aus: Wirkungen der Schule
im Lebenslauf. Ein Quellenlesebuch der Pädagogik Rudolf
Steiners, bearbeitet von Karl Rittersbacher;
Zbinden-Verlag, Basel 1975
Lebenslust oder
Depression mit 35 je nach Erziehung in der Kindheit
"Man nehme an, jemand hat als 35-jähriger Mensch die
Möglichkeit, einer neuen Lebenssituation
entgegenzutreten; wenn er nun dieser Lebenssituation
gewachsen ist, so dass er in die Lage kommt, das
Richtige zu tun in dieser Lebenssituation, so kann er
sich bewusst werden, dass er einmal vielleicht als
12-jähriges, als 8-jähriges Kind, das Wichtigste von dem
gelernt hat, was ihm die Möglichkeit bietet, jetzt sich
schnell in diese Situation hineinzufinden. Und eine
gewisse Freude strahlt aus im 35. Jahre von dem, was im
8. oder im 12. Jahre durch den Erzieher, durch den
Lehrer an das Kind herangetreten ist, weil das, was im
8. oder 10. Jahre im menschlichen Ätherleib vor sich
geht durch den Erzieher, durch den Unterricht, gerade so
wirkt wie ein Organ, das weit vom Kopfe abliegt, auf die
Gesundung des Kopfes wirkt, wenn wir es heilen. So wirkt
das im 6. oder 12. Jahre Erlebte im 35. Jahre und später
nach und erzeugt eine freudige Stimmung oder eine
Depression. [...] Diese Erkenntnis kann erst die
richtige Grundlage geben für die erzieherische
Behandlung des Menschen." (S.65; A4, VI., erster
Vortrag)
Diabetes durch
intellektuelle Überfütterung
"[...] Diabetes bekommt oder Rheumatismus. Die Menschen
beachten ja immer nur die Gegenwart: Man denkt also über
ein Heilmittel nach für diese Krankheiten. Das ist ja
ganz richtig, es soll nichts (S.168) dagegen gesagt
werden, dass man darüber nachdenkt, wie man da heilen
kann. Sehr schön ... Aber, wer nun den ganzen
menschlichen Lebenslauf überblickt, der findet, dass
manche Diabetes davon herkommt, dass das Gedächtnis in
unrichtiger Weise zwischen dem Zahnwechsel und der
Geschlechtsreife entweder belastet worden ist oder sonst
in unrichtiger Weise behandelt worden ist." (S.169)
(S.168-169; D11, 1. Vortrag)
Menschliche Reife ist
erst ab 35 der Fall - bei lebendig erzogenen Menschen
"Reif ist man, sagen wir, erst mit 35 Jahren, diese
Sachen [von der Langzeitwirkung der Erziehung] zu
verstehen. - Es sagt sich so etwas zwar dem modernen
Menschen schwer, weil er nicht zugibt, dass man für
manche Sachen erst mit dem 35. Jahr reif wird, aber es
ist doch so: Reif wird man erst für irgend etwas, was
man da in Liebe zum Lehrer aufgenommen hat, mit dem 35.
Jahr. Da hat man dann wiederum ein Erlebnis durch die
rückstrahlende Kraft des Astralleibes. Da dringt etwas
wie aus dem Innern herauf ... es schaut wie ein
Spiegelbild aus: Eigentlich ist es ein Hingehen zu der
Kindlichkeit. Es ist wie ein Heraufkommen in der
Anschauung."
(S.140; D15)
"Man muss nur beobachten können, was das bedeutet. Das
bedeutet, dass aus einem solchen Wiederheraufholen
dessen, was jetzt erst aus der eigenen Reife heraus
verstanden wird, eine Steigerung des Lebensgefühls
kommt, die wir brauchen, wenn wir für das Leben, für das
soziale Leben überhaupt, brauchbare Menschen werden
sollen."
(S.155; D12, 7. Vortrag)
Menschen können sich
nicht mehr weiterentwickeln und vegetieren - bei starr
erzogenen Menschen
"Wer denkt denn heute daran, dass der Mensch reifer wird
im Leben, und dass der, welcher zum Beispiel in den
höheren Vierziger- oder Fünfzigerjahren ist, durch seine
Lebenserfahrung mehr zu sagen hat als der, welcher erst
zwanzigjährig ist? Der Lebensverlauf ist ja etwas
Reales. Er ist es allerdings heute für viele Menschen
nicht, weil sie so erzogen und geschult werden, dass sie
nicht mehr fähig sind, in der zweiten Lebenshälfte noch
wirklich Erfahrungen zu machen. Die Menschen werden
heute gleichsam nicht älter als 28 Jahre, dann
vegetieren sie nur noch fort mit den Erfahrungen bis zum
28. Jahre. Aber das muss nicht so sein! Der Mensch kann
durch sein ganzes Leben hindurch ein Lernender, ein vom
Leben Lernender sein. Dann muss er aber dazu erzogen
sein; dann müssen während der Schulzeit in ihm die
Kräfte entwickelt werden, die nur in (S.148) dieser Zeit
stark werden können, so dass sie vom späteren Leben
nicht wieder gebrochen werden. Heute gehen die Menschen
so herum, dass sie alle irgendwie einen Knick vom Leben
bekommen. Warum bekommen sie den? Weil sie in der Zeit
vom 7. bis zum 14. Jahre nicht stark genug gemacht
worden sind, um dem Leben standzuhalten.
Diese Zusammenhänge müssen durchaus beachtet werden, und
andere Zusammenhänge dürfen nicht vergessen werden. Wenn
wir recht alt werden, dann entwickeln wir in uns
Eigenschaften, die mit unserm allerfrühesten Kindesalter
zusammenhängen. Was wir da nachgeahmt haben, das
entwickelt sich auf einer höheren Stufe gerade im
spätesten Lebensalter. Und was wir in der Zeit vom
Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife durchgemacht haben,
tritt etwas früher auf, schon in den Vierzigerjahren.
Und so entwickelt sich gerade das, was der Mensch in der
allerfrühesten Kindheit durchmacht, in einem
allerspätesten Lebensalter. Das menschliche Leben ist in
seinem Werden eine reale Tatsache. Und wir werden nicht
früher eine wirkliche Sozialisierung bekommen, bis wir
den Menschen menschlich nehmen."
(S.149; B1, 9. Vortrag)