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"Fürsorge" in Zürich 1890 bis 1970

Anstaltseinweisungen, Kindswegnahmen, Eheverbote, Sterilisationen, Kastrationen

Kapitel 1. "Taublöcher", "Schellenwerk", "Verlaidungswesen". Zürcher Fürsorge vom 15. bis zum 19. Jahrhundert

Fürsorge, Zwangsmassnahmen, "Eugenik" und Psychiatrie in Zürich zwischen 1890 und 1970

Präsentation von Michael Palomino (2008)

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aus: Edition Sozialpolitik Nr. 7; Sozialdepartement der Stadt Zürich. Sozialberichterstattung '02; Bericht von Thomas Huonker, verfasst im Auftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich.


Kapitel 1. "Taublöcher", "Schellenwerk", "Verlaidungswesen". Zürcher Fürsorge vom 15. bis zum 19. Jahrhundert

Vor der Reformation [[die "christliche" Revolution unter Zwingli, die sich das Recht erstritt, das Buch "Bibel" in der eigenen Sprache lesen zu dürfen]] war in Zürich die Fürsorge für Invalide, Alte, Witwen, Waisen und andere Mitmenschen, deren Unterhalt weder eigene Arbeit oder Vermögen noch Verwandtenhilfe sicherte, Aufgabe der Kirche. Der Staat wachte durch Einsetzung eines "Vogts" (Vormunds) über die Verwaltung des Vermögens von in Pflege - meist bei Verwandten - untergebrachten Waisen, sofern sie Vermögen hatten und Bürger von Zürich waren. Das von der Kirche eingerichtete Spital kam schon ab dem 14. Jahrhundert teilweise unter weltliche Kontrolle, finanzierte sich aber bis zur Reformation aus dem Kirchengut. Sehr viele Menschen beiderlei Geschlechts und jeden Altern, die ihren Lebensbedarf nicht aus Arbeit oder Vermögen decken konnten, waren auf den Bettel angewiesen. Betteln hatte den Segen der Kirche und der weltlichen Obrigkeit, weil Armut und Almosengeben als heilssichernde christliche Tugenden galten.

"Musshafen", "Reformationskammer", "Stillstände", "Ehegaumer". Zwinglianische Zwangsmassnahmen

[Die Gründung des "Almosenamts" - die erste Anwendung von Nazi-Vokabular "arbeitsscheu" - die Anwendung eines Zeichens an der Kleidung - protestantische Wertung "schlechter Mensch" für Arme - Denunzianten-System mit Belohnung wie bei den Nazis]

In Zwinglis Reformation nahm der Stadtrat alles frühere Kircheneigentum in Besitz. Zürich wurde zu einer Art Gottesstaat. Nun war die Fürsorge Staatsaufgabe.

Aus dem beschlagnahmten Kirchengut wurden neue Institutionen gegründet. Darunter auch solche der Fürsorge wie etwa der "Mushafen", gleichzeitig Lokal für die tägliche Armenspeisung sowie Notunterkunft zur Beherbergung einheimischer und fremder Bettler, Kranker, Gebrechlicher und Waisen. Fürsorgerische Oberinstanz wurde das 1525 eingerichtete Almosenamt.

Der obrigkeitliche Entscheid über den Anspruch auf Fürsorge ersetzte das Recht auf Erwerb mittels Bettel und die Christenpflicht zum Almosen.

Das Almosenamt bestimmte, wer staatlicher Almosen "würdig" und wer solcher Unterstützung "unwürdig" sei. Der Fürsorge "würdig" galten Arbeitsunfähige, "unwürdig" hiessen jene, welche die neuen Instanzen als erwerbsfähige Arbeitsscheue, als ungebrechliche, "starke" Bettler ansahen.

Die Einstufung als "würdige" Arme

(S.9)

garantierte kein im heutigen Sinn menschenwürdiges Dasein. Der Unterstützung "würdig" Befundenen unterlagen gesellschaftlicher Ausgrenzung und wurden stigmatisiert. Vom Almosenamt Unterstützte, auch Kinder, mussten auf der Kleidung ein spezielles Zeichen tragen.

   (Endnote 1: Denzler 1925: Jugendfürsorge, S.95)

Armut, Krankheit oder Invalidität verlieh auch in jenen Zeiten und Regionen, in denen die Gottgefälligkeit des Almosengebens Bettlern eine gewisse gottgewollte Würde gab und Geisteskrankheiten oder Epilepsie "heilige Krankheiten" hiessen, nur selten höheres Sozialprestige. In protestantischen Regionen galt, dass reicher Arbeitsertrag, Gesundheit und Geschäftserfolg Zeichen der Gnade Gottes seien, Armut und Elend hingegen selbstverschuldete Laster. Arm sein hiess auch schlecht sein.

Der zwinglianischen "Reformationskammer" (Exekutivausschuss mit weitreichenden Befugnissen), den "Stillständen" (Kirchenpflegen) und den "Ehegaumern", einer Art Sittenwächter, brachte das auf die Reformation folgende Vierteljahrtausend weitreichende Kompetenzen. Ihre Disziplinierungsmittel und Zwangsmassnahmen waren die Durchsetzung von Sittenmandaten, die Abkanzelung und das An-den-Pranger-Stellen, kombiniert mit dem denunziatorischen "Verlaidungswesen": für anonyme Denunziationen gab es eine spezielle Eingabestelle, offenes Denunziantentum wurde mit einem Anteil an den Bussgeldern belohnt.

   (Endnote 2: Vgl. Denzler 1925, Jugendfürsorge, S. 38 bis 44, Wehrli 1963, Reformationskammer, S. 92-99. Vgl. auch Ziegler 1978, Sittenmandate)

Diese Institutionen des zwinglianischen Zürich hatten auch ältere Vorläufer und anderweitige Parallelen.

"Züchtigung der Ungehorsamen und Lasterhaften". Waisenhaus, Zuchthaus, Spital

[Zürich: Individuelle Naturen weggesperrt - wie im Nazitum - Folter bei Verhören]

Die Zwinglistadt war der neuen Sozialtechnik der Einschliessung

   (Endnote 3: Vgl. Foucault 1976, Überwachen)

gegenüber aufgeschlossen.

Zürich gehörte zu den ersten Städten Europas, die nach dem Vorbild des 1596 in Betrieb genommenen Amsterdamer "Rasphuis" eine ähnliche Institution einrichteten. 1637 beschloss der Rat, "dass zur Uferzüchtung der Waisen und zur Züchtigung der Ungehorsamen und Lasterhaften ein Waisen- und Zuchthaus samt dem Schellenwerk"

   (Endnote 4: Zitiert nach Ziegler 1971, Waisenhaus, S.11)

zu betreiben sei, und zwar in den halb zerfallenen Räumlichkeiten des beschlagnahmten vormaligen Frauenklosters Oetenbach, dort, wo heute das Heimatwerk und das Parkhaus Urania sind.

Die Insassen des Zürcher Waisen- und Zuchthauses sowie die zum Schellenwerk Eingeteilten waren keine Schwerverbrecher. Diese - ebenso wie des Aufruhrs und der Hexerei Bezichtigte - sperrten die Behörden bis zur körperlichen Abstrafung in den Wellenbergturm, wo auch die gerichtlichen Verhöre unter Folter stattfanden.

Ins Waisen- und Zuchthaus kam ein breites Spektrum von Adressaten obrigkeitlicher Fürsorge und Zwangsmassnahmen teils nur für wenige Tage, teils lebenslänglich.

[Oetenbach: Waisenkinder werden vor Zwangsarbeit bewahrt - uneheliche Waisenkinder werden unerwünscht]

Die Internierung im Oetenbach war nicht für alle Insassen als Strafe konzipiert, sondern speziell im Fall der Waisen als Fürsorge. Mittellose Waisen lebten sonst als hart arbeitende Kost- oder Verdingkinder bei Bauern oder Handwerkern, viele auch als

(S.10)

Bettelkinder. Die Räume für elternlose Kinder ohne unterstützungsfähige Verwandtschaft, darunter auch Flüchtlingskinder aus den Schlachtfeldern des 30-jährigen Kriegs sowie Findelkinder, lagen im feuchten Untergeschoss des Oetenbach. Ab 1657 durften keine unehelich geborenen Waisen mehr aufgenommen werden.

[Individuelle Naturen und Häftlinge in Oetenbach in der Zwangsarbeit unter Schlägen in Ketten - Wiedertäufer im Töiferhüsli]

In andere, zu den Räumen für die Kinder durchgängige Lokalitäten des Oetenbach kamen die als lasterhaft und zuchtlos geltenden oder sonstwie den gesellschaftlichen und ökonomischen Normen nicht entsprechenden erwachsenen "Zuchthäusler" zwecks Besserung oder als Unverbesserliche. Erwachsene wie Kinder waren Zwangsarbeiter in der internen Textilproduktion, die schon 1657 "Fabrik" hiess.

   (Endnote 5: Crespo 2001, Verwalten, S. 67-68)

Da wurden Strickwaren, "Nördlinger Loden" und schwarzes "Oetenbach-Tuch" fabriziert.

   (Endnote 6: Erb 1987, Waisenhaus, S.97)

In Fusseisen und unter oftmals täglicher Züchtigung durch Schläge wurden im Oetenbach die zur Zwangsarbeit im Rahmen des entehrenden "Schellenwerks" Eingewiesenen gehalten; darunter waren auch Jugendliche, die gegen Gesetze und Normen verstossen hatten. Sie besorgten in Ketten und unter Gespött öffentliche Reinigungs- und Grabarbeiten.

"Der am Schellenwerk Verurteilte muss zur Verrichtung der Arbeit, beim Stehen im Halseisen und auf dem schimpflichen Umzug durch die Stadt ein Schandgerät tragen",  nämlich ein eisernes Halsband, "woran ein metallener Bügel befestigt war, der vom Nacken her über den Kopf ragte."

An diesen Bügel war eine kleine Glocke montiert.

   (Endnote 7: Erb 1987, Waisenhaus, S.118)

Am schlimmsten war die Lage im ehemaligen Klosterkomplex Oetenbach für die in einem besonderen "Gemach", dem "Töiferhüsli für gar Halsstarrige",

   (Endnote 8: Erb 1987, Waisenhaus, S.45)

isoliert inhaftierten Wiedertäufer.

[Körperlich Behinderte werden ins "Spital" eingesperrt - Zwangsarbeit und entwürdigende Schandspiele - kein Schutz der Kinder vor den kranken Erwachsenen]

Körperlich und geistig Behinderte sowie chronisch Kranke, also zur Zwangsarbeit Unbrauchbare, kamen nicht ins Oetenbach, sondern ins Spital bei der Predigerkirche. Im Lauf der Zeit verwischte sich diese Unterscheidung. Im 18. Jahrhundert wurde auch im Spital eine "Fabrik" mit Zwangsarbeit eingerichtet, und im Spital wurden von 1660 bis 1730 auch Täufer

   (Endnote 9: Pfister 1987, Auswandern, S.174)

und andere Missliebige inhaftiert. Die Insassen wurden bei Fluchtversuchen wieder eingefangen, so etwa der über 20 Jahre lang im Spital gefangen gehaltene Theologe Redinger, bei dem auch darauf geachtet wurde, dass er kein Schreibmaterial zum Verfassen von Entlassungsgesuchen erhielt.

   (Endnote 10: Wyder-Leemann 1951, Rechtsgeschichte, S. 131 ff.)

Umgekehrt wurden mittellose Genesene mitunter gewaltsam aus dem Spital verjagt.

   (Endnote 11: Wyder-Leemann 1951, Rechtsgeschichte, S. 135)

Der Disziplinierung Kranker wie Gesunder diente auch der dortige "Schandpfahl".

   (Endnote 12: Mörgeli 2000, Spital, S. 38)

Die mittellosen Kranken des Spitals wurden mangels Kenntnis der Krankheiten oder in der Auffassung, diese seien eine Strafe Gottes, vielfach sehr schlecht behandelt. Renitente und unreinliche Patienten wurden zur Bestrafung oder dauernd in die so genannten "Taublöcher" gesteckt, "ungeheuer gestancklöcher, die ohne grausen und entsetzen nit anzusehen" waren; nicht selten kamen Pfleglinge darin um oder nahmen sich das Leben.

   (Endnote 13: Vgl. Denzler 1925, Jugendfürsorge, S. 127; Mörgeli 2000, Spital, S. 37)

Besser gestellte Insassen des Spitals zahlten als "Oberpfründer" oder "Unterpfründer" abgestuft einen komfortableren Spitalaufenthalt aus eigenen Mitteln. Leprakranke hausten abgesondert in den Siechenhäusern St. Jakob an der Siehl und St. Moritz in Unterstrass.

   (Endnote 14: Mörgeli 2000, Spital, S. 42)

(S.11)

Ein ärztlicher Untersuchungsbericht aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schildert die Räumlichkeiten des Oetenbach und die Kinderzwangsarbeit in der "Fabrik" als gesundheitsschädlich.

   (Endnote 15: Vgl. Ziegler 1971, Waisenhaus; Crespo 2001, Verwalten)

Das Waisenhaus für die Kinder und das Zuchthaus für Erwachsene blieb trotz etlicher Vorschläge zur räumlichen Trennung 134 Jahre lang unter demselben Dach - mit entsprechenden Folgen wie Verrohung und sexuellem Missbrauch der Jüngeren und Schwächeren.

[Die Täuferverfolgung wie im Dritten Reich] - "Eine evangelische Anstalt". "Täufergut" und neues Waisenhaus - [und erste Kindswegnahmen - die Diskriminierung katholischer Waisenkinder]

1765 beschloss der Stadtrat, das Zuchthaus im Oetenbach zu belassen und den Waisen ein neues Haus zu bauen. Der Neubau  wurde grossenteils aus Zinsen des "Täuferguts" bezahlt.

   (Endnote 16: Crespo 2001, Verwalten, S. 78)

Zur Entstehung des "Täuferguts" schreibt der Historiker Hans Ulrich Pfister:

"Zu Ende des Jahres 1639 übernahm die aus Zürcher Ratsmitgliedern gebildete Täuferkommission die Führung der Täufergeschäfte und strebte sogleich eine radikale Lösung an. Am 5. Dezember 1639 beschloss die Kommission, alle Täufergüter zu konfiszieren und Jagd auf alle Täufer zu machen, welche noch nicht im Gefängnis sassen."

   (Endnote 17: Pfister 1987, Auswanderung, S. 172)

Begehren der Flüchtlinge und ihrer Anwälte, die beschlagnahmten Güter wieder herauszugeben, lehnten die Zürcher Ratsherren ab, es sei denn, die Ketzer schworen ihrem Glauben ab.

   (Endnote 18: Pfister 1987, Auswanderung, S. 179)

Das neue Waisenhaus, einen schönen, grosszügigen Bau mit Park und Blick auf die Limmat, errichtete die Stadt 1771 nach Plänen von Gaetano Matteo Pisani.

Von 1771 bis 1911 konnte das Waisenhaus als Musteranstalt der philanthropischen Theorien gelten, welche die Fürsorge im 18. und 19. Jahrhundert humaner gestalten wollten. Diesen Diskurs pflegten die Pietisten, die Quäker oder der Zürcher Heinrich Pestalozzi. Letzterer empfand allerdings Bau und Betrieb des Zürcher Waisenhauses als allzu luxuriös.

   (Endnote 19: Crespo 2001, Verwalten, S. 95)

Der neue Luxus hing damit zusammen, dass es seit dem Neubau und der Trennung vom Zuchthaus ausschliesslich für Waisen mit Bürgerrecht der damals gegenüber ihren ländlichen Untertanen herrschaftlich-patrizisch auftretenden Stadt Zürich bestimmt war. Die Waisen erhielten nun auch musischen Unterricht. Begabte konnten sogar im In- und Ausland Wissenschaften und Kunst studieren.

Exemplarisch war die Laufbahn des Waisenhauszöglings und nachmaligen Stadtrats und Stadtpräsidenten (von 1907 bis 1928) der demokratischen Partei, Hans Nägeli (1865-1945). Unter seiner Ägide erfolgte 1911 Stadtarchitekt Gustav Gulls Umbau des ehemaligen Waisenhauses zum stadträtlichen Amtshaus I. Seitdem ist es Sitz der Stadtpolizei.

Die Zöglinge des Waisenhauses wurden an den damaligen Stadtrand in die neu erbauten kleineren Waisenhäuser Sonnenberg und Entlisberg verlegt. Darunter waren seit dem Aufkommen der Wegnahme von Kindern aus "verwahrlosten" Familien auch Kinder, die Eltern hatten.

   (Endnote 20: Vgl. dazu Abschnitt 3.4 dieser Arbeit und Ramsauer 2000, Verwahrlost)

(S.12)

Der reformationsgeschichtliche Hintergrund wirkte in der Zürcher Waisenpolitik bis ins Jahr 1920 nach. Zwar wurde das Aufnahmeverbot für unehelich Geborene im 19. Jahrhundert gelockert, doch blieb die Aufnahme von Waisen auf jene mit Zürcher Bürgerrecht beschränkt. Und noch 18990 betonte die Waisenpflege, das Waisenhaus sei "eine evangelische Anstalt".

   (Endnote 21: Ziegler 1971, Waisenhaus, S. 124)

Sie erlaubte die Aufnahme katholischer Waisen nur unter der Voraussetzung, dass die Vormünder in deren reformierte Erziehung einwilligten. Das Reglement von 1894 bevorzugte weiterhin Bürger der "alten Stadt" beim Aufnahmerecht unter Hintanstellung der neu Eingebürgerten aus den eingemeindeten Aussen- und Arbeiterquartieren (Wollishofen, Enge, Wiedikon, Aussersiehl, Wipkingen, Unterstrass, Oberstrass, Fluntern, Hottingen, Hirslanden, Riesbach). Erst das Reglement von 1920 erlaubte auch für katholische Zöglinge konfessionellen Unterricht.

   (Endnote 22: Vgl. Ziegler 1971, Waisenhaus

"Verhältnisse, die sich inzwischen nicht änderten". Neue kantonale Institutionen

1901 waren die Zuchthäusler vom Ex-Kloster Oetenbach, das anschliessend grösstenteils abgebrochen wurde, in die neue kantonale Strafanstalt Regensdorf transportiert worden.

1870 wurde die Heilanstalt Burghölzli gebaut. Das alte Prediger-Spital mit seinen prekären Unterkünften bestand bis 1867. Damals wurden die rund 500 Insassen in das andere neue Irrenhaus auf der Klosterinsel Rheinau verbracht. Heute steht auf dem alten Spitalgelände die Zentralbibliothek.

Schon 1812 war im Baumgarten des ehemaligen Predigerklosters ein separates Irrenhaus errichtet worden.

   (Endnote 23: Vgl. Hofmann 1922, Irrenfürsorge)

Prägend war dort der Platzmangel. Irrenhausarzt Meyer schrieb 1866, er habe

"selbst Tobsüchtigen, wegen gänzlichen Platzmangels, die Aufnahme zu versagen; es ist dies umso mehr zu bedauern, wenn man weiss, wie [...] roh von unwissender Umgebung Geisteskranke behandelt werden. Mehrere Patienten kamen auch in traurigem Zustand hier an und unterlagen bald den mitgebrachten Verletzungen."

Meyer musste deshalb Patienten "allzufrüh ihren alten, häuslichen und sozialen Verhältnissen wieder zurückgeben" und bemerkt dazu aus einer frühen systemischen Sicht auf die Ursachen:

"Verhältnisse, die sich inzwischen nicht änderten und eben sehr oft das Hauptmotiv der Erkrankung bildeten."

   (Endnote 24: Hofmann 1922, Irrenfürsorge, S. 48)

[Die Entwicklung des kantonalen Anstaltswesens ab dem 19. Jahrhundert]

Insgesamt erweiterte Zürich im 19. und 20. Jahrhundert die auf Mittelalter und Reformation zurückgehenden Institutionen des Armen- und Gesundheitswesens zu einem immer breiteren Geflecht von Anstalten und Institutionen - meist in geräumigen Neubauten und oft unter Übergang der Zuständigkeit von der Stadt zum Kanton: Moderne Spitäler, psychiatrische Kliniken, Kinder-, Behinderten-, Alters-, Pflege-, Erziehungs- und Erholungsheime, Arbeitsanstalten, Strafanstalten, Unterkünfte für Asylsuchende, Ausschaffungsgefängnisse, suchttherapeutische Institutionen, Notwohnungen und andere Sozialeinrichtungen.

(S.13)

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Quellen
Thomas Huonker: "Fürsorge" in
                            Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der
                            Stadt Zürich 2002, S. 9
Thomas Huonker: "Fürsorge" in Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der Stadt Zürich 2002, S. 9
Thomas Huonker: "Fürsorge" in
                            Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der
                            Stadt Zürich 2002, S. 10
Thomas Huonker: "Fürsorge" in Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der Stadt Zürich 2002, S. 10
Thomas Huonker: "Fürsorge" in
                            Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der
                            Stadt Zürich 2002, S. 11
Thomas Huonker: "Fürsorge" in Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der Stadt Zürich 2002, S. 11
Thomas Huonker: "Fürsorge" in
                            Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der
                            Stadt Zürich 2002, S. 12
Thomas Huonker: "Fürsorge" in Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der Stadt Zürich 2002, S. 12
Thomas Huonker: "Fürsorge" in
                            Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der
                            Stadt Zürich 2002, S. 13
Thomas Huonker: "Fürsorge" in Zürich 1890 bis 1970; Sozialdepartement der Stadt Zürich 2002, S. 13


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