt hier noch
hinzu, dass Kinder eine Angst vor dem Gegenüber
entwickeln, besteht die Gefahr, dass psychische
Störungen im sozialen Bereich erworben werden und die
soziale Gesundheit von Kindern – und damit die
psychische Entwicklung insgesamt – nachhaltig
beeinträchtigt wird.
In der Tat gibt es inzwischen zahlreiche empirische
Hinweise, dass psychische Probleme bei Kindern stark
zunehmen, wobei hier vorneweg wichtig ist anzumerken,
dass diese nicht
=====
S.136
kausal auf das Maskentragen zurückgeführt werden
können, sondern ein Produkt der problematischen
Gesamtsituation sind.
So ergab die sogenannte COPSY-Studie des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf [82], dass
sich zur Zeit der Schulschließungen im Frühjahr 2020
71 Prozent der Kinder und Jugendlichen durch die
Kontaktbeschränkungen belastet fühlten. Bei 39 Prozent
der Kinder und Jugendlichen verschlechterte sich das
Verhältnis zu den Freunden durch die eingeschränkten
persönlichen Kontakte, was fast alle Befragten
belastete. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit
geminderter gesundheitsbezogener Lebensqualität stieg
von 15 auf 40 Prozent, das Risiko für psychische
Auffälligkeiten von rund 18 auf 30 Prozent.
Auf die dramatische Lage weisen auch aktuelle Studien
hin. So fasste der Kinder- und Jugendpsychologe Prof.
Dr. Julian Schmitz vom Institut für Psychologie der
Universität Leipzig in einem aktuellen Interview seine
aktuellen Befunde folgendermaßen zusammen [83]:
„Wir sehen aktuell keine Zunahme von nur einer Gruppe
von Störungen, sondern eine starke Zunahme von
psychischen Belastungen aus dem gesamten Spektrum wie
Depressionen, Ängsten, Zwangsstörungen und
Verhaltensstörungen. Dabei leiden auf der einen Seite
die Kinder und Jugendlichen, die schon mit einer
psychischen Störung in die Pandemie gegangen sind und
deren Lage sich häufig sehr verschlechtert hat. Auf
der anderen Seite sehen wir auch, dass viele Kinder,
die vor der Krise psychisch gesund waren, nun in
dieser Zeit – insbesondere der Lockdowns – psychisch
krank geworden sind. (…) Unsere Forschungsdaten zeigen
sehr deutlich, dass die Mehrzahl der psychischen
Störungen sich nicht von allein wieder gibt, sondern
diese Störungen oft einen chronischen Verlauf nehmen
und über die Zeit weitere Störungen hinzukommen. Wir
können also nicht davon ausgehen, dass sich nach dem
Ende der Pandemie die Situation der psychisch
erkankten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen einfach
von allein wieder vollständig entspannt.“
Der österreichische Psychologieprofessor Manuel
Schabus fasst die Ergebnisse seiner aktuellen Umfragen
in einem Interview so zusammen [84]:
„FOCUS Online: Herr Schabus, wie bewerten Sie die
Auswirkungen des monatelangen Lockdowns, vor allem auf
Kinder und Jugendliche?
Die werden unter diesem verlorenen Jahr - vielleicht
werden es ja sogar verlorene eineinhalb oder zwei
Jahre - sehr leiden. Wir sehen das in den Daten
unserer Umfragen. Die Hauptangst der 6- bis
18-Jährigen ist, dass ihr Leben nie mehr so wird, wie
es vor der Pandemie und den Lockdowns war. Sie gehen
davon aus, dass ihre Zukunft nachhaltig negativ
beeinträchtigt wird. Ein Beispiel: Drei Viertel der
befragten Kinder und Jugendlichen geht davon aus, dass
Corona erst 2022 oder 2023 „vorbei“ sein wird. Wir
müssen davon ausgehen, dass die Jugend in ihrer
psychischen Entwicklung ein großes Problem mit dem
Thema Angst bekommen wird.
Psychotherapeuten berichten mir, dass die Kinder sehr
diffuse Ängste haben, nicht nur wegen Corona. Es
kommen aus allen Ecken Ängste, auf die sie ansprechen,
weil sie regelrecht darauf konditioniert werden, Angst
zu haben und unter diesem Druck zu leben. Wir müssen
davon ausgehen, dass das dann auch zu mehr
psychosomatischen Auswüchsen und körperlichen
Erkrankungen führen wird. Wenn man dauerhaft erhöhtem
Stress ausgesetzt ist, leidet natürlich das
Immunsystem darunter und jede Infektion und Erkrankung
hat leichteres Spiel. Es ist nicht
=====
S.137
auszuschließen, dass sich deshalb in den kommenden
Jahren sogar Krebserkrankungen häufen werden, da
dieser Zusammenhang wissenschaftlich gut bekannt ist."
Fragwürdige Plausibilitätsargumente
Als Argument für die angebliche Harmlosigkeit des
Tragens von Masken findet sich eine Reihe von
Plausibilitätsargumenten, welche einer genaueren
Prüfung nicht standhalten.
Ein erstes Argument, das man oft hört, ist der
Vergleich mit OP-Ärzten, welche ja auch stundenlang
während Operationen Masken tragen, ohne dass sich
angeblich Beeinträchtigungen zeigen würden. Zum einen
sind auch dort physiologische Nebenwirkungen
nachgewiesen wie beispielsweise ein Abfall der
Sauerstoffsättigung im Blut [63]. Zum anderen ist das
Tragen von Masken im Klassenzimmer nicht vergleichbar
mit dem Tragen von Masken in Operationssälen.
Operationssäle sind mit
Hochleistungsbelüftungssystemen ausgestattet, welche
einen Überdruck aufrechterhalten und den
Sauerstoffgehalt der Raumluft erhöhen [85]. Zudem
werden die Masken dort bei Durchfeuchtung sofort
gewechselt, was im Klassenzimmer aufgrund der
begrenzten Anzahl der Masken pro Kind nicht möglich
ist. Weiterhin sind OP-Ärzte im hygienetechnisch
sinnvollen Umgang mit der Maske hoch trainiert, so
dass Ansteckungen durch die Ansammlung von Keimen auf
der Maske über die Hände minimiert werden, was bei
Grundschülern aufgrund ihres
entwicklungspsychologischen Reifegrads unmöglich ist.
Ein weiteres fragwürdiges Argument stammt vom Sprecher
des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte
(BVKJ), Dr. Jakob Maske. Er hat sich gegenüber der
Deutschen Presse-Agentur folgendermaßen geäußert
(zitiert nach der Welt [86]):
„Auch kleine Kinder könnten einen Mundschutz tragen.
'Das ist gar kein Problem', erklärt der Experte.
Angenommen, ein Kind würde tatsächlich nicht genügend
Sauerstoff oder zu viel CO2 einatmen, dann würde es
müde werden und sich abgeschlagen fühlen, so der
Mediziner. In diesem Fall nähme das Kind die Maske von
allein ab“.
Angesichts dessen, dass es hierzu keinerlei empirische
Studien dazu gibt, handelt es sich bei dieser Aussage
um eine bloße Hypothese. Wenn strikte Regeln von
sozialen Instanzen vorgegeben werden und ein sozialer
Druck in der Klasse herrscht, ist es aber aus
psychologischer Perspektive nicht zu erwarten, dass
insbesondere kleinere Kinder sich in einem solchen
Fall von sich aus die Maske abnehmen werden.
Ein drittes fragwürdiges Argument ist, dass Kinder
selber aus dem Maskentragen keine Katastrophe machen
würden und sich schnell daran gewöhnen würden. Aus der
Beobachtung, Kinder würden aus dem Maskentragen keine
Katastrophe machen, zu schließen, das würde Kindern
nichts ausmachen, ist hochgradig fahrlässig. Selbst
wenn ein Kind missbraucht wird, macht es nicht
notwendigerweise eine Katastrophe daraus, weil einem
Kind noch die rationalen Bewertungsmaßstäbe fehlen.
Daraus zu schließen, dass das dann ja ok wäre, wäre
absurd. Genau deswegen sind unsere Kinder noch nicht
mündig, und es braucht Erwachsene, welche Sachlagen
für Kinder bewerten. Hinzu kommt, dass die
Nebenwirkungen der Maske lange Zeit nicht weiter
auffallen können, weil Kinder einfach nur stiller und
dadurch weniger auffällig werden. Hier braucht es
vielmehr ein sehr gutes Auge auf Seiten der Lehrkräfte
und Eltern.
Zusammenfassende Bewertung
=====
S.138
Zusammenfassend gibt es zahlreiche Belege für die
Bandbreite der möglichen Schäden auf körperlicher,
psychischer und sozialer Ebene, welche vor allem mit
dem längeren Maskentragen bei Kindern verbunden sein
können. Belegt sind diese zum einen durch mehrere
Studien zu den verschiedenen Nebenwirkungen vor allem
in Bezug auf Erwachsene, zum anderen durch das
existierende Register zu den Nebenwirkungen des
Tragens von Masken durch Kinder. Darüber hinaus gibt
es aus psychologischer Perspektive die Befürchtung,
dass mit einer länger andauernden Maskenpflicht an
Schulen sehr nachhaltige psychische Beeinträchtigungen
der Entwicklung von Kindern einhergehen können, die
sich zwar aktuell noch nicht eindeutig nachweisen
lassen, aber laut verschiedener psychologischer
Theorien mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten
sind.
Besonders problematisch ist zu werten, dass es trotz
der zahlreichen zu befürchtenden Nebenwirkungen keine
einzige randomisierte kontrollierte Studie gibt, in
welcher die Nebenwirkungen des langanhaltenden
Maskentragens von Kindern untersucht wurden. Bevor
verpflichtenden Maßnahmen für Millionen von Kinder
überhaupt verordnet werden, wäre es aus
medizinethischer Perspektive unbedingt geboten,
mögliche Risiken vor der Verordnung der Maßnahme zu
prüfen und evidenzbasiert auszuschließen bzw. das
Risiko zumindest zu quantifizieren und gegenüber dem
Nutzen abzuwägen. Als problematisch ist es
insbesondere auch zu werten, dass angesichts der
existierenden Evidenz für zahlreiche möglichen
Nebenwirkungen diese weder in den Empfehlungen des RKI
noch in der S3-Leitlinie noch in den entsprechenden
Regierungserklärungen erwähnt oder berücksichtigt
werden.
3. Besteht überhaupt ein Infektionsrisiko, das durch
das Tragen von Gesichtsmasken (oder andere Maßnahmen)
abgesenkt werden könnte?
Diese Frage wurde im Zuge der Beantwortung der Frage 1
bereits beantwortet (siehe Abschnitt „Das Ausmaß der
Reduktion des Infektionsrisikos mittels des Tragens
von Masken an Schulen“ auf S. 10 ff).
4. Kann durch die Einhaltung von Abstandsvorschriften
das Infektionsrisiko insbesondere bei Kindern
abgesenkt werden?
In Bezug auf diese Frage ist eine kürzlich publizierte
Studie relevant [87]. Dort wurde anhand einer sehr
großen Stichprobe (537.336 Schüler*innen und 99.390
Schulbedienstete) und eines großen Zeitraums (24.
September bis zum 27. Januar) untersucht, inwiefern es
einen Unterschied macht, ob an Schulen ein Abstand von
drei oder sechs Fuß vorgeschrieben war. Die Ergebnisse
zeigen, dass die Größe des Abstands weder bei den
Schüler-Infektionen noch bei den Lehrer-Infektionen
einen Unterschied machte. Demnach zeigt sich zumindest
ab einem Abstand von 90 cm kein Effekt einer weiteren
Abstandsvergrößerung. Anzumerken ist, dass ab der
Sekundarstufe an den untersuchten Schulen eine
universelle Maskenpflicht galt, in der Primarstufe war
das Maskentragen in 70 Prozent der Fälle
vorgeschrieben. Auch die Ergebnisse dieser
umfangreichen Studie bestätigen zudem erneut, dass
Infektionen bei den Schulbediensteten weitaus häufiger
auftreten als bei den Schüler*innen, was einen
weiteren überzeugenden Beleg dafür darstellt, dass von
Schüler*innen ein geringeres Infektionsrisiko ausgeht.
=====
S.139
5. Bieten Kinder möglicherweise sogar eine
„Schutzfunktion“ vor der Verbreitung mit dem
Coronavirus SARS-CoV-2 in dem Sinne, dass sie die
Verbreitung des Virus eher abbremsen und vor schweren
Covid-19-Erkrankungen eher schützen?
Zur Beantwortung dieser Frage werden zunächst
umfangreiche Studien vorgestellt, die zeigen, dass das
Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken, geringer ist,
wenn Erwachsene viel Kontakt mit Kindern haben.
Anschließend werden aktuelle Befunde diskutiert, die
zeigen, dass Kinder – anders als anfänglich vermutet –
eine geringere Viruslast haben, was das
Ansteckungsrisiko und die resultierende
Krankheitsschwere laut aktuellen Befunden reduzieren
kann. Abschließend wird noch der Befund aus
Krankschreibungen kritisch beleuchtet, dass
Berufsgruppen, die mit der Erziehung und Betreuung von
Kindern zu tun haben, am häufigsten aufgrund von
COVID-19 krankgeschrieben worden wären, was oft als
Argument benutzt wird, dass von Kindern eine besondere
Gefahr ausginge.
Das geringere Risiko, bei engen Kontakten mit Kindern
schwer an COVID-19 zu erkranken.
In einer der bisher umfangreichsten Studien zu den
Einflussfaktoren auf das Risiko des Entwickelns einer
schweren COVID-19-Erkrankung wurden alle der in
Schottland aufgetretenen Corona-Fälle analysiert [88].
Dabei zeigte sich, dass Lehrkräfte (kein Maskentragen
von Schülern bis zum Alter von in etwa 15 Jahren) im
Vergleich zu anderen Berufen ein um 64 Prozent
reduziertes Risiko aufweisen, schwer an COVID-19 zu
erkranken (rate ratio of 0.36, 95% CI 0.19 to 0.69).
Weiterhin zeigte sich, dass das Risiko einer schweren
COVID-19-Erkrankung bei Erwachsenen um 28 Prozent
reduziert war, wenn Kinder im selben Haushalt lebten
(rate ratio of 0.72, 95% CI 0.63 to 0.82). Dieser
Effekt von Kindern zeigte sich sogar dann, wenn
Erwachsene zu einer Hochrisikogruppe zählten (z.B.
Krebserkrankung, schweres Asthma und andere schwere
chronische Atemwegserkrankungen, Bluthochdruck,
Immunsuppression, etc.). Vergleichbare Befunde gibt es
auch aus Schweden, dort war für Lehrkräfte das Risiko
schwer zu erkranken im Vergleich zu anderen
Berufsgruppen um 57 Prozent reduziert (relative risk
of 0.43, 95% CI, 0.28 to 0.68) [89].
Die Autoren der Studie vermuten, dass das daran liegen
könnte, dass der Kontakt mit Kindern den
vorbestehenden Immunschutz aufgrund von
Kreuzreaktionen mit anderen Coronaviren erhöht. Sie
schreiben:
„The inverse association of severe COVID-19 with past
exposure to children is consistent with evidence that
other coronaviruses generate cross-reactive T-cell
responses that may confer some resistance to
SARS-CoV-2.“
Die geringere Viruslast bei Kindern
Es gibt noch eine zweite Erklärungsmöglichkeit, welche
darauf beruht, dass inzwischen als erwiesen angesehen
werden kann, dass die Viruslast bei Kindern kleiner
ist als bei Erwachsenen. Anfänglich war zwar
insbesondere aufbauend auf einer Studie eines
Forscherteams um Christian Drosten vermutet worden,
dass Kinder dieselbe Viruslast wie Erwachsene hätten
und demnach von Kindern eine ähnliche Gefahr ausginge.
Allerdings enthielt diese Studie einen eigentlich sehr
klassischen und fundamentalen methodischen
=====
S.140
Fehler, wie beispielsweise der renommierte Statistiker
David Spiegelhalter von der University of Cambridge
aufgezeigt hat [90].
Aufgrund der kleinen Stichprobengröße im Kindesalter
und der Aufteilung in zahlreiche Altersgruppen im
Erwachsenenalter und der nachherigen Korrektur für
multiples Testen ist die Power der Studie – also die
Wahrscheinlichkeit, einen existierenden Unterschied
zwischen den Kinder- und Erwachsenengruppen
statistisch signifikant nachzuweisen – so gering, dass
die Studie statistisch praktisch prinzipiell keine
Unterschiede hätte nachweisen können. Bei einem nicht
signifikanten Effekt auf die Nullhypothese zu
schließen ist, ist bei einer geringen Power methodisch
absolut unzulässig. Es handelt sich hier eigentlich um
basales statistisches Grundlagenwissen (den
sogenannten „Fehler 2. Art“, siehe z.B. [91]).
Wie David Spiegelhalter interessanterweise nachweist,
zeigt die Studie des Forscherteams um Christian
Drosten in Wirklichkeit – wenn man sie korrekt
ausgewertet hätte – sogar, dass die Viruslast bei
Kindern geringer ist. Deskriptiv ausgedrückt beträgt
in der Studie die Viruslast bei 0-10-jährigen Kindern
nur 27 Prozent der Viruslast von Erwachsenen über 20
Jahre (das ist die eigentliche Vergleichsgruppe, die
künstliche Aufteilung im Erwachsenenalter im Artikel
in 10-Jahre-Stufen ist angesichts der eigentlichen
Forschungsfrage – Viruslast bei Kindern versus
Erwachsenen – schwer nachvollziehbar, weil eine solche
Aufteilung nur substantiell die Power reduziert). In
der Tat wird das durch eine kürzlich als Preprint
publizierte Studie mit weitaus größeren Stichproben
(2654 Kinder und Jugendliche) als in der Studie des
Forscherteams um Christian Drosten (117 Kinder und
Jugendliche) [92].
Wie aktuelle Studien wiederum zeigen [93], sinkt mit
der Viruslast der Person, von der die Ansteckung
ausgeht, das Risiko einer schweren
COVID-19-Erkrankung. Damit könnte die geringere
Viruslast bei Kindern bei einer Ansteckung eine
Schutzfunktion vor dem Entwickeln einer schwereren
COVID-19- Erkrankung sein. Allerdings ist anzumerken,
dass der direkte wissenschaftliche Nachweis, dass die
geringere Viruslast den positiven Effekt des häufigen
Kontakts mit Kindern auf die niedrigere
Krankheitsschwere vermittelt, noch nicht erbracht ist.
Häufige COVID-19-Diagnosen bei Berufsgruppen, die mit
Kinderbetreuung zu tun haben
Abschließend ist noch ein Hinweis auf eine
irreführende Darstellung in den Medien wichtig. Ende
des Jahres 2020 veröffentlichte das Wissenschaftliche
Institut der AOK die Ergebnisse einer Analyse [94],
welche Berufsgruppen von März bis Oktober am
häufigsten mit der Diagnose „COVID-19“
krankgeschrieben wurden. Erstaunlicherweise lagen an
erster Stelle Berufsgruppen, die mit der Erziehung und
Betreuung von Kindern zu tun haben. In den Medien
wurde daraus geschlossen, dass angeblich Erzieherinnen
und Erzieher am häufigsten an COVID-19 erkranken
würden.
Ein genauerer Blick in die Studie offenbart aber, dass
das eine irreführende Darstellung ist. In Bezug auf
die Diagnose „COVID-19“ gibt es zwei unterschiedliche
Diagnoseschlüssel [95]: Einmal eine Diagnose mit
Bestätigung durch einen positiven PCR-Test
(Diagnoseschlüssel U07.1!) und einmal eine bloße
Verdachtsdiagnose ohne Bestätigung durch einen
positiven PCR-Test (Diagnoseschlüssel U07.2!). Da
Personen mit bloßer Verdachtsdiagnose kein
=====
S.141
positives SARS-CoV-2-Testergebnis aufweisen, ist es
sehr wahrscheinlich, dass es sich in solchen Fällen
Wirklichkeit nur um eine harmlose Erkältungskrankheit
handelt.
Es in Kindertagesstätten eine häufige Praxis, dass
sich die Erzieher/innen bei leichten
Erkältungssymptomen immer sofort testen lassen und
dann bis zum Erhalt des Testergebnisses
krankgeschrieben werden müssen. Auf der Krankmeldung
wird dann die Verdachtsdiagnose U07.2! vermerkt.
Stellt sich dann beim Testergebnis heraus, dass in
Wirklichkeit keine SARS-CoV-2-Infektion vorliegt,
handelt es sich bei der anfänglichen Verdachtsdiagnose
U07.1! damit eigentlich um eine falsche
COVID-19-Diagnose.
Das Problem bei der Analyse der AOK ist, dass nicht
unterschieden wird, ob es sich bei einer
„COVID-19-Diagnose“ auf einer Krankmeldung womöglich
nur um eine bloße Verdachtsdiagnose handelt. So könnte
es sein, dass mit Kindern arbeitende Personen sich
einfach nur besonders häufig auf einen Verdacht hin
testen lassen (Diagnose U07.2!), aber in Wirklichkeit
gar nicht häufiger an COVID-19 erkranken (U07.1!).
Das belegt in der Tat eine genauere Auswertung der
AOK-Daten, welche kürzlich erschienen ist [96].
Demnach liegen Berufe in der Kindererziehung und
Kinderbetreuung zwar in Bezug auf die insgesamt
erhaltenen Diagnosen „COVID-19“ auf Platz eins.
Allerdings handelt es sich in 48,0 Prozent der Fälle
um bloße Verdachtsdiagnosen. Berufe in der Altenpflege
oder Gesundheits- und Krankenpflege liegen zwar in
Bezug auf die insgesamt erhaltenen Diagnosen
„COVID-19“ nur auf Platz zwei und drei. Allerdings
handelt es sich dort nur in 31,8 bzw. 28,9 Prozent um
bloße Verdachtsdiagnosen. In Bezug auf tatsächlich
bestätigte COVID-19-Erkrankungen liegen dagegen die
Berufsgruppen in der Altenpflege (22,9 Prozent mehr
Fälle) oder Gesundheits- und Krankenpflege (25,7
Prozent mehr Fälle) deutlich vor den Berufsgruppen in
der Kindererziehung und Kinderbetreuung. In
Wirklichkeit erkranken Erzieher/innen also deutlich
seltener an COVID-19 als Beschäftigte im Bereich der
Alten, Gesundheits- und Krankenpflege.
Zusammenfassende Bewertung
Zusammenfassend gibt es in der Tat belastbare Hinweise
aus sehr umfangreichen wissenschaftlichen Studien,
dass ein häufiger Kontakt mit Kindern womöglich
tatsächlich eine Schutzfunktion vor der Entwicklung
einer schweren COVID-19-Erkrankung darstellen kann.
Insbesondere zeigt inzwischen eine umfangreiche
Studie, dass Kinder in der Tat eine geringere
Viruslast aufweisen als Erwachsene, was eine der
Erklärungen für diese Schutzfunktion darstellen
könnte.
6. Welches methodische Niveau und ggfls. welche
methodischen Mängel weisen existierende Studien zum
Infektionsgeschehen an Schulen und zu der Wirksamkeit
von Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten an
Schulen auf?
Diese Frage wurde im Zuge der Beantwortung der Frage 1
bereits beantwortet (siehe Abschnitt „Bewertungsschema
zur Einordnung der Qualität der Evidenz aus Studien“
auf S. 1 ff).
=====
S.142
Literatur
[1]
https://bmcinfectdis.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12879-019-4109-x
[2]
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.12.06.20244780v2
[3]
https://advance.sagepub.com/articles/preprint/Comment_on_Dehning_et_al_Science_15_May_2020_eabb9789_Inferring_change_points_in_the_spread_of_COVID-19_reveals_the_effectiveness_of_interventions_/12362645
[4]
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Praevention-Schulen.html
[5]
https://www.bmbf.de/de/die-s3-leitlinie-als-handlungsempfehlung-fuer-schulen-13722.html
[6]
https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(20)30985-3/fulltext
[7]
https://www.who.int/publications/i/item/advice-on-the-use-of-masks-in-the-community-during-home-care-and-in-healthcare-settings-in-the-context-of-the-novel-coronavirus-(2019-ncov)-outbreak
[8]
https://www.who.int/publications/i/item/WHO-2019-nCoV-IPC_Masks-Children-2020.1
[9]
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.30.20047217v2
[10]
https://wwwnc.cdc.gov/eid/article/26/5/19-0994_article
[11] https://reuters.screenocean.com/record/1461268
[12] https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/m20-6817
[13]
https://www.cochrane.org/CD006207/ARI_do-physical-measures-such-hand-washing-or-wearing-masks-stop-or-slow-down-spread-respiratory-viruses
[14] https://bmjopen.bmj.com/content/5/4/e006577
[15]
https://www.cell.com/fulltext/S0896-6273(01)00583-9
[16]
https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2771181
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https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2774102
[18] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33484843/
[19]
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[20]
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[21]
https://www.thelancet.com/journals/lanchi/article/PIIS2352-4642(20)30251-0/fulltext
[22]
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[23]
https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31142-9/fulltext
[24]
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[25]
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Infografik_Antigentest_PDF.pdf?__blob=publicationFile
[26]
https://influenza.rki.de/Wochenberichte/2020_2021/2021-12.pdf
[27]
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Massnahmen_Verdachtsfall_Infografik_DINA3.pdf?__blob=publicationFile
[28]
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.01.13.21249721v1
[29]
https://virological.org/t/tracking-sars-cov-2-voc-202012-01-lineage-b-1-1-7-dissemination-in-portugal-insights-from-nationwide-rt-pcr-spike-gene-drop-out-data/600
[30]
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[31] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33619199/
[32] https://journals.co.za/doi/10.10520/EJC-c3ca4ee66
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[34]
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[41] https://www.bmj.com/content/370/bmj.m3021/rr-6
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https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0247414
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https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112344/Nicht-fuer-jeden-ist-das-Tragen-einer-Maske-unbedenklich
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https://www.atsjournals.org/doi/abs/10.1513/AnnalsATS.202007-812RL
[68]
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https://in.dental-tribune.com/news/mask-mouth-a-novel-threat-to-oral-health-in-the-covid-era/
[71]
https://link.springer.com/article/10.1007/s00266-020-01833-9
[72]
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2214031X18300809
=====
S.144
[73]
https://www.fr.de/politik/corona-maske-ffp2-mikroplastik-muell-meer-gesundheit-90190572.html
[74]
https://www.daab.de/blog/2021/01/corona-pandemie-schadstoffe-in-schutzmasken/
[75]
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7417296/
[76]
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayKiBiG
[77]
https://www.tagespflege.bayern.de/gesetz/verbot-gesichtsverhuellung/index.php
[78] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28054912/
[79] https://sz.de/1.5097188
[80] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11392867/
[81]
https://www.researchgate.net/publication/275566849_Die_Entwicklung_psychischer_Sicherheit_in_Bindungen_-_Ergebnisse_und_Folgerungen_fur_die_Therapie
[82]
https://www.aerzteblatt.de/archiv/216647/Psychische-Gesundheit-und-Lebensqualitaet-von-Kindern-und-Jugendlichen-waehrend-der-COVID-19-Pandemie-Ergebnisse-der-COPSY-Studie
[83]
https://www.jugendhilfeportal.de/fokus/gesundheit/artikel/psychische-belastungen-haben-deutlich-zugenommen/
[84]
https://www.focus.de/corona-virus/massive-probleme-fuer-kinder-und-jugendliche-das-schlimmste-kommt-erst-noch-psychologe-warnt-vor-jahrelangen-lockdown-folgen_id_13092846.html
[85]
https://www.management-krankenhaus.de/news/belueftung-von-op-reinraeumen
[86]
https://www.welt.de/wissenschaft/article217116574/Coronavirus-Angebliche-Todesfaelle-Ist-die-Maske-gefaehrlich-fuer-Kinder.html
[87]
https://academic.oup.com/cid/advance-article/doi/10.1093/cid/ciab230/6167856
[88]
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.03.02.21252734v1.full
[89]
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc2026670
[90]
https://d-spiegel.medium.com/is-sars-cov-2-viral-load-lower-in-young-children-than-adults-8b4116d28353
[91]
https://support.minitab.com/en-us/minitab-express/1/help-and-how-to/basic-statistics/inference/supporting-topics/basics/type-i-and-type-ii-error/
[92]
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.01.15.21249691v2
[93]
https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(20)30985-3/fulltext
[94]
https://www.wido.de/news-events/aktuelles/2020/krankschreibungen-wegen-covid-19/
[95]
https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kodierfragen/
[96]
https://www.wido.de/news-events/aktuelles/2021/krankschreibungen-aufgrund-von-covid-19/
X. Gutachten Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer
Prof. Dr. rer. biol. hum. Ulrike Kämmerer vertritt am
Universitätsklinikum Würzburg, Frauenklinik,
insbesondere die Schwerpunkte Humanbiologie,
Immunologie und Zellbiologie.
=====
S.145
Die Gutachterin hat ihr molekularbiologisches
Sachverständigengutachten, das hier vollständig
eingefügt wird, wie folgt erstattet:
Zur Beweisfrage „Welche Aussagekraft zur Erkennbarkeit
einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 liefern
der RT-qPCR-Test und die derzeit verwendeten
Schnelltests“
1. Der Nukleinsäurenachweis mittels RT-qPCR-Test
Reverse-Transkriptase-quantitative Polymerase Chain
Reaction (RT-qPCR)-Tests sind als Instrument der
Diagnostik für eine aktive Infektion mit SARS-CoV-2
aus zahlreichen Gründen bereits im Ansatz ungeeignet.
1.1. Begriffserklärung/Grundlagen
In einer Polymerasekettenreaktion (PCR) wird mithilfe
des Enzyms Polymerase ein definiertes kurzes
(üblicherweise 100-1000 Basen umfassendes) Stück der
Desoxyribonukleinsäure (DNA) vervielfältigt. Das zu
vervielfältigende DNA-Stück wird mithilfe von zwei
sehr kurzen einzelsträngigen DNA-Abschnitten, den
„Primern“, eingegrenzt.
Diese Primer bestehen üblicherweise aus einer
definierten Abfolge von 18-25 Nukleinsäurebasen (die
Primersequenz), welche spezifisch zu den Regionen auf
der DNA passen, welche den zu vervielfältigenden
Abschnitt flankieren. Um die Spezifität der PCR
sicherzustellen, dürfen diese Primer explizit nur zu
diesem flankierenden Bereich und zu keinem weiteren
Bereich einer DNA passen. Mithilfe großer
Gendatenbanken und entsprechender Software-Programme
(z.B. Primer-Blast
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/tools/primer-blast/)
können im PCR-Design diese Primer hochspezifisch
entworfen werden. Bei spezialisierten Firmen werden
aus den eingesendeten Primer-Sequenzen dann die
Molekülketten synthetisiert und an das PCR-Labor bzw.
den Hersteller von PCR-Kits ausgeliefert. Hier müssen
diese Primer dann mit validen positiven und negativen
Kontrollen unter verschiedensten Versuchsbedingungen
erprobt und im Einsatz optimiert werden. So wird
sichergestellt, dass mit dem verwendeten Primerpaar
ausschließlich die zu suchende DNA erkannt und
vervielfältigt wird, aber keinerlei andere ähnliche
DNA-Abschnitte.
Sind die Primer gefunden und spezifisch, kann in einem
Reaktionsansatz die zu vervielfältigende DNA mit dem
Primerpaar, verschiedenen Hilfschemikalien sowie dem
Enzym Polymerase gemischt und die Kettenreaktion
gestartet werden.
Ablauf der PCR: Diese läuft in zyklischen
Wiederholungen der folgenden einzelnen Schritte ab:
1. Das Gemisch wird bei über 90°C aufgekocht
(denaturiert). Hierdurch werden die üblicherweise als
Doppelstrang vorliegenden DNA-Stränge in Einzelstränge
getrennt, um die spätere Anheftung der Primer zu
ermöglichen.
2. Beim folgenden Abkühlen auf die sogenannte
„Annealing-Temperatur“ können sich die Primer an ihre
passenden Regionen an den aufgetrennten DNA-Strängen
anheften. Die Bindung der Primer, das Annealing,
erfolgt nur in einem eng begrenzten Temperaturbereich,
der sog. Schmelztemperatur. Diese hängt vor allem von
der Basenzusammensetzung der Primer ab und daher wird
deren Sequenz im Idealfall immer so gewählt werden,
dass beide Primer die gleiche Schmelztemperatur von
ca. 60°C besitzen. Die angehefteten Primer bilden den
Startpunkt für die Polymerase.
3. Diese Polymerase ergänzt von den Primern ausgehend
die durch das Erhitzen vorliegende einzelsträngige DNA
wieder zu einem passenden Doppelstrang (Elongation)
meist bei ca. 72°C.
=====
S.146
Durch die Lage der beiden Primer an den flankierenden
Seiten des gesuchten DNA-Abschnittes sind an den
Einzelsträngen die Elongationsreaktionen gegenläufig,
da die Polymerase immer nur in eine Richtung arbeitet.
Am Ende dieses Schrittes sind aus einer ursprünglichen
doppelsträngigen DNA nun zwei identische
doppelsträngige DNA-Moleküle entstanden, welche durch
Aufkochen wieder getrennt, dann mithilfe der
Primeranlagerung und der Polymerase in 4 identische
DNA-Moleküle vervielfältigt werden usw. Jeder
PCR-Zyklus aus Aufkochen-Annealing-Elongation bewirkt
eine Verdopplung des gesuchten DNA-Abschnittes, so
dass die Vervielfältigung im 2-er Logarithmus erfolgt
und somit sehr schnell eine extrem hohe Anzahl von
Kopien des ursprünglichen Ausgangsmaterials vorliegt.
So werden aus einem DNA-Strang nach 10 PCR Zyklen
bereits 210 = 1.024 DNA-Kopien, bei 20 Zyklen schon
über 1 Million (1.048.576) und bei 30 Zyklen über 1
Milliarde (1.073.741.824) Kopien.
Bei der quantitativen PCR (qPCR) Technik, wie sie
derzeit weltweit hauptsächlich zum Nachweis der
genomischen RNA von SARS-CoV-2 eingesetzt wird, nutzt
man ein drittes kurzes DNA-Stück, ähnlich der beiden
Primer, welches mittig in dem gesuchten DNA-Abschnitt
passend binden kann, die „Probe“ (Sonde). Anders als
die beiden Primer ist diese Sonde noch mit zwei
Molekülen verbunden, einem Fluoreszenzfarbstoff an
einem Ende und einem weiteren Molekül (Quencher),
welches das Aussenden der Fluoreszenz verhindern kann,
solange sich beide gleichzeitig (also in unmittelbarer
Nähe zueinander) an der Probe befinden. Beim
Elongationsschritt baut die Polymerase nun diese Sonde
ab. Dadurch wird der Quencher abgetrennt und das
Fluoreszenzmolekül kann nun sein Farbsignal aussenden.
Dieses Farbsignal wird im PCR-durchführenden Gerät
(Thermozykler) erfasst und gemessen. Bei jedem
PCR-Zyklus werden also entsprechend der steigenden
Anzahl der Kopien immer mehr Fluoreszenzsignale frei,
die Sonde „leuchtet“ immer stärker. Und die Kurve der
Farbsignalintensität steigt mit jedem Zyklus. Ab einem
bestimmten Wert übersteigt die Kurve dann das
Hintergrundrauschen (Schwellenwert) und wird als
positiv gewertet. Die Zykluszahl, bei welcher dieses
Überschreiten des Schwellenwertes erfolgt, wird als
CT-Wert bezeichnet (CT steht dabei für „Cycle
Treshold“ = Zyklusschwelle).
Je schneller die Fluoreszenz ansteigt (niedriger CT),
umso mehr Ausgangskopien der gesuchten DNA waren im
PCR-Ansatz vorhanden. Da weder die Primer, noch das
Enzym Polymerase immer 100% spezifisch arbeiten, wird
in jedem PCR-Ansatz auch ein Bruchteil unspezifische
DNA mitkopiert. Und je mehr Zyklen die PCR durchläuft,
umso größer ist die Gefahr, dass auch diese wenigen
unspezifischen Reaktionen dann doch den Schwellenwert
überschreiten. Ab einem CT-Wert von 40 ist daher mit
größter Wahrscheinlichkeit von einem falsch positiven
Signal aufgrund unspezifischer Ausgangsmaterialien
auszugehen. Eine zuverlässige PCR sollte daher nicht
mehr als 30-35 Zyklen benötigen, um ein deutliches
Signal „positiv“ zu generieren, im Falle aktiver
Infektionen mit gesuchten Viren ist von einer
ausreichenden Zykluszahl von 25-30 auszugehen (siehe
auch Punkt 3.2.).
Die Reverse Transkriptase Reaktion (RT) wird benötigt,
wenn die zu vervielfältigende Ausgangsnukleinsäure
nicht als DNA, sondern als Ribonukleinsäure (RNA)
vorliegt, wie dies bei SARS-CoV-2 als RNA-Virus der
Fall ist. Da in der PCR ausschließlich DNA
vervielfältigt werden kann, muss eine RNA vorher in
DNA überführt werden. Dies geschieht mithilfe des
Enzyms „Reverse Transkriptase“, welche aus RNA einen
komplementären Kopierstrang aus DNA erstellt, welcher
dann als Ausgangsmaterial für die PCR dient.
Um die Zuverlässigkeit eines mittels RT-qPCR oder auch
nur PCR-erzielten Ergebnisses werten zu können, werden
mithilfe von definierten Proben verdünnter korrekter
Zielgene (z.B. RNA des gesuchten Virus) und sehr
ähnlicher, aber nicht gesuchter Zielgene (z.B.
naheverwandte Viren) die Sensitivität und die
Spezifität des verwendeten Testsystems bewertet.
Die Sensitivität gibt hierbei an, wie empfindlich der
Test auch noch kleinste Mengen des gesuchten Zielgens
nachweise kann, die Spezifität beschreibt, wie
zuverlässig der Test ausschließt, dass andere,
naheverwandte Gene, auch zu einem positiven Ergebnis
(falsch
=====
S.147
positiv) führen. Je höher die Spezifität, umso
sicherer ist auszuschließen, dass durch das PCR System
selber falsch positive Ergebnisse erzielt werden.
Hiervon unbenommen sind allerdings noch falsch
positive Ereignisse, welche durch Laborkontaminationen
mit Zielgenen, Verunreinigungen von Testchemikalien
und Kontaminationen direkt bei der Probenentnahme
entstehen können. Diese kontaminationsbedingten falsch
positiven Ergebnisse können durch rigorose
Qualitätssicherung und „Standard Operating Procedures“
(SOPs), durch den Einsatz von speziell geschultem
Fachpersonal sowie permanente externe Kontrolle in
Form von Ringversuchen ausgeschlossen werden.
1.2. Grundsätzliches zur diagnostischen Aussagekraft
Der Erfinder des PCR-Tests, der im August 2019
verstorbene Nobelpreisträger Kary Mullis, hat immer
wieder darauf hingewiesen, dass sein Test allein dazu
geeignet ist, ein ansonsten für das menschliche Auge
unsichtbares Molekül (die Desoxyribonukleinsäure, DNA)
oder Fragment der DNA durch Vervielfältigung
(Amplifikation) sichtbar zu machen. Nicht aber, eine
Aussage dazu zuzulassen, ob das, was sichtbar gemacht
wurde, gefährlich ist oder krank macht.
Insbesondere kann ein PCR Test – auch wenn er korrekt
durchgeführt wird - keinerlei Aussage dazu treffen, ob
eine Person mit einem aktiven Erreger infiziert ist
oder nicht. Denn der Test kann nicht unterscheiden
zwischen „toter“ Materie*, wie zum Beispiel einem
völlig harmlosen Genomfragment als Überbleibsel des
Kampfes des körpereigenen Immunsystems gegen eine
Erkältung oder eine Grippe (solche Genom-Fragmente
finden sich noch viele Monate nachdem das Immunsystem
das Problem „erledigt“ hat), und „lebender“ Materie,
d.h. einem „frischen“, reproduktionsfähigen Virus.
So wird die PCR beispielsweise auch in der Forensik
eingesetzt, um aus Haarresten oder anderen
Spurenmaterialien mittels PCR vorhandene Rest-DNA so
zu vervielfältigen, dass die genetische Herkunft
des/der Täter(s) erkennbar ist („Genetischer
Fingerabdruck“).
Selbst wenn also bei der Durchführung der PCR
inclusive aller vorbereitenden Schritte (PCR-Design
und Etablierung, Probenentnahme, Aufbereitung und
PCR-Durchführung) alles „richtig“ gemacht wird und der
Test positiv ist, d.h.: eine Genom-Sequenz erkennt,
welche ggf. auch in einem oder sogar dem konkreten
„Corona“-Virus (SARS-CoV-2) existiert, bedeutet dies
unter keinen Umständen, dass die Person, welche
positiv getestet wurde, mit einem replizierenden
SARS-CoV-2 infiziert und folglich für andere Personen
ansteckend = gefährlich sein könnte.
Vielmehr müssen für die Feststellung einer aktiven
Infektion mit SARS-CoV-2 weitere, und zwar konkret
diagnostische Methoden wie die Isolation von
vermehrungsfähigen Viren eingesetzt werden
(Goldstandard).
1.3. Einflussfaktoren auf die Zuverlässigkeit des PCR
Test
Tatsächlich aber hängen die Ergebnisse eines PCR-Tests
von einer Reihe von Parametern ab, die zum einen
erhebliche Unsicherheiten bedingen und zum anderen
gezielt so manipuliert werden können, dass viele oder
wenige (scheinbar) positive Ergebnisse erzielt werden.
1.3.1. Anzahl der unabhängigen Ziel-Gene („Targets“)
=====
S.148
In dem ursprünglich von der WHO am 13.01.2020
publizierten Protokoll „Diagnostic detection of Wuhan
coronavirus 2019 by real-time PCR“
(https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/wuhan-virus-assay-v1991527e5122341d99287a1b17c111902.pdf)
wird die Abfolge von PCR-Nachweisen von drei
unabhängigen Teilgenen des später in SARS-CoV-2
umbenannten Virus beschrieben. Die Reihenfolge bezog
sich auf das E-gen, das RdRp-Gen und dann das N-Gen.
Bereits am 17.01.2020 folgte eine Änderung durch die
WHO mit dem Protokoll „Diagnostic detection of
2019-nCoV by real time PCR“
(https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/protocol-v2-1.pdf?sfvrsn=a9ef618c_2)
in der das N-Gen als Nachweis entfernt wurde und somit
statt der ursprünglichen 3 Targets nur noch 2 Targets
empfohlen wurden. Am 02.03.2020 wurde in einem erneut
aktualisierten Testprotokoll der WHO „Laboratory
testing for coronaviurs disease 2019 (COVID-19) in
suspected human cases“
(https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/331329/WHO-COVID-19-laboratory-2020.4-eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y)
darauf hingewiesen, dass „.... In areas where COVID-19
virus is widely spread a simpler algorithm might be
adopted in which for example screening by RT-PCR of a
single discriminatory target is considered
sufficient.....” (Seite 3 unten) woraufhin die Labors
großflächig dazu übergingen, nur noch 1 Target zu
analysieren, worauf hin viele Labors sich nur noch auf
das als erstes Target eingeführte E-Gen als gültige
PCR spezialisierten, wie z.B. explizit vom Labor
Augsburg am 03.04. beschrieben (nur noch im
Internetcache verfügbar:
https://www.oder-spree-piraten.de/wp-content/uploads/2020/05/Ge%C3%A4ndertes-Befundlayout-der-SARS-CoV2-PCR-Ergebnisse-_-Labor-Augsburg-MVZ-GmbH.pdf
Die herausragende Bedeutung der Anzahl der mittels PCR
analysierten unabhängigen Zielgene ergibt sich aus
folgender Rechnung:
Die im WHO-Protokoll ursprünglich für den Nachweis von
SARS-CoV-2 angegebenen drei Targets E, RdRp und N-Gen
wurden zügig in vielen laboreigenen und kommerziellen
Testsystemen eingesetzt. Ein Ringversuch vom Institut
Instand e.V.
(https://corona-ausschuss.de/wp-content/uploads/2020/07/Instand-Ringversuch-Virusgenom-Nachweis-SARS-CoV-2.pdf)
ergab für diese Gene eine mittlere Spezifität von:
Zielgen des
SARS-CoV-2 Genoms
Anzahl überprüfte Tests
Spezifität
nur Zellkultur
(ohne Virus-RNA)
Spezifität
mit verwandtem Coronavirus (HCoV 229E)
%
Mittlere Spezifität
absolut
Mittlere Fehlerrate
(1-abs. Spez.)
E-Gen
24
99,46%
95,17%
97,31
0,9731
0,0269
RdRp-Gen
13
97,80%
90,66 %
94,23
0,9423
0,0577
N-Gen
21
98,20%
87,95 %
93,08
0,9308
0,0692
In einer Mischpopulation von 100.000 Tests würde sich
selbst bei keiner echt infizierten Person aufgrund der
mittleren Fehlerrate ergeben:
Bei einem reinen E-Gentest: 100.000 x 0,0269 = 2690
falsch positive
Bei E und RdRp-Test in Folge: 100.000 x (0,0269 x
0,0577) = 155 falsch positive
Bei allen drei Genen (E, RdRp, N): 100.000 x (0,0269 x
0.0577 x 0,0692) = 10 falsch positive
Dies bedeutet, die Vorgabe der WHO, sukzessive die
Anzahl der zu testenden Zielgene von SARS-CoV-2 von 3
auf 1 zu reduzieren, resultierte in einer Zunahme der
falsch positiv
=====
S.149
getesteten Personen im obigen Rechenbeispiel von 10
bei 3 Genen auf fast 3000 bei nur noch dem E-Gen je
100.000 durchgeführter Tests. Würden die 100.000
durchgeführten Tests repräsentativ bei 100.000 Bürgern
einer Stadt/Landkreis innerhalb von 7 Tagen
durchgeführt sein, so ergibt sich alleine aus dieser
Fragestellung der verwendeten Zielgene hinsichtlich
der „/-Tagesinzidenz“ ein Unterschied von 10 gegenüber
155 gegenüber 2690 und davon abhängig die Schwere der
ergriffenen Freiheitsbeschränkungen der Bürger.
Bewertung: Das Rechenbeispiel zeigt auch, wie durch
„Spielen an den Vorgaben“ bezüglich der
nachzuweisenden Targets für die Labore die täglichen
Fallzahlen manipuliert werden können. Angesichts der
immensen Auswirkungen auf die politischen
Entscheidungen, welche von den Absolutzahlen positiver
Tests und der daraus abgeleiteten „7-Tages-Inzidenz“
bestimmt werden, ist die Vorgabe der WHO (und auch des
RKI) zur Reduktion der Zielgene klar dazu geeignet
gewesen, die „Pandemie“ durch falsche Testvorgaben
künstlich um den Faktor 300 aufzublähen.
Dies ist eine evidenzfreie Vorgehensweise, die zum
einen enorme persönliche Einschränkungen der
Quarantäne/Isolation, welche die fälschlich „positiv
getesteten“ Personen erleiden müssen, nach sich zieht,
zum anderen über die „7-Tage Inzidenzzahl“ die enormen
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Einschränkungen und Schäden willentlich in Kauf nimmt.
Wäre konsequent die korrekte Targetanzahl von drei
bzw. sogar besser (wie z.B. in Thailand) bis zu 6
Genen für die PCR-Analyse verwendet worden, hätte sich
die Rate der positiven Tests und damit die
„7-Tagesinzidenz“ fast komplett auf null reduziert.
1.3.2. Anzahl der durchgeführten Zyklen (CT-Wert)
Neben der Anzahl der nachgewiesenen Zielgene,
insbesondere bei nur einem oder maximal 2 Genen
stellen aber die Anzahl der Zyklen der Amplifikation
in der qPCR bis zur Wertung „positiv“ und der daraus
resultierende CT-Wert eine entscheidende Stellschraube
dar. Je kleiner der CT-Wert einer Probe in einer qPCR,
desto höher war die Ausgangsmenge der DNA in der
Probe. Dies korreliert unter standardisierten
Bedingungen mit (im Falle von Viren) der Ausgangsmenge
an Viren, der sog. Viral load, welche im Idealfall als
„Anzahl viraler Kopien“ pro ml Probe angegeben werden
sollte. Diese Viral load korreliert auch im Fall von
SARS-CoV-2 mit der Anzüchtbarkeit infektiöser Viren in
Zellkultur wie unter Beteiligung von C. Drosten
bereits im März 2020 publiziert wurde. (Abbildung 1e
in Wölfel et al.,
https://doi.org/10.1038/s41586-020-2196-x) Hier war
eine Mindestmenge von 106 RNA-Kopien/ml nötig, um aus
der Probe entsprechend Viren anzüchten zu können,
wohingegen die RT-qPCR aus dem Ursprungsprotokoll
(Corman V et al.,
10.2807/1560-7917.ES.2020.25.3.2000045 ) bereits bei
ca. 4 Kopien je Probenansatz (5μl entsprechend ca. 103
Kopien/ml) ein positives Ergebnis liefern kann, also
bereits um den Faktor 1000 eher als in einer Probe mit
tatsächlich infektiöser Virus load.
Auch kommerzielle PCR-Testsysteme, sogenannte Kits,
weisen teilweise Nachweisgrenzen von weniger als 10
Kopien/Reaktion aus, wie z.B. Kits der Firma
TIB-Molbiol
(https://www.roche-as.es/lm_pdf/MDx_53-0777_96_Wuhan-R-gene_V200204_09155376001%20%282%29.pdf)
Es ist hier fachlich zu unterscheiden von einer
„Besiedelung“ des Rachenraums mit einzelnen wenigen,
aber keine Infektion auslösenden, Viren und einer
echten „Infektion“. Letztere geht mit
vermehrungsfähigen Viren einher, die dann a) zu einer
symptomatischen Erkrankung und b) einer Infektiosität,
d.h. der Fähigkeit, andere Personen anzustecken,
einhergeht.
Diesen Aspekt hat Christian Drosten bereits 2014 in
einem Interview in der Wirtschaftswoche
(https://www.wiwo.de/technologie/forschung/virologe-drosten-im-gespraech-2014-die-who-kann-nur-empfehlungen-aussprechen/9903228-2.html)
im Zusammenhang mit MERS
=====
S.150
beschrieben „Ja, aber die Methode (Anmerkung: gemeint
ist die PCR) ist so empfindlich, dass sie ein
einzelnes Erbmolekül dieses Virus nachweisen kann.
Wenn ein solcher Erreger zum Beispiel bei einer
Krankenschwester mal eben einen Tag lang über die
Nasenschleimhaut huscht (Anmerkung: das wäre die o.g.
„Besiedelung“), ohne dass sie erkrankt oder sonst
irgend etwas davon bemerkt, dann ist sie plötzlich ein
Mers-Fall. Wo zuvor Todkranke gemeldet wurden, sind
nun plötzlich milde Fälle und Menschen, die eigentlich
kerngesund sind, in der Meldestatistik enthalten.“
[....] „Denn was zunächst interessiert, sind die
echten Fälle (Anmerkung: Das sind die „Infizierten“).
Ob symptomlose oder mild infizierte
Krankenhausmitarbeiter wirklich Virusträger sind,
halte ich für fraglich. Noch fraglicher ist, ob sie
das Virus an andere weitergeben können.“ Letzteres ist
eine entscheidende Aussage auch in Bezug auf die sehr
nahe mit MERS verwandten SARS-CoV-2 Viren. Aber exakt
dieser Punkt der Virusweitergabe (und damit dem
Treiben der Pandemie) ist die Begründung für die
eingreifenden Maßnahmen wie
Quarantäne/Isolationsanordnungen, die „Lockdowns“ und
die sogenannten AHA-Regeln.
Weitere Belege für die Relevanz des CT-Wertes
Eine kanadische Studie von Jared Bullard/Guillaume
Poliquin in Clinical Infectious Deseases 2020,
nachzulesen unter dem Link
(https://doi.org/10.1093/cid/ciaa638) kam bereits im
Mai 2020 zu dem Ergebnis, dass oberhalb eines
CT-Wertes von 24 kein reproduktionsfähiges Virus mehr
gefunden wurde – dies bedeutet: Der Versuch, aus
Abstrichproben, die erst bei einem höheren CT-Wert zu
einem positiven Test führten, anschließend
vermehrungsfähige Viren anzuzüchten, scheiterte.
Oberhalb eines CT-Wertes von 24 ist laut dieser Studie
die Menge nachweisbaren viralen Erbguts also so
gering, dass sich der positive Test jedenfalls nicht
mehr im Sinne einer aktiven Infektion interpretieren
ließ. Eine große Studie von Jaffar et al. (Doi
10.1093/cid/ciaa1491) setzte die Grenze zur
Anzüchtbarkeit von SARS-CoV-2 aus
Patientenprobenmaterial bei einem CT-Wert von 30 .
In seinem NDR-Podcast vom 16.02.2021 benannte C.
Drosten explizit, dass eine Erhöhung des CT von 25-27
über die Grenze von 28 hinweg bedeutet, dass Personen
von denen diese Abstriche mit dem höheren CT gewonnen
wurden, nicht mehr infektiös sind. „und auch hier ist
wieder eine Ct-Wertverschiebung von 25 auf 27
ungefähr, 27, 28 zu sehen. Und das ist ein Bereich, da
ist nach unserer Einschätzung wirklich die
Infektiosität zu Ende. Wenn man so eine Patientenprobe
sieht und man würde fragen, ist der Patient noch
infektiös, da würde ich sagen: Nein, das ist jetzt
langsam nicht mehr ein infektiöser Bereich. Das kann
man korrelieren“ Seite 4 (rechte Spalte oben in:
https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript270.pdf)
Einhellige wissenschaftliche Meinung (u.a. auch von
Dr. Fauci vom US CDC, aber auch einer Reihe von in der
New York Times im August 2020 zitierten
Wissenschaftlern,
https://www.nytimes.com/2020/08/29/health/coronavirus-testing.html)
ist, dass alle „positiven“-Resultate, die erst ab
einem Zyklus von 35 erkannt werden, keinerlei
wissenschaftliche (d.h.: keine evidenzbasierte)
Grundlage haben. Der mit Hilfe der WHO weltweit
propagierte RT-qPCR Test zum Nachweis von SARS-CoV-2
hingegen war (und ihm folgend auch alle anderen auf
ihm als Blaupause basierenden Tests) auf 45 Zyklen
eingestellt ohne einen CT-Wert für „positiv“ zu
definieren.
Ebenfalls bereits im Mai 2020 wurde vom National
Centre for Infectious Disease in Singapur ein
Positionspapier herausgegeben
(https://www.ncid.sg/Documents/Period%20of%20Infectivity%20Position%20Statementv2.pdf),
welches darauf hinweist, dass
=====
S.151
1. Es wichtig ist, dass der Nachweis viraler RNA durch
die PCR weder einer Infektiosität, noch einem
vermehrungsfähigem Virus entspricht („it is important
to note that viral RNA detection by PCR does not
equate to infectiousness or viable virus“)
2. Der Grenzwert (cycle threshold value CT) der PCR
weist als Surrogatmarker für den Gehalt an viraler RNA
bereits ab einem CT von 30 zwar noch virale RNA nach,
nicht mehr jedoch die Anwesenheit von
vermehrungsfähigen Viren und die betroffenen Personen
sind nicht infektiös.
Originaltextauszug: “6. A surrogate marker of ‘viral
load’ with PCR is the cycle threshold value (Ct). A
low Ct value indicates a high viral RNA amount, and
vice versa. As noted above, detection of viral RNA
does not necessarily mean the presence of infectious
or viable virus. In a local study from a multicenter
cohort of 73 COVID-19 patients, when the Ct value was
30 or higher (i.e. when viral load is low), no viable
virus (based on being able to culture the virus) has
been found.“
Auch das RKI erklärt auf seiner Homepage zum Stand
11.08.2020
(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html#doc13490982bodyText4
) “Erste Ergebnisse aus der Diagnostik am RKI zeigen,
dass der Verlust der Anzüchtbarkeit in Zellkultur mit
einer per real-time PCR (Anmerkung: ist die RT-qPCR)
ermittelten RNA Menge von <250 Kopien/5 μL RNA
einherging. Diese RNA-Konzentration entsprach im
verwendeten Testsystem einem Ct-Wert >30.“
Eine aktuelle Studie aus Südkorea
(https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc2027040)
legt die Grenze zur Virusanzüchtbarkeit auf einen
CT-Wert von 28,4.
Und in einer ebenfalls aktuellen Studie aus Frankfurt
(https://www.mdpi.com/2077-0383/10/2/328) zeigte sich,
dass von 64 RT-qPCR positiven Patientenproben (ein Gen
getestet) nur aus 33 (=52%) eine Virusanzucht in
Zellkultur gelang. Diese infektiösen Proben wurden
bereits bis zu einem mittleren CT-Wert von 26 positiv
(Ergänzende Abbildung 1) wohingegen aus den Proben mit
einem höheren CT keine Virusanzucht mehr gelang.
Im Ringversuch Instand e.V.
(http://www.finddx.org/covid-19/pipeline/?section=molecular-assays#diag_tab.
) , siehe auch nächster Punkt, zeigt sich die enorme
Bandbreite der CT-Werte selbst bei
hochstandardisierten Proben zwischen den verschiedenen
Laboren und auch bezüglich der unterschiedlichen
Zielgene. So schwankt hier z.B. der CT für die gleiche
definierte verdünnten Probe von SARS-CoV-2
(Probennummer 340061) für die WHO-empfohlenen Gene
zwischen 15-40 (E-Gen), 20-40,7 (N-Gen) und 19,5-42,8
(RdRp-Gen). Dies zeigt eindrucksvoll einen extremen
Mangel an Teststandardisierung innerhalb der
beteiligten (und zertifizierten) Labors.
Vor diesem Hintergrund ist es befremdlich, wenn die
RT-qPCR nach wie vor vom RKI als „Gold-Standard“
angesehen wird, ohne die exakten Validierungen und
externen Zertifizierungsbedingungen zu definieren (und
ohne dass diese von den Behörden offensichtlich
vollumfänglich überwacht werden).
Bewertung:
Generell kann eine RT-qPCR keine intakten,
vernehmungsfähigen (infektiösen) Viren nachweisen,
nicht einmal das komplette intakte Virusgenom, sondern
ausschließlich Nukleinsäure des gesuchten Abschnitts.
Es ist generell möglich, bei gut eingestellten und
korrekt durchgeführten PCR-Tests durch Validierung mit
einer parallel durchgeführten Virusanzucht in
Zellkultur einen Grenzwert (CT) zu definieren, ab dem
ein positives PCR-Signal nicht mehr mit
vernehmungsfähigen Viren korreliert. Diese ist in der
Überwachung von Blutprodukten seit Jahren gut geübte
Routine.
Diese stringente Validierung erlaubt dann - solange
das Testsystem NICHT verändert wird - als
Surrogatmarker eine Abschätzung der Viruslast und
damit der möglichen Infektiosität der getesteten
Probe, nie allerdings jedoch den definitiven Nachweis.
Sobald eine Komponente am PCR-Testsystem (seien es
Chemikalien, Plastikwaren, Enzyme, Protokollabläufe
oder
=====
S.152
Maschinen) in einem der angewendeten Schritte
verändert wird, muss zwingend das System wieder neu
kalibriert werden.
Aus allen bisher publizierten Informationen (siehe
oben) kann davon ausgegangen werden, dass jeder
CT-Wert über 35 nicht mehr mit einer Anzüchtbarkeit
infektiöser Viren einhergeht und damit der absolute
Grenzwert für die Entscheidung „positiv“ ist, auch
unabhängig vom verwendeten Testsystem. Der CT-Bereich
25-35 ist testabhängig möglicherweise noch valide als
„positiv im Sinne einer Infektiosität“ zu bewerten,
wenn er, wie beschrieben, durch adäquate Validierung
im durchführenden Labor mit einer Virusanzucht
verglichen wurde.
CT≤ 25 : positiv
CT 26-35 : nur positiv, wenn mit Virusanzucht
abgeglichen
CT > 35 : negativ
Die strenge Bewertung des CT-Wertes spielt vor allem
eine Rolle, wenn die Targetanzahl eins ist, gilt aber
generell für jedes einzelne Target.
Für sich genommen, ohne Angaben über den Abgleich mit
der bestimmten Anzahl der Virusgenome (Viral load) und
der Korrelation mit einer Anzüchtbarkeit
entsprechender Virusmengen ist der CT-Wert jedoch als
Bewertungskriterum eines positiven PCR-Nachweises
wertlos.
1.3.3. Adäquate Kontrollen
Um die Sensitivität und Spezifität einer RT-qPCR
korrekt einschätzen zu können, müssen bei jedem
Reaktionsdurchlauf adäquate Proben mitgeführt werden.
Dies beginnt bei der Teststelle mit „Leerabstrichen“,
um Kontaminationen am Probengewinnungsort sicher
auszuschließen, geht weiter über
Extraktionskontrollen, um die korrekte Isolation
vermehrbarer RNA mit allen anschließenden
Bearbeitungsschritten sicherzustellen, d.h. eine
künstlich hergestellte definierte RNA, welche in allen
Arbeitsschritten der Probenaufbereitung bis hin zur
PCR mitgeführt und bearbeitet wird und für die dann
mithilfe passender Primer auch die PCR durchgeführt
wird. Hiermit kann ausgeschlossen werden, dass im
Rahmen der Probenbearbeitung hemmende Substanzen oder
Fehler die Amplifikation von RNA verhindern.
Ferner muss in jeder korrekten Testserie eine Reihe
von externen (d.h. parallel wie Patientenproben
mitgeführten) Negativkontrollen sowie eine
Positivkontrolle, die im Idealfall aus einem
inaktivierten definierten SARS-CoV-2 Virusstamm
besteht. Dies wäre eine ureigene Aufgabe des RKI
(unter Mithilfe anderer, geeigneter öffentlicher
Einrichtungen wie dem Bernhard Nocht-Institut oder dem
Friedrich-Löffler Institut), in den dort vorhandenen
Labormöglichkeiten (der Sicherheitsstufe 4) eine
ausreichende Anzahl der SARS-CoV-2 Viren aus
Patientenproben zu isolieren, daraus definierte Stämme
als Kontrollen zu kultivieren, diese zu inaktivieren
und in definierten Viruszahlen über die lokalen
Aufsichtsbehörden als Kontrollen an die testenden
Labors abzugeben. Nachdem diese wichtige
Dienstleistung jedoch selbst nach über einem Jahr der
„Pandemie“ nach wie vor nicht angeboten wird, besteht
die Positivkontrolle meist aber aus einer
synthetischen RNA, welche nur die Zielgene des
Testsystems kodiert. Über diese Positivkontrolle kann
auch die untere Nachweisgrenze der PCR bestimmt
werden. Diese wird von einigen kommerziellen Kits mit
20 oder weniger viralen Genomen je Probe angegeben und
weist damit (siehe Punkt 1.3.2.) bereits eine
Virusmenge im Abstrich nach, welche um den Faktor 105
unter der infektiösen Dosis liegt, bedeutet: keinerlei
diagnostischen/prognostischen Wert hat. Eine Übersicht
über die aktuell eingesetzten kommerziellen Kits mit
ihren Leitungsdaten findet sich unter
http://www.finddx.org/covid-19/pipeline/?section=molecular-assays#diag_tab.
=====
S.153
Ringversuche:
Zu den korrekt durchgeführten Kontrollen gehört auch
die Teilnahme der Test durchführenden Labore an
sogenannten „Ringversuchen“ (siehe auch 1.3.1.). Bei
diesen wird von einem externen Anbieter ein
anonymisiertes Panel an Testproben zur Verfügung
gestellt. Diese enthalten im Falle des Virusnachweises
negative Proben und Proben mit nahe verwandten Viren
(inaktiviert) zur Überprüfung der Spezifität (diese
Proben dürfen kein positives Signal ergeben) und
Positivproben mit verschiedenen Verdünnungen des
gesuchten Virus (inaktiviert), um die Sensitivität (ab
welcher Virenanzahl wird die PCR positiv, mit welchem
CT-Wert) zu ermitteln.
Im Fall von SARS-CoV-2 erfolgte der erste Ringversuch
„Virusgenom-Nachweis - SARS-CoV-2 (340)“ durch den
Verein „INSTAND e.V.“ bereit im April 2020. An diesem
Ringversuch nahmen laut Bericht 488 Labors teil, von
denen 463 Ergebnisse zurückmeldeten. Die Ergebnisse
können im publizierten Kommentar (Zeichhardt M:
Kommentar zum Extra Ringversuch Gruppe 340
Virusgenom-Nachweis SARS-CoV-2“, verfügbar unter:
https://corona-ausschuss.de/wp-content/uploads/2020/07/Instand-Ringversuch-Virusgenom-Nachweis-SARS-CoV-2.pdf)
nachgelesen werden und zeigen zwei Abweichungen von
dem üblichen Ringversuchsprozedere, welche bereits
hier auf Laborprobleme mit der RT-qPCR zum Nachweise
von SARS-CoV-2 hinwiesen: So heißt es auf Seite 4 der
Publikation: „Wichtige Mitteilung zur Auswertung: Nur
4 der 7 Proben, die im diesem Extra-Ringversuch
untersucht wurden, werden für die Erlangung eines
Zertifikats über die erfolgreiche Teilnahme
berücksichtigt“. In der Fußnote auf Seite 10 des
Kommentars heißt es: „In der Zwischenauswertung vom
17. April 2020 wurden allen Teilnehmern des Extra
INSTAND Ringversuchs (340) Virusgenom-Nachweis von
SARS-CoV-2 April 2020 die Probeneigenschaften der
Proben 340059, 340060 und 340064 vorzeitig mitgeteilt.
Die Ergebnisse dieser 3 Proben bleiben für die
Erteilung eines Zertifikats unberücksichtigt [....]“
Der Grund für diesen Ausschluss bestimmter Proben wird
auf Seit 4 des Kommentars dargelegt: „Während der
Extra-Ringversuch noch lief, erhielt INSTAND e.V. aus
dem In- und Ausland dringliche Anfragen, noch vor Ende
der verlängerten Abgabefrist, also vor dem 28. April
2020, die Eigenschaften der zu untersuchenden Proben
aufzudecken, damit Laboratorien bei etwaigen
Fehlmessungen ihre Testmethode kurzfristig verbessern
können.“ (Seite 4 oben im Bericht von INSTAND e.V.))
Dieses Vorgehen ist sehr ungewöhnlich für einen echten
Ringversuch und stellt damit kein unabhängiges
externes Überprüfungsverfahren der beteiligten Labore
mehr dar.
Trotz der schon aufgedeckten Proben und des
reduzierten Testumfanges kam es bei einer Vielzahl von
Laboren zu Verwechselungen von Proben – so heißt es
auf Seite 18 des Kommentars: „Bei Probe 340064
(SARS-CoV-2 positiv 1 : 100 000 verdünnt) beruht die
reduzierte Erfolgsquote von nur 93,2 % im Wesentlichen
auf falschen Ergebniszuordnungen (Verwechslungen) bei
Probe 340064 und Probe 340065 (negativ für SARS-CoV-2
und positiv für HCoV 229E). Die Verwechslungen bei den
Proben 340064 und 340065 betreffen 24 Labore mit
insgesamt 59 Ergebnissen je Probe. Siehe dazu auch
Abschnitt 2.4.2.1. […]“. Eine Vielzahl von Laboren hat
also fälschlich die Probe 340064 (leicht verdünntes
SARS-CoV-2) mit der Probe 340065 (negativ für
SARS-coV-2 und positiv für das naheverwandtes Virus
HCoV 229E) verwechselt.
Abgesehen von der erschreckenden Tatsache, dass
offensichtlich selbst unter hoch standardisierten
Abläufen in einem Ringversuch eine erhebliche Anzahl
von Proben vertauscht wurden (was die Frage nach der
entsprechenden Quote an Probenvertauschungen und damit
falsch zugeordneten Abstrichproben unter
Massentestbedingungen aufwirft), fällt auf, dass alle
gemeldeten Verwechslungen nur diese beiden Proben
betrafen, nicht jedoch die ebenfalls bewertete Proben
mit der Endziffer 61 (sehr hoch verdünntes SARS-CoV-2)
und 62 (negativ). Die detaillierten Ergebnisse eines
zweiten Ringversuchs aus Juni/Juli 2020
(https://www.instand-ev.de/System/rv-files/Zusammenfassung%20der%20Probeneigenschaften%20und%20Sollwerte%20Virologie
=====
S.154
%20340%20Juni%20Juli%202020%2020200911a.pdf) sind nach
wie vor nicht öffentlich einsehbar.
1.3.4. Ausschluss von Kontaminationen von Reagenzien
und „Problemen im Handlungsablauf“
Das beste PCR-Design kann dennoch zu falsch positiven
Ergebnissen führen, wenn entweder die
zugrundeliegenden Reagenzien / Kits mit positiven
Proben kontaminiert sind, oder, sehr viel
wahrscheinlicher, Kontaminationen im Laborablauf
entstehen. Da die PCR eine extrem empfindliche Methode
ist (exponentieller Reaktionsverlauf), die wenige
Moleküle einer DNA nachweisen kann, ist in der
klinischen Diagnostik die Laborkontamination durch PCR
Endprodukte ein Hauptproblem (beschrieben z.B. bereits
2004 in Aslanuadeh J et al.,
http://www.annclinlabsci.org/content/34/4/389.full.pdf+html:
„A typical PCR generates as many as 109 copies of
target sequence and if aerosolized, even the smallest
aerosol will contain as many as 106 amplification
products [6]. If uncontrolled, within a relatively
short time the buildup of aerosolized amplification
products will contaminate laboratory reagents,
equipment, and ventilation systems [6].) Diese extreme
Kontaminationsgefahr setzt voraus, dass in den
diagnostischen Laboren, welche mit der PCR arbeiten,
höchste Sorgfalt bei der Testung waltet - sehr
fachkundiges Personal, kontaminationssichere Umgebung,
permanente unabhängige Kontrolle.
Bereits im oben schon erwähnten Ringversuch 340 im
April tauchte ein Problem mit falsch positiven
Ergebnissen auf, welches wie folgt kommentiert wurde
(Seite 20 unten): „Zusätzlich weisen in einigen Fällen
die Untersuchungen mit den SARS-CoV-2-negativen
Kontrollproben 340060, 340062 und 340065 auf
Spezifitätsprobleme hin, die unabhängig von
Vertauschungen der Proben 340064 und 340065 sind. Es
ist abzuklären, ob diese falsch positiven Ergebnisse
auf ein Spezifitätsproblem der angewendeten Teste oder
auf eine Verschleppung von SARS-CoV-2 bei der
Testdurchführung bzw. auf Verwechselungen mit anderen
Proben in diesem Ringversuch in den betreffenden
Laboren zurückzuführen sind.“ (Seite 21 unten in
https://www.instand-ev.de/System/rv-files/340%20DE%20SARS-CoV-2%20Genom%20April%202020%2020200502j.pdf).
Zur Verwechslung in diesem Ringversuch siehe Details
Punkt 3.3. Absatzende.
Wenn man vor diesem Hintergrund ferner sieht, wie z.B.
nach einem BBC-Bericht in großen Testlaboren in
England offen und extrem kontaminationsanfällig mit
ungeschultem Personal gearbeitet wird
(https://www.youtube.com/watch?v=Uk1VK1reNtE),
verwundert es nicht, wenn sich auch in Deutschland (wo
es solche Beiträge bisher nicht gefilmt gibt)
gelegentlich Meldungen über „falsch positive Fälle“
durch Laborkontaminationen in den Medien finden (Z.B.
MVZ Augsburg - Link am Ende des Abschnitts). Selbst
unter kontrollierten Laborbedingungen sind
Kontaminationen durch die Arbeitsschritte der PCR bei
so einer hochempfindlichen Methode nicht sicher
auszuschließen. So wurde auf die Problematik von
falsch positiven PCR-Ergebnissen in der SARS-CoV-2
Diagnostik aufgrund von Laborabläufen und bereits in
der ersten Publikation der RT-qPCR (Corman et al.,
DOI: 10.2807/1560-7917.ES.2020.25.3.2000045 )
hingewiesen: „In four individual test reactions, weak
initial reactivity was seen but they were negative
upon retesting with the same assay“ [.....] „.... most
problably to handling issues....“
Selbst wenn der Handlungsablauf im Labor optimal und
extrem überwacht funktioniert, um laborbedingte
Kontaminationen stark zu minimieren, kann hier eine
unerwartete Quelle für falsch positive Ergebnisse in
der Kontamination der eingesetzten
Materialen/Chemikalien ab Hersteller entstehen. So
können bereits die zur Probenentnahme verwendeten
Abstrich- Materialien ab Werk kontaminiert sein - wie
z.B. beim Falle des „Phantoms von Heilbronn“, in
welchem die Wattestäbchen zur Abnahme der DNA-Spuren
an den Tatorten mit der DNA einer Verpackungskraft des
Herstellerwerkes verunreinigt waren und so jahrelang
die Forensik mit falschen Spuren behinderte
=====
S.155
(https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/dna-ermittlungspanne-das-phantom-von-heilbronn-ist-widerlegt-1925411.html).
Auch im Falle der SARS-CoV-2 Diagnostik wurde bereits
im Juni 2020 ein Kontaminationsproblem aufgrund ab
Werk mit Positivkontrollen versetzter PCR Primer
publiziert (Wernike et al., DOI: 10.1111/tbed.13684 ).
Hier war aufgefallen, dass selbst reine Wasserproben
mit mehreren unabhängigen Primerchargen einen
eindeutig positiven SARS-CoV-2 Nachweis in der RT-qPCR
ergaben: „However, there were also primers/probe sets
that displayed very low‐level contaminations, which
were detected only during thorough internal
validation.“
Auch einige in der Tagespresse im Sommer 2020
berichteten falsch-positiven Ergebnisse der SARS-CoV-2
RT-qPCR Testung wurden Materialproblemen zugeordnet
(z.B.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/probleme-in-augsburger-labor-bringen-falsche-testergebnisse,SEh5Qq4)
Bewertung:
Selbst bei idealem RT-qPCR-Design und guter
Laborpraxis mit adäquater Validierung können Probleme
im täglichen Handlungsablauf sowie von außen über
bereits ab Werk kontaminierten Proben die
Ergebnisqualität der RT-qPCR wesentlich beeinflussen
und zu falsch positiven Ergebnissen führen.
1.3.5. Kommerzielle PCR Testkits: Zulassung für
Diagnostik?
Bereits sehr früh wurden kommerzielle PCR-Testsysteme,
die „PCR-Kits“ in den Routinelabors zur Diagnostik
eingesetzt, obwohl ein Großteil davon nur für „RUO“
(research use only“) deklariert war.
Besonders herauszustellen ist hierbei der erste und
daher prägnanteste Testhersteller, die Berliner Fa.
TIB Molbiol, deren Firmeninhaber (Olfert Landt)
bereits auf dem WHO-Protokollempfehlungen neben
Christian Drosten als Autor aufgeführt war. Die Kits,
welche entsprechend auf den WHO-Empfehlungen beruhen,
werden über die Fa. Roche auf deren Großautomaten
„Cobas“ eingesetzt und dürften daher den Großteil der
zur Routinediagnostik eingesetzten Kits in Deutschland
ausmachen.
Genaue Zahlen sind nicht eruierbar, jedoch hat TIB
Molbiol davon im Jahr 2020 nach eigenen Angaben
bereits weltweit über 60 Millionen Tests ausgeliefert
(https://www.tib-molbiol.de/de/covid-19), obwohl diese
nach wie vor als „Not tested for use in diagnostic
procedures“ (z.B. Kopfzeile in
https://www.roche-as.es/lm_pdf/MDx_53-0777_96_Wuhan-R-gene_V200204_09155376001%20%282%29.pdf)
deklariert sind. Die entsprechenden Beipackzettel mit
den Protokollangaben und Kitbeschreibungen der Firma
TIB Molbiol wurden erstaunlicherweise nach Metaangaben
der ursprünglich verfügbaren PDFs (können elektronisch
zur Verfügung gestellt werden) bereits am 15.01.2020
(!!!) komplett mit ROCHE SAP-Nummer erstellt sind nach
wie vor unverändert verfügbar (wenn auch mit
Metadatenanalyse 06.02.2020) parallel zu anderen
Testkits, welche inzwischen eine Zulassung für in
vitro Diagnostik haben.
1.4. Zusammenhang positiver Nukleinsäure-Nachweis in
der RT-qPCR und Infektiosität
Nur tatsächlich Infizierte können das Virus
weitergeben und bergen das Risiko einer Erkrankung und
sind damit für die Bestimmung des Verlaufs einer
Infektionsrate und Erkrankungswelle heranzuziehen
„Der PCR-Nachweis ist die Standarduntersuchung zur
Diagnose von Virusinfektionen wie SARS-CoV-2. Der Test
weist einzelne Erregergene, jedoch keine intakten
Erreger nach.“ Und: „Es besteht die Möglichkeit, dass
der Test über die Dauer der Infektion hinaus
=====
S.156
positiv ausfällt, weil noch „Virustrümmer“ in Nase
oder Rachen vorhanden sind. Ein sicherer Nachweis der
Infektiosität ist nur mit aufwendigen Tests möglich,
bei denen im Labor untersucht wird, ob das Material
aus den Abstrichen lebende Zellen abtöten kann.“ Dies
schrieb das Dt. Ärzteblatt am 01.02.2021
(https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/120745).
„Der PCR-Test detektiert Genabschnitte von SARS-CoV-2;
er sagt nichts darüber aus, ob es sich um
infektionsfähige Viren oder um Virusreste nach
durchgemachter Infektion handelt. Hierzu wäre eine
Erregeranzucht erforderlich.“ War in einer
Veröffentlichung des Leiters des Frankfurter
Gesundheitsamtes aus dem August 2020 zu lesen
(https://www.laekh.de/fileadmin/user_upload/Heftarchiv/Einzelartikel/2020/10_2020/Die_Covid-19-Pandemie_in_Frankfurt_am_Main.pdf).
In einer CDC-Veröffentlichung vom 13.07.20 unter der
Überschrift „CDC 2019-Novel Coronavirus (2019-nCoV)
Real-Time RT-PCR Diagnostic Panel For Emergency Use
Only Instructions for Use“,
(https://www.fda.gov/media/134922/download) findet
sich auf S. 38 unter der (noch auf S. 37 zu findenden)
Überschrift „Limitations“ :
“• Detection of viral RNA may not indicate the
presence of infectious virus or that 2019-nCoV is the
causative agent for clinical symptoms.”
Die Übersetzung lautet: „Der Nachweis von viraler RNA
weist möglicherweise nicht auf das Vorhandensein eines
infektiösen Virus hin oder darauf, dass 2019-nCoV der
ursächliche Erreger für klinische Symptome ist.“
Dass ein reiner mRNA-Nachweis von SARS-CoV-2 nicht
zwingend mit einer Erkrankung korrelieren muss und
nicht als alleiniges Kriterium für die Beurteilung der
Erkrankung herangezogen werden darf, sondern nur ein
Hilfsmittel zur Bestätigung einer klinischen Diagnose
darstellt, wird auch eindeutig in der WHO Information
„Notice for IVD Users 2020/05, Nucleic acid testing
(NAT) technologies that use polymerase chain reaction
(PCR) for detection of SARS-CoV-2“ vom 13.01.2021
(veröffentlicht am 20.01.2021 unter
https://www.who.int/news/item/20-01-2021-who-information-notice-for-ivd-users-2020-05)
beschrieben: „Wenn die Testergebnisse nicht mit dem
klinischen Bild übereinstimmen, sollte eine neue Probe
entnommen und mit der gleichen oder einer anderen
NAT-Technologie erneut getestet werden." - im
Original: „Where test results do not correspond with
the clinical presentation, a new specimen should be
taken and retested using the same or different NAT
technology.”
Ferner: „Die meisten PCR-Assays sind als Hilfsmittel
für die Diagnose indiziert, daher müssen
Gesundheitsdienstleister jedes Ergebnis in Kombination
mit dem Zeitpunkt der Probenentnahme, dem Probentyp,
den Assay-Spezifika, klinischen Beobachtungen, der
Patientenanamnese, dem bestätigten Status aller
Kontakte und epidemiologischen Informationen
berücksichtigen.“ Im Original: “Most PCR assays are
indicated as an aid for diagnosis, therefore, health
care providers must consider any result in combination
with timing of sampling, specimen type, assay
specifics, clinical observations, patient history,
confirmed status of any contacts, and epidemiological
information”
Auch in einer aktuellen Publikation in Lancet
(https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)00425-6/fulltext#%20)
bezeichnen die Autoren den RT-qPCR Test wie folgt:
“Unserer Ansicht nach ist der aktuelle PCR-Test daher
nicht der geeignete Goldstandard für die Bewertung
eines SARS-CoV-2-Tests für die öffentliche Gesundheit“
Im Original: „In our view, current PCR testing is
therefore not the appropriate gold standard for
evaluating a SARS-CoV-2 public health test”, da ihrer
Meinung nach die PCR auch dann noch positiv anschlägt,
wenn die Getesteten schon nicht mehr positiv sind, da
die RNA über Wochen und Monate auch nach erfolgreicher
Bekämpfung durch das Immunsystem weiter im Körper
persistieren kann, ohne dass die Person noch
ansteckend ist. „Sobald die Replikation von SARS-CoV-2
durch das
=====
S.157
Immunsystem unter Kontrolle gebracht wurde, sinken die
mittels PCR in den Atemwegssekreten nachweisbaren
RNA-Konzentrationen auf sehr niedrige Werte, bei denen
es sehr viel unwahrscheinlicher ist, dass die
Betroffenen andere infizieren. Die verbleibenden
RNA-Kopien können Wochen, gelegentlich auch Monate,
benötigen, bis sie verschwunden sind, während dieser
Zeit bleibt die PCR positiv“ im Original: „Once
SARS-CoV-2 replication has been controlled by the
immune system, RNA levels detectable by PCR on
respiratory secretions fall to very low levels when
individuals are much less likely to infect others. The
remaining RNA copies can take weeks, or occasionally
months, to clear, during which time PCR remains
positive”
1.5. Fazit: Aussagekraft der RT-qPCR Tests zur
Erkennbarkeit einer Infektion mit dem Coronavirus
SARS-CoV-2
1. Vor dem Hintergrund der im Punkt 1.3 dargelegten
Probleme ist die RT-qPCR kein geeignetes zuverlässiges
(und zugelassenes) Diagnostikmittel zum Nachweis von
infektiösen (replikationsfähigen) SARS-CoV-2 Viren.
2. Ferner ist das reine RT-qPCR Testergebnis nur ein
Laborwert, der angesichts des unter dem Punkt 1.4.
dargelegten Aspekts keine Aussage über das
Vorhandensein infektiöser Viren erlaubt und nur in
Zusammenschau mit einer klinischen Symptomdiagnose
(erhoben durch Gesundheitsdienstleister, in
Deutschland Mediziner) überhaupt eingesetzt werden
darf.
Zusammenfassung: Zur Testung asymptomatischer Menschen
anhand eines Nasen-Rachenabstrichs, wie er massenweise
unkritisch und überwiegend von nicht-medizinischen
Personal OHNE (hierbei entscheidend: entgegen der
WHO-Forderung!) Anamnese- und Symptomerhebung bei den
Getesteten erfolgt, ist die eingesetzte RT-qPCR nicht
tauglich, eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu erkennen.
2. Der Antigennachweis mittels Schnelltest
2.1. Begriffserklärung/Grundlagen zum Schnelltest
Die aktuell zur Diagnostik von SARS-CoV-2 eingesetzten
„Schnelltests“ beruhen auf dem Prinzip eines
Antigentests nach dem „lateral flow“ Testverfahren.
Hiermit wird ein Eiweißbestandteil (Protein) des Virus
nachgewiesen.
Als Antigen bezeichnet man eine dreidimensionale
Struktur von Eiweißen und anderen organischen
Materialien, welche von Antikörpern (Immunglobulinen)
erkannt und gebunden werden kann.
Im Falle von Virusantigenen handelt es sich
üblicherweise um einzelne Eiweißbestandteile
(Proteine) aus der Virusstruktur. Dies können entweder
komplette Strukturproteine wie das auf der Oberfläche
befindliche „Spike“ Protein (S-Protein, das sind die
„gestielten Knöpfchen“ in den Virus-Zeichnungen) oder
das Hüllprotein („envelope“ - E-Protein) oder jenes
Protein sein, aus dem die Kernhülle aufgebaut ist
(Nucleocapsid = N-Protein). Auch Bruchstücke dieser
kompletten Strukturproteine reichen häufig aus, um von
Antikörpern gebunden zu werden. Dies sind die
sogenannten Epitope, welche auch am intakten
Strukturprotein die eigentliche Antikörperbindestelle
darstellen. Jedes Strukturprotein hat üblicherweise
eine Vielzahl von Epitopen, so dass unterschiedliche
Antikörper gleichzeitig an unterschiedliche Epitope
des gleichen Proteins binden können.
Bei SARS-CoV-2 sind die wichtigsten Antigene (die oben
genannten, S-, E- und N-Proteine) diejenigen, welche
bei einer Infektion mit dem Virus im Körper eine
Immunreaktion auslösen. In Folge dessen bildet der
Körper Antikörper, welche diese Antigene spezifisch
erkennen, dann daran binden
(Antigen-Antikörper-Reaktion) um die Viren zu
neutralisieren und für Immunzellen zerstörbar machen.
=====
S.158
Diese Antigen-Antikörper-Reaktion kann man im Labor
nutzen, um mit synthetisch hergestellten Antikörpern
nach den Antigenen in einer beliebigen Probe zu
suchen.
Das Grundprinzip der sogenannten Antigentests im Labor
(diese zielen auf den Nachweis der Antigene durch
Antikörper ab, anders als bei der RTPCR, welche
Nukleinsäuren nachweist) besteht darin, dass man zwei
passende Antikörper in vitro herstellt, welche zwei
verschiedene Epitope des gesuchten Antigens erkennen,
ein sogenanntes „Antikörperpaar“. Beide Antikörper
müssen so ausgesucht sein, dass sie ausschließlich das
jeweils gewünschte Epitop auf dem gesuchten Antigen,
nicht aber andere Strukturen auf ähnlichen Antigenen
erkennen und binden können. Sie müssen also
hochspezifisch sein, um in der Diagnostik eingesetzt
zu werden. Diese hohe Spezifität der diagnostischen
Antikörper wird in der Testentwicklung durch Abgleiche
mit vielen sehr ähnlichen Epitopen sichergestellt.
Hierbei werden alle Antikörper, die ungewünschte
Epitope binden, verworfen, bis nur ein jeweils ideales
Antikörperpaar übrigbleibt, welches die Anforderungen:
sehr hohe Spezifität, hohe Bindeeigenschaft
(Sensitivität) und keine gegenseitige Beeinflussung
aufweist.
Auf diesem Antikörperpaar wird dann der Antigentest
aufgebaut, in dem das gesuchte Antigen durch beide
Antikörper gleichzeitig gebunden wird und sich
zwischen diesen wie der Bratling innerhalb der
Sandwich-Brötchen (daher „Sandwich-Test“) befindet.
Für die lateral flow Antigen-Schnelltests, welche
aktuell in der Breitbandtestung der Bevölkerung zum
Nachweis von SARS-CoV-2 Antigenen eingesetzt werden,
wird nun dieses Sandwich-Testsystem verwendet.
Der erste der beiden spezifischen Antikörper wird
hierbei auf ein Trägermaterial so gebunden, dass seine
Antigenbindestelle frei nach oben zeigt. Dies ist die
spätere Region im Schnelltest, an der ein Farbumschlag
das Signal „positiv“ ergibt. Der zweite Antikörper
wird mit einem Nachweissystem gekoppelt, welches
später für die Farbreaktion verantwortlich ist, und
befindet sich direkt als Depot neben der Stelle im
Schnelltest, an der die Probe aufgetropft wird.
Testablauf: Befindet sich nun in der Abstrichprobe das
gesuchte Antigen, hier das gesuchte Protein von
SARS-CoV-2, verbindet es sich nach dem Auftropfen in
das Testfeld der Nachweiskassette mit dem ersten
spezifischen Antikörper aus dem Depot. Über
Kapillarkräfte wandert nun das Gemisch aus Antigen mit
gebundenem ersten Antikörper sowie überschüssige
ungebundene Antikörper aus dem Depot in Richtung auf
das Testfeld zu. Hier bindet dann der dort fixierte
zweite spezifische Antikörper das Antigen mit dem
daran bereits gebunden ersten Antikörper. Die Lösung
wandert über das Testfeld hinaus über ein weiteres
Feld, in dem die überzähligen Antikörper abgefangen
werden (Kontrollfeld). Das Nachweissystem des Tests
beginnt überall dort, wo die ersten Antikörper
gebunden sind, mit einer chemischen Farbreaktion
sichtbar zu werden. Im Kontrollfeld bewirkten dies die
überzähligen überschüssigen und hier nun gebundenen
ersten Antikörper, welche das Nachweissystem
„mitgebracht“ haben, und zeigen so an, dass der Test
im Prinzip störungsfrei funktioniert hat.
Im Testfeld gibt es nur dann einen Farbumschlag, wenn
tatsächlich ein Antigen in der Probe war und über den
dort fixierten zweiten Antikörper gebunden wurde. Da
das Antigen bereits mit dem ersten Antikörper und dem
Nachweissystem am Testfeld angekommen ist, beginnt
hier ebenfalls die chemische Farbreaktion, welche zum
Farbumschlag (meist violetter Streifen) an der
Testregion führt.
Immer dann, wenn folglich in der Abstrichprobe das
gesuchte Antigen vorhanden war, kann dieses den ersten
Antikörper binden und samt Nachweissystem bis zum
fixierten zweiten Antikörper transportieren, der dann
diesen Antigen-Antikörper-Nachweissystem-Komplex
abfängt und so das positive Signal an dieser Stelle
bewirkt.
Der Farbumschlag am Testfeld (Signal „positiv“), der
die sichtbaren Streifen im Schnelltest bewirkt, ist
eine chemische Reaktion und daher von den
Reaktionsbedingungen wie z.B.
=====
S.159
pH-Wert oder Chemikalien, die mit der Probe kommen,
beeinflussbar und eine deutliche Schwachstelle in der
Zuverlässigkeit des Tests.
So lassen sich die vielen Videos erklären, welche im
Internet kursieren und die SARS-CoV-2 mithilfe der
Antigenschnelltests in Apfelsaft, Rotwein, Bier usw.
nachweisen.
2.2. Grundsätzliches zur diagnostischen Aussagekraft
des Antigen-Schnelltests
Wie die RT-PCR können auch Antigenschnelltests
prinzipiell nicht nachweisen, ob das gefundene
Virusantigen zu einem intakten, infektiösen Virus
gehört oder ein Überbleibsel (Bruchstück) von Viren
ist, welche durch das Immunsystem abgetötet wurden.
Unabhängig von dieser generellen Einschränkung der
Aussagekraft hinsichtlich einer Infektiosität haben
Schnelltests nur einen Hinweischarakter, keine sichere
diagnostische Aussagekraft.
Der vor Corona-Zeiten bekannteste Schnelltest war der
Schwangerschafts-Schnelltest, der nach dem gleichen
Prinzip des Antikörper-Antigen Tests funktioniert.
Allerdings fungiert hier das Schwangerschaftshormon
(HCG) als Antigen. Ist dieses in ausreichender Menge
im getesteten Urin vorhanden, zeigt der Test „positiv“
- in diesem Fall vermutlich schwanger - an. Als
fundierter Nachweis einer Schwangerschaft wird der
Schnelltest alleine jedoch nie ausreichen, hier wird
vom Arzt zur Diagnose ein HCG-Nachweis im Blut sowie
ein Ultraschall angewendet werden.
Auch die Antigen-Schnelltests für den Nachweis von
SARS-CoV-2 Bestandteilen können nur einen Hinweis auf
eine mögliche Besiedelung oder Infektiosität geben und
unterliegen ähnlichen Begrenzungen wie die RT-qPCR.
2.3. Einflussfaktoren auf die Zuverlässigkeit der
Antigen-Schnelltests
2.3.1. Vortestwahrscheinlichkeit
In einer Infographik erläutert das RKI unter der
Überschrift „Corona-Schnelltest-Ergebnisse verstehen“
(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Infografik_Antigentest_PDF.pdf?__blob=publicationFile)
anschaulich, wie die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Testergebnis stimmt, von der sogenannte
Vortestwahrscheinlichkeit abhängt, d.h. von der
wirklichen Anzahl echt infizierter Personen in der
getesteten Population. Dieser Aspekt der
Vortestwahrscheinlichkeit gilt sowohl für die
Antigen-Schnelltests als auch gleichermaßen für die
RT-qPCR-Tests.
Das vom RKI vorgestellte Rechenbeispiel für die
Interpretation der Antigen-Schnelltests setzt ein
realistisches Szenario ausgehend von einer
Sensitivität (Empfindlichkeit) der Antigentests von
80% und einer Spezifität (Zuverlässigkeit) von 98%
voraus, wobei auch hier
(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html)
ausdrücklich erwähnt wird: „Zu beachten sind hierbei
die erheblichen Leistungsunterschiede der
unterschiedlichen kommerziell erhältlichen Tests
(Verweis auf:
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.10.01.20203836v1).“
Sind angenommen 5 Personen von 10.000 Getesteten
wirklich mit SARS-CoV-2 infiziert, zeigen sich dennoch
200 falsch positive Tests und 4 richtig positive
Tests. Das bedeutet, dass 1 echt infizierter je 10.000
Personen übersehen würde, aber 200 ein falsch
positives Ergebnis bekommen und daher in
Quarantäne/Isolation müssen, bis die Überprüfung mit
einer RT-qPCR dann „Entwarnung“ gibt. Dies würde im
Falle einer Schultestung mit z.B. 1000 Schülern
bedeuten, dass 20 ein falsches „Du bist
Corona-Positiv“ mitgeteilt bekommen, und die Schule
erst einmal als „Ausbruchsort“ gesperrt würde, bis
dann die Nachtestung mittels RT-qPCR Entwarnung gibt.
Solche Fälle sind bereits in der Presse berichtet
worden.
=====
S.160
- So wurden in Altdorf bei Nürnberg von 180
Gymnasiasten 29 im Antigen-Schnelltest positiv
getestet, bei Überprüfung entpuppten sich davon 28 als
negativ (Merkur:
https://www.merkur.de/bayern/nuernberg/nuernberg-corona-bayern-test-fiasko-schnelltests-fehlerhaft-positiv-schule-altdorf-gymnasium-zr-90253265.html)
- In Potsdam wurden mit einem Antigen-Schnelltest 12
von 36 Lehrern positiv getestet und in Quarantäne
geschickt. Nach Überprüfung erwiesen sich alle
Testergebnisse als falsch positiv
(https://www.news4teachers.de/2021/03/sorgen-schnelltests-fuer-chaos-an-schulen-falscher-alarm-legt-grundschule-lahm/)
- Medscape titelt sogar: „200 falsch positiv, 8
entdeckt, 2 übersehen – warum Kinder- und
Jugendmediziner Massen-Schnelltests skeptisch sehen
(https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4909842)
Und auch wenn die Rate der echt infizierten in der
getesteten Personengruppe sehr hoch wäre, wie im
zweiten Rechenbeispiel vom RKI (mit 1000 von 10000
getesteten Personen), wäre die Trefferquote der
Schnelltests schlecht und es würden hier 180 Personen
einen falsch positiven Bescheid bekommen und auch 200
einen falsch negativen Test. Hier wirkt sich vor allem
dann die schlechte Sensitivität des Tests aus.
In den „Hinweisen zur Bewertung der Ergebnisse aus
AG-Testen“ (Anmerkung: Antigen-Schnelltests) auf der
Seite des RKI wird die Problematik der falsch
positiven Antigentests thematisiert: „Ein positives
Testergebnis mittels AG-Test löst den Verdacht auf
eine übertragungsrelevante Infektion mit dem
SARS-CoV-2 aus und bedarf zur Vermeidung
falsch-positiver Befunde einer Nachtestung mittels
PCR. In Anbetracht der potenziell erheblichen
Konsequenzen inkorrekter Ergebnisse bestehen nicht nur
an die Sensitivität von Antigentesten hohe
Anforderungen, sondern auch an die Spezifität. So wäre
bei niedriger Prävalenz/Vortestwahrscheinlichkeit und
geringer Testspezifität mit einer hohen Zahl
falsch-positiver Ergebnisse und einer entsprechenden
zusätzlichen Belastung des ÖGD durch Auferlegung und
ggf. Rücknahme von Maßnahmen zu rechnen.“
„https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html
2.3.2. Empfindlichkeit (Sensitivität)
Dadurch, dass im Antigentest keine so starke
(exponentielle) Verstärkung des Ausgangssignals wie in
der RT-qPCR stattfindet, sondern nur eine begrenzte
Signalverstärkung durch die chemische Farbreaktion,
ist diese Testart deutlich weniger empfindlich als der
zum Vergleich herangezogene RNA-Nachweis mittels
RT-qPCR.
Diese „Underperformance“ der Antigen-Schnelltests ist
Thema in einem Lancet Artikel
(https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)00425-6/fulltext#%20),
hier wird allerdings das negative Testergebnis im
Antigenschnelltest (hier LTF, lateral flow test
genannt) relativiert auf: “[...] in allen sechs
beobachteten Fällen waren die Viruslasten sehr niedrig
(Ct ≥29, was etwa <1000 RNA-Kopien pro mL in dem
verwendeten Labor widerspiegelt) - wenn der LFT
negativ sein sollte." Im Original: „ „[....] in all
six observed cases, viral loads were very low (Ct ≥29
reflecting around <1000 RNA copies per mL in the
laboratory used)—when LFT should be negative.”
Eine brandneue Studie aus Norwegen
(https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33736946/) bestätigt
diesen Befund, dass bei asymptomatischen die
Schnelltests eine unbefriedigend hohe Ungenauigkeit
aufweisen und dass nur bei symptomatischen Personen
halbwegs genau die tatsächlich infizierten Personen
entdeckt werden. Die Autoren folgern: “Unsere
Ergebnisse zeigen, dass der Test die meisten
infektiösen Personen korrekt identifiziert. Dennoch
ist die Sensitivität deutlich geringer als bei der
PCR“, im Original: „Our results indicate that the test
correctly identified most infectious individuals.
Nevertheless, the sensitivity is considerably lower
than for PCR“
=====
S.161
Diese vermeintlich mangelnde Empfindlichkeit ist der
häufigste Kritikpunkt, wenn über die Unzuverlässigkeit
der Antigen-Schnelltests berichtet wird. So schreibt
die Pharmazeutische Zeitung
(https://www.pharmazeutische-zeitung.de/in-der-praxis-deutlich-unzuverlaessiger-als-auf-dem-papier-123017/
): „Antigen-Schnelltests könnten zumeist
«hochinfektiöse Menschen mit hohen Viruslasten»
erkennen, erläutert Keppler. «Es ist jedoch nicht so,
dass eine Infektion durch das negative Ergebnis eines
Schnelltests zuverlässig ausgeschlossen werden
könnte.“ Hier wird als Basis jedoch der
Antigen-Schnelltest mit der RT-qPCR verglichen und
bemängelt, dass nur ein Teil der RT-qPCR positiven
Abstrichproben auch im Antigen-Schnelltest positiv
werden.
So wird im Epidemiologischen Bulletin 3/2021 vom RKI
über eine Studie mit Schnelltests in einer Stuttgarter
Klinik berichtet (Ab Seite 11 in:
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/03_21.pdf;jsessionid=15E8B09E615AECED77C34439BB8052AF.internet051?__blob=publicationFile).
Hier zeigt Tabelle 1, dass von 18 RT-qPCR positiv auf
SARS-CoV-2 RNA getesteten asymptomatischen Personen
nur 7 auch ein positives Signal im Antigen-Schnelltest
aufwiesen und von symptomatischen Personen 36 von 42.
In der Diskussion heißt es entsprechend: „Aufgrund der
sehr eingeschränkten Sensitivität des Antigen-Tests
bei asymptomatischen Personen, kann die Einzeltestung
in diesem Kollektiv eine Infektion mit SARS-CoV-2
nicht hinreichend ausschließen. Hochkontagiöse
Personen mit niedrigen Ct-Werten (d. h. hoher
Viruslast) werden mit ausreichender Sicherheit
erkannt.“ Hierbei zeigen die Daten, „Ab einem Ct-Wert
von 22 oder kleiner lag die Detektionsrate des
Antigen-Tests bei 100 %.“
Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass ein
zuverlässiger Antigentest bei korrekter Durchführung
für symptomatische Personen mit schnellem Ansprechen
in der RT-qPCR (niedriger CT-Wert) sehr gut
korreliert, bei asymptomatischen, und bei nur mit
hohem CT-Wert RT-qPCR positiven, Personen jedoch
nicht. Diese spricht für die reelle Aussagekraft der
Antigen-Schnelltests hinsichtlich der Erkennung einer
hohen Viruslast bei symptomatischen Personen. Für die
Testung asymptomatischer Personen ist der Test jedoch
nach diesen Daten ungeeignet, sowohl um möglicherweise
doch infizierte Personen sicher zu identifizieren, als
auch um Gesunde sicher als negativ auszuweisen.
Ein solcher Befund wurde auch in der aktuellen
Frankfurter Studie
(https://www.mdpi.com/2077-0383/10/2/328) erzielt,
hier wurden drei Antigen-Schnelltests (dort AG-RDT,
Antigen-Rapid diagnostic Test) mit einer Virusanzucht
aus denselben Proben in Zellkultur abgeglichen und zur
RT-qPCR korreliert. Hierzu schreiben die Autoren im
Abstract: „In contrast, three Ag-RDTs demonstrated a
more significant correlation with cell culture
infectivity (61.8–82.4%).” Was bedeutet, dass aus
denjenigen Proben, welche im Antigentest positiv
waren, mit deutlich höherer Trefferquote auch in der
Virusanzucht ein positives Ergebnis gesehen wurde als
bei den deutlich empfindlicheren RT-qPCR „Postiven“.
Auch eine aktuell publizierte Studie des CDC weist auf
die hohe Übereinstimmung des Antigentests mit
tatsächlich vermehrungsfähigem Virus in einer Probe
bei symptomatischen Patienten hin
(https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7821766/).
Hier wurde ein kommerzieller Antigen-Schnelltest mit
einer Virusanzucht in Zellkultur und einer RT-qPCR
abgeglichen. Es zeigt eine hohe Trefferrate (positives
Ergebnis) des Antigentests nur dann, wenn die Proben
auch vermehrungsfähiges Virus enthielten. Hier konnte
aus 85 der insgesamt 147 Proben (=58%), welche im
Antigen-Schnelltest und der RT-PCR (hier mit einem CT
von ca. 22) positiv waren, Viren angezüchtet werden,
aber nur aus 11 der 124 Proben (= 9%), welche RT-qPCR
positiv (hier mit einem CT von 33-34), aber
Antigen-Schnelltest negativ waren.
Allgemein festzuhalten ist aus diesen publizierten
Daten:
- Proben, aus denen sich in Zellkultur Viren anzüchten
lassen, die also eine hohe (infektiöse) Viruslast
aufweisen, werden mit guter Treffergenauigkeit durch
die
=====
S.162
Antigen-Schnelltests und durch eine RT-PCR mit
niedrigem CT (unter 25) identifiziert, stammen aber in
großer Mehrheit von symptomatischen Personen.
- Proben, aus denen sich in Zellkultur keine Viren
anzüchten lassen, sind in evaluierten und fachlich
korrekt angewendeten Antigen Schnelltests meist
negativ (abgesehen von den falsch positiven - siehe
2.3.3) und weisen in der RT-qPCR hohe CT-Werte (meist
über 33) auf. Diese Proben stammen überwiegend von
asymptomatischen getesteten Personen und beweisen,
dass diese zufälligen „Positiven“ ohne klinische
Symptome keine infektiöse Viruslast haben.
2.3.3. Zuverlässigkeit (Spezifität) - Ausschluss von
falsch positiven Ergebnissen
Viele der verwendeten Antigen-Schnelltests haben
bisher kein reguläres Konformitäts-bewertungsverfahren
zur CE-Kennzeichnung durchlaufen und haben vom BfArM
bisher nur eine Sonderzulassung nach § 11
Medizinproduktgesetz erteilt bekommen
(https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests/_node.html).
In der Breite werden diese Tests darüber hinaus von
ungeschultem, nichtmedizinischem Personal oder sogar
als „Selbsttests“ durchgeführt.
Zu dieser Problematik der Durchführung von
Antigen-Schnelltests fordert Professor Dr. Oliver
Keppler, Chef der Virologie am
Max-Pettenkofer-Institut der Münchener
Ludwig-Maximilians-Universität, im Artikel in der
Pharmazeutischen Zeitung vom 13.01.2021 (DOI:
10.1007/s00430-020-00698-8): „[....] diese Tests
müssten auch unbedingt korrekt durchgeführt werden.
«Das sollte in Händen geschulten Fachpersonals sein»,
sagt er. «Nun gibt es die Idee, große Zahlen von
Arbeitssuchenden zu rekrutieren, um solche Tests in
Alten- und Pflegeheimen durchzuführen. Wenn
ungeschultes Personal zum Einsatz kommt, habe ich
Sorge, dass die Zuverlässigkeit der Testergebnisse
noch weiter leiden wird“
Ein aktueller Cochran Übersichtsartikel
(https://www.cochrane.de/de/news/aktualisierter-cochrane-review-bewertet-zuverl%C3%A4ssigkeit-von-schnelltests-zum-nachweis-von-covid)
kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die
Antigen-Schnelltests bei symptomatischen Personen
deutlich zuverlässiger sind als bei symptomlosen
Getesteten. Aber selbst bei symptomatischen Personen
ist die Zuverlässigkeit der besten der in dieser
Studie bewerteten Schnelltests deutlich eingeschränkt,
so dass die Autoren folgende Szenarien beschreiben:
1. „In einer Population von 1000 Personen mit
Symptomen, von denen 50 Personen tatsächlich COVID-19
haben, kann man mit diesen Schnelltests erwarten, dass
etwa 40 Personen korrekt als COVID-19-Infizierte
identifiziert werden und zwischen 6 und 12 Fälle von
COVID-19 übersehen werden. Zwischen 5 und 9 der
positiven Testergebnisse würden sich bei einer
Überprüfung als falsch positiv herausstellen.“
2. „In einer Gruppe von 10.000 Personen ohne Symptome,
in der 50 Personen wirklich mit SARS-CoV-2 infiziert
sind, würden zwischen 24 und 35 Personen korrekt als
Virus-Träger identifiziert werden, zwischen 15 und 26
Fälle würden übersehen werden. Man müsste damit
rechnen, dass die Tests zwischen 125 und 213 positive
Ergebnisse liefern würden und dass zwischen 90 und 189
dieser positiven Ergebnisse tatsächlich falsch positiv
wären.
Zu den Folgen falsch positiver Ergebnisse aufgrund
mangelnder Testspezifität siehe unter 2.3.1.
„Vortestwahrscheinlichkeit“
2.5. Fazit:
=====
S.163
Die zum Massentest eingesetzten Antigen-Schnelltests
können keinerlei Aussage über eine Infektiosität
leisten, da hiermit nur Protein-Bestandteile ohne
Zusammenhang mit einem intakten, vermehrungsfähigen
Virus nachgewiesen werden können.
1. Um eine Abschätzung der Infektiosität der
getesteten Personen zu erlauben, müsste der jeweilig
durchgeführte positive Test (ähnlich wie der RT-qPCR)
individuell mit einer Anzüchtbarkeit von Viren aus der
Testprobe abgeglichen werden, was unter den extrem
variablen und nicht überprüfbaren Testbedingungen
unmöglich ist.
2. Die geringe Spezifität der Tests bedingt eine hohe
Rate an falsch positiven Ergebnissen, welche unnötige
personelle (Quarantäne) und gesellschaftliche (z.B.
Schulen geschlossen, „Ausbruchsmeldungen“) Folgen nach
sich ziehen, bis sie sich als Fehlalarm entpuppen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das
schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.
B: Entscheidungsgründe
I. Zulässigkeit der Anregung an das Familiengericht
Die Anregung an das Familiengericht, eine
Kindeswohlgefährdung zu prüfen, ist zulässig.
Insbesondere ist der Rechtsweg zu den ordentlichen
Gerichten eröffnet und die Familiengerichte sind
sachlich zuständig.
Vor die ordentlichen Gerichte gehören nach § 13 GVG
u.a. die Familiensachen.
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich ausschließlich
aus § 23a Absatz 1 Nr. 1 GVG. Danach sind die
Amtsgerichte zuständig für Familiensachen. § 23b GVG
betrifft lediglich die gesetzlich geregelte
Geschäftsverteilung der Familiensachen innerhalb des
Amtsgerichts.
Familiensachen sind nach § 111 Nr. 2 FamFG auch
Kindschaftssachen. Zu den Kindschaftssachen gehört
nach § 151 Nr. 1 FamFG u.a. die elterliche Sorge. Zur
elterlichen Sorge gehört auch die Regelung des § 1666
BGB, wonach das Familiengericht die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen hat, wenn das körperliche,
geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein
Vermögen gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt
oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei
kann das Familiengericht nach § 1666 Absatz 4 BGB in
Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit
Wirkung gegen einen Dritten treffen.
Etwas anderes für den Rechtsweg ergibt sich auch nicht
aus § 40 VwGO. Der Rechtsweg zu den
Verwaltungsgerichten ist für
Kindeswohlgefährdungsverfahren nicht eröffnet. Denn
Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung sind durch
Bundesgesetz einem anderen Gericht,
=====
S.164
nämlich dem Familiengericht, ausdrücklich zugewiesen,
§ 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 1666
BGB.
Dem liegen auch verfassungsrechtliche Notwendigkeiten
zugrunde.
Der Kinderschutz im deutschen Recht ist mehrgleisig
ausgestaltet. Für Verfahren vor den allgemeinen Zivil-
oder den Verwaltungsgerichten sind echte Anträge im
Rechtssinne notwendig. Nur wenn ein solcher Antrag
vorliegt, können die genannten Gerichte tätig werden.
Die Verfahren nach § 1666 BGB dagegen gehören nicht zu
den Antragsverfahren im Sinne des § 23 FamFG, sondern
zu denen nach § 24 FamFG, die von Amts wegen
eingeleitet werden können; auf Anregung einer
beliebigen Person oder auch ohne eine solche, wenn das
Gericht aus Gründen des Kindeswohls, § 1697a BGB, ein
Einschreiten für geboten hält.
Eine Gefährdung des Kindes ist zu bejahen bei einer
gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr
für das geistige, körperliche oder seelische Wohl des
Kindes, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne
Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher
Sicherheit voraussehen lässt (Palandt-Götz, § 1666 Rn.
8).
Eine solche Gefährdung ist durch das Tragen einer
Mund-Nasen-Bedeckung nach dem derzeitigen Stand der
Wissenschaft zumindest naheliegend, so dass das
Gericht ein Verfahren einzuleiten hatte, um diese
Frage zu prüfen.
Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3
Grundgesetz und dem in Artikel 6 Grundgesetz
verankerten Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft
für die Familie wäre es verfassungsrechtlich nicht
hinnehmbar, wenn manche Kinder darauf hoffen könnten,
dass für sie bei einem geeignet erscheinenden Gericht
ein Antrag gestellt wird, andere aber nicht. Auch
Kinder, deren Eltern grundsätzlich bereit und in der
Lage wären, nach Lage der Dinge gebotene Anträge zu
stellen, können ins Hintertreffen geraten, wenn ihre
Eltern dies aus Angst vor Nachteilen für ihre Kinder
unterlassen oder zumindest verzögern. § 1666 BGB gilt
für alle Kinder. Im Verfahren selbst gilt der
Amtsermittlungsgrundsatz, § 26 FamFG.
Die Eltern sind nach herrschender Auffassung daher
nicht gezwungen, vorab den allgemeinen Zivilrechtsweg
zu beschreiten (Palandt-Götz, § 1666 Rn. 41). Sie sind
auch nicht gezwungen, zunächst gegen die der Anordnung
zugrundeliegende Verordnung den Verwaltungsrechtsweg
zu beschreiten und ggf. ein Normenkontrollverfahren
anzustreben. Das folgt im Übrigen schon daraus, dass
mit dem Verwaltungsverfahren ein anderes
=====
S.165
Rechtsschutzziel verfolgt wird als mit der hier
angestrebten Anordnung gegenüber der Schulleitung und
den Lehrern des Kindes.
Schließlich liegen auch die
Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung nach §§ 49 ff FamFG vor.
Insbesondere ist eine einstweilige Anordnung
statthaft, weil hier geltend gemacht wird, dass dies
nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden
Vorschriften (§ 1666 BGB) gerechtfertigt ist und im
Hinblick auf den stattfindenden Schulunterricht mit
der Verpflichtung, eine Gesichtsmaske zu tragen, ein
dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden
besteht.
II. Begründetheit der Anregung an das Familiengericht
1. Allgemeines
Die Anregung an das Familiengericht, zur Vermeidung
einer Kindeswohlgefährdung eine aus dem Tenor
ersichtliche Regelung zu treffen, ist nach § 1666 BGB
begründet.
Eine Gefährdung des Kindes ist zu bejahen bei einer
gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr
für das geistige, körperliche oder seelische Wohl des
Kindes, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne
Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher
Sicherheit voraussehen lässt (Palandt-Götz, § 1666 Rn.
8).
Eine solche Gefährdung liegt hier vor. Denn die Kinder
werden insbesondere durch die Pflicht, während der
Schulzeit Gesichtsmasken zu tragen und Abstände
untereinander und zu weiteren Personen einzuhalten, in
ihrem geistigen, körperlichen und seelischen Wohl
nicht nur gefährdet, sondern darüber hinaus schon
gegenwärtig geschädigt. Dadurch werden zugleich
zahlreiche Rechte der Kinder und ihrer Eltern aus
Gesetz, Verfassung und internationalen Konventionen
verletzt. Das gilt insbesondere für das Recht auf
freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf
körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Grundgesetz
sowie für das Recht aus Artikel 6 Grundgesetz auf
Erziehung und Betreuung durch die Eltern (auch im
Hinblick auf Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge und von
Kindern zu tragender „Gegenstände“). Das gilt aber
auch für weitere Rechte der Kinder, wie sie in A IV.
von der Mutter der Kinder angeführt werden.
Die Kinder werden physisch, psychisch und pädagogisch
geschädigt und in ihren Rechten verletzt, ohne dass
dem ein Nutzen für die Kinder selbst oder Dritte
gegenübersteht.
Auf die landesrechtlichen Vorschriften, wie sie in A
II. näher ausgeführt sind, können sich die
Schulleitungen, Lehrkräfte und andere dabei nicht
berufen. Denn diese Vorschriften sind
verfassungswidrig und damit nichtig.
=====
S.166
Die Pflicht in Artikel 100 Absatz 1 Grundgesetz, ein
möglicherweise verfassungswidriges Gesetz dem
Bundesverfassungsgericht oder einem
Landesverfassungsgericht vorzulegen, gilt ausdrücklich
nur für förmliche Gesetze des Bundes und der Länder,
nicht aber für materielle Gesetze wie
Rechtsverordnungen oder die in Rede stehende
Allgemeinverfügung. Über deren Vereinbarkeit mit der
Verfassung hat nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (grundlegend BVerfGE 1, 184
((195 ff)) jedes Gericht selbst zu entscheiden, so
auch schon AG Weimar, Urteil vom 11. Januar 2021 – 6
OWi – 523 Js 202518/20 -, juris.
Wie das Familiengericht auf Kindeswohlgefährdungen, zu
deren Rechtfertigung förmliche Bundes- oder
Landesgesetze herangezogen werden, über die Vorlage an
das Bundes- oder ein Landesverfassungsgericht hinaus
reagieren kann, ist hier nicht entscheidungserheblich
und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen.
Die landesrechtlichen Vorschriften, wie in A II. näher
ausgeführt (das gilt auch für sie aktualisierende
inhaltsgleiche oder inhaltsähnliche), sind
verfassungswidrig, weil sie gegen den im
Rechtsstaatsprinzip wurzelnden
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, Artikel 20,
28 Grundgesetz.
Nach diesem auch als Übermaßverbot bezeichneten
Grundsatz müssen die zur Erreichung eines legitimen
Zwecks vorgesehenen Maßnahmen geeignet, erforderlich
und verhältnismäßig im engeren Sinn - soll heißen: bei
Abwägung der mit ihnen erreichten Vor- und Nachteile –
sein.
Die entgegen § 1 Absatz 2 IfSG nicht evidenzbasierten
Maßnahmen sind bereits ungeeignet, den mit ihnen
verfolgten grundsätzlich legitimen Zweck zu erreichen,
eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden
oder das Infektionsgeschehen mit dem Virus SARS-CoV-2
abzusenken. In jedem Fall sind sie aber
unverhältnismäßig im engeren Sinne, denn den dadurch
bewirkten erheblichen Nachteilen/Kollateralschäden
steht kein erkennbarer Nutzen für die Kinder selbst
oder Dritte gegenüber.
Die Ungeeignetheit und Unverhältnismäßigkeit der
vorgeschriebenen Maßnahmen wird nachfolgend begründet.
Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass nicht die
Beteiligten die Verfassungswidrigkeit der Eingriffe in
ihre Rechte zu begründen hätten, sondern umgekehrt der
Freistaat Thüringen, der mit seinen landesrechtlichen
Vorschriften in die Rechte der Beteiligten eingreift,
mit der gebotenen wissenschaftlichen Evidenz beweisen
müsste, dass die von ihm vorgeschriebenen Maßnahmen
dazu geeignet sind, die angestrebten Zwecke zu
erreichen, und dass sie ggfls. verhältnismäßig sind.
Das ist bisher nicht ansatzweise geschehen.
=====
S.167
2. Der fehlende Nutzen des Maskentragens und des
Einhaltens von Abstandsvorschriften für die Kinder
selbst und Dritte
Die Gutachterin Prof. Dr. med. Ines Kappstein hat in
ihrem vollständig vorliegenden Gutachten, vgl. A
VIII., die gesamte internationale wissenschaftliche
Datenlage zu Masken ausgewertet.
Zur Überzeugung des Gerichts führt sie zusammenfassend
aus, dass eine Effektivität von Masken für gesunde
Personen in der Öffentlichkeit nicht durch
wissenschaftliche Evidenz belegt ist. Ebenso sind
‚Fremdschutz‘ und die ‚unbemerkte Übertragung‘, womit
das RKI seine ‚Neubewertung‘ begründet hat, nicht
durch wissenschaftliche Fakten gestützt.
Plausibilität, mathematische Schätzungen und
subjektive Einschätzungen in Meinungsbeiträgen können
bevölkerungsbezogene klinisch-epidemiologische
Untersuchungen nicht ersetzen. Experimentelle
Untersuchungen zur Filterleistung von Masken und
mathematische Schätzungen sind nicht geeignet, eine
Wirksamkeit im wirklichen Leben zu belegen. Die
internationalen Gesundheitsbehörden sprechen sich zwar
für das Tragen von Masken im öffentlichen Raum aus,
sagen aber auch, dass es dafür keine Belege aus
wissenschaftlichen Untersuchungen gibt. Vielmehr
sprechen alle gegenwärtig verfügbaren
wissenschaftlichen Ergebnisse dafür, dass Masken
keinen Effekt auf das Infektionsgeschehen haben.
Durchweg alle Publikationen, die als Beleg für die
Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum angeführt
werden, lassen diese Schlussfolgerung nicht zu. Das
gilt auch für die sog. Jena-Studie, wie die
Gutachterin im Gutachten eingehend darlegt. Denn bei
der Jena-Studie - wie die große Mehrheit der weiteren
Studien eine auf theoretischen Annahmen beruhende rein
mathematische Schätzungs- oder Modellierungsstudie
ohne reale Kontaktnachverfolgung mit Autoren aus dem
Bereich der Makroökonomie ohne epidemiologische
Kenntnisse – bleibt, wie von der Gutachterin
detailliert erläutert, der entscheidende
epidemiologische Umstand unberücksichtigt, dass die
Infektionswerte bereits vor Einführung der
Maskenpflicht in Jena am 6. April 2020 (etwa drei
Wochen später im ganzen Bundesgebiet) deutlich
zurückgingen und es bereits Ende März 2020 kein
relevantes Infektionsgeschehen in Jena mehr gab.
Jede Maske muss, wie die Gutachterin weiter ausführt,
um prinzipiell wirksam sein zu können, richtig
getragen werden. Masken können zu einem
Kontaminationsrisiko werden, wenn sie angefasst
werden. Sie werden aber von der Bevölkerung zum einen
nicht richtig getragen und zum anderen sehr häufig mit
den Händen berührt. Das ist ebenso bei Politikern zu
beobachten, die im Fernsehen zu sehen sind. Der
Bevölkerung wurde nicht beigebracht, Masken richtig zu
benutzen, es wurde nicht erklärt, wie man sich
unterwegs die Hände waschen soll bzw. wie eine
effektive Händedesinfektion durchgeführt wird. Es
wurde ferner nicht erklärt, warum die Händehygiene
wichtig ist und dass man darauf achten muss, sich
=====
S.168
mit den Händen nicht an Augen, Nase und Mund zu
fassen. Die Bevölkerung wurde mit den Masken quasi
allein gelassen.
Das Infektionsrisiko wird durch das Tragen der Masken
nicht nur nicht gesenkt, sondern durch die inkorrekte
Handhabung der Maske noch gesteigert. Die Gutachterin
legt dies in ihrem Gutachten ebenso eingehend dar wie
den Umstand, dass und aus welchen Gründen es
„wirklichkeitsfremd“ ist, den angemessenen Umgang der
Bevölkerung mit Masken zu erreichen.
Die Übertragung von SARS-CoV-2 durch ‚Aerosole‘, also
durch die Luft, ist medizinisch nicht plausibel und
wissenschaftlich unbewiesen. Sie stellt eine Hypothese
dar, die hauptsächlich auf Aerosol-Physiker
zurückgeht, die der Gutachterin zufolge
nachvollziehbarerweise von ihrem Fachgebiet her
medizinische Zusammenhänge nicht beurteilen können.
Die ‚Aerosol‘-Theorie ist für das menschliche
Zusammenleben außerordentlich schädlich und führt
dazu, dass sich Menschen in keinem Innenraum mehr
sicher fühlen können, und manche fürchten sich sogar
außerhalb von Gebäuden vor einer Infektion durch
‚Aerosole‘. Zusammen mit der ‚unbemerkten‘ Übertragung
führt die ‚Aerosol‘-Theorie dazu, dass in jedem
Mit-Menschen ein Infektionsrisiko gesehen werden kann.
Die geänderten Einlassungen der Politik zu Masken,
erst Stoffmasken in 2020, dann seit Anfang 2021
entweder OP-Masken oder FFP2-Masken, lassen jede klare
Linie vermissen. Auch wenn OP-Masken und FFP-Masken
beides medizinische Masken sind, haben sie
unterschiedliche Funktionen und sind deshalb nicht
austauschbar. Entweder hat die Politik, die diese
Entscheidungen getroffen hat, selbst nicht verstanden,
wozu welcher Maskentyp sich prinzipiell eignet, oder
es kommt ihr darauf nicht an, sondern nur auf den
symbolischen Wert der Maske. Die Masken-Entscheidungen
der Politik sind aus der fachlichen Sicht der
Gutachterin nicht nachvollziehbar und schonend
ausgedrückt als unplausibel zu bezeichnen.
Die Gutachterin weist weiter darauf hin, dass es keine
wissenschaftlichen Untersuchungen zum Abstandhalten
außerhalb der medizinischen Patientenversorgung gibt.
Zusammenfassend können dazu nach ihrer Ansicht zur
Überzeugung des Gerichts lediglich folgende Regeln
aufgestellt werden:
1. Bei vis-à-vis-Kontakten einen Abstand von etwa 1,5
m (1 – 2 m) einzuhalten, wenn eine der beiden Personen
Symptome einer Erkältung hat, kann als eine sinnvolle
Maßnahme bezeichnet werden. Im wissenschaftlichen
Sinne gesichert ist sie allerdings nicht, sondern es
gibt lediglich Anhalt dafür oder kann als plausibel
bezeichnet werden, dass es eine wirksame Maßnahme ist,
um sich vor einem Erregerkontakt durch Tröpfchen
respiratorischen Sekrets zu schützen, wenn die
Kontaktperson Zeichen einer Erkältung hat. Ein
Rundum-Abstand dagegen ist nicht sinnvoll, um sich zu
schützen, wenn die Kontaktperson erkältet ist.
=====
S.169
2. Einen Rundum-Abstand oder auch nur einen
vis-à-vis-Abstand von etwa 1,5 m (1 – 2 m) zu
einhalten, wenn keiner der anwesenden Personen Zeichen
einer Erkältung hat, wird durch wissenschaftliche
Daten nicht gestützt. Dadurch wird aber das
Zusammenleben der Menschen und insbesondere der
unbeschwerte Kontakt unter Kindern sehr stark
beeinträchtigt, ohne dass ein Nutzen im Sinne des
Infektionsschutzes erkennbar ist.
3. Nahe Kontakte, also unter 1,5 m (1 – 2 m), unter
Schülern oder zwischen Lehrern und Schülern oder unter
Kollegen bei der Arbeit etc. stellen aber auch selbst
dann kein Risiko dar, wenn einer von beiden
Kontaktpersonen Erkältungszeichen hat, weil die Dauer
solcher Kontakte in der Schule oder auch bei
Erwachsenen irgendwo in der Öffentlichkeit viel zu
kurz ist, damit es zu einer Tröpfchenübertragung
kommen kann. Das zeigen auch Untersuchungen aus
Haushalten, wo trotz des engen Zusammenlebens mit
zahlreichen Haut- und Schleimhautkontakten nur wenige
Mitglieder des Haushalts erkranken, wenn einer eine
respiratorische Infektion hat.
Die Gutachterin hebt überzeugend das Problem
mathematischer Modellierungen hervor. Mathematische
Modellierungen (auch mathematische Schätzungen
genannt) sind von der Wettervorhersage und der
Klimaforschung bekannt, werden aber seit vielen Jahren
auch eingesetzt, um den Verlauf von Epidemien und den
Einfluss verschiedener Präventionsmaßnahmen
vorherzusagen. Sie werden besonders dann genutzt, wenn
es nur wenig aussagefähige Daten aus direkten
Untersuchungen gibt. Bei einem sehr großen Teil aller
Studien zu SARS-CoV-2 (z.B. Effektivität von Masken)
handelt es sich um mathematische Modellierungen, die
nur eine sehr begrenzte Aussagekraft haben, weil ihre
Ergebnisse nicht das ‚wirkliche‘ Leben widerspiegeln,
sondern auf Annahmen beruhen. Von diesen
‚Stellschrauben‘ sind die Ergebnisse abhängig, die
deshalb ein vereinfachtes Bild der Wirklichkeit
wiedergeben. Solche Studien können deshalb immer nur
‚Wenn-Dann-Ergebnisse‘ liefern. Es gibt auf der einen
Seite des Spektrums rein theoretische Modellierungen
und auf der anderen solche, in denen mit so viel
klinisch-epidemiologischen Daten, wie vorhanden sind,
gearbeitet wird. Immer aber hat das Ergebnis, wie die
Gutachterin eingehend ausführt, nur eine sehr
begrenzte Aussagekraft, und die Qualität der
wissenschaftlichen Evidenz ist bestenfalls mäßig. Die
Ergebnisse solcher Studien im Zusammenhang mit
SARS-CoV-2 werden in ihrer Bedeutung für die
Wirklichkeit allerdings oft weit überschätzt und bei
positivem Ergebnis als Beweis für die Wirksamkeit von
Maßnahmen genommen. Das konnte im Verlauf der Pandemie
wiederholt beobachtet werden, und zwar, worauf die
Gutachterin ausdrücklich hinweist, selbst bei
wissenschaftlich tätigen Ärzten und bei
Bio-Wissenschaftlern.
=====
S.170
Auf dieses Problem weist die Gutachterin auch bei der
Frage hin, welche Übertragungsraten von
symptomatischen, präsymptomatischen und
asymptomatischen Menschen zu erwarten sind.
Präsymptomatische Übertragungen sind nach ihren
Ausführungen möglich, aber nicht zwangsläufig. In
jedem Fall sind sie ihr zufolge bei Auswertung realer
Kontaktszenarien deutlich geringer als bei
mathematischen Modellierungen.
Aus einem im Dezember 2020 erschienenen systematischen
Review mit Metaanalyse über Corona-Übertragungen in
Haushalten stellt sie eine zwar höhere, aber immer
noch nicht überhöhte Übertragungsrate bei
symptomatischen Index-Fällen von 18 % einer äußerst
geringen Übertragung bei asymptomatischen Fällen von
lediglich 0,7 % gegenüber. Die Möglichkeit, dass
Asymptomatische, vormals als Gesunde bezeichnet, das
Virus übertragen, ist daher bedeutungslos.
Abschließend stellt die Gutachterin in Beantwortung
der Beweisfragen 1, 3 und 4 fest:
Es gibt keine Belege dafür, dass Gesichtsmasken
unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko durch
SARS-CoV-2 überhaupt oder sogar nennenswert senken
können. Diese Aussage trifft auf Menschen aller
Altersgruppen zu, also auch auf Kinder und Jugendliche
sowie auf asymptomatische, präsymptomatische und
symptomatische Personen.
Im Gegenteil besteht eher die Möglichkeit, dass durch
die beim Tragen von Masken noch häufigeren
Hand-Gesichtskontakte das Risiko erhöht wird, selbst
mit dem Erreger in Kontakt zu kommen oder Mit-Menschen
damit in Kontakt zu bringen.
Für die normale Bevölkerung besteht weder im
öffentlichen noch im privaten Bereich ein
Infektionsrisiko, das durch das Tragen von
Gesichtsmasken (oder anderen Maßnahmen) gesenkt werden
könnte.
Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Einhaltung von
Abstandsvorschriften das Infektionsrisiko senken kann.
Dies gilt für Menschen aller Altersgruppen, also auch
für Kinder und Jugendliche.
Diese Ergebnisse werden durch die umfangreichen
Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. Kuhbandner
bestätigt. Auch danach gibt es bisher keine
hochwertige wissenschaftliche Evidenz dafür, dass
durch das Tragen von Gesichtsmasken das
Infektionsrisiko nennenswert gesenkt werden kann. Die
Empfehlungen des RKI und der S3-Leitlinie der
Fachgesellschaften beruhen nach den Feststellungen des
Gutachters auf Beobachtungsstudien,
Laboruntersuchungen zum Filtereffekt und
Modellierungsstudien, welche nur niedrige und sehr
niedrige Evidenz liefern, weil aus solchen Studien
aufgrund der
=====
S.171
zugrundeliegenden Methodik keine wirklich validen
Schlüsse auf den Effekt von Masken im Alltag und an
Schulen gezogen werden können. Zudem sind die
Ergebnisse der einzelnen Studien heterogen und neuere
Beobachtungsstudien liefern ebenfalls widersprechende
Befunde.
Zu den bisher existierenden randomisierten
kontrollierten Studien zum Effekt des Maskentragens
stellt der Gutachter heraus, dass diese keine
Wirksamkeit von Masken erkennen lassen. Vielmehr weist
die bisher einzige umfangreiche randomisierten
kontrollierte Studie zum Tragen von Baumwollmasken
darauf hin, dass Baumwollmasken das Infektionsrisiko
sogar erhöhen können. Eine Rolle spielt hier vor allem
die Handhabung der Maske, welche sich bei schlechter
Handhabung negativ auf das Infektionsrisiko auswirken
kann. Gerade für Schüler und Schülerinnen,
insbesondere jüngere, sind Handhabungsprobleme jedoch
unvermeidlich. Bereits die Gutachterin Prof. Dr. med.
Kappstein hatte darauf hingewiesen, dass das
Handhabungsproblem dazu führt, dass das Tragen von
Masken schon unter dem Gesichtspunkt der
Infektionsvermeidung nicht nur nichts nützt, sondern
sogar schadet.
Hinzu kommt, dass das erreichbare Ausmaß der Reduktion
des Ansteckungsrisikos durch das Maskentragen an
Schulen an sich sehr gering ist, weil an Schulen auch
ohne Masken sehr selten Ansteckungen auftreten.
Dementsprechend ist die absolute Risikoreduktion so
gering, dass eine Pandemie damit nicht in relevanter
Weise bekämpft werden kann.
Die aktuell angeblich steigenden Infektionszahlen bei
Kindern gehen nach den Ausführungen des Gutachters mit
hoher Wahrscheinlichkeit in Wirklichkeit darauf
zurück, dass die Testanzahl bei den Kindern in den
vorangegangenen Wochen stark zugenommen hat. Da das
Ansteckungsrisiko an Schulen an sich sehr klein ist,
ist selbst bei einer möglichen Erhöhung der
Ansteckungsrate bei der neuen Virusvariante B.1.1.7 in
der in Studien vermuteten Größenordnung nicht damit zu
rechnen, dass sich an Schulen die Virusausbreitung
nennenswert erhöht.
Diesem geringen Nutzen stehen zahlreiche mögliche
Nebenwirkungen in Bezug auf das körperliche,
psychische und soziale Wohlergehen von Kindern
entgegen, unter denen zahlreiche Kinder leiden
müssten, um eine einzige Ansteckung zu verhindern.
Diese legt der Gutachter unter anderem anhand des in
der Fachzeitschrift Monatsschrift Kinderheilkunde
veröffentlichten Nebenwirkungsregisters eingehend dar.
3. Die Ungeeignetheit von PCR-Tests und Schnelltests
zur Messung des Infektionsgeschehens
=====
S.172
Bereits die Gutachterin Prof. Dr. med. Kappstein weist
in ihrem Gutachten darauf hin, dass mit dem
verwendeten PCR-Test lediglich genetisches Material
nachgewiesen werden kann, nicht aber, ob die RNA aus
infektionstüchtigen und somit replifikationsfähigen (=
vermehrungsfähigen) Viren stammt.
Auch die Gutachterin Prof. Dr. rer. biol. hum.
Kämmerer bestätigt in ihrem molekularbiologischen
Sachverständigengutachten, dass ein PCR-Test – auch
wenn er korrekt durchgeführt wird - keinerlei Aussage
dazu treffen kann, ob eine Person mit einem aktiven
Erreger infiziert ist oder nicht.
Denn der Test kann nicht unterscheiden zwischen
„toter“ Materie*, z.B. einem völlig harmlosen
Genomfragment als Überbleibsel des Kampfes des
körpereigenen Immunsystems gegen eine Erkältung oder
eine Grippe (solche Genom-Fragmente finden sich noch
viele Monate, nachdem das Immunsystem das Problem
„erledigt“ hat) und „lebender“ Materie, d.h. einem
„frischen“, reproduktionsfähigen Virus.
So wird die PCR beispielsweise auch in der Forensik
eingesetzt, um aus Haarresten oder anderen
Spurenmaterialien mittels PCR vorhandene Rest-DNA so
zu vervielfältigen, dass die genetische Herkunft
des/der Täter erkennbar ist („Genetischer
Fingerabdruck“).
Selbst wenn also bei der Durchführung der PCR
inclusive aller vorbereitenden Schritte (PCR-Design
und Etablierung, Probenentnahme, Aufbereitung und
PCR-Durchführung) alles „richtig“ gemacht wird, und
der Test positiv ist, d.h.: eine Genom-Sequenz
erkennt, welche ggf. auch in einem oder sogar dem
konkreten „Corona“-Virus (SARS-CoV-2) existiert,
bedeutet dies unter keinen Umständen, dass die Person,
welche positiv getestet wurde, mit einem
replizierenden SARS-CoV-2 infiziert und folglich für
andere Personen ansteckend = gefährlich ist.
Vielmehr müssen für die Feststellung einer aktiven
Infektion mit SARS-CoV-2 weitere, und zwar konkret
diagnostische Methoden wie die Isolation von
vermehrungsfähigen Viren eingesetzt werden.
Unabhängig von der prinzipiellen Unmöglichkeit, mit
dem PCR-Test eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2
festzustellen, hängen darüber hinaus die Ergebnisse
eines PCR-Tests nach den Ausführungen der Gutachterin
Prof. Dr. Kämmerer von einer Reihe von Parametern ab,
die zum einen erhebliche Unsicherheiten bedingen und
zum anderen gezielt so manipuliert werden können, dass
viele oder wenige (scheinbar) positive Ergebnisse
erzielt werden.
Von diesen Fehlerquellen sollen zwei markante
herausgegriffen werden.
=====
S.173
Dazu gehört zum einen die Zahl der zu testenden
Zielgene. Diese wurde nach den Vorgaben der WHO von
ursprünglich drei sukzessive auf eins reduziert.
Die Gutachterin rechnet vor, dass durch die Verwendung
nur noch eines zu testenden Zielgens bei einer
Mischpopulation von 100.000 Tests mit keiner einzigen
tatsächlich infizierten Person aufgrund einer bei
einem Instand-Ringversuch festgestellten mittleren
Fehlerrate sich ein Ergebnis von 2.690 falsch positiv
Getesteten ergibt. Bei Verwendung von 3 Zielgenen
wären es lediglich 10 falsch positiv Getestete.
Würden die 100.000 durchgeführten Tests repräsentativ
bei 100.000 Bürgern einer Stadt/eines Landkreises
innerhalb von 7 Tagen durchgeführt sein, so ergibt
sich alleine aus dieser Reduzierung der verwendeten
Zielgene hinsichtlich der „Tagesinzidenz“ ein
Unterschied von 10 Falsch-Positiven gegenüber 2690
Falsch-Positiven und davon abhängig die Schwere der
ergriffenen Freiheitsbeschränkungen der Bürger.
Wäre konsequent die korrekte „Targetanzahl“ von drei
bzw. sogar besser (wie z.B. in Thailand) bis zu 6
Genen für die PCR-Analyse verwendet worden, hätte sich
die Rate der positiven Tests und damit die
„7-Tagesinzidenz“ fast komplett auf null reduziert.
Zum anderen gehört zu den Fehlerquellen der sog.
ct-Wert, also die Zahl der
Amplifikations-/Verdopplungsschritte, bis zu der der
Test noch als „positiv“ gewertet wird.
Die Gutachterin weist darauf hin, dass nach
einhelliger wissenschaftlicher Meinung alle
„positiv“-Resultate, die erst ab einem Zyklus von 35
erkannt werden, keinerlei wissenschaftliche (d.h.:
keine evidenzbasierte) Grundlage haben. Im Bereich
ct-Wert 26-35 kann der Test nur als positiv gewertet
werden, wenn mit Virusanzucht abgeglichen. Der mit
Hilfe der WHO weltweit propagierte RT-qPCR Test zum
Nachweis von SARS-CoV-2 hingegen war (und ihm folgend
auch alle anderen auf ihm als Blaupause basierenden
Tests) auf 45 Zyklen eingestellt, ohne einen CT-Wert
für „positiv“ zu definieren.
Die Gutachterin führt im Gutachten weitere
Fehlerquellen bei der Handhabung des Tests an.
Dazu kommt noch, dass bei der Anwendung des
RT-q-PCR-Tests die WHO Information Notice for IVD
Users 2020/05 zu beachten ist (Nr. 12 der rechtlichen
Hinweise des Gerichts). Danach muss, soweit das
Testresultat nicht mit dem klinischen Befund eines
Untersuchten übereinstimmt, eine neue Probe genommen
und eine weitere Untersuchung vorgenommen sowie
Differentialdiagnostik betrieben werden; nur dann kann
nach diesen Vorgaben ein positiver Test gezählt
werden.
https://www.who.int/news/item/20-01-2021-who-information-notice-for-ivd-users-2020-05
Diese Vorgabe wird in Thüringen und bundesweit so
wenig beachtet, wie Mehrfachzählungen bei
Mehrfachtestungen derselben Person ausgeschlossen
werden (Nr. 13 der rechtlichen Hinweise des Gerichts).
=====
S.174
Auch die zum Massentest eingesetzten
Antigen-Schnelltests können nach den Darlegungen im
Gutachten keinerlei Aussage über eine Infektiosität
leisten, da hiermit nur Protein-Bestandteile ohne
Zusammenhang mit einem intakten, vermehrungsfähigen
Virus nachgewiesen werden können.
Um eine Abschätzung der Infektiosität der getesteten
Personen zu erlauben, müsste der jeweilig
durchgeführte positive Test (ähnlich wie der RT-qPCR)
individuell mit einer Anzüchtbarkeit von Viren aus der
Testprobe abgeglichen werden, was unter den extrem
variablen und nicht überprüfbaren Testbedingungen
unmöglich ist.
Schließlich weist die Gutachterin darauf hin, dass die
geringe Spezifität der Tests eine hohe Rate an falsch
positiven Ergebnissen bedingt, welche unnötige
personelle (Quarantäne) und gesellschaftliche (z.B.
Schulen geschlossen, „Ausbruchsmeldungen“) Folgen nach
sich ziehen, bis sie sich als Fehlalarm entpuppen. Die
Fehlerwirkung, also eine hohe Zahl von
Falsch-Positiven, ist gerade bei Tests an Symptomlosen
besonders stark.
Festzuhalten bleibt, dass der verwendete PCR-Test
ebenso wie die Antigen-Schnelltests, wie gutachterlich
nachgewiesen, prinzipiell nicht zur Feststellung einer
Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 geeignet sind. Dazu
kommen die beschriebenen und andere im Gutachten
aufgeführte Fehlerquellen mit gravierenden
Auswirkungen, so dass eine adäquate Feststellung des
Infektionsgeschehens mit SARS-CoV-2 in Thüringen (und
bundesweit) nicht ansatzweise vorhanden ist.
Ohnehin wird der Begriff der „Inzidenz“ vom
Landesverordnungsgeber fehlgebraucht. Denn „Inzidenz“
meint eigentlich das Auftreten von Neuerkrankungen in
einer (immer wieder getesteten und ggfls. ärztlich
untersuchten) definierten Personengruppe in einem
definierten Zeitraum, vgl. Nr. 11 der rechtlichen
Hinweise des Gerichts. Tatsächlich aber werden
undefinierte Personengruppen in undefinierten
Zeiträumen getestet, so dass es sich bei dem, was als
„Inzidenz“ ausgegeben wird, lediglich um schlichte
Melderaten handelt.
Die infection fatality rate jedenfalls beträgt nach
einer Metastudie des Medizinwissenschaftlers und
Statistikers John Ioannidis, eines der meistzitierten
Wissenschaftler weltweit, die im Oktober 2020 in einem
Bulletin der WHO veröffentlicht wurde, 0,23 % und
liegt damit nicht höher als bei mittelschweren
Influenzaepidemien.
https://www.who.int/bulletin/online_first/BLT.20.265892.pdf
Ioannidis kam auch in einer im Januar 2021
veröffentlichten Studie zum Ergebnis, dass lockdowns
keinen signifikanten Nutzen haben.
https://www.who.int/bulletin/online_first/BLT.20.265892.pdf
=====
S.175
4. Die Verletzung des Rechts auf informationelle
Selbstbestimmung durch Schnelltests in den Schulen
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als
Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Artikel
2 Absatz 1 Grundgesetz ist das Recht des Einzelnen,
grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung
seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Zu diesen
personenbezogenen Daten gehört auch ein Testergebnis.
Ein solches ist darüber hinaus ein persönliches
Gesundheits-„Datum“ im Sinne der
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), das grundsätzlich
niemanden etwas angeht.
Auch dieser Grundrechtseingriff ist verfassungswidrig.
Denn bei den konkreten Abläufen des Testgeschehens in
den Schulen erscheint es unvermeidlich, dass
zahlreiche weitere Personen (Mitschüler, Lehrer,
andere Eltern) Kenntnis von einem beispielsweise
„positiven“ Testergebnis erhalten würden.
Das gilt im Übrigen entsprechend, wenn ähnliche
Testbarrieren beim Zugang zum Einkaufen oder zu
kulturellen Veranstaltungen errichtet werden.
Hinzu kommt, dass eine etwaige landesrechtlich
angeordnete Testpflicht für Schüler bereits nicht vom
Infektionsschutzgesetz – unabhängig davon, dass sich
dieses seinerseits erheblichen verfassungsrechtlichen
Bedenken ausgesetzt sieht - gedeckt ist.
Nach § 28 IfSG können die zuständigen Behörden in der
dort näher bezeichneten Weise die notwendigen
Schutzmaßnahmen treffen, wenn „Kranke,
Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder
Ausscheider“ festgestellt werden. Diese können nach §
29 IfSG einer Beobachtung unterworfen werden und haben
dann auch erforderliche Untersuchungen zu dulden.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat es in seinem
Beschluss vom 02.03.2021, Az.: 20 NE 21.353,
abgelehnt, Beschäftigte in Pflegeheimen von vornherein
als krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider
anzusehen. Das dürfte auch für Schüler gelten. Aber
auch eine Einstufung als ansteckungsverdächtig kommt
nicht in Betracht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
gilt als ansteckungsverdächtig im Sinne des § 2 Nr. 7
IfSG, wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt
zu einer infizierten Person hatte; eine bloß entfernte
Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Erforderlich ist,
dass die Annahme, der Betroffene habe
Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist
als das Gegenteil. Maßgebend für einen
Ansteckungsverdacht ist ausschließlich die
Wahrscheinlichkeit eines zurückliegenden
Infektionsvorgangs, vgl. Urteil vom 22.03.2012 – 3 C
16/11 – juris Rn. 31 ff.
=====
S.176
Der BayVGH, a.a.O., hat dies für die Beschäftigten in
Pflegeberufen abgelehnt. Für Schüler gilt nichts
anderes.
5. Das Recht der Kinder auf Bildung und
Schulunterricht
Die Schulkinder unterliegen nicht nur der
landesrechtlich geregelten Schulpflicht, sondern haben
auch einen Rechtsanspruch auf Bildung und
Schulunterricht.
Dieser ergibt sich auch aus Artikel 28 und 29 der
UN-Kinderrechtskonvention, die in Deutschland
geltendes Recht ist.
Danach müssen alle Vertragsstaaten nicht nur den
Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und
unentgeltlich machen, sondern darüber hinaus auch die
Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden
Schulen allgemeinbildender und berufsbildender Art
fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich
(!) machen und geeignete Maßnahmen wie die Einführung
der Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung
finanzieller Unterstützung bei Bedürftigkeit treffen.
Die Bildungsziele aus Artikel 29
UN-Kinderrechtskonvention sind dabei einzuhalten.
6. Ergebnis
Der den Schulkindern auferlegte Zwang, Masken zu
tragen und Abstände untereinander und zu dritten
Personen zu halten, schädigt die Kinder physisch,
psychisch, pädagogisch und in ihrer psychosozialen
Entwicklung, ohne dass dem mehr als ein allenfalls
marginaler Nutzen für die Kinder selbst oder Dritte
gegenübersteht.
Schulen spielen keine wesentliche Rolle im
„Pandemie“-Geschehen.
Die verwendeten PCR-Tests und Schnelltests sind für
sich allein prinzipiell und schon im Ansatz nicht
geeignet, eine „Infektion“ mit dem Virus SARS-CoV-2
festzustellen.
Das ergibt sich nach den Darlegungen in den Gutachten
bereist aus den eigenen Berechnungen des
Robert-Koch-Instituts. Laut RKI-Berechnungen, wie
Gutachter Prof. Dr. Kuhbandner ausführt, beträgt bei
Massentestungen mit Schnelltests unabhängig von
Symptomen die Wahrscheinlichkeit, beim Erhalt eines
positiven Ergebnisses tatsächlich infiziert zu sein,
bei einer Inzidenz von 50 (Testspezifität 80%,
Testsensitivität 98%) nur zwei Prozent. Das würde
heißen: Auf zwei echt-positive Schnelltest-Ergebnisse
kämen 98 falsch-positive Schnelltest-Ergebnisse,
welche man dann alle mit einem PCR-Test nachtesten
müsste.
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S.177
Ein (regelmäßiger) Zwang zum anlasslosen Massentesten
an Asymptomatischen, also Gesunden, für das schon die
medizinische Indikation fehlt, kann nicht auferlegt
werden, weil er außer Verhältnis zu dem Effekt steht,
der damit erreicht werden kann. Zugleich setzt der
regelmäßige Zwang zum Test die Kinder psychisch unter
Druck, weil so ihre Schulfähigkeit ständig auf den
Prüfstand gestellt wird.
Ausgehend von Erhebungen in Österreich, wo in
Grundschulen keine Masken getragen werden, aber
dreimal pro Woche flächendeckend Schnelltests
vorgenommen werden, ergibt sich nach den Darlegungen
des Gutachters Prof. Dr. Kuhbandner:
100.000 Grundschüler müssten eine Woche lang sämtliche
Nebenwirkungen des Maskentragens in Kauf nehmen, um
nur eine einzige Ansteckung pro Woche zu verhindern.
Dieses Ergebnis nur als unverhältnismäßig zu
bezeichnen, wäre eine völlig unzureichende
Beschreibung. Vielmehr zeigt sich, dass der diesen
Bereich regulierende Landesverordnungsgeber in eine
Tatsachenferne geraten ist, die historisch anmutende
Ausmaße angenommen hat.
Mit der Anordnung solcher Maßnahmen wird das Wohl der
Kinder, wie dargestellt, gefährdet, § 1666 BGB. Die
Lehrkräfte dürfen sie deshalb nicht anordnen. Auf die
entsprechenden landesrechtlichen Verordnungen und die
angeführte Allgemeinverfügung können sie sich dabei
nicht berufen, da diese schon wegen ihrer
Ungeeignetheit, die angestrebten Ziele zu erreichen,
in jedem Fall aber wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit
gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen und
damit verfassungswidrig und nichtig sind.
Darüber hinaus haben die Kinder einen Rechtsanspruch
auf zugänglichen Schulunterricht.
Es erscheint nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand
sehr wahrscheinlich, dass dieses Ergebnis im
Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Weitere
Ausführungen bleiben einer Entscheidung dort
vorbehalten.
Im Rahmen einer Folgenbetrachtung sind beim Erlass
einer einstweiligen Anordnung die Nachteile abzuwägen,
die sich ergeben, wenn die von den Eltern der Kinder
angestrebte Regelung durch das Familiengericht
zunächst im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht
getroffen wird, dann aber doch später im
Hauptsacheverfahren, und die Auswirkungen, die sich
ergeben, wenn das Familiengericht die von den Eltern
der Kinder angestrebte Regelung bereits im
einstweiligen Anordnungsverfahren trifft, aber später
im Hauptsacheverfahren nicht bestätigt.
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S.178
Die Nachteile für die Kinder, wenn die angestrebte
Regelung durch das Familiengericht verzögert wird,
überwiegen dabei erheblich.
Die Eltern sind jedenfalls nicht in der Lage, die
Gefahr abzuwenden, § 1666 BGB. Mit Blick auf das
bevorstehende Ende der Osterferien besteht auch ein
dringendes Bedürfnis, sofort tätig zu werden.
Nach all dem war die aus dem Tenor ersichtliche
Entscheidung geboten. Da die Mitschüler der im Tenor
namentlich genannten Kinder in gleicher Weise
betroffen sind, hat das Gericht seine Entscheidung für
diese mit getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.