aus: Wirkungen der Schule im
Lebenslauf. Ein Quellenlesebuch der Pädagogik Rudolf
Steiners, bearbeitet von Karl Rittersbacher;
Zbinden-Verlag, Basel 1975
Gleichnis zwischen Kind
und Blume: Eine Blume blüht auch nicht sofort
"Es kommt darauf an, dass man in der rechten Zeit das
Rechte tut für das Kind. Sie können eine Pflanze nicht so
wachsen lassen, dass sie gleich Blüte wird. Das
Zur-Blüte-Werden, das muss später geschehen. Sie müssen
die Pflanze zuerst in der Wurzel pflegen (S.157). Wenn Sie
die Wurzel zur Blüte machen wollten, würden Sie einen
Unsinn machen. Wenn Sie dem Kinde zwischen dem Zahnwechsel
und der Geschlechtsreife intellektualistisch formulierte
Moralurteile beibringen wollten, so wäre das so, wie wenn
Sie die Pflanzenwurzel zur Blüte machen wollten. Sie
müssen zuerst den Keim, die Wurzel pflegen; das ist: die
Moralität im Gefühl. Wenn das Kind die Moralität im Gefühl
gepflegt hat, dann wird es nach der Geschlechtsreife
erwachen zur Intelligenz. Und dann setzt es selber
dasjenige, was es im Gefühl gehabt hat, nach dem
Zahnwechsel und der Geschlechtsreife, durch die
Geschlechtsreife bis zur inneren Entwickelung fort. Dann
kann in ihm selber erwachen das moralische, intellektuelle
Urteil." (S.158)
(S.157-158; A4 VI., 1. Vortrag)
Die Urteilskraft entwickelt sich dann von selbst:
"Dann müssen Sie den Menschen durch die eigene Kraft des
menschlichen Wesens selber sein Gefühl in den Intellekt
hineintragen lassen."
(S.158; A4 VI., 1. Vortrag)
Schulkinder werden erst
mit 12 Jahren für den Kausalitätsbegriff sensibel
"Denn man muss wissen, dass sich etwas erst gegen das 12.
Jahr, und zwar sehr nahe am 12. Jahr, in dem Kinde
entwickelt, und das ist der Sinn für den
Kausalitätsbegriff."
(S.110; D11, 6. Vortrag)
"Da erst können wir darauf rechnen, dass das Kind die
gemeiniglichen Zusammenhänge zwischen Ursachen und
Wirkungen ins Auge fassen kann."
(S.111; D11, 6. Vortrag)
"Wir werden erst im 14., 15. Jahre reif zu einem
persönlichen Urteil. Erst im 14., 15. Jahre kommt der
Mensch so weit, dass der Lehrer auf ihn wirken kann, indem
er an das Urteil appelliert."
(S.156; D12, 7. Vortrag)
Geschichtliche kausale
Zusammenhänge vor dem 12. Altersjahr sind nicht
vermittelbar
"Auf der anderen Seite können Sie den Kindern vor diesem
Lebensalter gegen das 12. Jahr hin nicht zusammenhänge in
der Geschichte begreiflich machen. Da sollen Sie vor die
Kinder hinstellen einzelne Menschenbilder, die entweder
das Gefallen erwecken durch ihre Güte, ihre Wahrhaftigkeit
oder dergleichen, oder das Missfallen erwecken durch das
Gegenteil. Auf Gefallen und Missfallen, auf das Gefühls-
und Gemütsleben muss auch die Geschichte gestellt werden:
geschlossene Bilder von Vorgängen und von
Persönlichkeiten, aber Bilder, die in dem Sinne wieder
beweglich gehalten werden, wie ich es angedeutet habe.
Dagegen kausale Zusammenhänge zwischen dem Früheren und
dem Späteren, die können Sie dem Kinde erst beibringen,
wenn in ihm (S.111) voranleuchtet dieses Rückläufige des
Astralleibes, das dann stärker auftritt nach dem 14. Jahr.
So gegen das 12. Jahr hin kommt das Kind in dieses
Rückläufige hinein, und man kann dann anfangen, an den
Kausalitätsbegriff zu appellieren auch in der Geschichte.
[...] Der Astralleib ist der Träger der menschlichen
Liebe." (S.112)
(S.111-112; D11, 6. Vortrag)
Fügen Sie dem Kinde die Untat zu, es zu früh kritisieren
zu machen, es zu früh auf Ja und Nein abzustimmen, dann
stopfen Sie dieses Ja und Nein, diese Kritik, in den
Ätherleib hinein. Der ist nicht wohlwollend: Der ist
aufsaugend, der ist übelwollend eigentlich, der wirkt
zerstörend. Das tun Sie dem Kinde an, wenn Sie zu früh das
Ja- oder Nein-Urteil (und ein Ja- und Nein-Urteil ist auch
immer in der Kausalitätsvorstellung gelegen) dem Kinde
beibringen. [...] Man nimmt die Urteile der anderen nicht
mit Liebe auf, sondern mit einer in einem liegenden
zerstörerischen Kraft, wenn man die Urteilskraft zu früh
entwickelt. Aus solchen Dingen kann man wirklich sehen,
wie sehr es darauf ankommt, zur richtigen Zeit das
Richtige im schulpflichtigen Alter zu tun."
(S.112; D11, 6. Vortrag)
"... kommt man mit dem Ideengehalt vor dem 12., vor dem
14. Lebensjahre, dann erzieht man Skeptiker, dann erzieht
man solche Menschen, die später, statt der gesunden
Einsicht gegenüber den anerzogenen Dogmen, Skepsis,
zunächst die Skepsis des Gedankens - die macht noch das
allerwenigste - dann aber die Skepsis des Gefühles
entwickeln, - dadurch wird man ein schlecht fühlender
Mensch. Und zuletzt die Skepsis des Willens, - dadurch
irrt man wirklich moralisch ab.
Es handelt sich also darum, dass wir unsere Kinder nicht
zur Skepsis erziehen dadurch, dass wir zu früh in sie
dogmatische Ideale, in sie das Moralisch-Religiöse
hineinbringen, sondern dass wir das Moralisch-Religiöse
nur in ihr Gefühl hineingiessen. Dann werden die Kinder im
rechten Lebensalter erweckt zur eigenen freien
Religiosität und Sittlichkeit. Die haben sie dann. Und sie
fühlen, dass diese sie erst zum ganzen Menschen macht."
(S.113; D12)
Geschichtliche kausale
Zusammenhänge ab dem 12. Altersjahr mit Astralleib
"Wenn Sie es in den Astralleib zur richtigen Zeit
hineinpflanzen, dann fügen Sie dem Urteil, auch der
Kritik, die Kraft der Liebe bei, die Kraft des
Wohlwollens."
(S.112; D11, 6. Vortrag)