aus:
-- Anke-Usche Clausen und Martin Riedel: Plastisches
Gestalten in Holz. Methodisches Arbeitsbuch Band III; J. Ch.
Mellinger-Verlag GmbH, Stuttgart 1970 ca.
-- Jean-Denis Godet: Bäume und Sträucher. Sehen, staunen,
bestimmen; Einheimische und eingeführte Baum- und
Straucharten. Arboris-Verlag, Hinterkappelen-Bern 1986
-- Fritz
Friedli-Boss: Schnitzen / La sculpture sur bois; Verlag
des Schweizerischen Vereins für Handarbeit und
Schulreform, 2. Auflage 1981
-- heute. Das Neueste am Abend, www.heute-onhline.ch
Sommerlinde und Winterlinde
Linde in der Namengebung
Schwedische Familiennamen sind direkt mit der Linde verbunden
wie Linnaeus (= Linné), Lindelius, Tiliander. Die Linde ist
ferner oft in Ortschaftsnamen präsent wie Lindau, Linden,
Lindenholz, Unter den Linden etc. In Deutschland sind es über
850 Ortsbezeichnungen. Auf Französisch kann man die Linde in
Ortsnamen wie Thielle oder Thyon wiederfinden.
Etymologie
Lint kommt von adjektivisch "lento", deutsch "biegsam" und
"beweglich". Die Eigenschaften des Holzes stehen für den Namen
"Linde". Ebenso ist die Bezeichnung "Lindwurm" zu verstehen,
ein sehr beweglicher, flügelloser Drache.
Gestalt
Linden werden bis zu 40 m hoch. Nach einem kurzen, geraden und
dicken Schaft teilt sich der Stamm in starke, knorrige Äste,
deren Äste wiederum tief herabhängen. Die Äste sind breit und
gerundet. Die Krone ist dicht und geschlossen. Die Linde
wächst langsam bis zu 60 Jahre lang, dann schnell. Das
Wachstum in die Höhe ist mit 150 Jahren abgeschlossen. Das
Wachstum in die Breite geht weiter. Es gilt der Volksspruch:
Die Linde kommt 300 Jahre, steht 300 Jahre und vergeht 300
Jahre.
Verbreitung: Sommerlinde - Winterlinde
In Mitteleuropa sind 4 Lindenarten heimisch. Weltweit sind es
400 Lindenarten, hauptsächlich in den Tropen. Die Linde gehört
zu den Reifhölzern. Die Linde wächst nicht gern gedrängt im
Wald. Sommerlinden finden sich in Europa Laubmischwäldern, in
den mitteleuropäischen Vorgebirgslagen bis 1000 m Meereshöhe.
Winterlinden wachsen in den Niederungen und in Auenwäldern bis
1800 m.
Die Linden von heute in den Wäldern haben keine
forstwirtschaftliche Bedeutung mehr.
Zu heisse Klimaten vertragen die Linden nicht. Infolge des
Klimawandels und des wärmer werdenden Klimas sterben die
Linden z.B. in den warmen Regionen in Mitteleuropa ab, z.B. in
Basel, wo die Linden die regelmässigen Hitzesommer nicht
vertragen, und absterben (heute. Das Neueste am Abend,
8.8.2007).
Boden
Der Boden muss tiefgründig, gut durchlüftet und kalkreich
sein.
Rinde
In jungem Alter ist die Rinde von Linden glatt, graugrün mit
hellgrauen senkrecht gewellten Streifen, dazwischen mit
dunkelbraunen Spalten. Im hohen Alter ist die Rinde der Linde
grob mit einer riesigen, dunkelbraunen Borge mit rombenartiger
Zeichnung. Die Rinde der Linde kann für Körbe und
Dachabdeckungen sowie zur Bastherstellung benutzt werden.
Holz
Das Lindenholz hat einen breiten Splint. Ein Farbkern fehlt.
Das Lindenholz ist weisslich, gelblich, oft leicht bräunlich
oder rötlich. Das Holz weist beim Trocknen ein mässig starkes
Schwinden auf. Das Holz ist in allen Richtungen leicht
bearbeitbar. Es hat einen hohen Eiweissgehalt und neigt
deswegen oft zu Holzwurm. Lindenholz ist zäh, fest, biegsam,
aber wenig elastisch, im Längsschnitt fein nadelrissig.
Lindenholz ist nicht witterungsresistent und kaum für den
Aussenbau geeignet.
Das Lindenholz ist weich und ist als Bauholz nicht verwendbar.
Auch als Brennholz ist es nicht zu gebrauchen. In der
Steinzeit, wo es nur Steinäxte gab, war es nur möglich, das
weiche Lindenholz zu bearbeiten. Mit der Entwicklung von
Metalläxten wurde es möglich, die Rinde in Streifen
abzuschneiden und so einen Rohstoff für Hausdächer und
Lindenbast für die Bekleidung und für das Haus zu gewinnen,
seit den Pfahlbauern. Aus Lindenbast werden Matten, Betten,
Kleidungsstücke, später auch Seile hergestellt. Im Mittelalter
wurden Kirchenfiguren oft aus Lindenholz hergestellt, woraus
in der Mönchssprache für Lindenholz der Begriff "Lignum
sacrum" kreiert wurde ("Heiliges Holz"). Lindenholz wird heute
industriell verwendet zur Herstellung von Reissbrettern,
Spielwaren, Truhen usw., wird verarbeitet zu Holzwolle,
Furnier, hochwertige Filter und Zeichenkohle.
Schnitzen: Lindenholz ist für Schnitzarbeiten ein gutes,
weissliches Holz, etwas lederig zäh, mit geringer Maserung,
geeignet für alle Schnitzarbeiten, Figuren, Reliefs,
Kerbschnitt oder Schalen. Wenn das Holz von einer alten Linde
stammt, ist das Holz oft faserig verwachsen und für flache
Schalen mit ebenen Böden nicht mehr gut verwendbar (Friedli,
S.10).
Blatt: Sommerlinde - Winterlinde
Die unregelmässig geformten Blätter der Linden haben genau die
Form des menschlichen Herzens. Die Herbstverfärbung ist gelb.
Das Lindenblatt der Sommerlinde ist 6 bis 10 cm lang, hat
einen kahlen Blattstiel und ist in den Nervenwinkeln weiss
behaart. Das Blatt der Winterlinde ist 5 bis 8 cm lang, mit
behaartem Blattstiel. IN den Nervenwinkeln ist das Blatt rot
behaart. Die Blattunterseite ist blaugrün.
Blüte: Sommerlinde - Winterlinde
Die Blüte der Lindenblüten erfolgt im Mai und Juni. Die Blüten
("flores tiliae") enthalten viel Schleim, Zucker, Wachs,
Gerbstoffe und Spuren ätherischen Öls, das Farnesol enthält.
Die Sammelzeit der Blüten ist der Juni oder der Juli. Die
Lindenblüten der Sommerlinde wachsen in Büscheln von 2 bis 5
hängenden Blüten, die der Winterlinde mit 5 bis 11 hängenden
Blüten. Die Blüten der Sommerlinde sind etwas grösser als die
der Winterlinde und blühen ca. 14 Tage früher als die Blüten
der Winterlinde.
Frucht
Die Frucht der Linde ist eine kleine Nuss, die aus dem
Fruchtknoten der Blüte entstanden ist. Die kleinen Nüsse
fallen im Herbst und Winter ab und werden zur
Zwischenverpflegung für Nagetiere.
Volksglaube
Nordeuropa
Für die Bevölkerungen Nordeuropas ist die Linde ein
Schicksals- und Familienbaum.
Germanen
Der Liebesgöttin Frigga oder Freya ist die Linde zugeordnet.
Sinnbild der Linde ist die Fruchtbarkeit, Güte, eine "linde"
Mütterlichkeit, eine Herzlichkeit und ein immerwährendes
Leben. Die Volks- und Gerichtsverhandlung ("Thing") fand bei
den Germanen "unter Linden" statt im Glauben, dass Freyas Baum
die reine Wahrheit ans Licht bringen werde. Der süsse Duft der
Lindenblüten sollte ausserdem Auswirkungen auf den Richter
haben, mildere Urteile zu fällen.
Auf Hügeln weit sichtbar angepflanzt gilt die Linde als
Freiheitsbaum. Wer ihn erriecht, über den war kein Urteil mehr
möglich.
Griechen
Die Linde ist in der griechischen Kultur ein Vertreter der
Weiblichkeit (gegenüber der Eiche als Vertreter der
Männlichkeit). Die Lindenblüten werden im Dienste von
Aphrodite, der griechischen Göttin der sinnlichen Liebe und
der Schönheit, zu Kränzen geflochten. Die Linde ist der
Aphrodite zugeordnet. Unter der Linde wurde für Aphrodite
geopfert.
Griechen, Römer
Es existieren Erzählungen, z.T. von Linde (Symbol für
Weiblichkeit) und Eiche (Symbol für Männlichkeit) zusammen.
Mittelalter
Seit der Zeit der Ortsbildung und Städtebildung wird die Linde
in Mitteleuropas Germanenzonen regelmässig im Zentrum der Orte
als "Dorflinde" angepflanzt, die nun den Platz des Spiels, des
Tanzes, des Gesprächs und der Hochzeit symbolisiert. Die Linde
wird auch im Minnesang bei Walter von der Vogelweide besungen.
Im Niebelungenlied ist es ein Lindenblatt, das bei Siegfried
zum Schicksal wird, das eine Lücke im Schutzpanzer
hinterlässt.
Die Kirche deutet die Freya-Linden der Germanenzonen in
Maria-Linden um (Marienlinden).
Die Linde blieb bis in die neuere Zeit mit Kreuz oder
Maria-Figur ausgerüstet. Die Freya-Linden dürfen alle
stehenbleiben.
Charakter
Bei freier Entfaltung hat die Linde eine weiche, einhüllende
Wirkung. Über Dorflinden existieren Gedichte, Lieder, Sagen
über die Linde, mittelalterliche Paartänze um die Linde,
begleitet von Handtrommeln, Tanzfeste. Die Linde ist ein Baum
der Liebe. Die meisten Lindengeschichten sind
Liebesgeschichten. Als Gerichtsbaum existieren auch viele
Sagen und Märchen, die von weisen oder ungerechten Urteilen
unter Linden erzählen, z.B. von Hermann Hesse die Geschichte
"Die drei Linden".
Volksmedizin
Lindenblütentee ist schweisstreibend und fiebersenkendes
Heilmittel. Der Lindenblütentee ist im Winter sehr lind-ernd
gegen Schnupfen, Grippe, Husten und Bronchitis, wie
Holunderblütentee. Lindenblütentee enthält schweisstreibende
Glycoside. Man soll den Lindenblütentee am besten heiss
trinken mit Honig gesüsst, am besten im Bett einnehmen. Bei
Husten wirkt Lindenblütentee schleimlösend und krampfstillend,
im Krankheitsfall mehrmals am Tag trinken.
Die Lindenblüten können auch äusserlich angewandt werden, z.B.
bei entzündeten oder ermüdeten Augen mit
Lindenblütenkompressen, die man vor dem Auflegen etwas
abkühlen lassen sollte. Bei empfindlicher Haut ist
Lindenblütenwasser bzw. Lindenblütentee ein mildes
Gesichtswasser.
Lindenkohle aus Lindenholz in feiner Pulverform wirkt im Magen
desinfizierend und bindet Giftstoffe und Säuren im Magen. Die
Anwendung kann bei Blähungen, bei Erbrechen, bei entzündlichem
Magen, bei Darmerkrankungen und bei Sodbrennen erfolgen. Die
Tagesdosis ist ein bis zwei Messerspitzen täglich. Diese
Anwendungen für den Magen können auch bei Tieren erfolgen. Man
mischt das Lindenkohlenpulver unters Futter in die Milch.
Lindenkohle zu Zahnpulver verarbeitet stärkt und reinigt das
Zahnfleisch.
Es existiert auch ein Wunderstreupulver aus Weidenrinde und
Lindenkohle.