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Um an Silber zu gelangen, hat man in der Römerzeit
bleihaltige Erze gebraucht. Dadurch gelangte Blei auch
massenhaft in die Luft. Mit Hilfe arktischer
Eisbohrkerne berechnete ein Team nun die
Bleikonzentrationen und die Folgen. Im Schnitt dürfte
die Verschmutzung die Europäer zweieinhalb bis drei
Intelligenzquotient(IQ)-Punkte gekostet haben.
Die negativen Auswirkungen hoher Bleikonzentrationen in
der Umwelt, besonders im für die kognitive Entwicklung für
das gesamte Leben so wichtigen Kindesalter, sind
wissenschaftlich sehr gut belegt, schreiben die Autoren
und Autorinnen der im Fachmagazin „PNAS“ erschienenen
Arbeit.
Zu dem Forschungsteam um Joe McConnell vom
US-amerikanischen Desert Research Institut (DRI) zählte
auch eine Gruppe unter Leitung des Meteorologen Andreas
Stohl von der Universität Wien. Die Beteiligten vom Wiener
Institut für Meteorologie und Geophysik steuerten
Berechnungen zum Transport der Bleirückstände in der Luft
über die untersuchte Zeitperiode hinweg bei.
Eiskern-Daten mit Fokus auf „Pax Romana“
Letztere umfasst die Zeit zwischen 500 vor und 600 nach
Christus. Die Daten zu den Bleikonzentrationen gewann man
aus drei Bohrkernen aus dem grönländischen Eisschild und
der russischen Arktis. In im alten Eis eingeschlossenen
Gasblasen sind viele Informationen aus vergangenen Zeiten
gespeichert. Mit modernen wissenschaftlichen Methoden kann
dies ausgelesen und in Verbreitungsmodelle eingespeist
werden.
Eisbohrkerne aus der Arktis
Bei den Analysen konzentrierte sich das Team insbesondere
auf die Epoche der „Pax Romana“ – also der, je nach
Leseart, zwischen 175 und 250 Jahre andauernden Periode
der größten Ausdehnung des Römischen Reichs, bei
gleichzeitig großer wirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Stabilität. Die Forschenden verorten
die „Pax Romana“ zwischen der Etablierung des Römischen
Reiches um das Jahr 15 vor Christus bis zur in etwa
zwischen 165 und 180 nach Christi Geburt wütenden
„Antoninischen Pest“.
Silber als Grundstein für Wirtschaften
Ein wichtiger Grundstein für die Ökonomie in dieser
weitestgehend friedvollen Zeit war Silber. Während in den
vergangenen Jahrzehnten vor allem das weit verbreitete
Verbrennen von bleihaltigem Treibstoff das Hauptproblem
war, war es in der Antike die Silbergewinnung, vielfach
auf Basis bleihaltiger Erze. Abgebaut und verarbeitet
wurden diese in zahlreichen, teils sehr großen, über
Europa verteilten Minen und Verhüttungsanlagen, wie z.B.
Rio Tinto in Südspanien.
Während nachteilige Effekte, etwa von Blei aus
Wasserrohren, immer wieder auch mit dem langsamen
Niedergang des Römischen Reiches in Verbindung gebracht
wurden, betrafen diese eher gehobene, städtische
Bevölkerungsgruppen, heißt es in der Studie. Das Gros der
agrarisch lebenden Bewohner des einstigen Riesenreiches
war dem Schwermetall aber über die Luft ausgesetzt – und
das eben vor allem während der Pax Romana, wie die neuen
Daten zeigen.
Merklichen Anstieg bei Bleikonzentration
Demnach stiegen die Werte um die großen Abbau- und
Verhüttungsstätten wie Rio Tinto auf bis über 150
Nanogramm Blei pro Quadratmeter an. Im Norden des Reichs –
also dem europäischen Teil – lag der Durchschnittswert bei
knapp einem Nanogramm pro Quadratmeter.
Auf Basis neuer epidemiologischer Methoden schloss man
dann auf die Bleikonzentrationen im Blut. Während diese
vor dem Einsetzen der Antike und dem mehr oder weniger
industriellen Bergbau bei geschätzt rund einem Mikrogramm
pro Deziliter lagen, stiegen sie während der Pax Romana
auf durchschnittlich 2,4 Mikrogramm an.
Mehr Blei, weniger IQ
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nahmen
daraufhin Erkenntnisse zum Zusammenhang von
Bleikonzentrationen im Blut und dem Abschneiden bei
Intelligenztests zur Hand: Angesichts dessen könne man
davon ausgehen, dass die Verschmutzung die Alten Römer im
Schnitt über das gesamte Reich hinweg zweieinhalb bis drei
IQ-Punkte gekostet haben dürfte. In Bergbauregionen könnte
das Intelligenz-Minus auch deutlich darüber gelegen haben.
„Eine Verringerung des IQ um zwei bis drei Punkte hört
sich nicht nach viel an, aber wenn man das auf die gesamte
europäische Bevölkerung anwendet, ist das beträchtlich“,
wird DRI-Forscher Nathan Chellman in einer Aussendung
zitiert.
Insgesamt dürften dem Team zufolge während der Pax Romana
um die 500.000 Tonnen Blei in die Atmosphäre gelangt sein
– mit vielfältigen negativen Effekten auf die Gesundheit.
So könnte die fast 200-jährige verstärkte
Bleiverschmutzung auch dazu beigetragen haben, dass die
Antoninische Pest rund fünf bis zehn Millionen Menschen
das Leben gekostet und die recht friedliche Episode
beendet hat.
red, science.ORF.at/Agenturen