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Fruchtbaum: Kirschbaum

von Michael Palomino

Kirschbaum, Blatt
vergrössernKirschbaum, Blatt
originales Blatt von einem Baum in Langenthal

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aus:
-- Anke-Usche Clausen und Martin Riedel: Plastisches Gestalten in Holz. Methodisches Arbeitsbuch Band III; J. Ch. Mellinger-Verlag GmbH, Stuttgart 1970 ca.
-- Jean-Denis Godet: Bäume und Sträucher. Sehen, staunen, bestimmen; Einheimische und eingeführte  Baum- und Straucharten. Arboris-Verlag, Hinterkappelen-Bern 1986
-- Fritz Friedli-Boss: Schnitzen / La sculpture sur bois; Verlag des Schweizerischen Vereins für Handarbeit und Schulreform, 2. Auflage 1981


Gestalt
Kirschbäume entfalten sich im Freistand zu ausladenden Bäumen mit kurzem, beinahe zirkelrunden Stamm. Dann folgen aufstrebende Zweige mit einer gleichmässigen Krone. Im Waldverband wachsen die Kirschbäume als langer, gerader, vollholziger Stamm mit einer hochangesetzten, dichtästigen Krone. Kirschbäume sind locker belaubt. Sie werden bis 25 m hoch.

Kirschbäume wachsen bis zum 40. Lebensjahr schnell, dann langsamer. Das Wachstum ist mit 50 bis 60 Jahren abgeschlossen. Ein Kirschbaum wird nur selten älter als 100 Jahre alt.

Verbreitung
Wilde Kirschen sind schon in der Bronzezeit in Europa heimisch.

Der kultivierte Kirschbaum kommt aus dem östlichen Persien und dem Balkan. Erste Züchtungen erfolgten am Schwarzen Meer. Die Strategen des Römischen Imperiums verbreiteten die süssen Zuchtkirschen in Mitteleuropa.

Kirschbäume wurden in der vorindustriellen Zeit v.a. bei den Städten angepflanzt, später ab dem Eisenbahnzeitalter mit der schnellen Transportmöglichkeit auch in entlegenen Gebieten. Kirschen verwildern z.T. auch im Wald [durch das Übertragen der Kirschkerne durch die Ausscheidung der Tiere].

Züchtungen ergeben vermehrt grossfrüchtige Sorten. In Japan werden Kirschbäume z.T. nur wegen ihrer Blüten gezüchtet. An der Kirsche selbst besteht kein grosses Interesse.

Der Standort ist an Hängen am besten, wo die Kaltluft nicht gestaut wird. Kirschbäume in Europa wachsen bis in Höhen von 1000 m.

Boden
Kirschbäume brauchen nährstoffreichen, durchlässigen, tiefgründigen und warmen Boden.

Rinde
Die Rinde ist anfangs glatt, lederartig glänzend, silbergrau, in Querstreifen aufgeteilt. Die sich ablösende Rinde des Kirschbaums wird Ringelborke genannt. Im Alter hat die Rinde eine längsrissige und beinahe schwarz aussehende Borke.

Holz
Das Kirschbaumholz hat einen schmalen, rötlich-weissen Splint und ein rötlich-gelbes Kernholz. Im Laufe der Jahre passt sich das Splintholz dem Kernholz farblich an. Somit kann  bei der Verarbeitung auch das Splintholz verwendet werden. Kirschbaumholz hat zahlreiche helle und feine Markstrahlen. Generell haben Kirschbäume, die im Wald wachsen, ein dunkleres Holz als die Kirschbäume auf freiem Feld.

Kirschbaumholz ist biegsam, schwer spaltbar, dicht, feinfaserig, elastisch, schwer, sehr zäh, aber nicht witterungsfest. Das Holz hat eine Tendenz zum Werfen und Reissen. Die Trocknung erfolgt künstlich, oder der Stamm wird an einem schattigen, luftigen Ort mit der Borke zwei bis drei Jahre umlüftet, wo er trocknet. So werden die anfänglich starken Schwindungen überwunden, das Holz wird ruhiger. Während des Trocknungsvorgangs ist es möglich, dass grüne Streifen auftreten, die man mit Wasserstoffperoxid entfernen kann.

Das verarbeitet Holz dunkelt im Licht stark nach, wird damit immer schöner, wird rotbraun und einmalig schön. Kirschbaumholz findet Verwendung für schöne Furniere, Bürsten- und Messergriffe, kunstgewerbliche Gegenstände und Musikinstrumente. Es ist kombinierbar mit Tannenholz, Ahornholz und Lärchenholz und somit für die Möbelindustrie gut verwendbar.

Schnitzen: Kirschbaumholz ist meistens recht hart, ein rötlich bis gelbliches, langfaseriges Holz, dank Farbe und Textur (Maserung) jedoch sehr dankbar. Das Holz von Wildkirsche ist bedeutend weicher und leichter zu bearbeiten (Friedli, S.10).

Blatt
Die Blätter des Kirschbaums entfalten sich erst kurz vor dem Ende oder kurz nach dem Ende der Blütezeit. Die Kirschbaumblätter werden 6 bis 15 cm lang, ihr Umriss ist länglich oval bis verkehrt eiförmig, der Stiel ist 2 bis 4 cm lang mit 2 bis 4 rot gefärbten Nektardrüsen. Das Blattende besteht aus einer schlank aufgesetzten Spitze. Der Blattrand ist unregelmässig gesägt. Die Blattoberseite ist dunkelgrün, meist etwas runzelig und kahl. Die Blattunterseite ist heller grün, anfangs fein behaart, in den Achseln der grösseren Blattadern befinden sich kleine Achselbärtchen. Die Blattadern treten deutlich hervor. Die Anordnung der Blattadern ist wechselständig. Die Herbstverfärbung ist gelb oder rot.

Blüte
Die doldenförmig gruppierten Knospen werden schon im Herbst angelegt und überwintern. Die weisse Blüte der Kirschbaumblüte folgt im April und Mai. Da die Kirschbäume zur Blüte noch keine Blätter haben, erscheinen die Bäume zur Blütezeit völlig weiss. Die doldenförmigen Blüten sind abstehend oder nickend. Die Befruchtung durch die Bienen entsteht nur, wenn die Pollen von einem anderen Baum stammen. Kirschbäume, die alleine in der Landschaft stehen, können also keine Früchte tragen, sondern es sollte immer eine Gruppe von mehreren Kirschbäumen sein.

Frucht
Die Kirschen, die aus den Fruchtknoten heranwachsen, haben ein gelbrotes, rotes oder schwarzes Fruchtfleisch, sowie einen festen, meist einsamigen Kern. Die Kirschen werden von Vögeln gefressen. Bei Regen und Hagel verderben die Kirschen schnell. Auch die Kirschfliege kann die Früchte verderben.

Kirschen finden in der Küche Verwendung als Kirschsaft, Steinlikör, Kirschen im Hemd, Kirschkuchen, Wähe etc.

Volksglaube
Das erste Badewasser eines Mädchens soll an einen Kirschbaum geschüttet werden, damit das Kind später rein, edel und schön werde.

Kirschblüten und Kirschfrüchte sind Heiratsorakel. In Japan ist die Kirschbaumblüte ein Volksfest.

Generell wird im Volksglauben der Kirschbaum mit dem Unheimlichen und mit dem Mondlicht verknüpft, mit dem Anschwellen und Abschwellen der Mondscheibe. Dabei gilt der Mond als Antrieb des vegetativen und animalischen Lebens, als Symbol für den Lebensrhythmus, Todesrhythmus und den Rhythmus der Wiederauferstehung.

Antike
Der Mondgöttin Artemis war der Kirschbaum geweiht. Ab der Antike gilt der Kirschbaum als besonderer Mondbaum, somit auch als Baum der Unterwelt.

Germanen
Bei den Germanen wurden vor dem Gang in die Unterwelt des Todes Einweihungsriten abgehalten. Daraus sind Gespenstergeschichten entstanden, die vom Kirschbaum handeln.

Geschichten über Kirschbäume haben sich vom ursprünglichen Ganzheitssymbol des Lebens und des Todes auf Geschichten vom Unheimlichen reduziert, etwa so:

Unter dem Kirschbaum ist es nicht ganz geheuer, besonders bei Mondlicht huschen dort allerlei Gestalten vorbei. Es werden Gespenstergeschichten um Kirschbäume erfunden, die Geister des Kirschbaumes tauchen in weissen oder grünlichen Schleiern auf, auch die Seelen der Verstorbenen geistern unter dem Kirschbaum.

Blühende Kirschbäume werden beschrieben, indem Elfen im Mondlicht um den schimmernden Stamm tanzen, und Personen, die mit den Elfen tanzen, wird prophezeit, dass man sie am nächsten Morgen  tot unter dem Kirschbaum finden wird.

Oder ein Wanderer kommt im Mondschein an einem Kirschbaum vorbei, erblickt eine grosse Hand hinter dem Baum, und plötzlich springt der Besitzer dieser Hand, ein grosser Geist, vom Baum herunter und ist dann schnell verschwunden. Der Wanderer eilt verstört weg, dreht sich nochmals um. Das hätte er lieber nicht getan, denn, so heisst es: Seit diesem Moment bleibt dem Wanderer der Hals verdreht.

"Christentum"
Die Kirche erklärt die Kirsche wie den Apfel zur verbotenen Frucht. Die Volksbräuche um den Kirschbaum sind aber erhalten geblieben:

Der Schnitt der Kirschbäume erfolgt z.B. am Tag der "Barbara": Die "Barbara-Zweige" werden am 4. Dezember ("Tag der Barbara") durch heiratsfähige Mädchen abgeschnitten, die Zweige werden in eine Vase gestellt mit Wasser, jeder Reis wird mit dem Namen eines jungen Mannes versehen, den sich das Mädchen zum Manne wünscht. Wessen Zweig zuerst blüht, soll im nächsten Jahr der Auserwählte sein. Wenn kein Aufbrechen der Blüten vor Weihnachten erfolgt, so gibt es im nächsten Jahr keine Heirat.

Volksmedizin
Blätter, Stiele und Baumharz (Gummi) waren früher als harntreibende, schleimlösende Mittel bekannt. Tee aus getrockneten Fruchtstielen wirkt entwässernd und schleimlösend, besonders bei hartnäckigem Husten der Kinder.

Das Harz des Kirschbaums ("Katzengold") in Wein aufgelöst ist ein Hustentrank.

Das Kirschwasser aus den Kirschen ist ein Heilmittel für den schwachen Magen, gegen Ruhr, Gicht, Fieber u.a.

Kirschsaft ist blutbildend, ein gutes Diätgetränk bei niedrigem Blutdruck.

Die "Medizin" der Giftchemie von heute hat für die Kirsche kaum noch Verwendung.








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