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Albert Schweitzer 09: Kultur und Kulturentwicklung: Die Ehrfurcht vor dem Leben - Ideale+Ethik - Handwerk als Erziehungsmittel
Albert Schweitzer=einer der ersten "Ärzte ohne Grenzen"

Krieg zerstört alles: Handel, Landwirtschaft, Gesellschaft - die Technik-Kultur dreht ins Negativ-Destruktive - Weltanschauung geht, die Ideale der Kultur gehen, am Ende töten sich die Menschen - Ideale+Ethik+Fortschritt = Kulturentwicklung - Indien mit Bildungsverbot - Ureinwohner ohne Bildung - die ethische Welt- und Lebensbejahung - die Ehrfurcht vor dem Leben - negative Handlungen vermeiden - das Leben vernichten vermeiden - Ethik Mensch-Mensch und Mensch-Tierwelt - die helfende Hingabe - das Handwerk ist die Grundlage einer Kultur mit Erziehung zu Präzision und Zuverlässigkeit, Handfertigkeit und Intellekt werden gleichzeitig ausgebildet - wichtige Säger, Schreiner und Zimmermänner

aus: Albert Schweitzer: Aus meinem Leben und Denken -- Zwischen Wasser und Urwald (1920) -- Briefe aus Lambarene 1924-1927
In: Albert Schweitzer. Gesammelte Werke in fünf Bänden: Band 1; ExLibris-Verlag ohne Jahr (ca. 1970)

von Michael Palomino (2020)
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Literatur: Bücher von Albert Schweitzer mit medizinischen Angaben über die Urwald-Medizin

Medizinische Berichte aus Afrika:
1) Zwischen Wasser und Urwald (Edition Haupt, Berne 1921 - Englisch: On the edge of the primeval forest - Spanisch: Entre el agua y la selva virgen)
2) Briefe aus Lambarene 1924-1927 (Englisch: Letters from Lambarene 1924-1927)
3) Aus meinem Leben und Denken 1931 (Englisch: Out of My Life & Thought - Spanisch: Mi vida y pensamientos)

Weitere Quellen

Quellen für die Zeit von 1924-1927 in Lambarene sind auch die Hefte des C.H.Beck-Verlags, die vor allem für die SpenderInnen des Spitals geschrieben wurden:
-- Mitteilungen aus Lambarene. Erstes und zweites Heft (Frühjahr 1924 - Herbst 1925). C.H.Beck-Verlag, 164 Seiten
-- Mitteilungen aus Lambarene. Drittes Heft (Herbst 1925-Sommer 1927). C.H.Beck-Verlag, 74 Seiten
Die Hefte liegen auch in schwedischer, englischer und holländischer Ausgabe vor, englisch mit dem Titel: "More from the Primeval Forest"
(Leben+Denken, S.219)




Erster Weltkrieg 1914-1918: Weisse killen Weisse - Albert Schweitzer wird bis Ende Nov.2014 interniert - und die Afros verstehen das nicht
[Die Weissen haben die Weltmacht - und bekriegen sich
Die Weissen, die doch mit ihren Dampfschiffen, Telegrafenleitungen und Dampfmaschinen fast die gesamte Welt beherrschen, knallen sich nun gegenseitig ab. DAS können die Afros absolut nicht verstehen. Also irgendwas ist da falsch im Hirn der Weissen mit ihrer Jesus-Fantasie - es heisst doch in der Fantasie-Bibel: Du sollst nicht töten!]

5.8.1914
1Wk.: Kriegsausbruch in Europa+Internierungen - Schwarze schimpfen auf schwarze Soldaten, die einen weissen Arzt einsperren
Die Regierung in Paris gibt Albert und Helene Schweitzer auf Lambarene sofort Hausarrest und unterstellt sie schwarz-französischen Soldaten. Auch ein weiteres Missionars-Paar (auch Elsässer) auf Lambarene wird in Hausarrest versetzt. Viele Schwarze protestieren und beschimpfen nun die schwarzen Soldaten, dass nun Schwarze einen weissen Arzt einsperren (Leben+Denken, S.157).

1Wk.: Der Holzhandel der Schwarzen ist weg - Inflation - aber Albert Schweitzer hat einen Vorrat für sein Spital
Die Schwarzen verlieren den Holzhandel nach Europa - und die Inflation treibt die Preise hoch (Leben+Denken, S.157).

Albert Schweitzer hat trotz Kriegszustand genug Medikamente und Verbandsstoffe für seine Behandlungen auf Lager, er und sein Urwaldspital haben ein Riesenglück (Leben+Denken, S.174).

1Wk.: Schwarze Sichtweisen zu sinnlosen Kriegshandlungen
-- manche Weisse, die am Ogowe-Fluss leben, fallen dann bei Kriegshandlungen und werden getötet. Die Schwarzen kommentieren den Krieg als sinnloses "Palaver". Ausserdem pflegen sie andere Sichtweisen für Kämpfe mit Todesfolge:
-- wenn eine Kriegspartei jemanden tötet, dann muss die Täterpartei für das Töten eines Menschenlebens bezahlen
-- wenn man Menschen tötet, ohne sie nachher aufzuessen, so geschieht das Töten aus purer GRAUSAMKEIT (Leben+Denken, S.157).

ab 6.8.1914
1Wk.: Die weisse Technik-Kultur dreht ins Negativ-Destruktive
-- die weisse Technik-Kultur ist im Niedergang und die Leute knallen sich gegenseitig ab. Die Warnungen von Albert Schweitzer seit 1899 erfüllen sich (Leben+Denken, S.159).
-- das Werk "Die Epigonen", das Albert Schweitzer geplant hatte, hat nun keinen Sinn mehr, aber Albert Schweitzer schreibt es für sich selbst während des Hausarrests (!) (Leben+Denken, S.160)
-- dabei hat Albert Schweitzer Angst, dass die Wachen ihm seine beschriebenen Blätter rauben würden (Leben+Denken, S.160)

ab September 1914
1Wk.: Der Hausarrest für Albert+Helene Schweitzer lässt sich nicht aufrechterhalten, ist nicht durchführbar
-- ab ca. 10.8.1914 reklamieren in Lambarene die Weissen UND die Schwarzen GLEICHZEITIG bei den französischen Militärbehörden, dass nun der einzige Arzt der Region eingesperrt sein soll, und das geht doch nicht
-- manche Kranke bitten dringend um eine Behandlung bei Albert Schweitzer [denn sie sind teilweise über 100e km mit Familienmitgliedern angereist!]
-- der Bezirkshauptmann der französischen Armee muss Behandlungen erlauben und weist die Wachen an, die kranken PatientInnen zu Albert Schweitzer durchzulassen (Leben+Denken, S.160).

1Wk. während der Internierung: Kontakte nach draussen dank Robert Kaufmann
Albert Schweitzer kann seine Kommunikation mit der Welt durch einen Bach-Sänger in Züri - Robert Kaufmann - aufrechterhalten, der für Albert Schweitzer die Verbindung zum Interniertenbüro ("Office des Internés Civils") in Genf organisiert (Leben+Denken, S.173).

1Wk. während der Internierung: Beginn mit der Kulturphilosophie mit der Suche nach der Ethik - und wieso sie verloren ging
Albert Schweitzer hat nun den ganzen Tag frei und nützt die Zeit ab dem zweiten Tag für die Erarbeitung seiner Kulturphilosophie:
-- Weisse seien nur Epigonen (dies war die Diskussion in Berlin im Sommer 1899 im Hause Curtius)
-- die Menschheit geht in Richtung Selbstzerstörung (so dachte Albert Schweitzer seit seiner Universitätszeit)
-- während des Ersten Weltkriegs gelten Ideale nicht mehr, der Sinn für Gerechtigkeit und Zweckmässigkeit nimmt ab (Leben+Denken, S.158)
-- philosophische Hoffnungen für die Zukunft der Menschheit werden auf das Machbare reduziert (Leben+Denken, S.158-159)
-- "Realitätspolitik" wird zum kurzsichtigen Nationalismus
-- fortschrittsfeindliche Tendenzen werden gefördert
-- der Glaube an ein hohes Niveau an Erfindungen+Wissen+Geist+Ethik entpuppt sich als Aberglaube bzw. alte Kulturen erweisen sich als gescheiter als die neuen Technik-Kulturen der Weissen (!) (Leben+Denken, S.159)

Ende November 1914
Lambarene: Die Internierung für Albert+Helene Schweitzer wird aufgehoben
-- auf Betreiben eines Herrn Widor wird die Internierung für Albert+Helene Schweitzer aufgehoben. Sie dürfen nun auch offiziell wieder Leute heilen
-- in der Freizeit macht Albert an der Kulturanalyse weiter, z.T. nächtelang mit Gedanken an die Menschen in den Schützengräben. Der Knackpunkt ist dabei der Vorgang, warum es möglich ist, ganze Kulturen in den Untergang zu bringen (Leben+Denken, S.160)

Sommer 1915
Lambarene: Albert Schweitzer hat neue Thesen, wie eine Kultur verschwindet
Er will nun aber auch wissen, wie man eine Kultur wieder aufbaut (!) (Leben+Denken, S.160-161)

Die Erkenntnisse von Albert Schweitzer über den Niedergang von Kulturen: Zuerst geht die Weltanschauung - dann die Ideale der Kultur - dann die Menschen
-- zuerst kommt eine Katastrophe der Weltanschauung
-- dann zerstört die destruktive Weltanschauung die Kultur, deren Ideale dann nicht mehr gelten (Leben+Denken, S.162)
-- Lebensbejahung, Ethik+Fortschrittswille verlieren die Orientierung (Leben+Denken, S.165)
-- Welten verwandeln sich von ethischen in nicht-ethische Welt, weil die ethische Welt "nicht wirklich im Denken begründet war" [die Ethik war nur Fassade]
-- da war edles Denken, enthusiastisches Denken, Lebensbejahung, Ethik
-- aber dieses Denken war nur oberflächlich, ohne danach zu leben
-- das Zusammengehören der Elemente ist nur Empfindung, ohne danach zu handeln (Leben+Denken, S.166):
Zitat:
"Es [das Denken] empfand und erlebte die Zusammengehörigkeit des Ethischen und der Welt- und Lebensbejahung mehr, als dass es sie erwies." (Leben+Denken, S.166)

und:

"Es [das Denken] bekannte sich zu Welt- und Lebensbejahung und zu Ethik, ohne sich wirklich an sich und in ihrer innerlichen Verbundenheit ergründet zu haben." (Leben+Denken, S.166)
Wenn also ein Kultur kaputtgeht, dann war die "edle und wertvolle Weltanschauung" eher mehr ein Glauben und war kein reales Handeln und war somit nicht überlebensfähig, sondern andere Mächte übernehmen den Geist (Leben+Denken, S.166).

Die Erkenntnisse von Albert Schweitzer über den Neuaufbau einer Kultur: Ideale+Ethik mit Fortschritt oder Verneinung von Fortschritt
-- man muss die Ideale neu aufbauen
-- es muss eine Ethik aufgebaut werden, die die Welt und das Leben vor Gewalt schützt = "Welt- und Lebensbejahung"
Beispiele: Aufgeklärte Technik-Kultur
-- das kann eine fortschrittliche Kultur sein, die die Weiterentwicklung zulässt [und eine gewaltfreie Politik macht] (Leben+Denken, S.162)
-- Europa entwickelte den Fortschrittswillen im Alten Griechenland, dann kam ein Stillstand, das Mittelalter war durch Jesus-Fantasie-Kirche mit kirchlich-lebensfeindlicher Repression geprägt, und gleichzeitig meinten die Rom-Gott-Fantasie-Christen, das Fantasie-"Übersinnliche" sei der "Sinn des Lebens" (Leben+Denken, S.163)
-- die Renaissance sagte sich von den kirchlich-lebensverneinenden Dogmen los, entwickelte eine neue Ethik und eine "geistig-ethische Welt", die Leute wollen selbst eine "wirkende Kraft in der Welt werden" und so werden neue Ideale entwickelt, die dann die Welt umgestalten (Leben+Denken, S.164)
-- so wird die neuzeitliche Kultur begründet (Leben+Denken, S.164).

Ebensolche ethisch-fortschrittlichen Kulturen sind:
-- die Zarathustra-Kultur (die dann vom Mohammed-Fantasie-Islam vernichtet wird: Lebensbejahung, Ethik und Fortschrittswille verlieren die Orientierung)
-- das chinesische Denken bei Konfuzius (Kung-Tse), Meng-Tse, Mi-Tse etc. (die dann durch den englischen Kolonialismus fast total zum Verfall gebracht wird - die Lebensbejahung, die Ethik und der Fortschrittswille verlieren die Orientierung [die Mafia der East India Company aus London lässt in Indien Drogen anbauen, die dann in China verkauft werden, um China zu zerstören, dies fliegt erst mit dem Buch von Coleman "Das Komitee der 300" auf].

Kultur ohne Entwicklung in Indien
-- das kann eine negative Kultur wie in Indien sein, die jeden Fortschritt als "Torheit" ablehnt, [aber gleichzeitig gewaltfreie Politik macht] mit einem ewigen Rückzug ins Innerliche - sowie mit einer Interessenlosigkeit für die Gesamtheit der Menschheit - und mit einer Tatenlosigkeit im Sein - und mit dem einfachsten Abwarten des Nicht-mehr-Seins - und mit der Erwartung, schlussendlich über den Göttern zu stehen (Leben+Denken, S.162).
-- so denken die Brahmanen, und nun sollen in Indien alle Leute wie die Brahmanen werden [ein falsches Ideal] (Leben+Denken, S.163).

Kultur ohne Entwicklung der Ureinwohner
-- Albert Schweitzer meint, die Ureinwohnerkulturen ("Primitive und Halbprimitive") leben auch einfach so dahin ohne Fortschrittswille (Leben+Denken, S.163).
Ein Niedergang einer Kultur ist eine Folge der fortschreitenden Entkräftung der Weltanschauung mit der ethischen Welt- und Lebensbejahung (Leben+Denken, S.166).

Die Forschung, wie eine neue Kultur entsteht

ab Sommer 1915
-- Albert Schweitzer hält innerlich an der ethischen Welt- und Lebensbejahung fest (Leben+Denken, S.167)
-- wie eine neue Kultur entsteht, ist für Albert Schweitzer aber noch unklar (Leben+Denken, S.167-168)
-- alles, was er an Ethik studiert hat, ist unbrauchbar für die Aufgabe, eine neue Kultur entstehen zu lassen, also das war "unerforschtes Land" und somit Pionierarbeit:
"Zu meiner Überraschung musste ich also feststellen, dass die Zentralprovinz der Philosophie, in die mich das Nachdenken über Kultur und Weltanschauung geführt hatte, eigentlich unerforschtes Land war." (Leben+Denken, S.168)
Der Geist von Albert Schweitzer sucht nun nach neuen Worten und Begriffen (Leben+Denken, S.168).


Der Schlüssel für ein friedliches Leben: "Ehrfurcht vor dem Leben"

September 1915 (in Gabun Trockenzeit)
Eine Flussfahrt bringt die Lösung: Der Schlüsselbegriff für eine ganzheitliche Kultur: Ehrfurcht vor dem Leben
Albert und Helene Schweitzer sind am Kap Lopez am Meer zur Erholung von Helene. Da kommt eine Nachricht, eine Jesus-Fantasie-Missionarin - Frau Pelot - sollte behandelt werden, 200km weit weg flussaufwärts in N'Gômô. Ein Dampfer mit Schleppkahn steht bereit (Leben+Denken, S.168), Albert Schweitzer steigt noch schnell auf den Schleppkahn (Leben+Denken, S.169). Ein schwarzer Freund aus Lambarene - Emil Ogouma - ist mit an Bord auf dem Schleppkahn, sonst alles unbekannte Schwarze, die den Albert bei sich mitessen lassen, denn in der Eile konnte Schweitzer für sich für die Fahrt keine Lebensmittel mehr kaufen (Leben+Denken, S.168).

Die Fahrt flussaufwärts geht mühsam bei Niedrigwasser zwischen Sandbänken hindurch. Albert Schweitzer ist an Deck des Schleppkahns mit Stift und Papier und sucht immer nach der Lösung für die Entstehung einer Kultur. Am Abend des dritten Tages fährt der Dampfer mit dem Lastkahn durch eine Herde Nilpferde, und da kommt Albert Schweitzer der entscheidende Begriff für eine ganzheitliche Kultur in den Sinn:
"Ehrfurcht vor dem Leben." (Leben+Denken, S.169)
Dies gilt für die positiven Kulturen mit Weltbejahung, mit Lebensbejahung, mit Ethik, mit Kulturidealen (Leben+Denken, S.169).

Ende 1915ca.
Schlussendlich formuliert Albert Schweitzer die positiv-ganzheitliche Kultur

Vom Bewusstsein aus kommt der Mensch zur denkenden Weltanschauung.
Mit dem Bewusstsein denken heisst, ETWAS denken. Die Menschen mit Ehrfurcht vor dem Leben sind in folgendem Zustand (Leben+Denken, S.169):
"Ich bin Leben, das leben will, in mitten von Leben, das Leben will." (Leben+Denken, S.169-170)
Die Selbstreflexion und die Kontrolle des Verhältnisses zur Umwelt ist der
   -- "Wille zum Leben inmitten von Willen zum Leben"
   -- "geheimnisvolle Gehobenheit des Willens zum Leben" = Lust
   -- "Angst vor der Vernichtung+der geheimnisvollen Beeinträchtigung des Willens zum Leben"=Scherz (Leben+Denken, S.170).

Den Willen zum Leben bejahen heisst:
-- eine im instinktiven Denken vollzogene Tat wird nun bewusst realisiert
-- die eigene Existenz ist ein "unergründliches Geheimnis" (Leben+Denken, S.170).

Zitat Albert Schweitzer:
"Lebensbejahung
ist die geistige Tat, in der er [der Mensch / die Menschin] aufhört dahinzuleben und anfängt, sich seinem Leben (Leben+Denken, S.170) mit Ehrfurcht hinzugeben, um es auf seinen wahren Wert zu bringen." (Leben+Denken, S.171)
oder:
"Lebensbejahung ist Vertiefung, Verinnerlichung und Steigerung des Willens zum Leben." (Leben+Denken, S.171)
Der lebensbejahende Mensch ist ein "denkend gewordener Mensch"
-- und bringt anderem Leben dieselbe Ehrfurcht entgegen wie sich selbst
-- und kann sich in anderes "Leben hineinversetzen, mit Liebe, Hingabe, Mitleiden, Mitfreude, Mitstreben, und mit Solidarität" (Leben+Denken, S.171).

Die Sittlichkeit (Grundprinzip) der Lebensbejahung
Beschäftigungen und Arbeitsarten sind:
-- Leben erhalten / fördern / entwickeln / auf seinen höchsten Wert bringen (Leben+Denken, S.171).

Zu vermeidende Tätigkeiten sind:
-- Leben vernichten / schädigen / entwickelbares Leben niederhalten (Leben+Denken, S.171).


Die ganzheitliche Ethik

Die Ethik weltweit bis 1915
Die Ethik hat sich bis 1915 nur mit dem Verhalten von Mensch zu Mensch beschäftigt, die Tierwelt und Pflanzenwelt kommen bei ethischen Überlegungen nicht vor (Leben+Denken, S.171).

Die ganzheitliche Ethik von Albert Schweitzer ab 1915: Die helfende Hingabe
Die Ethik ab Albert Schweitzer fordert, auch das Verhalten von Menschen gegenüber Tieren und Pflanzen mit einem gewaltfreien Miteinander zu regeln (Leben+Denken, S.171).

Zitat Albert Schweitzer:
"Ethisch ist er [der Mensch / die Menschin] nur, wenn ihm [ihr] das Leben als solches, das der Pflanze und des Tieres wie das des Menschen [der Menschin], heilig ist und er [sie] sich dem Leben, das in Not ist, helfend hingibt."
und: Die Verantwortung gegenüber allem, was lebt, ist grenzenlos
und: Die Ethik zwischen Menschen ist nur EIN Teil der gesamten Ethik, aber ein besonderer Teil: Zitat Albert Schweitzer:
"Die Ethik des Verhaltens von Mensch zu Mensch ist nicht etwas für sich, sondern nur ein Besonderes, das sich aus jenem Allgemeinen ergibt." (Leben+Denken, S.171)
Die Zerstörung von Leben - der Fleischkonsum
= wenn ein stärkerer Lebenswille einen schwächeren Lebenswillen zerstört (Leben+Denken, S.171)
-- Tierhaltung und Fleischkonsum zerstören laufend Leben, das ist ein Leben auf der Basis von zerstörtem Leben (Leben+Denken, S.171-172)

Zitat Albert Schweitzer:
"Dies [die Solidarität mit anderem Leben] kann er [der Mensch / die Menschin] aber nicht vollständig durchführen, weil auch der Mensch unter das rätselhafte und grausige Gesetz gestellt ist, auf (Leben+Denken, S.171) Kosten anderen Lebens leben zu müssen und durch Vernichtung und Schädigung von Leben fort und fort schuldig zu werden." (Leben+Denken, S.172)
Das Leben ethischer Wesen - die real gelebte "Ehrfurcht vor dem Leben"
Ethische Wesen machen das Möglichste
-- um anderen nicht zu schaden
-- um sich mit Humanität zu bewähren
-- um andere von Leid zu erlösen (Leben+Denken, S.172).

DAS ist real gelebte Ehrfurcht vor dem Leben mit Ethik und Lebensbejahung. Dies betrifft alle Verhältnisse zwischen
Mensch / Menschin - Mensch / Menschin
Mensch / Menschin - Tier
Mensch / Menschin - Pflanzenwelt (Leben+Denken, S.172)

All diese Verhältnisse werden untersucht. Wer danach lebt, hat "die denkende Welt- und Lebensbejahung", was gemäss Albert Schweitzer "die geistig-ethische Vollendung des Menschen" darstellt (Leben+Denken, S.172).

Dieser starke, ethische Geist ist widerstandsfähig:
-- der "geistlose Kulturdünkel" kann ihm nichts mehr anhaben
-- der Wahrheit ins Auge zu schauen wird normal: Also:
   -- der Fortschritt von Wissen+Können ist nicht nur eine positive Entwicklung, sondern kann sich auch immer ins Negative verkehren: Die "wahre Kultur" wird nicht leichter
   damit, sondern schwerer
   -- man erkennt die Wechselbeziehung zwischen Geistigem+Materiellem
   -- Armut ist inakzeptabel (Leben+Denken, S.172).
   -- so kommt die "wahre Kultur" auf (Leben+Denken, S.173).

1915-1917
Lambarene: Albert Schweitzer entwickelt die Struktur seiner Kulturphilosophie
Die Kapitel sind die folgenden: Zitat:
"1. Von der gegenwärtigen Kulturlosigkeit und ihren Ursachen
2. Auseinandersetzung der Idee der Ehrfurcht vor dem Leben mit den bisherigen Versuchen der europäischen Philosophie, die Weltanschauung ethischer Welt- und Lebensbejahung zu begründen
3. Darstellung der Weltanschauung der Ehrfurcht vor dem Leben
4. Vom Kulturstaat."
Fehlende Bücher für die Ausarbeitung bekommt Schweitzer vom Zoologieprofessor J. Strohl und von dessen Ehefrau aus Zürich zugeschickt (Leben+Denken, S.173).

Albert Schweitzer hat dabei die Vorstellung, für ein "Zeitalter des Friedens" zu arbeiten (Leben+Denken, S.174)


April 1925ca.: Erkenntnis von Albert Schweitzer: Die Grundlage einer Kultur ist das HANDWERK - und nicht das Lesen und Schreiben
Albert Schweitzer sieht, dass die Grundlage einer Kultur das Handwerk ist, das die Menschen zur regelmässigen Arbeit und zur Zuverlässigkeit erzieht. DAS fehlt in Afrika. Also eine Kultur beginnt mit dem Handwerk, nicht mit Lesen und Schreiben (Briefe aus Lambarene, S.589).

Ohne gute Handwerker ist keine Grundlage für ein kulturelles Leben da, das zeigt sich in Lambarene ganz klar. Die Schwarzen in Gabun lernen Lesen und Schreiben, aber kein Werken (Briefe, S.589), und os können sie zwar verkaufen und schreiben, aber sie können keine soliden Bauten errichten. Albert Schweitzer schlussfolgert:

Staatskunde gemäss Albert Schweitzer:

Intellekt und Handfertigkeit müssen ZUSAMMEN ausgebildet werden, das ist die "gesunde Basis für den Aufstieg". (Briefe aus Lambarene, S.590)
"Hätte ich etwas zu sagen, so dürfte mir kein Schwarzer Lesen und Schreiben lernen, ohne zugleich Lehrling in einem Handwerk zu sein. Keine Ausbildung des Intellekts ohne gleichzeitige Ausbildung der Handfertigkeit! Nur so wird eine gesunde Basis für den Aufstieg geschaffen." (Briefe aus Lambarene, S.590)
Staatskunde gemäss Albert Schweitzer:

Staatskunde: Strassen und Eisenbahn in fremden Kontinenten nützen nichts, weil die Gehirne der Urbevölkerung damit nicht geschult werden

Wenn Ausländer Strassen oder Eisenbahnen bauen, ist damit noch nichts verändert. "Tüchtig" werden die Schwarzen durch Menschenrechte und Handwerk. Auf dieser Basis kommt die Kultur. Also:
--> Holzhauer --> Säger in Sägemühlen --> Schreiner und Zimmermänner bauen mit den gesägten Hölzern die Häuser.

Wenn das nicht so entwickelt wird, dann bleibt die Bevölkerung bei ihren Bambushütten und etwas Geld mit ein paar Konsumgütern stecken, die Mentalität ändert sich dann aber nicht (Briefe aus Lambarene, S.590). Albert Steiner Zitat:
"Wie lächerlich kommt es mir vor, wenn ich lese, dass Afrika der Kultur erschlossen wird, weil eine Eisenbahn jetzt bis dahin geht, das Automobil bis dorthin vordringt und ein Flugzeugdienst von da nach da eingerichtet werden soll. Damit ist gar nichts erreicht. "Inwieweit werden die Schwarzen tüchtige Menschen?" Dies ist das einzige, worauf es ankommt. Tüchtig werden sie durch religiöse und sittliche Unterweisung und durch das Handwerk. Alles andere hat erst einen Sinn, wenn dieser Grund gelegt ist.

Und von allen Handfertigkeiten ist die des Sägers wiederum die wichtigste. Der Säger schafft aus den Stämmen Bretter und Balken, aus denen wohnliche Häuser gebaut werden können. Ehe es Sägemühlen gab, haben unsere Voreltern Balken und Bretter von Hand gesägt. Und wenn die Schwarzen nicht denselben Weg gehen, so bleiben sie eben Wilde, mag einer oder der andere als Schreiber auch das Geld verdienen, um seinem Weibe seidene Strümpfe und Schühlein mit hohen Absätzen aus Europa kommen zu lassen. Beide samt ihren Nachkommen werden sie ja weiter in Bambushütten wohnen." (Briefe aus Lambarene, S.590)
Säger können manuell zu zweit arbeiten, pro Tag 10 Bretter oder Balken anfertigen (Briefe aus Lambarene, S.590-591).

Afrikas Regierungen merken die Wichtigkeit der Sägereien nicht und so bleibt die Bevölkerung in Bambushütten (Briefe aus Lambarene, S.591). Zitat Albert Schweitzer:
"Um Balken und Bretter aus einem Baumstamm zu sägen, legt man diesen über eine zwei Meter tiefe und vier Meter lange Grube. Mit einer langen geraden Säge wird er dann von zwei Sägern in Angriff genommen, von denen der eine auf dem Baume, der andere in der Grube steht. Der Weg der Säge ist durch sich entsprechende Striche auf der Ober- und Unterseite des Baumstamms (Briefe, S.590) vorgezeichnet. Die Kunst besteht darin, genau senkrecht zu sägen und oben und unten im Striche zu bleiben. Dies erfordert einige Übung. Zwei gut aufeinander eingearbeitete Säger bringen am Tage etwa 10 Bretter oder Balken fertig.

Dieses für hier wertvollste Handwerk wird als zu einfach und zu anstrengend am wenigsten geachtet. Darum leben die Leute in elenden Hütten, wo sie in Häusern aus Mahagoni wohnen könnten! Ich selber aber finde nicht einmal zwei Säger zum Zerlegen einiger dicker Balken in dünnere!" (Briefe aus Lambarene, S.591)
-- der weisse Kolonialist zerstört so die afrikanische Gesellschaft durch Lockvogelpolitik in die "Ferne" (Zwischen Wasser+Urwald, S.424)
-- man müsste die Leute in den Dörfern lassen und DORT Handwerker ausbilden (Zwischen Wasser+Urwald, S.423-424)

-- man müsste konsequent Pflanzungen anlegen und den Hausbau verbessern (Zwischen Wasser+Urwald, S.424)


Die Gefahr der Sklaverei

Die Regierung vergibt "Konzessionen" an grosse Gesellschaften über grosse Gebiete
-- solche "Konzessionen" an grosse Gesellschaften können zu Sklaverei ausarten wie im belgischen Kongo, oder es kann erzieherische Wirkung haben wie am Oberlauf des Ogowe in Gabun im Gebiet der "Gesellschaft des oberen Ogowe" (Zwischen Wasser+Urwald, S.426)

-- ein Staat muss Leute haben, die die Truppen ernähren und unterhalten (Zwischen Wasser+Urwald, S.426)

-- frische Nahrung und Urwaldwege bei dünner Besiedelung und langen Distanzen sind schwere Aufgaben für Afrika (Zwischen Wasser+Urwald, S.427)


Der Vergleich mit Kamerun

-- in Kamerun wurde ein Strassennetz durch den Urwald gebaut
-- Frauen müssen Fronarbeit zum Wegeunterhalt leisten
-- man sieht, das Strassennetz nützt der Urbevölkerung nur bedingt, bringt aber neue Sklaverei (Zwischen Wasser+Urwald, S.428)


Albert Schweitzer fordert die Erhaltung der Eingeborenenbevölkerung

-- Albert Schweitzer fordert: Die Erhaltung der Eingeborenenbevölkerung muss erste Priorität haben (Zwischen Wasser+Urwald, S.428)
-- Bildung für Schwarze fängt mit der Landwirtschaft und mit Handwerk an, einige sollen auch Sprachen und Handel können, diese hochgebildeten Regierungsbeamten sind aber dann entwurzelt und anfällig für Alkohol und hohe Kriminalität, und sie legen ihre schwarze Verschwendungssucht nicht ab und bleiben trotz hohem Lohn dann weiterhin arm
-- die Entwicklung der Gesellschaft und die Ethik ist also mit Bildung allein nicht gelöst (Zwischen Wasser+Urwald, S.428).

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Quellen


Fotoquellen



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